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Lage in der zweiten Novemberhälfte

[Ohne Datum]
Analyse vom 16. bis 30. November 1953 [Nr. 6/53]

Im Rahmen des Monats der deutsch-sowjetischen Freundschaft wurden die Veranstaltungen, in denen sowjetische Kulturgruppen auftraten, sehr gut besucht. Die Darbietungen der sowjetischen Freunde wurden überall freudig und dankbar aufgenommen. Bei einer solchen Kulturveranstaltung in Röbel/Neubrandenburg mussten 300 Einwohner wieder nach Hause gehen, weil der Saal mit 600 Personen brechend voll war.

Vereinzelt wurde in den Betrieben – geringer noch in der Landwirtschaft – der Freundschaftsmonat als Anlass zu Produktionsverpflichtungen, Wettbewerben u. Ä. genommen. So verpflichtete sich eine Jugendbrigade im Thälmann-Werk Suhl, ihre Leistungen um 25 % zu steigern. In Cammin/Neubrandenburg verpflichteten sich 40 werktätige Bauern, landwirtschaftliche Produkte über ihr Soll hinaus dem freien Aufkauf zu liefern. Im Allgemeinen sind jedoch die Diskussionen über die deutsch-sowjetische Freundschaft, die zu Beginn des Monats stärker waren, zurückgegangen.

Über die Erklärung Molotows1 und die Note der Sowjetregierung zur Einberufung einer Viermächtekonferenz2 wurde nur in geringem Ausmaß diskutiert. Die bekannt gewordenen Stimmen sind zum größten Teil positiv. Negative Stimmen wurden nur vereinzelt laut. Verbreitet sind Gleichgültigkeit und Misstrauen zum Erfolg dieser diplomatischen Schritte. Ein Einwohner aus Cottbus meint, jetzt könne es für die Westmächte kein Zurück mehr geben. Ein Arbeiter aus der Maxhütte meint, die SU sei vom Westen zu diesem Schritt gezwungen worden.

Durch die einseitige Aufhebung der Interzonenpässe im Westen3 erhielten die negativen Elemente vorübergehend neuen Auftrieb, und sie verstanden es auch, in einigen Bezirken breitere Diskussionen und negative Stimmungen zu erzeugen (vor allem in den Bezirken, die an die Demarkationslinie grenzen). Ein Einwohner aus Gotha/Erfurt meinte, jetzt läge es nur noch an der Regierung der DDR, ob die Spaltung Deutschlands beseitigt wird oder nicht.

Dagegen wurden zur Aufhebung der Interzonenpässe durch die Regierung der DDR4 weniger Stimmen bekannt, die aber zum überwiegenden Teil positiv gewesen sind. Ein Arbeiter aus Wittenberge/Schwerin sagte, dies sei der erste wirkliche Schritt zur Wiedervereinigung, aber man müsse jetzt eine strenge Kontrolle ausüben, damit keine Agenten mehr eingeschleust werden. Für die negativen Stimmen, die allerdings nur gering auftreten, ist die Meinung eines Arbeiters aus Sebnitz/Dresden charakteristisch; er meint, wir seien durch den Westen zu dieser Maßnahme gezwungen worden.

Auch über den Brief unserer Regierung nach Bonn5 und die Regierungserklärung6 vor der Volkskammer sind noch keine breiteren Diskussionen entstanden. Die noch geringen Stimmen, die bisher laut wurden, sind aber zum größten Teil positiv. Bei einem Teil der bekannt gewordenen Meinungen kommt immer wieder ein gewisser Unglaube an den Erfolg dieser Vorschläge zum Ausdruck. Ein parteiloser Arbeiter von der Schiffswerft Fürstenberg/Frankfurt/Oder meint, unsere Regierung habe nun schon genügend Angebote gemacht, und der Westen müsse doch nun endlich darauf eingehen. Ein Einwohner aus Wolfen/Halle sagte, das habe alles keinen Zweck, der Westen würde die Vorschläge sowieso ablehnen.

