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Tagesbericht

18. Juli 1953
Information Nr. 1017

Stimmung der Bevölkerung

Der Streik am 16. und 17.7.1953 in den Buna-Werken löste besonders in den Betrieben des Bezirkes Halle Diskussionen aus. So diskutieren z. B. die Arbeiter des Mansfeld-Kombinates, dass der Grund des Streikes darauf zurückzuführen sei, dass Genosse Fred Oelßner im Buna-Werk betont hat, dass jeder frei seine Meinung äußern könnte. Der Erfolg war der, dass vier Kollegen verhaftet wurden.

In der Waggonfabrik Ammendorf äußert man sich, dass man den Gerüchten von Buna Glauben schenken müsse, da dies durch die KVP-Transporte in Richtung Merseburg und die verstärkten Polizeistreifen unterstrichen würde. Auch hier begründet man den Streik in Buna mit durchgeführten Verhaftungen. Vereinzelt werden Stimmen laut, dass man sich mit den Buna-Arbeitern solidarisch erklären müsste. Trotz Aufklärung des Parteiaktivs nahm man in Flüstergesprächen dazu Stellung, wobei mehrere Kollegen zum Ausdruck brachten: »Was Buna macht, interessiert uns nicht.«

Im IFA-Karosserie-Werk diskutiert man über die Vorfälle in Buna ebenfalls nicht offen, aber individuell. Man will wissen, was der Grund des Streiks in den Buna-Werken gewesen ist. In diesem Zusammenhang wird zum Ausdruck gebracht, dass auch im IFA-Karosserie-Werk noch nicht das letzte Wort gesprochen sei. Sie sind der Meinung, wenn sich einer findet, geht es im Betrieb wieder los. Wie aus den Gesprächen zu ersehen ist, bleiben sie noch immer auf ihren Forderungen vom 17.6.1953 bestehen und fordern die Entlassung von [Name 1] und [Name 2].

Im VEB NAGEMA Maschinenfabrik erzählt man, dass in Buna Panzer eingefahren sind. Es wird die Meinung vertreten, dass man nur noch auf Leuna warte, dann sei der zweite 17. da. Fremde Personen im Betrieb werden als VP-Angehörige und Spitzel bezeichnet. Man bringt zum Ausdruck, je mehr man einsperrt, umso größer würde der Krach.

Im VEB Kombinat Gölzau wird besonders darüber diskutiert, dass man die Freilassung von [Name 3], [Name 4] und [Name 5], die am 17.6.1953 inhaftiert wurden, nicht verstehen kann. So stellt der Arbeiter [Name 6] die Frage: »Wie konnte es kommen, dass die drei Personen wieder entlassen wurden, da sie doch als Provokateure bei der Belegschaft bekannt waren. Mit der Inhaftierung des [Name 3] waren alle einverstanden, da bekannt gegeben wurde, dass dieser mit Westberlin in Verbindung stand. Die Masse der Belegschaft stellt nun die Partei als Lügnerin hin und bringen [sic!] zum Ausdruck, man kann überhaupt nichts mehr glauben. So wie man uns hier beschwindelt hat, wird man uns auch in anderen Angelegenheiten beschwindeln.«

Der Arbeiter [Name 7]: »Die Partei stellt [Name 3] als Provokateur hin, was auch unter den Kollegen diskutiert und von jedem verstanden wurde. Heute sind nun alle entlassen. Wenn die Partei so weiter schwindelt, hat sie das gesamte Vertrauen verloren.«

VEB Kautas Waltershausen, Schlauchweberei

Am 17.7.1953, um 10.00 Uhr, wurde im VEB Kautas eine Delegation von sieben Arbeitern zur Betriebsleitung geschickt, um eine Normherabsetzung zu fordern. Zur Arbeitsniederlegung kam es nach den Verhandlungen nicht. Von 14.00 bis 14.30 Uhr haben ca. 40 Arbeiter im Schlauchsaal die Arbeit niedergelegt. Es wurde eine Delegation gebildet, die nochmals die Verhandlung mit der Betriebsleitung aufnahm. Von den Arbeitern wird gefordert eine Normherabsetzung bzw. Einführung ihrer alten Norm vom 1.1.1953.

Jetziger Stand der Normerfüllung ist 130–135 %, wogegen die Norm vom 1.1.1953 teilweise bis zu 200 % erfüllt wurde. Die Forderung der Arbeiter besteht demzufolge zu Unrecht. Der Arbeiter [Name 8] äußerte sich zu dem BGL-Vorsitzenden: »Wenn ihr nicht wollt, dann werden wir euch kleinkriegen. Wir werden die Arbeit niederlegen, bis ihr das macht was wir wollen.«

Die Namen von vier Stimmungsmachern sind noch nicht bekannt. Von der Betriebsleitung wurde mit der Delegation vereinbart, dass am Montag drei oder vier Kollegen nach Berlin zum FDGB und dem Staatssekretariat Chemie fahren sollen, um dort ihre Forderungen vorzutragen.

VEB LOWA Görlitz

Die für den 17.7.1953 angesetzte FDGB-Aktivtagung in Anwesenheit des Genossen Warnke1 wurde durch die Wahl der Delegierten im Betrieb bekannt. Im Betrieb bildete sich eine Diskussionsgruppe, die die Forderung stellte, dass Genosse Warnke im Betrieb vor der gesamten Belegschaft sprechen soll. Aufgrund der Forderung kam man überein, eine zwangslose Aussprache mit 50 Personen aus dem Betrieb durchzuführen, welche im Beisein der BGL und des Genossen Warnke von 11.30 bis 14.30 Uhr im Konferenzzimmer der BPO stattfand. Die dort geführte Diskussion betraf hauptsächlich die Arbeitsproduktivität und Kapazität des Betriebes sowie Wohnungsfragen und Lohnfragen aufgrund der neuen Maßnahmen der Regierung. Negativ trat der Arbeiter [Name 9] aus Werk I auf, indem er sagte: Er sei ein alter Gewerkschaftler. Seit 1916 habe die Gewerkschaft immer in Opposition zur Regierung gestanden. Warum es heute auf einmal anders sei, und er verstehe deshalb nicht den neuen Kurs der Regierung. Um 15.15 Uhr begann die Aktivtagung im Kulturhaus der LOWA, die ohne besondere Zwischenfälle verlief.

Kraftwerk Harbke, Kreis Oschersleben

Am Mittwoch, dem 15.7.1953, wurden von 13 Personen am Kontrollstreifen2 Kartoffelkäfer gesucht. Diese Personen unterhielten sich mit Personen aus Westdeutschland, die an der D-Linie3 standen. Um 15.00 Uhr kam ein Lkw mit sowjetischen Soldaten, die darauf aufmerksam machten, dass eine Unterhaltung verboten sei. Der sowjetische Offizier gab Kommando zum Absitzen, worauf die Kartoffelkäfersucher aus Angst nach Harbke liefen.

Auf einer Belegschaftsversammlung des Kraftwerkes Harbke am 16.7.1953 fordert die Belegschaft, dass die Schuldigen, die verhindert haben, mit ihren westdeutschen Brüdern und Schwestern zu sprechen, bestraft werden müssen. Der Angestellte [Name 10] stellte den Antrag, eine Resolution zu verfassen, die vom 1. BGL-Vorsitzenden verfasst und einstimmig angenommen wurde. Im Kraftwerk Harbke laufen die übelsten Gerüchte, so z. B., dass die sowjetischen Soldaten geschossen hätten und geschlagen. Das Gleiche wird von der Grenzpolizei behauptet, was aber nicht den Tatsachen entspricht.

Resolution

Beunruhigt durch die gestrigen Ereignisse in Harbke stellt die zur Rechenschaftslegung des BKV versammelte Belegschaft des VEB Kraftwerkes Harbke den Antrag, die Vorkommnisse genau zu überprüfen und die Verantwortlichen für diese Überspitzung zur Rechenschaft zu ziehen und forderte strengste Bestrafung. Die Belegschaft erwartet bis zum 31.7.1953 einen Bericht hierüber.

gez. Betriebsgewerkschaftsleitung Kraftwerk Harbke

Buna-Werke Merseburg

Der Schichtwechsel am 17.7.1953, 17.25 Uhr (Spätschicht), ist normal verlaufen, es wird in allen Abteilungen gearbeitet. Nach dem Schichtwechsel fand eine FDJ-Versammlung statt, in welcher Erich Honecker4 sprach. Die Stimmung der FDJ-ler war gut. Nach Schluss der Tagesschicht waren in einigen Abteilungen die Meister noch zusammen und diskutierten über die Produktion für den nächsten Tag, wobei zum Ausdruck kam, dass sich die Meister ernsthaft für das Funktionieren der Produktion interessieren.

Die Parteiorganisation fängt an, besser als bisher zu arbeiten. Nach Schichtwechsel am 17.7.1953 wurden 20 Parteiversammlungen durchgeführt. Der Schichtwechsel am heutigen Tag (18.7.1953) um 7.00 und 7.30 Uhr wurde ordnungsgemäß vorgenommen. Im Werk herrscht Ruhe und Ordnung.

VEB Schlepperwerk Brandenburg

Im Betrieb wird eine starke Diskussion durch die Normenfrage hervorgerufen. Durch die technischen Neuerungen, die nach dem 1.4.1953 eingeführt wurden, verdienen die Arbeiter nach den Normen vom 1.4.1953 7,00 bis 8,00 DM in der Stunde. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Frage der Mehrmaschinenbedienung. Die Arbeiter, die heute zwei bis drei Maschinen bedienen, verlangen, dass überall dort, wo am 1.4.1953 ein Kollege an einer Maschine stand, für jede zzt. von ihm bediente Maschine 100%ige Normerfüllung. Durch diese Bezahlung wird eine starke Beunruhigung der Facharbeiter hervorgerufen, die im Durchschnitt einen Stundenverdienst von 1,80 bis 2,00 DM erhalten.

Bergmann-Borsig Berlin

Am 14.7.1953 wurde bekannt, dass in der Halle 16 Sammellisten für den [Name 11, Vorname], der aufgrund seiner hetzerischen Reden gegen die Regierung der DDR, festgenommen wurde, im Umlauf waren. Eine nähere Untersuchung ergab, dass [Name 11], der aus der Haft entlassen und sofort wieder eingestellt wurde, seinen Kollegen erklärte, dass er für diese Zeit kein Geld erhalten würde, er müsste sogar noch 56,00 DM zurückzahlen. Er weiß nicht, wovon er leben soll.

In der Zwischenzeit wurde dem Initiator dieser Sammlung, [Name 12, Vorname] aufgezeigt, dass [Name 11] sein Geld erhalte. [Name 12] berief daraufhin eine Versammlung ein, wo er den Kollegen klarmachte, dass sie alle von [Name 11] betrogen wurden. Die Arbeiter bezeichneten durch Zurufe den [Name 11] als Faschist. Diese Versammlung hätte können von der Parteileitung, die vom Stattfinden dieser Versammlung unterrichtet war, günstig ausgebaut werden. Da von den verantwortlichen Genossen aber niemand anwesend war und keine Richtung gegeben wurde, gab man sich einzig und allein mit der Erklärung des [Name 12] zufrieden.

