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Tagesbericht

10. November 1953
Informationsdienst Nr. 2017 zur Beurteilung der Situation

Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft

Industrie und Verkehr

Zur 36. Wiederkehr des Tages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution werden noch aus einzelnen Betrieben Verpflichtungen bekannt, die anlässlich dieses Tages eingegangen wurden. Diskussionen unter den Arbeitern über die Bedeutung dieses Tages treten heute nur noch sehr vereinzelt auf. In einigen Fällen wird von den Arbeitern besonders anerkennend hervorgehoben, wo sowjetische Genossen Objekt- oder Schachtleiter zu den deutschen Arbeitern sprachen.

So verpflichtete sich z. B. ein parteiloser Arbeiter des Karl-Liebknecht-Werkes Oelsnitz/Karl-Marx-Stadt aus Anlass des 36. Jahrestages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution 400 t Kohle über den Plan hinaus zu fördern. Er sagte dazu: »Mit dieser Verpflichtung schließe ich mich dem Beispiel der Kollegin Frida Hockauf an.1 Ich habe erkannt, dass so, wie wir heute arbeiten, morgen unser Leben sein wird. So wie wir durch unsere Hände Arbeit die Voraussetzung schaffen, wird unsere Regierung morgen bessere und mehr Waren verteilen und die Politik der Preissenkung fortsetzen.«

Von den Arbeitern des Stahl- und Walzwerks Brandenburg/Potsdam wurden Einzel- und Kollektivverpflichtungen eingegangen, an denen 2 300 Arbeiter beteiligt sind. Darunter sind Normenerhöhungen von 3–10 %.

Zu einer Ansprache eines sowjetischen Schachtleiters in Freital/Dresden äußerten sich mehrere Kumpel: »Man konnte es richtig merken, dass die Worte des Schachtleiters keine leeren Worte waren, sondern dass sie ihm aus dem Herzen kamen.«

Über die letzte Note der SU2 an die Westmächte werden heute nur vereinzelt Diskussionen bekannt, die größtenteils positiv sind. In den Stellungnahmen kommt jedoch verschiedentlich zum Ausdruck, dass Noten schon genügend gewechselt wurden, jetzt müssen die Westmächte einmal positiv darauf reagieren.

Ein Angehöriger der technische Intelligenz des EKB Bitterfeld/Halle: »Wir sind mit der Hoffnung erfüllt, dass die neue Note nun endlich bewirken wird, dass wir wieder ein einheitliches Deutschland werden. Noten sind schon genügend gewechselt worden. Ich hoffe, dass die Westmächte endlich einmal Stellung dazu nehmen.«

Von mehreren Arbeitern des Leuna-Werkes »Walter Ulbricht« wird zum Ausdruck gebracht: »Die Note ist gut, aber bei den Imperialisten findet sie keinen Anklang. Wir müssen es der westdeutschen Bevölkerung zeigen, wie es bei uns vorwärts geht, damit sie den Ami zum Teufel jagen. Nur durch unsere Arbeit können wir einen neuen Weltkrieg verhindern.«

Zu dem Schreiben der DDR an die Westmächte3 sind nur sehr vereinzelte Stellungnahmen bekannt. Ein Arbeiter des VEB Ostglas Bischofswerda/Dresden: »Das Schreiben der DDR an die Westmächte zeugt davon, dass unsere Regierung sich immer wieder für gemeinsame Verhandlungen einsetzt, um die Einheit Deutschlands zu erreichen. Die Westmächte dagegen werden wieder alles versuchen, diesem Schreiben aus dem Wege zu gehen.«

Die von der Regierung beschlossene Ausgabe von Weihnachtszuwendungen4 an die Belegschaftsmitglieder volkseigener Betriebe wird von den Arbeitern freudig begrüßt. Ein Arbeiter des VEB Textima Zittau/Dresden: »Durch diese Maßnahme wird es gelingen, die noch gegenüber dem neuen Kurs abseits stehenden Kollegen von der Richtigkeit des neuen Kurses zu überzeugen.«

Im Gegensatz dazu gibt es unter den Arbeitern der Privatbetriebe Verärgerungen darüber. Ein BGL-Vorsitzender der Privatfirma Häbler Zittau vertritt die Meinung, dass nur FDGB-Mitglieder diese Weihnachtszuwendung erhalten dürften, dann könnten auch die Kollegen der Privatbetriebe bedacht werden. Man sollte die Gelder vom FDGB verwenden und nicht die, die aufgrund erhöhter Produktivität in den volkseigenen Betrieben entstehen.

