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Gefährdung durch Trommelrisse an Dampferzeugern

16. März 1971
Information Nr. 176/71 über die Gefährdung des Kraftwerksbetriebes infolge auftretender Trommelrisse an Dampferzeugern

Seit längerer Zeit wurden international, meistens aus der Fachliteratur, zunehmend Trommelrisse an Dampferzeugern mit einer Leistung ab 160 t/h bekannt. Diese Risse verlaufen in der Regel axial zur Trommelachse. Sie gehen von der Innenseite der Trommel, vom Rand der Bohrungen für die Fallrohre, aus.

Im September 1970 wurden am Dampferzeuger 12 im Kraftwerkskombinat Lübbenau/Vetschau – Betriebsteil Lübbenau – bei der Ursachenermittlung einer Havarie im Fallrohrsystem erstmalig Risse im Bereich der Fallrohrabgänge in der Trommel des Dampferzeugers 12 festgestellt. Damit wurden die Fachexperten der DDR zum ersten Mal konkret mit dem Fall des Trommelrisses an einem DDR-Dampferzeuger konfrontiert.

Zur Erforschung der Ursachen, für die Einleitung von Maßnahmen zur Schadenbeseitigung und für die Erarbeitung geeigneter Lösungsvorschläge in vorbeugender Hinsicht berief der Generaldirektor der VVB Kraftwerke eine Arbeitsgruppe, der u. a. Vertreter der Technischen Überwachung der DDR und des WTZ-Kraftwerksanlagenbau angehören.

Im Ergebnis ihrer Untersuchungen wurden bis zum 6.1.1971 in verschiedenen Kraftwerken an sechs Dampferzeugern Trommelrisse festgestellt. Aus diesem Grund wurde u. a. festgelegt, in allen bis zum 30.6.1971 planmäßig instand zu setzenden Dampferzeugern Untersuchungen auf Rissbildung einzuleiten.

Nach Konsultation mit den sowjetischen Überwachungsorganen Gosgortechnadsor1 und ZKTI Leningrad2 und gründlicher Auswertung der vorhandenen Literatur kommen als mögliche Ursachen für die Rissbildung in der Trommel von Dampferzeugern – ohne dass für diese Thesen ausreichende, wissenschaftlich begründete Untersuchungen bereits vorliegen infrage:

1. Die Trommelrisse entstehen im Zusammenwirken von thermischen und mechanischen Spannungen, bei denen auch Korrosionserscheinungen auftreten.

2. Die thermischen Spannungen resultieren aus der Fahrweise von Dampferzeugern. Hohe Dampftemperaturänderungsgeschwindigkeiten entstehen durch zu schnelles An- und Abfahren des Dampferzeugers, sodass es zu erheblichen Temperaturunterschieden zwischen Trommelaußen- und -innenwand kommt (bis zur Größenordnung von 160° C). Sowjetische Experten meinen, diese Temperaturunterschiede dürften maximal 50° C nicht überschreiten.

3. Wie aus den vorliegenden internationalen Literaturübersichten zu entnehmen ist, kann kaum mit einem Totlaufen der Risse gerechnet werden.

Daraus schlussfolgert man, dass bei weiterem Betreiben derartiger Dampferzeuger eine Gefahrensituation für die Kraftwerke eintreten wird, die bis zum Zerknall der Dampferzeuger führen kann, was eine teilweise Zerstörung der Kraftwerke zur Folge haben könnte.

Die Problematik der Trommelrisse ist international seit ca. fünf bis zehn Jahren bekannt.

Aus den Literaturübersichten ist u. a. auch zu entnehmen, dass bereits Trommeln in einigen Kraftwerken ausgewechselt werden mussten. Das Auswechseln der Trommeln war mit technologisch außerordentlich großen Schwierigkeiten verbunden und hatte sehr hohe Kosten verursacht.

(Die Trommel wird u. a. dadurch charakterisiert, dass sie der komplizierteste und wichtigste Druckkörper innerhalb eines Dampferzeugers ist. Ihr Gesamtgewicht beträgt ca. 70 t. In der Trommel herrschen ein Betriebsdruck von 150 kp und 350° C Temperatur.)

Zur Gewährleistung und Erhöhung der Sicherheit an derart gefährdeten Dampferzeugern orientiert die Technische Überwachung der DDR gegenwärtig darauf, die aufgetretenen Risse auszuschleifen und die Lochkanten abzuschleifen. Für die verbleibenden Querschnitte muss entsprechend den geltenden Vorschriften die noch vorhandene Sicherheit gegenüber der Technischen Überwachung nachgewiesen werden.

Die Untersuchungsergebnisse aller bis zum 30.6.1971 instand gesetzten Dampferzeuger sollen analysiert werden.

Auf der Grundlage dieser Ergebnisse werden dann weitere Maßnahmen festgelegt.

Weiterhin wird von Fachexperten auf die Notwendigkeit hingewiesen, wegen der hohen Temperaturänderungsgeschwindigkeit beim An- bzw. Abfahren der Dampferzeuger die geltenden An- und Abfahrkurven neu zu überrechnen, um auf diese Art und Weise zu minimalen Temperaturunterschieden zu gelangen.

Die neu berechneten Werte müssten dann durch verbindliche Festlegungen des Herstellerbetriebes den Betreibern von Großdampferzeugern, besonders in den Großkraftwerken, vorgeschrieben werden.

  1. Zum nächsten Dokument Tagung des Internationalen Fortsetzungsausschusses der CFK

    16. März 1971
    Information Nr. 189/71 über die 13. Tagung des Internationalen Fortsetzungsausschusses der Berliner Konferenz katholischer Christen aus europäischen Ländern in der Hauptstadt der DDR Berlin vom 4. bis 5. Dezember 1970

  2. Zum vorherigen Dokument Arbeitskreis russisch-evangelische Kirchen im Gustav-Adolf-Werk

    5. März 1971
    Information Nr. 164/71 über die Bildung eines »Arbeitskreises für russische evangelische Kirchen« durch Vertreter des »Gustav-Adolf-Werkes« und der »Evangelischen Kirche der Union« in der DDR