Um einen ungefähren Überblick positiver und negativer Stimmen der Bevölkerung zu den Maßnahmen unserer Regierung zu erhalten, wurde in der gesamten DDR eine Befragung durchgeführt, die absolut unverdächtig und in keiner Weise die Befragten beeinflussen kann [sic!]. Die Befragung ergab folgendes Bild:

Datum

Zahl der Befragten

positiv

negativ

12.7.1953

514

309 (60,0 %)

205 (40,0 %)

13.7.1953

604

374 (62,0 %)

230 (38,0 %)

14.7.1953

620

354 (57,0 %)

266 (43,0 %)

15.7.1953

490

308 (63,0 %)

182 (37,0 %)

16.7.1953

501

314 (62,0 %)

187 (38,0 %)

17.7.1953

518

351 (68,0 %)

167 (32,0 %)

Der Durchschnitt der Befragung von sechs Tagen liegt bei 62,0 % positiven Stimmen, die im Allgemeinen zum Ausdruck bringen, dass sie der Regierung der DDR ihr Vertrauen entgegenbringen und über die Beschlüsse erfreut sind. 38,0 % der Befragten äußern sich negativ und bringen zum Ausdruck, dass sie mit den Maßnahmen der Regierung nicht einverstanden sind oder dass man den Beschlüssen keinen Glauben schenkt, wobei auch z. T. geäußert wird, dass die Regierung abtreten soll.

VEB ABUS Nordhausen

Am 9.7.1953 rief der Gewerkschaftsgruppenorganisator Reckstatt5 eine Gewerkschaftsgruppenversammlung ein, an der sich ca. 100 Arbeiter beteiligten. In dieser Versammlung verstand es R., der Belegschaft 16 Punkte, die z. T. politische Forderungen aufwiesen, schmackhaft zu machen. Diese Forderungen sind die gleichen wie die der Zeiss-Arbeiter und wurden von den anwesenden 100 Arbeitern angenommen. Am 17.7.1953 rief Reckstatt in derselben Abteilung eine Gewerkschaftsgruppenversammlung ein. R. wurde wegen seines Verhaltens zur Verantwortung gezogen und bei sieben Gegenstimmen aus der Gewerkschaft ausgeschlossen und aus dem Betrieb entlassen.

Bei R. handelt es sich um eine Person, die vor 1933 hauptamtlicher Gewerkschaftsfunktionär, Mitglied der SPD und Reichsbannerführer war. 1945 trat er wieder in die SPD ein und wurde aus der SED wegen parteischädigendem Verhalten bzw. parteifeindlichem Verhalten ausgeschlossen. Trotzdem gelang es R. in der ABUS wieder Gewerkschaftsgruppenorganisator zu werden. R. wurde festgenommen, gibt jedoch in seiner Vernehmung nicht zu, diese Forderungen von einer Organisation erhalten zu haben.

Besondere Vorkommnisse

Brand im Martin-Hoop-Schacht IV

Laut Meldung um 8.30 Uhr ist der Gang zur 13. Abteilung dicht. Es können keine Frischwetter mehr zum 7106 Bunker. 7106 Bunker wird weiter gedrückt und verspreizt, alle anderen vorgesehenen Dämme – und zwar 28 Blindschachtfuß in die Verbindungsstrecke zum 26. Blindschacht und am 7104 Band sowie am 300-er Wetterbunker – sind in Angriff genommen. 17.30 Uhr wird gemeldet, dass die Entstehungsursachen noch nicht festgestellt werden konnten. An der jetzigen Brandstelle wurde bis zum 30.6.1953 gearbeitet, mit dem Ziel, Berge zu gewinnen und einen Durchgang zur 13. Abteilung zu schaffen. Wegen dem Brand in der 12. Abteilung am 1.7.1953 sind diese Arbeiten wegen der6 Giftgase eingestellt worden. Am 16.7.1953 wurde von der Werksleitung beschlossen, die Arbeit wieder aufzunehmen. Beim Befahren der jetzigen Brandstelle war[en] keinerlei Rauchentwicklung oder andere Anzeichen festzustellen (befahren wurde um 4.25 Uhr am 17.7.1953). Gegen 7.00 Uhr kamen Arbeiter an diese Stelle und bemerkten starke Rauchentwicklung.

Schwierigkeiten bestehen darin, dass weder die TBBI noch die Werksleitung eine Stellungnahme abgeben wollen, ob der Brand durch Sabotage oder natürliche Ursachen entstanden ist. Man äußert sich hierzu, dass [einem] der Brand höchst sonderbar vorkommt. Zzt. arbeitet nur die 8. Abteilung, und alle in der 10. und 13. Abteilung übrig gewordenen Arbeitskräfte sind dort eingesetzt. Die Planerfüllung läuft zzt. nur mit 25,1 %. Der tägliche Förderausfall beträgt 3 200 DM (415 t Kohle). Zzt. werden die oben angegebenen Dämme gesetzt, um den Brandherd zu isolieren. Wenn dies gelingt, kann die Produktion uneingeschränkt wie vor dem 17.7.1953 wieder aufgenommen werden.

Ergänzung zur Information über VEB Kombinat Gölzau (18.7.1953)

[Name 3] wurde als Rädelsführer, [Name 4] und [Name 5] als Mitläufer am 17. Juni vom MfS festgenommen, am 11. Juli an die Staatsanwaltschaft abgegeben. Die Staatsanwaltschaft stellte wegen Geringfügigkeit das Verfahren ein. [Name 3] wurde daraufhin vom MfS am 18. Juli wiederum festgenommen.

Anlage 1 vom 18.7.1953 zur Information Nr. 1017 (1. Expl.)

Information Nr. 1017a: Die jetzige Situation in der Landwirtschaft

Die Lage in den LPG:

Gesamtzahl der LPG – 5 074

Gesamt Mitgliederzahl – 146 922

Gesamt Fläche in ha – 798 165

Betriebe insgesamt – 66 548

Stand der LPG am 25. Juni 1953:

Bis dahin LPG aufgelöst: 15, beabsichtigte Auflösung: 111

Stand am 1. Juli 1953:

Bis dahin LPG aufgelöst: 59, beabsichtigte Auflösung: 113

Stand der LPG am 15. Juli 1953:

Bezirk

aufgelöst

Mitglieder

Austritte

von LPG

beabsichtigte Auflösung

Rostock

18

?

489

40

Schwerin

7

107

619

58

22

Neubrandburg

11

196

218

20

28

Potsdam

23

412

383

27

28

Frankfurt

7

?

?

?

7

Cottbus

30

176

188

22

?

Magdeburg

11

133

313

19

Halle

37

915

1 271

42

Erfurt

3

37

487

72

14

Gera

22

356

1 668

97

Suhl

14

458

173

17

3

Dresden

11

736

20

Leipzig

16

172

367

81

40

Karl-Marx-Stadt

7

92

72

26

14

Summe

217

3 054

6 984

420

277

Bisher haben sich also 4,3 % aller LPG aufgelöst. Weitere 5,3 % von allen LPG beabsichtigen sich noch aufzulösen. Damit wird die Zahl der aufgelösten LPG auf ca. 10 % gesteigert. In weiteren 10 % von allen LPG haben zahlreiche Mitglieder ihren Austritt erklärt und ihren Betrieb wieder in Einzelbewirtschaftung übernommen.

Was waren die Ursachen, die zu Beginn den Auflösungserscheinungen zugrunde lagen?

1. Der Beschluss des Ministerrates vom 11.6.1953, wonach devastierte Betriebe an heimkehrende und aus der Haft entlassene Bauern wieder zurückgegeben werden.7 (LPG, die vorwiegend devastierte Betriebe8 bekommen haben, wurden wirtschaftlich unrentabel und lösten sich auf usw.)

2. Der Beschluss des Ministerrates über die Sollermäßigung vom 26.6.1953.9 (Danach sind viele Genossenschaftsbauern ausgetreten, die vorher aus Angst vor wirtschaftlichem Ruin in die LPG eingetreten sind. Viele sahen jetzt wieder in der Bewirtschaftung der Einzelwirtschaft einen höheren Erwerb.)

3. Auswirkung der durch den Gegner provozierten Ereignisse vom 17. und 18. Juni 1953 – Ausrufung der durch den Gegner in Umlauf gebrachten Gerüchte. Direkte Wühlarbeit von Saboteuren, offene Hetze gegen die LPG und bewusste Organisierung der Austritte durch Provokateure.

Diese Ursachen wirken auch noch weiter auf alle LPG ein und es ist zu verzeichnen, dass sich gerade solche LPG auflösen, die nicht auf dem Prinzip der bewussten Überzeugung und Freiwilligkeit gebildet wurden (LPG, wo die meisten Mitglieder aus spekulativen Gründen eingetreten sind; LPG, die wirtschaftlich unrentabel sind, usw.). Vorwiegend lösten sich LPG der Leistungsstufe 1 auf (gemeinsame Bodenbearbeitung.).10 Diese Auflösungserscheinungen halten nach wie vor an. Dies gibt zu bedenken, da etwa seit Ende Juni die Organe des Ministeriums für Land und Forstwirtschaft, die BHG sowie des Partei und Staatsapparates verstärkt den Auflösungserscheinungen auf dem Lande entgegenarbeiten.

Welches sind die noch hinzukommenden Ursachen, für die jetzt noch bestehenden Auflösungserscheinungen?

1. Im verstärkten Maße proklamiert der Gegner durch seine Gerüchte die Auflösung von LPG. Durch unverkennbare Schädlingsarbeit in den verschiedenen Organen der BHG usw. schaffte er dazu den nötigen Nährboden. Auch die Missachtung der Wünsche der Genossenschaften durch Partei und Staatsfunktionäre schafft dazu günstige Voraussetzungen.