Industrie und Verkehr

Die Wettbewerbs- und Verpflichtungsbewegung in den Betrieben, begünstigt durch die Maßnahmen der Regierung zur Erhöhung der Lebenslage der Werktätigen, hat sich weiter ausgebreitet. Meistens handelt es sich hier um innerbetriebliche Wettbewerbe und Verpflichtungen zur vorfristigen Planerfüllung, Senkung der Selbstkosten u. Ä. Das Ausmaß dieser Bewegung ist in den einzelnen Bezirken sehr unterschiedlich. Während in Leipzig in 80–90 % aller Betriebe, in Suhl und Karl-Marx-Stadt in fast allen Betrieben innerbetriebliche Wettbewerbe laufen und in Erfurt in 25 % der Schwerpunktbetriebe die gesamte Belegschaft am Wettbewerb beteiligt ist, ist der Umfang der Verpflichtungen in Wettbewerbe in den Großbetrieben des Bezirkes Rostock gering, ebenfalls in Frankfurt/Oder. Freiwillige Normenerhöhungen sind im Verhältnis zur gesamten Industrie noch gering. In Magdeburg werden in den SAG-Betrieben auf Anweisung der sowjetischen Verwaltung keine Normenerhöhungen vorgenommen und die bisherigen rückgängig gemacht.

Im VEB Maschinenbau Nordhausen/Erfurt laufen Wettbewerbe um den besten Facharbeiter, Meisterwettbewerbe (bisherige Erfolge: 37 000 DM Einsparungen), Wettbewerbe zur Senkung der Selbstkosten (bisher 425 000 DM eingespart).

In der OGEMA-Konservenfabrik Seehausen/Magdeburg wurde die Produktion mithilfe der Frida-Hockauf-Bewegung7 gegenüber dem Vormonat um 15 % gesteigert.

Im VEB ELMO Dessau erhöhten mehrere Frauenbrigaden eine Norm um 10 % und eine um 25 %.

Nach wie vor sind in mehreren Bezirken Produktionsschwierigkeiten in einem Teil der Betriebe zu verzeichnen, die die Planerfüllung zuweilen erheblich gefährden. Ursachen sind in erster Linie: Mangel an Rohmaterial und Halbfertigfabrikaten (Lieferbetriebe erfüllen ihre Verträge nicht termingerecht), zuweilen ungewöhnlich hoher Ausschuss von angeliefertem Material, Strom- oder Transportraummangel, fehlende Ersatzteile für bestimmte Maschinen. Besonders sind davon die Bezirke Magdeburg, Halle, Erfurt, Potsdam und Frankfurt/Oder betroffen. In Leipzig haben diese Mängel ein wenig nachgelassen. Nur in Einzelfällen konnten solche Zustände im Wesentlichen beseitigt werden wie Garnmangel in der Cottbusser Textilindustrie.

Im VEB Nachterstedt/Halle (Energiebetrieb)8 fehlen trotz Zusage der DHZ Hochdruckkesselrohre. Durch häufige Rohrplatzer im Kesselhaus sind die dort beschäftigten Arbeiter ständig in Lebensgefahr. Mit dem Ausfall von Kesseln muss ständig gerechnet werden, das würde eine Einschränkung der Energieerzeugung bedeuten. Das Dieselmotorenwerk Rostock erhielt Zylinderköpfe mit 50 % Ausschuss geliefert, Zylinderblöcke mit 20 % und Umsteuerzylinder mit 85 % (!) Ausschuss.

Im Zementwerk Karsdorf, [Kreis] Nebra, [Bezirk] Halle, sind durch ständigen Waggonmangel die Silos überfüllt. Dadurch kann die Produktion nicht mehr auf vollen Touren laufen. Vom August bis November stieg der Rückstand in der Planerfüllung von 1 800 t auf 6 600 t pro Monat. Unter den Arbeitern des Werkes herrscht schlechte Stimmung, weil sie nebensächliche Arbeiten verrichten müssen, die nicht im Leistungslohn bezahlt werden. Dadurch wird ihr Verdienst geschmälert.