Zur Festnahme der Agentengruppen in der DDR5 wird größtenteils positiv diskutiert. Ein Arbeiter aus Oberschlema: »Die Arbeiter müssen noch viel wachsamer sein, besonders in den Betrieben müssen sie die Augen offenhalten, um die Agenten besser entlarven und den Sicherheitsorganen übergeben zu können.«

Eine Angestellte aus Schwerin: »Jetzt muss es ganz besonders unsere Aufgabe sein, noch mehr als bisher wachsam zu sein, um rechtzeitig diese Verbrecher zu erkennen und zu entlarven. Deshalb verpflichte ich mich als ehrenamtlicher VP-Helfer mitzuwirken.«

Die Verpflichtung zur vorfristigen Planerfüllung bis 21.12.1953 in der VEB Schuhfabrik Neuruppin/Potsdam kann nicht eingehalten werden, da die notwendigen Kamelhaarstoffe und sonstigen Stoffe zur Herstellung von Hausschuhen von der DHZ Luckenwalde noch nicht einmal für Oktober und November angeliefert wurden.

Unzufriedenheit über Unregelmäßigkeiten im Zugverkehr herrscht unter den Arbeitern. Auf den Strecken Brieselang–Hennigsdorf und Großziethen–Berlin treten in letzter Zeit Verspätungen bis zu 2½ Stunden auf. Die Arbeiter haben dadurch Lohnverluste.

Wegen Waggonmangel treten Produktionsschwierigkeiten im VEB Holzverarbeitung Bad Kösen und VEB Blechverarbeitungsbetrieb Naumburg auf. Der Betrieb VEB Holzverarbeitung bekommt z. B. zum Abtransport der Fertigware keine Waggons. Dadurch kann der Betrieb augenblicklich nur mit einer Schicht arbeiten.

Handel und Versorgung

Schwierigkeiten in der Versorgung mit Einkellerungskartoffeln werden aus den Bezirken Halle, Magdeburg, Potsdam, Cottbus, Dresden und Leipzig gemeldet. In Riesa/Dresden liegt die Versorgung mit Einkellerungskartoffeln bei 23 %, im Bezirk Magdeburg bei 73,4 %, wo jedoch die weitere Erfassung immer größere Schwierigkeiten macht. Von der Bevölkerung aus Oranienburg/Potsdam werden bereits Kartoffeln aus dem Westsektor Berlins geholt. Eine Hausfrau aus Borna/Leipzig äußerte in der Konsumverkaufsstelle: »Man müsste vor den Kreisrat ziehen und dort demonstrativ die Herausgabe der Kartoffeln verlangen.«

Schlechte Warenverteilung wird aus dem Bezirk Rostock gemeldet. Der private Handel in Grimmen erhält z. B. mit freier Abfuhr aus Stralsund Frischfleisch jeglicher Art, der Konsum und HO dagegen nicht. Begründet wird dies damit, dass die angegebenen Kontingente für den staatlichen Handel aufgebraucht seien.

Im VEB Metallweberei Brünn/Suhl klagen die Kollegen über mangelhafte Belieferung mit Arbeitskleidung. Obwohl die Arbeiter Bezugsscheine erhielten, war es nicht möglich, diese einzulösen.