Aus vielen Genossenschaften kommt die Klage, dass [von] verantwortliche[n] Funktionäre und Sachbearbeiter der Partei und [des] Staatsapparates wohl viel versprochen wird, aber nicht eingehalten: So beklagte sich z. B. die LPG-Bäuerin [Vorname Name 1] aus Rudelsdorf, Kreis Eisenberg, Bezirk Gera: »Ich habe 18 Schweine, für die ich zzt. keine Futtermittel habe. Der Politleiter der MTS Gösen, der Viehwirtschaftsberater sowie der Sachbearbeiter der Abteilung Landwirtschaft beim Rat des Kreises Eisenberg (Letztere sandte darüber einen Beicht an die Bezirksleitung Gera.) haben sich am 1.7.1953 davon überzeugt, bisher wurde mir nicht geholfen.«

Aus allen Kreisen der Landwirtschaft wird aufgezeigt, dass Futtermittel für das Vieh fehlen. Im Gegensatz dazu liegen viele Lager der BHG und der VEAB voll: So lagern z. B. in der BHG Weißwasser, Bezirk Cottbus, u. a. 36 Tonnen Rindermastmischfutter, 14 Tonnen Baumwollsaatölkuchen und 276 Tonnen Gerste, wogegen im Kreisgebiet ein großer Futtermangel herrscht. Der BHG-Leiter Heinze aus Rohne, Kreis Weißwasser, war in der Woche vom 29.6. bis 5.7.1953 in Berlin beim Staatssekretariat für Erfassung,11 um eine Freigabe für die angeführten Futtermittel zu erreichen, was nicht gebilligt wurde. (Ein großer Teil von Futtermitteln ist in verschiedenen Teilen dem Verderb ausgesetzt und ruft eine besondere Missstimmung hervor.)

Aus dem Kreis Zeulenroda, Bezirk Gera, kommen ähnliche Berichte und Beschwerden der Bauern, und der Kreisrat Abteilung Landwirtschaft erhielt ebenfalls von Berlin eine abschlägige Antwort. Dazu noch eine Analyse des Bezirkstierarztes Dr. Lieschke bezüglich der Tierverluste im Bezirk Cottbus: Im ersten Quartal 1952 sind 235 an die Abdeckerei zur Ablieferung gelangt. Im ersten Quartal 1953 sind 559 Rinder an die Abdeckerei geliefert worden. Danach ist ersichtlich, dass die Notschlachtungen eine erhebliche Zunahme erfahren haben. Die Ursachen der zahlreichen Verluste sind nicht durch Seuchen bedingt, sondern Erscheinungen eines großen Futtermangels: Knochenweiche, Festliegen tragender Kühe, Rachitis, Hungersterilität und Tuberkulose. Hieraus ist die Schädlingsarbeit klar ersichtlich, da auf der einen Seite die Futtermittel lagern und verderben und auf der anderen Seite das Vieh krepiert.

In der LPG Hoppenrade im Bezirk Potsdam haben 23 Mitglieder mit 14 Betrieben am 29.6.1953 geschlossen ihren Austritt erklärt; der Austritt hatte organisierten Charakter und ist von dem Gegner in irgendeiner Weise vorbereitet worden (die LPG zählte nicht zu den schlechtesten).

2. Auf fast allen LPG macht sich ein außerordentlicher Arbeitskräftemangel bemerkbar. Viele Mitglieder treten aus diesem Grunde aus mit der Argumentation: »In meiner Einzelwirtschaft brauche ich nicht zu lange zu arbeiten. Wenn ich individuell wirtschafte, habe ich mehr Verdienst. Unsere Wirtschaft wird unrentabel, da wir die Felder schlecht bearbeiten können« usw.

In der LPG Wichmannsdorf, Kreis Doberan, wurden u. a. 16 ha Rüben umgebrochen, auf der LPG Harnstorf wurden 3 ha Zuckerrüben umgebrochen, da Arbeitskräfte für die Pflegearbeiten fehlten (auch in vielen anderen LPG mussten Flächen wegen Verunkrautung umgebrochen werden). Ein Mitglied der LPG beschwerte sich, dass er für seine neunköpfige Familie von der Bauernbank Rostock nur 200 DM monatlich ausgezahlt bekommt, womit12 er den Lebensunterhalt nicht bestreiten kann.

Der Arbeitskräftemangel wird viele LPG veranlassen, sich nach dem Herbst aufzulösen, dies brachten auch viele LPG-Bauern aus dem Kreis Marienberg, Bezirk Karl-Marx-Stadt, zum Ausdruck.

3. In vielen LPG herrscht weiter eine Verbitterung über das weitere Administrieren der Verwaltung und die formale Erfüllung der Ministerratsbeschlüsse.

Die Arbeit der LPG Großhelmsdorf, Kreis Eisenberg, im Bezirk Gera war bis zum Erlass des Ministerratsbeschlusses vorbildlich. Nach dem der Erlass für die Großbauern herauskam, wobei dem Großbauern [Name 2] das ganze Hagelsoll und die Rückstände gestrichen wurden, droht die LPG Großhelmsdorf zu verfallen. Der Grund ist Folgendes: Die LPG-Bäuerin [Vorname Name 3] wurde 1951 durch Hagelschlag um 47 % geschädigt und konnte ihrer Ablieferungspflicht nicht nachkommen. 1952 infolge der Witterungseinflüsse und des schnellen Einwinterns konnte sie ihr Soll an Zuckerrüben nicht aufbringen. Daraufhin wurde das Zuckerrübensoll mit Schweinesoll belastet. Durch Futtermangel musste sie eine Kuh als Schlachtvieh abgeben. Eine zweite Kuh wurde zur Notschlachtung gebracht, für diese Kuh sollte die LPG Bäuerin noch 24,76 DM an die VEAB bezahlen. Auf der anderen Seite hatte die LPG-Bäuerin am 20.12.1952 zehn Läufer abgeliefert, jedoch bis heute dafür noch keinen Pfennig erhalten. Ebenso erging es den Bauern [Vorname Name 4] und [Name 5]. Die LPG-Bauern sind daher schwer verbittert.

Ohne Weiteres gibt es eine große Zahl von LPG, die sich wirtschaftlich und ideologisch gefestigt haben.

Die Lage in den MTS

Die Stimmung unter den Belegschaftsmitgliedern der MTS ist zufriedenstellend. In der überwiegenden Mehrzahl herrscht mit dem Beginn der Ernte eine erhöhte Arbeitsfreudigkeit und Arbeitsproduktivität. Abwanderung von Arbeitskräften aus den MTS-Bereichen sind nicht mehr zu verzeichnen oder seltene Ausnahmen geworden. Die bisher in der MTS noch ungelösten Probleme war[en] die Lohn- und Ersatzteilfrage, wovon wohl jetzt durch den Vorschlag der Gewerkschaft in Bezug auf die Erhöhung der Löhne eine weitgehende Befriedigung eintreten wird. In der Lohnfrage haben die Einstufungen nach verschiedenen Ortsklassen bisher eine unzufriedene Stimmung hervorgehoben. So haben z. B. Traktoristen, die in demselben Bezirk arbeiten, nach verschiedenen Ortsklassen bezahlt bekommen.

Auch über die bürokratische Arbeitsweise herrscht Unzufriedenheit: Z. B. die Traktoristen der MTS Stöhlen13 beschweren sich, dass ihre Arbeitsnachweise nicht einfacher verrechnet werden: Z. B. der Agronom schreibt den Antrag aus. Der Brigadier händigt denselben dem Fahrer aus mit der Vorgabezeit. Der Fahrer trägt die Zeit und die Leistung der Arbeit ein. Der Brigadeabrechner errechnet den Lohn. Der Lohnbuchhalter tätigt die Verbuchungen in die Lohnsammelblätter, die Stenotypistin schreibt die Rechnung aus. Der Finanzbuchhalter verbucht noch einmal die einzelnen Rechnungen. Dann kommen die Rechnungen erst zum Auftraggeber zur Verrechnung. (Sie diskutieren so: Der private Bauunternehmer [Name 6] beschäftigt die gleiche Anzahl von Personen wie die MTS und hat nur zwei Verwaltungsangestellte, die die Arbeit auch schaffen. Bei uns ist ein ganzer Stab von Bürokraten.)

Ein bisher ungelöstes Problem besteht noch in der Ersatzteilfrage für den jetzt noch laufenden Maschinenpark und vor allen Dingen für ältere Geräte (Lanz und Bautz).14 Diese Klagen kommen aus vielen Kreisen und MTS Bereichen.

Die Kraftstoff- und Bindegarnzuteilung ist ausreichend. Dabei beschweren sich die Bauern berechtigt über die schlechte Qualität des Bindegarns, da beim Binden zum Teil fast jede zweite Garbe aufgeht und die Arbeitsproduktivität erheblich mindert. In den Kraftstofflieferungen des Bezirkes Rostock wurde eine minderwertige Qualität festgestellt, deren Ursachen noch untersucht werden.

Die Lage in den VEG

Die Stimmung unter den Belegschaften der VEG ist zufriedenstellend, größtenteils sogar gut. Es herrscht eine gute Arbeitsmoral, besonders jetzt, wo durch die Spitzenzeiten ein erheblicher Mehrverdienst für jeden herausspringt. Durch den Beschluss der Lohnerhöhung werden viele Probleme in den VEG beseitigt. Ein Unwille herrscht darüber, dass z. B. die Traktoristen der VEG nicht wie die der MTS bezahlt werden. (VEG Traktorist 1,05 DM MTS Traktorist 1,65 DM).

Das größte Problem ist zurzeit der Arbeitskräftemangel, der sich besonders in den Bezirken des Landes Mecklenburg auswirkt. Bekommen die VEGs gerade dieser Bezirke keine entscheidende Hilfe, so werden diese mitunter empfindliche Verluste aufweisen. Die größte Sorge in den VEGs ist und bleibt der Viehhalteplan und die eingeleitete Schweinemastaktion. Hierzu ist zu bemerken, dass im Jahre 1952 im Plan 240 000 Stück Ferkel vorgesehen waren. Das Ist der Ferkelproduktion betrug 252 423 Stück, davon sind verendet 92 676 Stück. Die hohe Zahl der verendeten Ferkel ist auf den nicht vorhandenen Stallraum für Zuchtsauen zurückzuführen. Dieser Zustand besteht auch heute noch, da die verantwortlichen Organe nicht die nötigen Investitionen bereitgestellt haben.

Zzt. sind unbefriedigende Zustände in Bezug auf die Stimmung usw. Ausnahmen: Auf dem VEG Deutschwusterhausen äußerte der Betriebsleiter Herweg sinngemäß, dass er am liebsten selbst mitstreiken möchte. Die Belegschaft ist sehr ungehalten, wenn der Betriebsleiter administrativ den 10-stündigen Arbeitstag eingeführt hat. Die Landarbeiter haben seit drei Monaten kein Brotgetreide mehr erhalten. Diese verlangen [die] Ablösung des Betriebsleiters.

