Direkt zum Seiteninhalt springen

Tagesbericht

20. Juli 1953
Information Nr. 1018

Stimmung der Bevölkerung

Hydrierwerk Zeitz-Tröglitz (SAG)

Von der sowjetischen Generaldirektion wurde eine Prämie von 20 000 DM genehmigt. Mit der Aufteilung dieser Prämie durch die deutsche Werksleitung war die Belegschaft nicht einverstanden. Die deutsche Werksleitung überließ daraufhin die Verteilung dieser Prämie einer Kommission, die sich jedoch auch nicht einig wurde, sodass die Verteilung an die Werksleitung zurückging.

Nachdem noch 600 DM bewilligt wurden, kam die Prämie am 3.7.1953 wie folgt zur Verteilung: 14 600 DM für 227 Arbeiter, 6 000 DM für 28 Intelligenzler und Angestellte.

Aus Diskussion mit Arbeitern geht hervor, dass über diese Verteilung allgemeine Unzufriedenheit herrscht. Man bringt zum Ausdruck, dass die Prämierung der Arbeiter im Vergleich zur Intelligenz ungerecht sei. Die Arbeiter aus dem Fuhrpark sind verärgert, da sie bereits bei der letzten Prämienzahlung nichts erhalten hätten. Besonders die Prämien der Ingenieure [Name 1] (500 DM), Thinius1 (1 400 DM) und Fiedler2 (770 DM) werden als zu hoch angesehen. Von den Arbeitern wird die Durchführung dieser Maßnahme als provokatorisch und egoistisch betrachtet, wodurch das Vertrauen der breiten Massen zur Partei und Regierung untergraben wird. Zu bemerken ist, dass sich die Partei nicht um die Missverhältnisse und Unstimmigkeiten im Betrieb gekümmert hat und demzufolge nicht dazu beitragen konnte, dass die Prämienverteilung mit Unterstützung der Parteileitung gerecht erfolgte.

Am 17.7.1953 wurde in der mechanischen Werkstatt der Wismut AG Freital eine Kurzversammlung durchgeführt, auf der eine Resolution gegen die sogenannte Hilfe der USA3 angenommen werden sollte. In der Diskussion traten Arbeiter auf, die zum Ausdruck brachten, dass die Hilfe der USA bei uns gebraucht wird. Man sollte aber eine Resolution an den Präsidenten Wilhelm Pieck schicken, worin vorgeschlagen wird, dass man unfähige Mitarbeiter des Staates entlassen soll. Auf einer zweiten Versammlung, die sich mit der Annahme der Resolution beschäftige, verließen die Arbeiter nach der Erklärung des Genossen Pickhardt, der die Versammlung leitete, dass solche Diskussionen dem Klassengegner helfen, die Versammlung. Die Resolution wurde auch bei diesem zweiten Versuch nicht angenommen.

VEB Mechanik Gaselan

Aufgrund des Ministerratsbeschlusses wurden 17 Mio. DM Aufträge annulliert,4 die Direktion war nicht mehr Herr der Lage. In einer Aussprache mit Vertretern des Ministeriums für allgemeinen Maschinenbau wurde folgende Klärung geschaffen: Die Planauflage wird um 10 Mio. gekürzt. Der Plan, der im ersten Halbjahr mit 85 % erfüllt wurde, wird mit 100 % anerkannt, d. h., dass die 15 % zulasten des Ministeriums fallen. Durch die Reduzierung des Planes um 10 Mio. werden 350 Arbeitskräfte frei, die aber nicht entlassen werden dürfen (Lohn wird vom Staat gedeckt). Die Situation in der Materialversorgung ist weiterhin ernst, und man rechnet damit, dass auch das 2. Halbjahr nicht erfüllt werden kann. Im Betrieb und nach den Worten des Direktors spricht man davon, dass wir sehr viele Arbeitslose bekommen werden. Zur Verärgerung trägt die Verteilung der Geldmittel bei, die von der Regierung für soziale Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden. Von den verlangten 300 000 DM wurden nur 40 000 DM bewilligt. Die Betriebsparteiorganisation hat sich mit dem Filmstudio in Johannisthal in Verbindung gesetzt, um die Zustände aufzunehmen. Desgleichen wurden Presse und Rundfunk unterrichtet. Werksleiter und Partei sind der Meinung, dass sie wohl verantwortlich für den Betrieb sind, ohne Hilfe von außen aber sind sie machtlos.

VEB Kraftverkehr Merseburg

In einer Belegschaftsversammlung des VEB Kraftverkehr wurden folgende Forderungen gestellt:

  • 1.

    Keine unterschiedliche Bezahlung der Kraftfahrer. Als Beispiele werden angeführt, dass im Buna-Werk die Fahrer 2,13 DM und 10 % Prämie erhalten. In den Leuna-Werken erhalten die Fahrer 1,86 DM, sie aber im Kraftfahrerbetrieb erhalten nur 1,50 DM.

  • 2.

    Rückzahlung von 60 % FDGB-Geldern in die Betriebe

  • 3.

    Fühlbare Senkung der HO-Preise besonders für Fette, Fleischwaren und Textilien

In den Grenzkreisen diskutiert man besonders darüber, dass an Bewohner der Fünf-Kilometer-Sperrzone keine Interzonenpässe ausgegeben werden.5 Am 20.7.1953 verlangte eine Delegation der Grenzbevölkerung, bestehend aus zehn Frauen, beim Leiter des VPKA Lobenstein Genehmigung für Interzonenpässe. Sie äußerten sich: »Wenn wir keine Interzonenpässe bekommen, werden sämtliche Frauen aus dem Grenzkreis (Fünf-Kilometer-Sperrzone) demonstrieren.« Sie führten u. a. aus, dass der Personenkreis, der 1952 wegen Unzuverlässigkeit von der Grenze ausgewiesen wurde, ist im Besitz der Interzonenpässe und lacht die Leute im Grenzgebiet aus. Wenn die Interzonenpässe nicht genehmigt werden, wollen die Frauen dafür sorgen, dass ihre Männer, die zum größten Teil im VEB beschäftigt sind, ebenfalls protestieren. Nach Aussagen der Frauen hat der westdeutsche Sender durchgegeben, dass die Grenzbevölkerung Interzonenpässe erhält, was vermutlich auch der Grund war für ihr demonstratives Auftreten.

  1. Zum nächsten Dokument Tagesbericht

    21. Juli 1953
    Information Nr. 1019

  2. Zum vorherigen Dokument Tagesbericht

    18. Juli 1953
    Information Nr. 1017