Landwirtschaft

In der Kartoffelerfassung sind in fast allen Bezirken Schwierigkeiten zu verzeichnen. So wird z. B. aus Rostock und Magdeburg berichtet, dass LPG und Kleinbauern vorbildlich abliefern, demgegenüber aber Groß- und Mittelbauern teilweise Schwierigkeiten bereiten. So hat z. B. ein Großbauer aus Alt Bukow/Rostock ca. 300 Ztr. Kartoffeln eingemietet, obwohl er noch 300 Ztr. auf Soll zu liefern hat. Zum Erfasser, der ihn auf seine Ablieferungspflicht hinwies, äußerte er: »Ich liefere kein Getreide, auch keine Kartoffeln, ich werde euch was scheißen.«

Wie aus Halle berichtet wird, wird die Ablieferung durch die Bildung von Erfassungsaktivs in den Kreisen schneller vorangetrieben. Aus dem Kreis Rathenow/Potsdam wird bekannt, dass die Bauern Kartoffeln eingemietet haben, [sich] mit der Ablieferung aber zurückhalten. In verschiedenen Gemeinden konnte festgestellt werden, dass durch die Überzeugungsarbeit der eingesetzten Brigaden gute Erfolge erzielt werden konnten. Von der VEAB Luckenwalde erhalten die Bauern bei Ablieferung von Kartoffeln Kleie, wodurch das Argument, bei 100%iger Ablieferung keine Futtergrundlage zu haben, wirkungslos wird.

In verschiedenen Gemeinden des Kreises Templin/Neubrandenburg herrscht unter den Bauern Empörung, dass von einigen Erfassern der VEAB auch die kleinsten Mengen an Speisekartoffeln erfasst werden, zum Teil sogar Saat- und Futterkartoffeln.

In Kuhz/Neubrandenburg wurde von Erfassern der VEAB einem werktätigen Bauern, der sein Soll noch nicht erfüllt hat, zwei Schweine zu je 100 kg abgenommen. Dazu äußert sich dieser empört: »Dass ist ja dasselbe wie vor dem neuen Kurs. Ich wollte die Schweine, da ich jetzt mehr Futter habe, bis Dezember auf ein besseres Gewicht bringen, was dem Staat und auch mir mehr nützen würde.«

Aus Leipzig wird berichtet, dass allgemein eine Zurückhaltung in der Ablieferung von Schweinen festzustellen ist. Da die Bauern zzt. gutes Futter haben, wollen sie erst abliefern, wenn diese fett gefüttert sind.

Die LPG in Hilbersdorf/Karl-Marx-Stadt ist vorbildlich in ihrer Ablieferung und hatte bereits am 31.10.1953 ihre Herbstbestellung beendet. Zzt. helfen sie den werktätigen Bauern bei der Herbstbestellung, was sich positiv auswirkt.

Wie aus Gera berichtet wird, bestehen noch Schwierigkeiten in der Buchführung der LPG. Die meisten Bauern sind nicht schriftgewandt und verlieren leicht den Mut, wenn sie sehen, dass beim besten Willen immer und immer wieder Fehler gemacht werden. Von den VdgB und BHG erhielten sie nicht die notwendige Unterstützung.

Stimmung der übrigen Bevölkerung

Über den 36. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution wird allgemein nur in geringem Maße diskutiert. Zum überwiegenden Teil sind es Mitglieder unserer Partei, die sich positiv äußern und die Bedeutung dieses Tages hervorheben. Verschiedentlich wird die Frage aufgeworfen, warum die Gefallenen der faschistischen Wehrmacht nicht auch geehrt werden.

Eine Verkäuferin aus Jüterbog/Potsdam: »Der 7. November ist für die Sowjetmenschen ein großer Ehrentag. Auch wir haben allen Grund, diesen Tag festlich zu begehen, denn nur dadurch war es möglich, den Faschismus zu zerschlagen. Das Sowjetvolk hat u. a. auch das deutsche Volk in jeder Beziehung unterstützt.«

Eine Hausfrau aus Oelsnitz/Vogtland: »Weh tut es einem schon, wenn man sieht, wie die sowjetischen Soldaten geehrt werden und unsere Männer werden so in den Schatten gestellt. Hitler hat sie ja gezwungen, sie wollten auch nur das Gute. Ein bisschen könnte man auch an sie denken.«