Auf dem VEG Boddinsfelde wurde das Gerücht verbreitet, dass der FDGB zum Streik auffordert. Besonnene Arbeiter äußerten, ob der FDGB verrückt geworden wäre. (Bezirk Potsdam)

Die Stimmung unter der Landbevölkerung, den Werktätigen- und Großbauern: Im Wesentlichen diskutiert die Landbevölkerung jetzt offener und kritisiert berechtigte Missstände. Die Großbauern halten sich zurück und nehmen eine abwartende Haltung ein. Folgende Mängel und Stimmungen sind zu verzeichnen:

Viele Teile der Bauern sind über die ausgegebenen Kredite befriedigt,15 jedoch ist jetzt zu verzeichnen, dass die Fragen auftreten: »Das Geld haben wir, wo bekommen wir aber nun das Baumaterial her, wie Zement usw.« Die Bauern aus der Gemeinde Klein Mist, Kreis Wismar, äußerten sich, die Kredite nützen ihnen nichts, da es an Arbeitskräften fehlt und sie mit der Arbeit nicht vorwärtskommen, demzufolge die gesamte Wirtschaft immer mehr zurückgeht. In einigen Dörfern lehnen die Bauern den Nachtdrusch ab: z. B. die Bauern von Seisla-Wöhlsdorf, Kreis Pößneck, weil ihnen ein Angestellter der SVK, ein gewisser [Vorname Name 7] aus Seisla, gesagt hat, wenn in der Nacht etwas passiert, zahlt die SVK keine Versicherung.

Die Ministerratsbeschlüsse werden noch nicht überall eingehalten: Z. B. ist der Großbauer [Name 8] aus Lüdershagen, Kreis Ribnitz, Bezirk Rostock, darüber empört, dass ihm die Bauernbank keine Kredite bewilligt, da sie angeblich noch keine Anweisung hätte.

Aus verschiedenen Kreisen, z. B. aus dem gesamten Bezirk Cottbus, wird darüber Klage geführt, dass die Unterstützung der LPG mit Arbeitskräften seitens der Verwaltungsstellen nicht richtig ist, da sie ja auch dem Staat ihr Getreide liefern würden und demnach auch ein Anrecht hätten, in gleicher Weise unterstützt zu werden. Weiterhin ist zu verzeichnen, dass die Verkaufsstellen der HO und Konsum in vielen ländlichen Kreisen die Ministerratsbeschlüsse nicht verwirklichen und die Lebenslage der Bevölkerung auf dem Lande nicht verbessern: So beschwerte sich z. B. die Gemeinde Neu Tucheband, Bezirk Frankfurt/Oder, darüber, dass in ihren HO und Konsum nicht einmal eine Flasche Brause oder Bier zu erhalten sei. In der Gemeinde Machnow treten dieselben Erscheinungen auf, Flaschenbier und Brause sowie Nährmittel sind in der HO und [dem] Konsum nicht zu haben. Auf Lebensmittelkarten konnte man 15 Tage keine Margarine erhalten. Dieselben Zustände sind in der Gemeinde Podelzig, Reitwein und Sachsendorf, alle Bezirk Frankfurt/Oder. Ähnliche Klagen kommen aus anderen Bezirken. Weiterhin werden Klagen über die Neufestsetzung der MTS-Tarife laut: Z. B. muss jetzt ein Bauer mit 10½ ha für 1 ha mittleren Pflügens 25,00 DM zahlen, vorher 18,00 DM.

In verschiedenen Orten wird Stimmung gemacht, dass sie jetzt freie Bauern sein wollen und dass [das] Ablieferungssoll ganz wegfallen müsste: Z. B. erklärte der werktätige Bauer [Name 9] aus Ihlenfeld, Kreis Neubrandenburg, »Das Ablieferungssoll müsste ganz wegfallen, und eine freie Wirtschaftsführung müsste ihnen selbst überlassen bleiben.«

In verschiedenen anderen Orten versuchen die Großbauern wieder Oberhand zu bekommen und fühlen sich als Dorfpascha: Z. B. äußerte sich der Großbauer Hausmann aus Großthiemig, Kreis Liebenwerda, in der Gaststätte zu den Beschlüssen unserer Regierung: »In diesem Jahre liefere ich kein Brotgetreide ab, wir wollen auch einmal leben, jetzt sind wir wieder obendrauf, denen werden wir es schon zeigen. Den LPG schmeißt man die Kleie hinterher, mit der Schafwolle ist [es] dasselbe, das ist ja eine Erpressung.«

Jedoch aus nicht unbedeutenden Schichten der Landbevölkerung, d. h. der werktätigen Bauern und sogar aus Kreisen von Großbauern, ist eine positive Stellungnahme zu entnehmen und die Verpflichtung, dass sie alles tun werden, um den letzten Halm vom Felde rechtzeitig zu bergen.

Schlussfolgerungen

1. Der außerordentliche Arbeitskräftemangel macht sich in allen Teilen der Landwirtschaft bemerkbar. Die kommende Ernte wird sogar zum größten Teil davon abhängen. Die bisher angewandte Form (Hilfe durch Patenbetriebe usw.) hat16 sich als völlig unzureichend erwiesen, da die Pflegearbeiten nicht geschafft wurden und dadurch große Mengen der Volkswirtschaft verloren gingen. Es muss deshalb sofort eine bessere und höhere Form der Arbeitskräfteverteilung angestrebt werden und besondere Maßnahmen für die hilfebedürftigen Bezirke getroffen werden. In wieweit aufgrund der bestehenden Situation VP-Kräfte eingesetzt werden können, wäre zu erwägen.

2. Von der weiteren Einsatzbereitschaft des Maschinenparks wird eine schnelle Ernte abhängen. Schon jetzt liegt es auf der Hand, dass nicht überall die Ersatzteile für anfallende Reparaturen ausreichen. Dazu muss sofort eine Sondermaßnahme eingeleitet werden (z. B. könnte die Produktion von Ersatzteilen auf Kosten der neu zu produzierenden Landmaschinen gehen, die in diesem Jahr aufgrund der späten Planauflage nicht mehr termingemäß fertig werden, und dafür nötige Ersatzteile produziert werden. Der Partei- und Staatsapparat sowie die BHG (VdgB) müssen sofort einschneidende Maßnahmen treffen, um den Futtermangel zu beheben und sie müssen alles tun, um die Mängel auf dem Lande größtmöglich zu beseitigen (der Viehhalteplan muss überprüft werden, z. B. schon deren Standortverteilung, wonach nach Mecklenburg mehr Rinder kommen müssen und in Sachsen mehr Schweine gehalten werden können usw.).

3. Den Auflösungserscheinungen in den LPG ist durch eine Überzeugungsarbeit, Entlarvung des Gegners und eine tatsächlich praktische Hilfe entgegenzutreten. (Z. B. müssen alle LPG auf ihre wirtschaftliche Lage überprüft werden. Wenn es LPG gibt, den[en] man vorwiegend devastierte Betriebe übergeben hat, so muss man einige von diesen der Gemeinde zurückgeben oder einen Treuhänder einsetzen.17 Jeder Instrukteur des Partei- und Staatsapparates sollte keine leeren Versprechungen machen. Die Arbeit der Parteigruppen muss verstärkt werden. Die Statuten müssen unbedingt von den Mitgliedern eingehalten werden.)

Anlage 2 vom 18.7.1953 zur Information Nr. 1017 (1. Expl.)

Information Nr. 1017b: Stimmung von Rückkehrern in das Gebiet der DDR

Dem Ministerratsbeschluss vom 11.6.195318 folgend, kehrten am 16.7.1953 insgesamt 127 Personen und am 7.7.1953 insgesamt 209 Personen in das Gebiet der DDR zurück. Davon kamen am 16.7.1953 acht Personen aus Westdeutschland und am 17.7.1953 19 Personen, die um Aufnahme und Asyl baten. Demgegenüber wurden am 16.7.1953 insgesamt 148 Personen und am 17.7.1953 198 Personen republikflüchtig. Hierbei ist zu bemerken, dass die Zahl der republikflüchtigen Personen seit dem 14.7.1953 ständig im Steigen begriffen ist. Während es am 14.7.1953 104 Personen waren, so sind es am heutigen Tage 198 Personen, die unsere Republik verlassen haben. Demgegenüber ist die Zahl der Rückkehrer einmal niedriger und einmal höher gewesen, jedoch im Durchschnitt die Gleiche geblieben. Am 16.7.1953 war die Zahl der Republikflüchtigen sogar höher gewesen als die Zahl der Rückkehrer, und am heutigen Tage war die Zahl der Rückkehrer nur um elf Personen höher als die Zahl der Republikflüchtigen.

Von den Rückkehrern wurden in Form einer zwanglosen und freundschaftlichen Unterhaltung insgesamt 14 Personen über die Aufnahme des Ministerratsbeschlusses bei den Flüchtlingen in Westdeutschland und Westberlin sowie über ihre Aufnahme und Eindrücke bei ihrer Rückkehr in der DDR befragt. Die befragten Personen setzten sich aus acht Arbeitern, drei Bauern, zwei Geschäftsleuten und einem Angestellten zusammen. Aufgrund der Angaben dieser Personen kann Folgendes berichtet werden:

1. Aufnahme des Ministerratsbeschlusses bei den zurückgekehrten Personen sowie bei den Flüchtlingen in Westdeutschland und Westberlin

Die Rückkehrer waren alle sehr erfreut über den Ministerratsbeschluss, da er es ihnen ermöglichte, wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Nach Angaben der befragten Personen wurde der Ministerratsbeschluss bei den Flüchtlingen in Westdeutschland und Westberlin teils gut, teils skeptisch aufgenommen. Viele dieser Flüchtlinge, die den Berichten sowie den Hetzmeldungen des RIAS und der Presse Glauben schenken, hegen noch starkes Misstrauen gegenüber diesem Beschluss. Es gibt deshalb noch sehr viele Flüchtlinge, die gerne wieder zurückkehren wollen, sich aber noch abwartend verhalten und erst von mehreren Seiten bestätigt haben wollen, dass die Beschlüsse des Ministerrats in der DDR wirklich realisiert werden.

Der zurückgekehrte Bauer [Vorname Name 1] nebst Frau, wohnhaft: Schmeckwitz, Kreis Kamenz, erklärte hierzu: »Wir begrüßen den Ministerratsbeschluss und sind froh, dass wir wieder in die DDR zurückkehren konnten. Wir verpflichten uns, unsere ganze Kraft einzusetzen und zur Sicherung der Ernährung des Volkes beizutragen.«

Der Rückkehrer [Name 2, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1897, wohnhaft: Leipzig-Plagwitz, äußerte: »Den Aufruf des Ministerrats vom 11.6.1953 habe ich erstmalig in der sozialdemokratischen Presse Westberlins gelesen. Ich war darüber sehr erfreut, da ich das Lagerleben reichlich satt hatte. Ich war voll und ganz überzeugt, dass, wenn der Ministerrat der DDR eine derartige Veröffentlichung herausgibt, diese unbedingt der Wahrheit entsprechen müsse, da die Regierung nicht von heute auf morgen ihr gegebenes Versprechen umstoßen kann.«

2. Stimmung der Flüchtlinge und Hemmungen bei ihrer Rückkehr

Nach den Angaben der befragten Personen ist die Stimmung der Flüchtlinge in Westdeutschland und Westberlin vor allem in den Flüchtlingslagern sehr gedrückt und als schlecht zu bezeichnen. Größtenteils liegt es daran, dass die Menschen von Westen mehr erhofft hatten und nun schwer enttäuscht wurden. Gut behandelt und schnell abgefertigt werden nur die politischen Flüchtlinge und die Intelligenzler. Alle andern Flüchtlinge müssen mit schlechten Wohnverhältnissen [zurechtkommen], oft sind es Baracken, wo die Flüchtlinge auf Stroh schlafen müssen und im engen Raum zusammengepresst werden. Es kommt öfters bei der Befragung zum Ausdruck, dass die Personen dort als Menschen dritter Klasse behandelt werden. Arbeit bekommen diese Flüchtlinge in den seltensten Fällen, sondern werden meist nur zur Pflichtarbeit herangezogen, wo sie für den Tag 0,50 DM West erhalten.