Während die Bevölkerung und auch die Arbeiter in den Betrieben auf die Presse- und Rundfunkberichte über die Zerschlagung feindlicher Agentengruppen verhältnismäßig wenig reagierten, setzte mit den Versammlungen in den Betrieben, in denen Funktionäre des Staatssekretariats für Staatssicherheit sprachen, ein großer Umschwung in der Meinung der Arbeiter ein.9 Diese Versammlungen verliefen sehr erfolgreich, bis auf einige Ausnahmen, wo die schlechte organisatorische Vorbereitung an der zu geringen Beteiligung und damit an dem geringen oder gar Misserfolg schuld war. Einmütig begrüßten die Arbeiter, dass die Staatssicherheit in die Betriebe kommt und mit ihnen Kontakt aufnimmt. Oft verpflichteten sich die Arbeiter zur erhöhten Wachsamkeit in ihren Betrieben und zur Unterstützung der Organe der Staatssicherheit. Sie forderten strengste Bestrafung der Verbrecher. Das ausgestellte Beweismaterial wurde interessiert betrachtet.

Im VEB »Heinrich Rau« Wildau wurde eine Versammlung mit einem außerordentlich guten Besuch und einer sehr guten Aufmerksamkeit der Teilnehmer durchgeführt, so wie es seit Langem nicht der Fall war. Im Karl-Liebknecht-Werk Magdeburg verpflichtete sich die Bedienung der 600-Tonnen-Presse in der Schmiede, ihre Maschine in persönlichen Schutz zu nehmen. Aus der Großkokerei Lauchhammer erschien am Tage nach der Versammlung ein Arbeiter auf der Dienststelle der Staatssicherheit und machte Angaben über verdächtige Erscheinungen im Werk. Im EKM Finow/Frankfurt/Oder nahm niemand an einer angesetzten Versammlung teil, weil sie überhaupt nicht vorbereitet war.

Handel und Versorgung

Die Belieferung der Bevölkerung mit Einkellerungskartoffeln hat sich im Republikdurchschnitt in der Berichtszeit von 83 auf 91 % erhöht. Dabei ist die Belieferung der einzelnen Kreise und Bezirke unterschiedlich. Im Bezirk Suhl ist sie abgeschlossen, im Bezirk Schwerin 80 %, in der Stadt Bernau 51 %. Die Leute, die noch keine Kartoffeln erhalten haben, sind äußerst unzufrieden.

Von der Bevölkerung wird beanstandet, dass nicht genügend Zutaten für die Weihnachtsbäckerei angeboten werden. Im Bezirk Karl-Marx-Stadt ist noch gar nichts angeliefert worden. Außerdem wird mehr Margarine Sorte I verlangt, Sorte III ist mehr vorhanden als gekauft wird. In den Bezirken Neubrandenburg, Halle, Leipzig, Gera und Karl-Marx-Stadt mangelt es an Winterbekleidung. Zeitweilige und örtlich begrenzte Mängel in vielen Warensortimenten bestehen nach wie vor.

Die hauptsächlichen Ursachen dieser Mängel in Handel und Versorgung liegen in der schlechten Planung und Verteilung, die im Ministerium für Handel und Versorgung beginnen und sich über die Bezirksräte bis zu den Räten der Kreise erstrecken. Eine unrühmliche Rolle spielen hier manche DHZ, die oft bürokratisch arbeiten. In Berlin z. B. stimmen die Pläne der Abteilung Handel und Versorgung beim Magistrat mit denen des Ministeriums überhaupt nicht überein.

Eine weitere ernstzunehmende Ursache ist der Transportraummangel, viele Handelsorgane besitzen nicht genügend eigene Fahrzeuge. Bedingt liegt der Mangel an Importware, wie bestimmte Zutaten für die Weihnachtsbäckerei, daran, dass Importverträge zuweilen nicht oder zu spät erfüllt werden.

Landwirtschaft

An Getreide wurden im Durchschnitt erst ca. 80 % erfasst. Während die Bezirke Suhl bereits 103,5 %, Dresden 98,3 % und Karl-Marx-Stadt 95,5 % abgeliefert haben, sind die Bezirke Frankfurt/Oder mit 72,6 % und Schwerin mit 77 % am weitesten zurück. Kartoffeln wurden im Durchschnitt ca. 85 % erfasst. An der Spitze stehen die Bezirke Suhl mit 99,3 % und Karl-Marx-Stadt mit 97,9 %. Am weitesten zurück sind die Bezirke Frankfurt/Oder mit 72 %, Leipzig und Schwerin mit 80 %.