Über die letzte Note der SU an die Westmächte wurden nur vereinzelt Äußerungen bekannt. Ein Lehrer aus Zossen: »Die Note der SU ist ein erneuter Beweis, dass die SU in allen Fragen helfen will und dass sie darauf dringt, dass Deutschland einen Friedensvertrag erhält.«

Eine Hausfrau aus Liebenwerda/Cottbus: »Dieses lange Zeug liest man ja doch nicht mehr, da wird festgestellt, dass wir schon acht Jahre keinen Friedensvertrag haben, dass Deutschland noch gespalten ist, immer wieder dasselbe. Was die anderen darauf antworten, kann man sich schon denken, dass ist auch immer wieder dasselbe.«

Über die Stromabschaltungen sind negative Diskussionen in den Bezirken Karl-Marx-Stadt und Dresden zu verzeichnen. So sagt ein Tischlermeister aus Burkhardtswalde/Dresden: »Hätte Russland statt Mähdrescher lieber Turbinen gebracht, so wäre uns geholfen. Jetzt sitzt man bei der Stromsperre im Finstern und gearbeitet kann auch nicht werden.«

In der Kreisstadt Waren/Neubrandenburg wurden durch den Kreisarzt 37 Typhusausbrüche festgestellt.

Organisierte Feindtätigkeit

Verstärkte Verbreitung von Flugblättern wird aus den Bezirken Potsdam und Frankfurt/Oder gemeldet, vereinzelt aus den Bezirken Karl-Marx-Stadt, Cottbus, Gera, Neubrandenburg, Rostock, Dresden. In der Mehrzahl handelt es sich um Flugblätter der NTS,6 KgU7 und SPD.8

Am 8.11.1953 wurden drei Kreisparteischullehrer in Welzow/Cottbus von drei Jugendlichen im Alter von 21 bis 30 Jahren niedergeschlagen.

Am 8.11.1953 brannte eine Scheune der LPG in Borstel/Stendal, in der 350 Ztr. ungedroschener Hafer, Kunstdünger und Maschinen lagerten, nieder. Sachschaden: ca. 15 000 DM. Die Täter wurden noch nicht gefasst.

In Quedlinburg/Halle wurden bis zum 9.11.1953 acht Stück gefälschte Fünf-DM-Scheine aus dem Zahlungsverkehr gezogen. Es handelt sich um verblichene Scheine mit einer 7-stelligen Seriennummer (Original 6-stellige Seriennummer).

Vermutlich organisierte Feindtätigkeit

Am 8.11.1953, gegen 10.00 Uhr, fand eine illegale Versammlung von Kumpeln (120 Personen) des Wismut-Objektes Oberschlema im Bürgergarten in Stollberg statt. Der Grund war die Forderung zum Einsatz von Omnibussen für An- und Abtransport zur Arbeitsstelle. Zwei Delegationen wurden gewählt, die ihre Forderung evtl. in Berlin durchsetzen sollen.

Am 7.11.1953 fand in einer Gastwirtschaft im Kreis Meiningen ein Treffen der »Egerländer Umsiedler« statt. In Stassfurt (Staßfurt)/Magdeburg fand am 8.11.1953 in einer Gastwirtschaft ein gemeldetes Umsiedlertreffen, an dem 51 Personen teilnahmen, statt.

Einschätzung der Situation

Der in den letzten Wochen in den Betrieben anhaltende Aufschwung in der aktiven Unterstützung des neuen Kurses durch die Wettbewerbsbewegungen und die Verbesserung der Produktion wird weiteren Auftrieb erhalten durch den von den Arbeitern in den volkseigenen Betrieben begrüßten Beschluss der Regierung über die Auszahlung von Weihnachtszuwendungen. Die Versorgung der Bevölkerung mit Kartoffeln ist weiterhin ein ernstes Problem, da vielfach Schwierigkeiten, hauptsächlich durch Groß- und Mittelbauern, bei der Erfassung bereitet werden.

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