Die Hemmungen der Flüchtlinge bestehen noch darin, dass sie den westlichen Hetzmeldungen noch zuviel Glauben schenken und dadurch annehmen, in der DDR bestraft zu werden. Vor allem unter den geflüchteten KVP-Angehörigen ist eine bedrückte Stimmung zu verzeichnen. Viele dieser Personen wollen wieder in die DDR zurückkehren, wagen es sich aber nicht, da sie annehmen, dass sie aufgrund ihrer Desertion bestraft werden.

Der Rückkehrer [Vorname Name 3], geb. [Tag, Monat] 1926, wohnhaft: Unterlindow bei Fürstenberg, äußerte Folgendes: »Ich kam in das Lager Fichtebunker Berlin-Kreuzberg.19 Die Unterkunft war schlecht. Es waren keine Fenster vorhanden. Wir lagen auf Stroh und bekamen zwei Decken. An Arbeit war nicht zu denken. Das Essen war schlecht und unzureichend und die Behandlung der Lagerleitung war sehr unfreundlich, man hat uns als Menschen dritter Klasse angesehen. Von da aus kam ich in das Wohnheim Fruchthof20 in Berlin-Mariendorf, Rathausstraße 42,21 dort war es noch schlechter. In diesem Heim waren rund 400 Menschen untergebracht und mussten auf sehr dünn ausgebreitetem Stroh schlafen, sodass viele Menschen verzweifelt waren. Wir mussten Pflichtarbeiten durchführen, d. h. sehr schmutzige Arbeiten, und erhielten dafür am Tage 0,50 DM West.«

Weiterhin äußerte der Rückkehrer [Name 2, Vorname] aus Leipzig-Plagwitz Folgendes: »Die Flüchtlinge, die mit mir in einem Lager zusammengelegen haben, sind im Allgemeinen noch sehr skeptisch, da in Westberlin allerlei Gerüchte verbreitet werden, die die Maßnahmen der Regierung der DDR versuchen in Misskredit zu bringen. Die Menschen in den Lagern verhalten sich noch abwartend und wollen erst Beweise sehen seitens der Regierung und den Verwaltungsstellen über die richtige Durchführung der Beschlüsse. Besondere Hemmungen gibt es im Wesentlichen nur bei denen, die sich einer Schuld bewusst fühlen und die DDR durch Betrug geschädigt haben.«

3. Agitation und Maßnahmen von westlicher Seite aus, um eine Rückkehr zu verhindern

Mithilfe von Agitation, indem man auf die DDR und den Beschluss der Regierung hetzt, wird versucht, die Flüchtlinge von einer Rückkehr abzuhalten. Meist geschieht dies über den RIAS sowie die Presse. Es werden auch sehr viele Gerüchte im Lager in Umlauf gesetzt. So wird z. B. gesagt, dass die schon zurückgekehrten Personen schon längst in den Gefängnissen schmachten und laufend Verschleppungen und Erschießungen vorgenommen wurden. Es wird weiterhin erzählt, dass die zurückgekehrten Personen nur vertröstet werden und sie ihr Eigentum niemals zurückerhalten.

Von der Lagerleitung des Lagers in Amberg, Oberpfalz, wurde bekannt gegeben, dass schon wieder Bauern nach Westdeutschland zurückgekehrt seien, die ihre Höfe nicht zurückerhalten haben. Man versucht auch die Flüchtlinge damit zu halten, indem man sagt: »Warum wollt ihr zurückkehren, die Einheit kommt doch sowieso bald vom Westen aus.«

Es wurde auch wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass die Lagerleitung Vorträge organisiert, wo meist Mitglieder der »Freiheitlichen Juristen«22 sprechen, wo dann gesagt wird, dass diese Beschlüsse alles nur ein Schwindel wären. In dem Wohnheim Fruchthof in Berlin-Mariendorf ging die Lagerleitung sogar so weit, dass sie bekannt gab, die Rückkehrer würden in der DDR schlecht behandelt, gefoltert und geschlagen werden, Lautsprecher würden die Schreie der Gefolterten und Gemarterten übertönen und die Gelenke würden jedem Rückkehrer ausgerenkt werden.

Hierzu äußerte der Rückkehrer [Name 4, Vorname] aus Sondershausen Folgendes: »Es möchten noch viele zurückkommen, aber sie haben Angst, dass sie bestraft werden. In den Lagern wird stark gegen die DDR propagiert. Man versucht somit die Flüchtlinge von der Rückkehr abzuhalten, indem man sagt, die Einheit kommt sowieso bald vom Westen aus.«

Der Rückkehrer [Vorname Name 1] äußerte: »Vonseiten der Lagerverwaltung wurde ein Vortrag gehalten. Der Redner brachte zum Ausdruck, dass alles nur Schwindel sei. Man will die Menschen nur hinüberlocken, um sie dann in Frankfurt/Oder in ein Lager einzusperren. Die Verhetzung vonseiten der Adenauerregierung ist groß.«

4. Durchführung der Maßnahmen des Ministerratsbeschlusses bei den Rückkehrern

Die befragten Personen brachten ausnahmslos zum Ausdruck, dass sie über die Aufnahme in die DDR freudig erstaunt gewesen sind. Die Behandlung vonseiten der VP sowie der Behörden war eine gute. Irgendwelche Beanstandungen über schlechte Behandlung konnten nicht festgestellt werden. Viele der befragten Personen äußerten, dass sie sofort an die noch verbliebenen Personen im Lager geschrieben haben und sie aufforderten, ebenfalls zurückzukommen, da die Beschlüsse der Regierung der Wahrheit entsprechen.

So äußerte der Rückkehrer [Name 5, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1900, wohnhaft: Zeulenroda, Folgendes: »Ich war äußerst erstaunt, dass ich in der DDR so gastfreundlich wieder empfangen wurde. Ich spreche besonders der VP und den Verwaltungsstellen meinen Dank aus, dass die Ministerratsbeschlüsse ohne Verzögerung durchgeführt werden.«

Anlage 3 vom 18. Juli 1953 zur Information Nr. 1017 (1. Expl.)

Information Nr. 1017c: Zur Lage der Versorgung der Bevölkerung

Aus den uns vorliegenden Berichten über die Versorgungslage in der DDR ergibt sich folgendes Bild: Die Lage der Versorgung der Bevölkerung ist, bis auf Brennstoffe, im Wesentlichen als gesichert zu betrachten. Die größten Mängel bei Lebensmitteln treten in Zucker, Kartoffeln, Fettstoffen, Fleisch- und Wurstwaren sowie Obst in Erscheinung. Die Versorgung mit Textilien, Arbeitskleidung, Industrie- und Haushaltswaren ist gleichfalls äußerst mangelhaft. Eine sehr kritische Lage tritt in der Versorgung der Bevölkerung mit Brennstoffen ein, wo der Bedarf der Bevölkerung und Industrie nicht gedeckt werden kann. Die größten Versorgungsschwierigkeiten bestehen in den Bezirken Cottbus, Schwerin, Halle, Karl-Marx-Stadt und Magdeburg.

In den einzelnen Warenarten besteht folgende Situation:

1. Fettstoff

Die Versorgung der Bevölkerung mit Butter, Margarine, Öl und Schlachtfetten auf Markenbasis ist im Allgemeinen gesichert. Auf HO-Basis konnte bisher der Bedarf noch nicht gedeckt werden. Besonders wird von der Bevölkerung Margarine verlangt. Teilweise wird der Mangel an Margarine dadurch hervorgerufen, dass die Margarinewerke keine neuen Produktionsauflagen erhalten und dadurch gezwungen sind, die Produktion einzustellen bzw. zu beschränken und nur für die Markenversorgung produzieren. So z. B. erhielt die Margarinefabrik in Pratau für Bezirk Rostock keine Produktionsauflage und musste infolgedessen die Produktion von Margarine einstellen. Trotz Mangel an Margarine wurde im Juni 1953 von Konsumgenossenschaften und DHZ aus sämtlichen Kreisen vom Bezirk Magdeburg Margarine und Öl an die Öl- und Fettwerke Magdeburg zurückgeliefert, weil sie verdorben waren.

2. Brot, Mehl, Roggen

Die Versorgung mit Brot und Mehl ist gesichert. Es treten nur vereinzelt Mängel auf, wo es noch an der Belieferung der Mühlen mit Roggen mangelt. So bestehen z. B. in den Mühlen vom Bezirk Erfurt weiterhin Schwierigkeiten, da es mit der Belieferung von Roggen mangelt. So haben die Mühlen nur noch Bestände von ca. 5 bis 6 Tagen.

3. Nährmittel und Hülsenfrüchte

Die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln ist noch unzureichend. Der jetzt hohe Verbrauch an Nährmitteln ist darauf zurückzuführen, dass bei der Bevölkerung die Kartoffelbestände verbraucht sind und neue Kartoffeln noch nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Besonders macht sich der Mangel an Nährmitteln bei den Großverbrauchern bemerkbar. Es ist noch zu bemerken, dass Ferienlager noch keine Zuteilungen an Nährmitteln erhielten, sodass diese aus der Versorgung der Bevölkerung (besonders Großverbraucher) abgezogen werden mussten.

Der Mangel an Nährmitteln (Graupen, Gries, Haferflocken, Teigwaren, Puddingpulver, Kindernährmitteln usw.) und Hülsenfrüchten tritt fast in allen Bezirken in Erscheinung, was sich auch auf die Stimmung der Bevölkerung auswirkt. So fehlt z. B. besonders bei Großverbrauchern (Werksküchen und Schulen usw.) in Karl-Marx-Stadt es an der Bereitstellung von Nährmitteln. Da die Kartoffelbestände völlig erschöpft sind, werden mehr Nährmittel verbraucht. Im Kreis Parchim, Bezirk Schwerin, fehlen seit Wochen Gries, Haferflocken, Graupen und Teigwaren.