In den Gebieten, wo sich die Partei und Verwaltung aktiv in die Erfassung eingeschaltet haben, zeigten sich gute Erfolge. So wurde z. B. durch gute Aufklärungsarbeit einer Erfasserbrigade aus Karl-Marx-Stadt in Kossin10/Potsdam die Ablieferung von 60 auf 90 % erhöht.

In einigen Fällen wurde jedoch auch in der Erfassung eine schlechte Arbeit geleistet, was sich auf die Stimmung der Bauern auswirkte. Wie in Steinfort/Rostock, wo der Bürgermeister bei einer alten werktätigen Bäuerin sämtliche Kartoffeln erfasste und abfuhr, sodass sie Kartoffeln für den eigenen Bedarf kaufen musste. Später teilte man ihr mit, dass bei ihr 40 Ztr. zuviel erfasst worden sind.

Verschiedentlich äußerten Bauern, wenn sie unter Druck gesetzt werden, wollen sie die DDR verlassen, so sagte z. B. ein Bauer aus Patzig11/Rostock: »Wenn ihr mir die Kartoffeln wegnehmt, dann bringt mir auch gleich eine Fahrkarte nach Westdeutschland oder Westberlin mit.«

Die mangelhafte Ablieferung wurde meistens mit einer schlechten Ernte begründet oder [damit], dass bei 100%iger Ablieferung die Futtergrundlage gefährdet sei. Dabei gibt es viele, die die Ablieferung bewusst hintertreiben, jedoch auch solche, die nicht mehr abliefern können und ihr Soll mit Austauschprodukten erfüllen wollen wie ein Kleinbauer aus Neuruppin, der erklärte: »Ich kann mein Kartoffelsoll nicht erfüllen und möchte dies gern durch Ablieferung mit Schweinefleisch begleichen, dies ist mir aber nicht gestattet.«

Die größten Schwierigkeiten machten die Großbauern, so wurde aus einigen Bezirken das versteckte Anlegen von Kartoffelmieten bekannt. Ein Großbauer aus Rohrlack/Potsdam hatte z. B. in seinem Garten eine Kartoffelmiete als Misthaufen getarnt. In einigen Fällen ging man sogar tätlich gegen die Erfasser vor. Wie in Senske/Potsdam, wo die Erfasser von ca. 50 Personen mit Knüppeln und Steinen bedroht wurden und die Menge äußerte: »Wir lösen wieder einen 17. Juni aus.« Im Allgemeinen halten sich die Großbauern zurück. Auf den Dörfern, wo sie jedoch Einfluss besitzen, treten sie offen auf. Die Mehrzahl der Großbauern steht bei der Ablieferung der landwirtschaftlichen Produkte an letzter Stelle, wie die nachstehende Aufstellung über die Erfassung im Bezirk Erfurt zeigt:

Hektar

1–5

5–10

10–20

20–50

über 50

% Kartoffeln

88,2

86,6

78,5

74,6

65,0

% Getreide

95,7

88,2

79,2

71,8

71,9

In verschiedenen Orten versuchen Großbauern, die Mittel- und Kleinbauern unter ihren Einfluss zu bekommen, um sich dadurch Vorteile zu verschaffen. Dies zeigt sich besonders deutlich bei den gegenwärtig stattfindenden Wahlen zu den VdgB-Ortsvorständen, wo verschiedentlich Großbauern zur Wahl vorgeschlagen wurden.

In einer Versammlung der VdgB in Lütten Klein12/Rostock erklärten Großbauern, dass sie nach dem neuen Kurs auch das Recht haben mit in die Leitung der VdgB gewählt zu werden. In einigen Fällen leisten die Großbauern auch offenen Widerstand gegen die Erfassung der Ernte, so wie ein Großbauer aus Dabergotz/Potsdam, der sich weigerte, sein restliches Kartoffelsoll (263 dz) abzuliefern und die Erfasser vom Hofe jagte.