4. Kartoffeln

Die Kartoffelversorgung ist noch unzureichend. Es besteht in fast allen Bezirken ein Mangel an Kartoffeln. Zum Teil sind die Bestände völlig erschöpft oder gehen dem Ende entgegen. Neue Kartoffeln sind noch nicht in ausreichendem Maße vorhanden, um den Bedarf zu decken. So wird z. B. berichtet, dass im Bezirk Schwerin die Kartoffelbestände bis auf die für die Ferienaktion aufgebraucht sind. Selbst die für die Ferienaktionen bestimmten Kartoffeln sind von schlechter Qualität, da sich nach Öffnen der Mieten23 herausstellte, dass der größte Teil verfault war und so nur 30 % zu verwerten sind. Die von der Stadt Schwerin bestellten24 Frühkartoffeln sind bis heute noch nicht eingetroffen. Wenn keine Kartoffeln eintreffen, so werden große Schwierigkeiten auftreten.

5. Fleisch und Wurstwaren

Die Versorgung mit Fleisch ist auf Marken bis auf den Bezirk Cottbus im Allgemeinen gesichert. Zum Teil bestehen noch Schwierigkeiten in der Rohstoffzuteilung in der wurstverarbeitenden Industrie, der nicht genügend Därme und Lebendvieh zur Verfügung stehen. Im Allgemeinen fehlt es an genügend Frischfleisch. Die vorhandene Importware (Gefrierfleisch) ist nicht überall zu verwenden, da diese schnell verdirbt und nicht immer geeignete Kühlräume zur Verfügung stehen. So ist im Bezirk Halle z. B. das Importfleisch nicht für die Ferienlager und Kurorte zu gebrauchen, da es dort an geeigneten Kühlflächen mangelt und das Fleisch schneller verdirbt wie frisch bleibt [sic!].

Im Kreis Liebenwerda, Bezirk Cottbus, werden durch die Ausgabe von Fleisch statt Fisch 287 Tonnen Fleisch benötigt. Zugewiesen wurden nur 153 Tonnen Fleisch, sodass noch 125 Tonnen Fleisch fehlen. Somit ist die Kartenversorgung mit Fleisch gefährdet.

6. Fisch

Die Versorgung mit Fisch ist gesichert. Verschiedentlich kam es zum Verderb von Fischen, die bereits in schlechtem Zustand geliefert wurden, was zum Teil an schlechten Transportmöglichkeiten lag bzw. der Transport schlecht durchgeführt wurde. So wurde am 3.7.1953 der Kreis Templin, Bezirk Neubrandenburg, mit 594 kg Bücklingen beliefert. Diese Sendungen stammten vom 30.6.1953 bis 2.7.1953 aus der DHZ Lebensmittel Prenzlau. Bei Ankunft der Lieferung waren von 514 kg bereits 66 kg verdorben. Die restlichen 528 kg gelangten zum Verkauf. Da der Fisch in nicht einwandfreiem Zustand war, erkrankten vier Personen aus Templin an Fischvergiftung, welche in das Krankenhaus eingeliefert wurden. Im Bezirk Gera verdarben 7 830 kg Räucherfisch, welcher vom VEB Fischkombinat Rostock geliefert wurde. Der Transport wurde trotz des hochsommerlichen, schwülen Wetters in Lkw durchgeführt.

Es besteht der Wunsch unter der Bevölkerung auf Konservenfisch. Besonders Bratheringe, Ölsardinen, Fisch in Remouladen und Tomatensauce, welche nicht in genügenden Mengen vorhanden sind.

7. Eier

Die Eierversorgung kann man als gesichert ansehen. Lediglich im Bezirk Cottbus ist ein Rückgang in der Eiererfassung eingetreten, was zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass [nur] ein Teil der werktätigen Bauern sein Soll erfüllt hat. Es kommt jedoch auch vor, dass Eier auf den Erfassungsstellen lagern und nicht weiter befördert werden, da es angeblich an Transportmitteln fehlt. So lagern z. B. im Bezirk Schwerin bei der VEAB Neuhof 6 000 Eier, bei der Erfassungsstelle Heine in Stove 3 000 Eier, bei der VEAB Kartlow 8 640 Eier und in Brützkow 1 000 Eier, welche immer erst nach acht Tagen abgeholt werden, da man keine Transportmöglichkeiten besitzt.

8. Zucker

Die Versorgung mit Zucker auf Markenbasis ist zum größten Teil als gesichert anzusehen. Es bestehen jedoch in fast allen Bezirken Mängel im Verkauf bei HO-Zucker. Der Bedarf der Bevölkerung mit Zucker liegt bedeutend höher als der Bestand. In der jetzigen Zeit (Erntezeit) besteht ein hoher Verbrauch an Zucker. So werden z. B. im Bezirk Magdeburg 1 460 Tonnen Zucker zusätzlich zur Versorgung der Bevölkerung benötigt. Dabei weist man darauf hin, dass in der Zuckerraffinerie Magdeburg 19 000 Tonnen Zucker als Staatsreserve lagern, die aufgrund der schlechten Räumlichkeiten bereits anfangen klebrig zu werden.

9. Gemüse, Obst

Die Versorgung mit Gemüse ist, bis auf einzelne Kreise, gut. Jedoch ist der Verderb bei Gemüse immer noch hoch. Dies beruht zum größten Teil auf zu langer Laufzeit der Wagen, der schlechten Transportmittel bzw. schlechter Organisation und Planung [sic!]. So gingen auf Anweisung der DHZ Lebensmittel Berlin über die Importleitstelle Bad Schandau mehrere Waggons Frühgemüse in Gera ein, die zum größten Teil verdorben waren. Diese Lieferungen waren weder vertraglich geregelt noch vorher angekündigt. So wurden dem Bezirk Gera in wenigen Tagen 14 950 t Blumenkohl, 20 760 t Weißkohl und 6 000 t Karotten geliefert. Davon waren ca. 70 % aller Waren verdorben, was25 auf zu lange Laufzeit der Wagen zurückzuführen ist. Auch in Parchim, Bezirk Schwerin, kommt das Importgemüse in halb verdorbenem Zustand an. Die Laufzeit der Wagen von Bad Schandau bis Parchim beträgt sechs Tage. Sehr oft erfolgt auch eine vorherige Ankündigung nicht. Überschneidungen kommen oft vor bei der Belieferung mit Gemüse, da die DHZ die Auslieferung vornimmt, obwohl die VEAB dafür verantwortlich ist.

Bei Obst bestehen fast überall in den Bezirken noch Mängel, da Obst nicht in genügender Menge zum Verkauf gelangt. So ist z. B. die Versorgung mit Obst im Bezirk Rostock völlig ungenügend. Obst wird aus anderen Bezirken eingeführt. Die Verträge, die mit dem Bezirk Potsdam und Magdeburg abgeschlossen wurden, werden nicht eingehalten. Als Grund gibt man an, dass die Obsternte nicht gut ausgefallen ist.

10. Getränke

In der Getränkeversorgung treten in einzelnen Bezirken Schwierigkeiten auf, welche darauf zurückzuführen sind, dass nicht genügend Flaschen vorhanden sind, um die Ansprüche in der jetzigen Jahreszeit zu befriedigen. So ist in dem Bezirk Halle die Kapazität in der Mineralwasserversorgung unzulänglich. An den Rat des Bezirkes wurde bereits vor vier Monaten der Hinweis gegeben, dass zusätzlich Flaschenkontingente zur Verfügung gestellt werden sollen, was jedoch nicht geschah.

11. Viehablieferung

In der Ablieferung von Lebendvieh sind noch vereinzelt Rückgänge bzw. Stillstände zu verzeichnen. So wird z. B. im Bezirk Schwerin von den Bauern das Vieh nicht bzw. schleppend zur Ablieferung gebracht, was aufgrund von Gerüchten über eine Währungsreform26 und dass die Westmächte das von ihnen eroberte Gebiet zurückerhalten, geschieht. Im Bezirk Gera ist der Aufkauf von Lebendvieh stark zurückgegangen. Gegenüber der ursprünglichen Ablieferung beträgt er nur noch 40 %.

In Karl-Marx-Stadt sind die Schlachthöfe durch die Rückgänge der Viehaufkäufe nicht voll ausgelastet, die Bevorratung geht immer mehr zurück, da der Verbrauch höher liegt als die neuen Zugänge. Es ist bei weiterem Fallen der Neueingänge mit größeren Schwierigkeiten in der Fleischversorgung zu rechnen, besonders bei Rindfleisch.

Auch im Bezirk Magdeburg ist die Ablieferung von Lebendvieh bei den VEGs stark zurückgegangen. Laut Plan sollten bis Juli 53 % abgeliefert sein, dies wurde jedoch nur mit 12 % erfüllt.

12. Textilien und Industriewaren

Die Versorgung mit Textilien, Industrie- und Haushaltswaren ist noch ungenügend. Es fehlt vor allen Dingen an folgenden Waren: Sommerkleidung, bunte Sommerstoffe, leichte Sommermäntel, helle Anzugstoffe, leichte Unterwäsche, Kinderbekleidung, Windeln, Haushaltswäsche usw. Besonders fehlt es an geeigneter Arbeitskleidung für Stadt und Land. In Schuhwaren fehlen leichte Sommerschuhe sowie Schuhe in den Größen 39–42 (Herren), 36–39 (Damen). Auch fehlten besonders gute und billige Arbeitsschuhe. Bei Haushalts- und Industriewaren fehlen Emaillewaren (Töpfe, Eimer, Schüsseln usw.), Nägel, Schrauben, Fahrräder und Ersatzteile.

Wie aus Berichten hervorgeht, wird dem Wunsch der Bevölkerung noch nicht genügend Rechnung getragen. So zeigten z. B. im Bezirk Rostock die von dem Ministerium für Handel und Versorgung organisierten Sondereinkäufe mit besonderer Kreditgewährung wenig Erfolg, da die DHZ keine entsprechenden Waren auf Lager hatte. Im Bezirk Cottbus bestehen im Konsum Überplanbestände im Werte von 8 Mio. DM und bei der HO von 4,6 Mio. DM. Dieser Warenstau entstand durch nicht genügenden Absatz besonders in Rindslederschuhen und nicht gefragten Textilien.

13. Brennstoffe

Die Versorgung von Industrie und Bevölkerung ist völlig unzureichend. Die vorhandenen Brennstoffe reichen nicht aus, um den Bedarf der Industrie, Verwaltungen und Bevölkerung zu decken. Diese Schwierigkeiten treten in fast allen Bezirken auf, sodass es bereits in einigen Bezirken zur Stilllegung von Betrieben der örtlichen Industrie gekommen ist bzw. in nächster Zeit kommt. Von den zuständigen Sachbearbeitern der FA27 Kohle beim Staatlichen Komitee für Materialversorgung konnte bisher keine Auskunft gegeben werden, wann und wie viel Kohle noch geliefert wird. Dazu folgende Beispiele:

Im Bezirk Cottbus ist der Bedarf der Bevölkerung und der örtlichen Industrie bei Weitem nicht gedeckt. Die z. T. gelieferte Rohkohle (Förderkohle) ist von so schlechter Qualität, dass sie in verschiedenen Betrieben nicht zur Verwendung kommen kann. So ist sie z. B. in der volkseigenen und privaten Glasindustrie nicht zu gebrauchen, da diese Klarkohle Gase entwickelt, die zu Explosionen führen. So muss28 in der Glashütte Greiner in den nächsten Wochen mit der Entlassung der Arbeiter begonnen werden, worüber die Arbeiter äußerst unzufrieden sind. Auch im Kreis Forst, Bezirk Cottbus, werden in den nächsten Wochen durch Kohlenmangel elf Betriebe zum Stillstand kommen.