Ein großer Teil der Verpflichtungen und Wettbewerbe wurde in den MTS abgeschlossen. Ihre Ziele waren u. a. das Ziehen der Winterfurche vorfristig zu beenden, Übernahme der Maschinen in persönliche Pflege, Betriebsstoffeinsparungen usw. Z. B. die MTS Wriezen/Frankfurt/Oder schloss sich dem Wettbewerbsaufruf des Kunstfaserwerkes »Wilhelm Pieck« in Schwarza zur Steigerung der Arbeitsproduktivität13 an und will ihren Feldarbeitsplan mit 130 % erfüllen.

In LPG und VEG wurden Verpflichtungen und Wettbewerbe in geringerem Maße als in den MTS durchgeführt. Der Inhalt war Steigerung der Arbeitsproduktivität, vorfristige Ablieferung des Solls und zusätzliche Ablieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, vorfristige Feldbestellung usw. So hat sich in dem Wettbewerb unter den LPG des Kreises Calau die LPG Wormlage verpflichtet, ihr gesamtes Fleischsoll für das Jahr 1954 bis zum 31.12.1953 zu erfüllen. Das VEG Kunnerwitz/Cottbus verpflichtete sich, 15 000 Ltr. Milch über das Soll zu liefern.

Übrige Bevölkerung

Im Ganzen gesehen hat sich die Stimmung der Bevölkerung noch etwas gebessert aufgrund der Maßnahmen im neuen Kurs. Die Mehrzahl der Diskussionen wurde über wirtschaftliche Fragen geführt, jedoch sehr unterschiedlich, je nachdem wie die Versorgungslage mit Lebensmitteln und Industriewaren gewesen ist. In diesen Diskussionen stand die teilweise noch ungenügende Belieferung mit Einkellerungskartoffeln mit an erster Stelle, besonders bei solchen Personen, die noch keine Kartoffeln erhalten haben, nahm die Unzufriedenheit zu. Wie ein Arbeiter aus Leipzig zum Ausdruck brachte: »Die Kartoffelversorgung ist eine große Schweinerei. Von den ›Großen‹ kümmert sich ja keiner darum, die haben ja ihre Kartoffeln.«

Weiterhin wurde noch über die schlechte Belieferung von Waren für die Weihnachtsbäckerei geklagt, dazu sagt eine Hausfrau aus Gera: »Ich bin nur gespannt, wenn wir Zutaten für die Stollen zu kaufen bekommen, vielleicht nach Weihnachten. Es geht mir nicht in den Kopf, dass es mit der Ernährung nicht klappen will.« Auch über die unzureichende Belieferung mit Winterkleidung wurde negativ diskutiert, wie das Beispiel einer Hausfrau aus Reichstädt/Dresden zeigt, welche sagte: »Ich kann nicht verstehen, warum man nicht begreift, dass wir auch Winterbekleidungen brauchen.«

Die Stromversorgung hat sich im Allgemeinen, bis auf die Bezirke Suhl, Erfurt und Frankfurt/Oder, weiterhin etwas verbessert. Gute Ergebnisse erzielte man durch eine intensive Überzeugungsarbeit. So war z. B. am 28. und 29.11.1953 der Bezirk Gera völlig abschaltfrei. Die Bevölkerung derjenigen Gebiete, die noch unter stärkeren Stromabschaltungen zu leiden haben, äußert starke Unzufriedenheit (besonders die Landbevölkerung). So wurde in mehreren Orten des Kreises Bad Salzungen/Suhl selbst in den abschaltfreien Wochen der Strom abgeschaltet.

Im Gegensatz zu den Betrieben, wo sich die Stimmung weiterhin verbessert hat, aufgrund der Verordnung, wonach jetzt auch Unverheiratete mit Kindern DM 40,00 Weihnachtszuwendung erhalten, hat sich die Stimmung bei einem beträchtlichen Teil der Angestellten und Arbeiter aus öffentlichen Verwaltungen und Institutionen, die keine Zuwendung erhalten, verschlechtert.14 Häufig tauchte dazu folgende Meinung auf, die ein Angestellter beim Rat der Stadt Egeln/Magdeburg zum Ausdruck brachte: »Das ist der Dank dafür, dass wir am 17.6. die staatlichen Einrichtungen vor Zerstörungen geschützt haben.«