Im Bezirk Gera konnte der Kartenanspruch der Bevölkerung auf Braunkohlenbriketts nur zu 50 % befriedigt werden. Ausgesprochen schlecht ist die Versorgung der Bevölkerung mit Rohbraunkohle und Steinkohle, wo zur Deckung des Mindestbedarfes noch 175 000 t fehlen. Bei Austauschbrennstoffen fehlen noch 110 000 t und bei Brennholz ebenfalls 10 000 t. Der Bevollmächtigte für Brennstoffe des Bezirkes war vom 7. bis 9.7.1953 in Berlin, wo er mit dem Staatssekretär Wächter29 (Beauftragter für Kohlenversorgung beim Ministerrat der DDR) sowie mit leitenden Personen aus dem Ministerium für Handel und Versorgung, des Staatssekretariats für Kohlenindustrie30 und der DHZ Kohle gesprochen hat. Von keinem dieser Personen konnte eine Verbesserung der Brennstoffversorgung zugesagt werden. Es besteht auch keine Aussicht auf weitere HO-Kohle. Eine Verbesserung kann nur durch Importe erreicht werden.31

In Karl-Marx-Stadt besteht eine ernste Gefahr in der Hausbrandversorgung, welche sich von Tag zu Tag verschlechtert. Im gesamten Bezirk fehlt es an Braunkohle und Briketts. Weiterhin werden in Karl-Marx-Stadt keine Presssteine mehr hergestellt, da die Ziegeleien wieder Ziegelstein produzieren. In der Versorgung der Industrie sind die schlimmsten Befürchtungen zu erwarten, wenn es keine zusätzlichen Brennstoffkontingente gibt. So wird es erstmalig vorkommen, dass gewisse Handelszweige keinerlei Zuweisungen an Briketts erhalten.

14. Transport

In einigen Bezirken bestehen Schwierigkeiten im Transportwesen, sodass durch Fehlen von Transportraum einzelne Warenarten nicht rechtzeitig an die Kreise geliefert werden konnten. So fehlt es besonders an einwandfreien Transportmöglichkeiten (Kühlwagen), damit der Transport der Importwaren nicht in Lkw vorgenommen werden muss, was größtenteils einen hohen Verderb der Waren herbeiführt. Durch Transportschwierigkeiten konnten die Kreise Nordhausen und Sömmerda, Bezirk Erfurt, mit verschiedenen Waren nicht beliefert werden, da keine Lkw zur Verfügung standen. Investitionen zur Aufbesserung des Fuhrparks wurden nicht bewilligt. In Karl-Marx-Stadt ist in den Kreisen genügend Gemüse vorhanden, jedoch treten in einzelnen Orten Mängel in der Belieferung auf, was auf einen teilweise ungenügenden Wagenpark zurückzuführen ist.

Die örtlich vorhandenen Schwierigkeiten in der Versorgung der Bevölkerung sind zum größten Teil auf schlechte Organisation und Planung, auf Mängel in der Belieferung, auf bürokratisches Verhalten bzw. Unfähigkeit der dafür verantwortlichen Stellen zurückzuführen. In einzelnen Fällen wird auch durch unklar gegebene Anweisungen von höherer Stelle (Ministerium für Handel und Versorgung) eine gute Organisation und Planung verhindert bzw. gestört. Dazu folgende Beispiele:

Durch schlechte Organisation kam es vor, dass vom Bezirk Erfurt Blumenkohl nach Karl-Marx-Stadt geliefert wurde und gleichzeitig erhielt der Bezirk Erfurt Blumenkohl aus Bad Schandau. Der Konsum in Schwarzenberg bezog Möbeleinrichtungen von der DHZ Dresden, welche diese aus Raschau (Nähe Schwarzenberg) geliefert erhielt. So wurden die Möbel von Raschau über Dresden zurück nach Schwarzenberg transportiert.

Ein für Heiligenstadt, Bezirk Suhl, bestimmter Lkw mit Anhänger mit insgesamt 11 809 Bund Möhren wurde von der dortigen VEAB nicht angenommen, da kein Bedarf an Möhren vorlag. Die Ladung kam aus der Umgebung von Berlin und hatte schon eine längere Fahrt hinter sich. Trotzdem dauerte es zehn Stunden, bevor man von der VEAB Heiligenstadt den Lkw weiter nach Bad Salzungen schickte. Hier wurden die Möhren wiederum nicht angenommen, da man ebenfalls keinen Bedarf hatte, er wurde weiter nach Schmalkalden geleitet. Als der Wagen in Schmalkalden ankam, war die Ware bis zu 30 % verdorben.

Im Bezirk Neubrandenburg wurden Fische bis zum 8.7.1953 zum alten Preis noch verkauft, da die Abteilungsleiterin Küsel das Fernschreiben unbeachtet liegen ließ. Es wurde von ihr erst am 7.7.1953 nachmittags an die Kreise weitergeleitet. Dadurch, dass der Fisch nach der Preisherabsetzung im Bezirk Neubrandenburg noch zum alten Preis verkauft wurde, entstand eine starke Unzufriedenheit unter der Bevölkerung. Die Kollegin Küsel soll am 15.7.1953 nach Berlin zur Staatlichen Kontrolle für Handel und Versorgung versetzt werden.

Im Bezirk Rostock hat die DHZ Textil völlig die Übersicht über ihre Bestände verloren, was zu einem riesigen Warenstau führte, da man die Wünsche der Bevölkerung nicht berücksichtigte. Die DHZ Fische in Schwerin gibt die Fischzuweisungen an die Fischwarenfabrik nicht so, dass der Absatz gewährleistet ist. So werden die Fischlieferungen an die Fischfabrik Güstrow meist kurz vor Wochenende gegeben, sodass eine richtige Streuung der Ware nicht mehr möglich ist und in der warmen Jahreszeit eine erhöhte Gefahr des Verderbens entsteht.

Die Abteilung Handel und Versorgung des Bezirkes Schwerin erhält oft unklare Anweisungen vom Ministerium für Handel und Versorgung, die vielfach geändert werden. So erhielt die Abteilung Handel und Versorgung des Bezirkes Schwerin am 6.7.1953 ein Fernschreiben, das beinhaltete, ab sofort Bohnenkaffee für 80,00 DM [je] Kilo zu verkaufen. Mit einem Fernschreiben vom 8.7.1953 wurde die Anweisung wieder zurückgezogen. Nach einem geführten Ferngespräch mit dem persönlichen Referenten des Ministerpräsidenten wurde am 10.7.1953 das erste Fernschreiben wieder in Kraft gesetzt (Verkauf des Bohnenkaffees für 80,00 DM je Kilo). Durch derartige Anweisungen werden Missstimmungen unter den Mitarbeitern und der Bevölkerung hervorgerufen.

Sehr schlecht wirkt sich besonders für den Bezirk Dresden, Kreis Zittau, folgende Tatsache aus: Im Auftrage des Ministers Wach32 wurden Frau Miesky und Herr Brettin von der Staatlichen Handelsinspektion Berlin in den Kreis Zittau beordert. Sie hatten den Auftrag vom Minister Wach, im Kreis Zittau Vorarbeit zu leisten, da der Minister am 28.7.1953 im VEB IFA-Phänomen in Zittau sprechen soll. Aufgrund von Forderungen von Arbeitern gaben diese beiden Personen die Anweisung, für die Arbeiter von »Phänomen« und der mechanischen Weberei zusätzlich pro Kopf 250 g Butter auszugeben. Diese Sonderausgabe geht jedoch zulasten des gesamten Kreises Zittau, da keine Möglichkeit der Aufstockung vom Rat des Bezirkes besteht. Die Aufstockung für den Bezirk über 200 Tonnen Butter wurde vom Minister Wach am 16.7.1953 abgelehnt. Die Instrukteure gaben ferner die Anweisung, dass das Werk »Phänomen« sofort Freibankfleisch in der Werksküche verarbeiten kann. Dies geschieht entgegen den Anweisungen der Regierung. Es ist zu erwarten, dass jetzt auch andere Betriebe mit den gleichen Forderungen auftreten. Durch solche Maßnahmen werden die provokatorischen Elemente unterstützt und sie desorganisieren gleichzeitig den gesamten Versorgungsapparat.

Aufstellung über Schwierigkeiten und Mängel in den einzelnen Warenarten in der Versorgung der Bevölkerung

[Tabelle nicht barrierefrei]

Bezirke /Warenarten

Rostock

Neubrandenburg

Frankfurt/O

Schwerin

Potsdam

Halle

Magdeburg

Leipzig

Dresden

Karl-Marx-Stadt

Erfurt

Gera

Cottbus

Suhl

Fettwaren

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×

×

×

×

×

Brot/Mehl

×

×

Nährmittel

×

×

×

×

×

×

×

×

×

Hülsenfrüchte

×

×

×

×

Fleisch

×

×

×

×

×

Fischwaren

×

Eier

×

Zucker

×

×

×

×

×

×

×

×

×

Kartoffeln

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×

×

×

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×

×

Gemüse

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Obst

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×

×

×

×

Viehablieferung

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×

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×

×

Textilien

×

×

×

×

×

×

×

×

Arbeitskleidung

×

×

×

×

×

×

×

Haushaltswaren und Industriewaren

×

×

×

×

×

×

×

Brennstoffversorgung

×

×

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×

×

×

×

×

Transport

×

×

×

×

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Anm.: Aus den Bezirken Frankfurt/Oder, Potsdam, Leipzig und Dresden liegen noch keine Berichte über die Lage der Versorgung der Bevölkerung des Bezirkes vor.

Anlage 4 vom 18. Juli 1953 zur Information Nr. 1017 (1. Expl.)

Information Nr. 1017d: Lage in der KVP

1. Feststellung über Arbeit und Methoden des Gegners bei den eingesetzten Einheiten der KVP zur Sicherung der Sektorengrenze Berlin

Am 7.7.1953 meldete unser Mitarbeiter Hptm. Zukunft,33 dass an der Sektorengrenze französischer Sektor (Schildow) den Angehörigen der KVP laufend durch Stummpolizisten34 Getränke, Esswaren und Zigaretten angeboten wurden.