Feindliche Elemente benutzen diese Unzufriedenheit, um Personen gegen den FDGB aufzuhetzen. Dies zeigt sich darin, dass man aus dem FDGB austreten oder keine FDGB-Beiträge mehr zahlen will. Der organisierte Charakter dieser Aktion wurde dadurch sichtbar, dass dies in vielen Bezirken und teilweise massiv festgestellt werden konnte, wie z. B. im Staatsbad Bad Elster, wo die Moorarbeiter erklärten: »Wir treten aus dem FDGB aus, wenn wir kein Weihnachtsgeld erhalten.« Die gleiche Absicht wurde auch in einer Belegschaftsversammlung des Krankenhauses Penig/Karl-Marx-Stadt zum Ausdruck gebracht, da angeblich der FDGB doch nicht die Interessen des Krankenhauspersonals vertritt. Von der Belegschaft der Poliklinik in Bad Liebenstein/Suhl wollen ca. 60 % keinen FDGB-Beitrag mehr zahlen, wenn sie kein Weihnachtsgeld erhalten.

Feindtätigkeit

Die feindliche Tätigkeit wurde gegenüber der 1. Novemberhälfte in gleichem Umfang fortgeführt. Die Flugblattverbreitung wurde, abgesehen vom Massenabwurf im Bezirk Frankfurt (800 000) in der vorhergehenden Berichtszeit, etwa im gleichen Maße weitergeführt. Schwerpunkte waren Berlin (55 000), Frankfurt, Gera, Potsdam und Cottbus (je 20 000–30 000). Insgesamt wurden 185 000 Flugblätter, größtenteils mit Ballons verbreitet und von Suchkommandos wieder sichergestellt. Der größte Teil war von der NTS,15 SPD-Ostbüro16 und KgU.17 Der Gegner versuchte weiterhin den Vertrieb von Hetzschriften durch die Post in einigen Bezirken zu verstärken.

Die Flugblätter und Hetzschriften der NTS richteten sich in der üblichen Weise gegen die SU und die Sowjetarmee. SED-Ostbüro und KgU verbreiten die Parole »Langsam Arbeiten«, Hetze gegen Walter Ulbricht, den FDGB und das SfS. Die SPD wendet sich besonders an die Arbeiter und versucht sie von der Unterstützung des neuen Kurses abzuhalten, durch Argumente gegen die Steigerung der Arbeitsproduktivität und Normenerhöhung. Die KgU propagiert den Widerstand und die Sabotage, fordert auf zum Austritt aus den LPG und Nichtbezahlung der Beiträge für Massenorganisationen. Der UfJ18 fordert die Eisenbahner auf, Planung und Normen abzulehnen, die Bauern werden angesprochen,19 »Forderungen« nach dem neuen Kurs zu erheben. In weiteren Flugblättern wird versucht, die Arbeit der Aktivisten zu lähmen, die Jugend von der Werbung zur KVP abzuhalten. Fortschrittliche Kräfte werden aufgefordert, mit der demokratischen Politik zu brechen und Verbindung mit dem Westen aufzunehmen.

Die Westpresse propagierte die »Ami-Butteraktion«.20 Weiter wurde bekannt gegeben, dass der Bundesjugendring seinen Einfluss auf die Jugend der DDR erweitern will, dass zu Weihnachten Oberschüler aus dem demokratischen Sektor von Berlin in Westberlin Geldgeschenke erhalten und Kinder zu Feiern eingeladen werden.

Das Hilfswerk der evangelischen Kirche in Westdeutschland hat zur Päckchenhilfe für die Bewohner der DDR aufgerufen. Außerdem organisiert das sogenannte »Evangelische Hilfswerk für Internierte und Kriegsgefangene« den Versand von Weihnachtspaketen an die Angehörigen der »Gefangenen« in der DDR.

Der RIAS versuchte die FDJ zu beeinflussen, in den Interessengemeinschaften solche Funktionäre zu wählen, die westliche Interessen vertreten. Durch Lügen über Verhaftungswellen wurde versucht, die Arbeiter in den Betrieben zu beunruhigen. RIAS prophezeite den »Angriff auf die Lohntüte« durch generelle administrative Normerhöhung, deshalb fordert er die Arbeiter auf, nicht durch Mehrleistung im Wettbewerb selbst die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Die Facharbeiter der SAG versucht der RIAS zu beunruhigen, sie sollen angeblich als ungelernte Arbeiter in der Gebrauchsgüterindustrie beschäftigt werden. Tierärzte werden vor Impfungen bei Schweinepest gewarnt und Bauern wird nahegelegt, unter dem Vorwand der Ansteckungsgefahr bei Schweinepest, die Erfasser und Kontrolleure vom Betreten ihrer Stallungen abzuhalten.

Die Beteiligung der Bewohner aus dem demokratischen Sektor an der Butteraktion in Westberlin war verhältnismäßig stark. So nahmen allein in den Vormittagsstunden des 23. November ca. 3 000 Personen und am 26. November 1953 ca. 4 000 Personen die »Ami-Butter« in Empfang.

Der Gegner setzte seine terroristische Tätigkeit unvermindert fort. Bei 17 Fällen richtete sich der Terror in fünf Fällen gegen zwei Angehörige der Sowjetarmee und sechs SED-Funktionäre und -Mitglieder, in zwei Fällen gegen Angehörige des SfS, in vier Fällen gegen VP und KVP, in sechs Fällen gegen verschiedene Funktionäre, ein LPG-Mitglied und eine Arbeiterin. Außerdem gab es im Bezirk Gera einige Schlägereien und Angriffe auf Funktionäre der Partei und des öffentlichen Lebens. Weiterhin wurden auf Straßen in den Kreisen Köthen und Zittau Drahtseile in einem Meter und in Kopfhöhe gespannt, wodurch in Olbersdorf, Kreis Zittau, eine Person verletzt wurde.

In der Industrie wurde in zehn Fällen die Diversion und versuchte Diversion festgestellt, in der Landwirtschaft vier Fälle, wobei fünf Traktoren beschädigt wurden. Bei Brandstiftungen in der Landwirtschaft wurden zwei VEG, ein kreiseigenes Gut, drei LPG und ein Genossenschaftsbauer geschädigt (insgesamt 7 Brandstiftungen).

In einigen Fällen wurden in der Industrie Sabotage und versuchte Sabotage festgestellt, durch Fertigung von Ausschuss, Verzögerung von Reparaturen zum Nachteil der Stromversorgung, Beseitigung von Modellen und Gussformen, Fälschung von Unterlagen und falsche Planung zum Nachteil der Produktion. Aus der Landwirtschaft wurde außer der Sabotage in der Ablieferung nur ein Fall bekannt, wo der Stallmeister der LPG Bartensleben/Magdeburg die Kühe bewusst mit großen Mengen Zuckerrübenspitzen fütterte und damit deren Erkrankung sowie Milchausfall verursachte. Fälle von versuchter Desorganisation wurden vereinzelt festgestellt durch Zustellung von gefälschten Kohlenbezugsscheinen und einigen anderen gefälschten Anweisungen.

Feindliche Gerüchte zur Beunruhigung der Bevölkerung wurden in Magdeburg verbreitet über einen neuen »Tag X«21 am 15. Dezember oder im Januar/Februar 1954. Des Weiteren auf dem Lande vereinzelt, dass ab 1.1.1954 die Preise für den freien Aufkauf der Schweine gesenkt werden sollen.

Einschätzung der Situation

Die Stimmung der Bevölkerung hauptsächlich in den Industriegebieten und besonders der Arbeiter hat sich in der zweiten Novemberhälfte noch etwas gebessert, aufgrund der Maßnahme der Regierung zum neuen Kurs, teilweise auch durch die Aufhebung der Interzonenpässe. Die Belegschaften vieler Betriebe, MTS und zum Teil auch LPG und VEG unterstützen in steigendem Maße aktiv den neuen Kurs durch Produktionsverpflichtungen, Wettbewerbe usw. Teilweise verschlechtert hat sich die Stimmung unter den Menschen der Kreise, wo größere Mängel in der Versorgung, besonders mit Kartoffeln, gewesen sind, unter den Bauern, wo die Erfasser Zwangsmaßnahmen bei der Ablieferung ergreifen mussten und unter einem Teil der Beschäftigten in öffentlichen Verwaltungen und Institutionen wegen der Weihnachtszuwendung.

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