Seit dem 9.7.1953 ist zu verzeichnen, dass der Gegner im Bereich der Inspektionen und VP-Reviere, so seit diesem Tag, wo die KVP eingesetzt ist, Flugblattaktionen durchgeführt hat. Besonders durch die Organisation NTS.35

Der Mitarbeiter Obltn. Stolze36 berichtet am 9.7.1953, dass besonders die Bauarbeiter in der Stalinallee eine schlechte Haltung gegenüber den Angehörigen der KVP einnehmen, in dem sie ganz klar zum Ausdruck brachten: »Heute fühlt ihr euch noch stark, aber wartet, bald geht es wieder los!«

Am 9.7.1953 berichtet unser Mitarbeiter Major Herzer,37 dass sich am gleichen Tage gegen 19.00 Uhr der Bürgermeister Ernst Reuter mit mehreren Offizieren der Stummpolizei und einigen amerikanischen Offizieren in Zivil am Potsdamer Platz aufhielt.

Am 14.7.1953 berichtet uns Major Keiner,38 dass mehrere Westberlinerinnen, welche Angehörige der »Jungen Gemeinde« sind, Diskussionen mit unseren KVP-Angehörigen herbeiführen, wo sie den Westen und vor allen Dingen Kanada verherrlichen.

Am 14.7.1953 berichtet Major Schönert,39 dass im Abschnitt 1 (Schildow–Wollankstraße) verstärkt Frauen versuchen, unsere KVP-Angehörigen zum Kaffeetrinken, Mittagessen und Abendbrot einzuladen. Die gleichen Frauen bringen den Posten der Division Prenzlau40 gegenüber zum Ausdruck, dass die vorherigen Posten der anderen Dienststellen besser gewesen seien und dass sie den Einladungen Folge geleistet haben.

Am 15.7.1953 berichtet Major Schönert, dass im Abschnitt 1 (Schildow–Wollankstraße) unsere Posten laufend aus den Ruinen westlicherseits mit Steinen beworfen werden. Ebenfalls ist dort auch zu verzeichnen, dass die Stupos versuchen, unsere Posten nach dem Westen zu locken, in dem sie den Westen verherrlichen. Am gleichen Tage meldet der Mitarbeiter, dass am 14.7.1953 Angehörige der KVP in der Nähe der Wilhelm-Pieck-Schule (Inspektion Pankow) mit verfaulten Eiern beworfen wurden.

Am 16.7.1953 meldet Major Schönert, dass am gleichen Tage gegen 18.00 Uhr an der Oberbaumbrücke ein Zivilist unseren Posten beschimpfte und ihm die Schulterstücke abriss.

Am 17.7.1953 berichtete Major Schönert, dass am Abschnitt 4, Kontrollpunkt 81, gegen 18.00 Uhr, sechs männliche Personen aus dem Westsektor kamen und unsere Posten mit folgenden Worten beschimpften: »Ihr Dreckschweine, wascht erst einmal eure Uniformen, bevor ihr mit uns sprechen könnt. Wir kommen heute Abend wieder.«

Am 16.7.1953 meldete Major Schönert, dass der Stützpunkt Geschwister-Scholl-Straße (ABF) laufend von Mädchen angelaufen wird. Diese geben sich als Bräute, Kusinen usw. aus und nennen Namen von Soldaten, die sie unbedingt sprechen wollen.

In der vergangenen Nacht wurden nachstehende Personen, die verdächtigt sind, an der Desertion41 des Gefreiten [Name 1] beteiligt zu sei, festgenommen:

  • [Name 2, Vorname], 1915 geboren, wohnhaft: Berlin-Neukölln,

  • [Name 3, Vorname], 1921 geboren, wohnhaft: Lankwitz,

  • [Name 4, Vorname], 1930 geboren, wohnhaft: Naunynstraße,42

  • [Name 5, Vorname], 1930 geboren, wohnhaft: Schleiermacherstraße.

2. Wie ist die Stimmung der eingesetzten Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere?

Im Allgemeinen kann gesagt werde, dass die Stimmung der eingesetzten Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere gut ist.

Positive Beispiele:

Am 9.7.1953 meldete Obltn. Stolze, dass sich die Soldaten [Name 6] und [Name 7] des Verbandes Potsdam II folgendermaßen äußerten: Die Maßnahmen über die Öffnung der Sektorengrenze erfordert von uns sehr große Wachsamkeit. Die Stimmung der Einheiten ist gut. Sollten die Verbrecher es noch einmal wagen, Unruhen zu stiften, dann werden sie alle Härten, welche für uns entstanden sind, mitbezahlen.

Der GI »Löwe« berichtet, dass der Gefreite [Name 8] der Meinung ist, dass sich die Öffnung der Sektorengrenze einesteils sehr gut auswirken wird, [er] jedoch auf der anderen Seite die Meinung vertritt, dass nun wiederum von westlicher Seite Agenten, Saboteure und Provokateure eingeschleust werden.

Am 15.7.1953 berichtete Major Schönert, dass die Stimmung in der Division Prenzlau gut ist. Dies drückt sich besonders darin aus, dass sich die Stützpunkte gegenseitig zum Wettbewerb aufforderten zur Erhöhung der Disziplin und Wachsamkeit.

Am 11.7.1953 wird berichtet, dass der Uffz. [Name 9] sich verpflichtet hat, weitere drei Jahre Dienst zu tun.

Am 13.7.1953 wurden dem Uffz. [Name 10, Vorname] und dem Soldat [Name 11] vom 2. Regiment von Zivilpersonen aus Westberlin kommend Zigaretten angeboten; obwohl keiner von beiden seit einigen Tagen eine43 Zigarette mehr hatte, lehnten sie dieses Angebot entschieden ab und forderten die Zivilpersonen auf, schnellstens weiterzugehen. Sie brachten anderen Genossen gegenüber zum Ausdruck, dass sie lieber 14 Tage nicht rauchen würden als vom Westen Zigaretten anzunehmen.

Am 13.7.1953 wurde der Gefreite [Name 12] durch einige Frauen aus dem Westsektor kommend aufgefordert, eine Schachtel Westzigaretten anzunehmen. [Name 12] verneinte dies entschieden und forderte die Frauen auf, den Postenbereich zu verlassen. Da aber die Frauen den Anweisungen des Postens nicht Folge leisteten, nahm er die Schachtel Zigaretten ab und zertrat sie auf der Erde. Danach entfernten sich diese Personen sofort.

Der Gefreite [Name 13] und Soldat [Name 14] wurden am 17.7.1953 auf provokatorische Weise von zwei Frauen angesprochen. Nachdem die Posten nicht darauf reagierten und die Frauen aufforderten, ruhig wieder nach dem goldenen Westen zu gehen, boten sie den Posten Westzigaretten an. Die Posten wiesen dies entschieden zurück.

Am 11.7.1953 wurden dem Gefreiten [Name 15] bei der großen Hitze von Zivilpersonen aus dem Westsektor Limonade sowie Coca-Cola angeboten. Dieser wies die Getränke ebenfalls entschieden zurück.

Negative Beispiele:

Am 8.7.1953 berichtet unser Mitarbeiter Hptm. Rößler,44 dass am 7.7.1953 in den Abendstunden der Hptm. Lehnert vom Verband Stern Buchholz45 an der Prinzenstraße sich ungefähr 30 Minuten lang mit Angehörigen der Stummpolizei unterhielt. Am 8.7.1953 wiederholte Lehnert dies an der gleichen Stelle. Ermittlungen ergaben, dass Lehnert mit den Angehörigen der Stummpolizei in ein und demselben Lager in Jugoslawien in Gefangenschaft war.

Am 17.7.1953 meldet der Mitarbeiter Major Schönert, dass der Uffz. [Name 16, Vorname], 1. Regiment, 4. Kompanie, eingesetzt als Gruppenführer an der Wache am Nationalrat, beim Wachaufzug sich weigerte die Zeltplane umzuhängen. Er begründete dies damit: »Ich laufe doch nicht wie ein Russe rum.«

Am 11.7.1953 meldet der Mitarbeiter Major Lohse,46 dass der Ultn. [Name 17] mit sieben Soldaten seiner Gruppe am 10.7.1953 in der Gaststätte »Richter« in Altglienicke übermäßig Alkohol genoss. In diesem Zustand ließ [Name 17] dann wieder seine Posten aufziehen. [Name 17], welcher von einem Angehörigen der HVdVP auf sein schlechtes Verhalten aufmerksam gemacht wurde, bedrohte diesen mit dem Karabiner.

In der Zeit vom 17.6.1953 bis 16.7.1953 desertierten in den Einheiten der KVP zehn Angehörige. Davon war einer Unterleutnant. Die Untersuchungen der Desertionen haben ergeben, dass sämtliche Polizisten bis zum Zeitpunkt ihrer Desertion positiv eingeschätzt wurden. Ein Soldat hat noch einen Tag vorher eine Erklärung abgegeben, dass er seinen Dienst gewissenhaft bis zum Ende durchführen will. In einem Fall hat ein Soldat einen Brief hinterlassen, in dem er zum Ausdruck brachte, dass er mit der Durchführung des Dienstes sowie den Anweisungen, auf Deutsche zu schießen, nicht einverstanden sei. In einem Fall wurde festgestellt, dass eine nahe Verwandte des Soldaten unmittelbar im Gebiet der Sektorengrenze wohnhaft war. In einem weiteren Fall wurde festgestellt, dass Geschwister und Verwandte in Westberlin wohnen, wobei der Schwager sieben Lkw zu fahren hat. In drei Fällen besteht der Verdacht, dass die Soldaten durch negative Beeinflussung vonseiten der Zivilbevölkerung zur Desertion verleitet wurden.

Bei verschiedenen Einheiten gab es hier und da Mängel in der Versorgung, die aber in allen Fällen auch durch die Vorstellungen unserer Mitarbeiter bei dem Kommandeur schnell behoben wurden. Dafür einige Beispiele:

Am 14.7.1953 meldete unser Mitarbeiter Major Schönert, dass die Versorgung des 1. Regiments der Division Prenzlau sehr mangelhaft ist. So erhielten die Posten am 14.7.1953 zwölf Stunden kein Essen. Ebenfalls wurden im gleichen Regiment durch falsche Stärkemeldungen 30 bis 40 Posten täglich nicht mit Kaltverpflegung und Zigaretten versorgt.

Am 13.7.1953 meldete der Mitarbeiter Major Lohse, dass die Posten im FDGB-Heim, obwohl sie schon 14 Tage dort stationiert sind, noch kein Stroh zur Verfügung gestellt bekamen und auf dem Fußboden schlafen mussten.

Besonders bei den Einheiten der Division Prenzlau, die aus Sommerlagern zum Einsatz kamen, sind die Uniformen vieler Soldaten schmutzig und zum Teil unvollständig. Bei einer größeren Anzahl von Soldaten fehlen an den Feldmützen die Kokarden. Auf diese letztgenannten Mängel wurde Minister Stoph47 hingewiesen und Oberst Riedel48 versicherte uns, dass er Uniformen zum Austausch bekommt.

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    20. Juli 1953
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