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Arbeitsniederlegungen und Lohnforderungen (6. Nachtrag)

20. Oktober 1956
Information Nr. 260/56 – Betrifft: Arbeitsniederlegung und Lohnforderungen ([6.] Nachtrag zur Information Nr. 231/56)

Am 19.10.1956 legten im VEB Wema Plauen, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, Baustelle Wielandstraße 2, Baggerführer und deren Hilfskräfte die Arbeit von 11.00 bis 16.00 Uhr nieder. Ursache: Bei Ausschachtungsarbeiten stießen sie auf den Blindgänger, einer vom Kriege herstammenden Fliegerbombe. Seitens der Bauleitung wurde Vorsicht geboten, da eventuell weitere Bomben noch liegen könnten. Daraufhin forderten die Arbeiter Gefahrenzulage. Als keine Einigung erzielt wurde, kam es zur Arbeitsniederlegung.

Am 11.10.1956 legten vier aus Westdeutschland in die DDR gekommene Arbeiter des VEG Luckow, [Kreis] Strasburg, [Bezirk] Neubrandenburg, mittags die Arbeit nieder. Ursache: Das Mittagessen würde nicht schmecken. Die Überprüfung ergab jedoch, dass das Essen einwandfrei war. In den Aussprachen brachten die Arbeiter zum Ausdruck, wieder nach Westdeutschland zu gehen, sobald es dort Arbeit gibt.

Am 16.10.1956 nahmen 20 Schüler der Fachschule für Landwirtschaft, die in der LPG Rubenow, [Kreis] Anklam, zur Rodung von Kartoffeln eingesetzt waren, mittags die Arbeit nicht wieder auf. Ursache: Die Schüler waren nicht einverstanden mit dem verabreichten Eintopfessen.

Lohnforderungen und Forderungen auf Durchführung von Versammlungen

Im VEB Glühlampenwerk Plauen, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, Abteilung Fußherstellung, wird von den Arbeitern aufgrund der in dieser Abteilung herrschenden Hitze ein Lohnzuschlag gefordert. Am 18.10.1956 wurde in dieser Abteilung eine große Puppe aufgehängt, mit der Aufschrift »Schnauze voll«.

Im VEB Teppichfabrik »Halbmond« Oelsnitz/Vogtland, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, stellten seit einigen Tagen die Arbeiter die Forderung, umgehend eine Betriebsversammlung durchzuführen. Diskutiert werden sollte über die Arbeitszeit, BGL-Wahlen, Prämienfragen und die Aktivistenfeier. Die BPO trug der Forderung Rechnung und führte am 18.10.1956 nachmittags die Versammlung durch. In der Versammlung traten bereits bekannte negative Elemente in provokatorischer Weise in Erscheinung und erhielten Beifall von den dort Anwesenden.

Im VEB Bau-Union Karl-Marx-Stadt, Baustelle Senefelder Straße,1 stehen seit dem 18.10.1956 die Veröffentlichungen über Magdeburg zur Diskussion.2 Ein großer Teil der dort Beschäftigten hört Westsender und glaubt deren Veröffentlichungen. Am 19.10.1956 verstärkten sich die Diskussionen. Allgemein wird folgendes Argument vertreten: – Der 17. Juni 1953 wiederholt sich. Diesmal geht der Aufstand anders aus, da man nicht mit dem Eingreifen der Roten Armee zu rechnen brauche und die Volksarmee zu überrumpeln wäre. Weitere Argumente sind: Gegenwärtig würde in allen Industriezweigen von den Arbeitern zu viel verlangt. Der zweite 17. Juni soll dazu beitragen, eine Änderung zu erreichen. Diejenigen, die, die Gesetze ausarbeiten, sollen die Arbeit durchführen [und] dass Missstände wie in Magdeburg in allen Industriezweigen vorhanden wären, deshalb würde sich der Streik auf die ganze Republik ausdehnen. Ein Arbeiter brachte in diesem Zusammenhang einem aus Westdeutschland gekommenen Jugendlichen gegenüber zum Ausdruck: »Nun mein Junge, du bist noch nicht lange in der DDR, wirst aber bald Gelegenheit haben, einen richtigen Streik mitzumachen.«

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    20. Oktober 1956
    Information Nr. 263/56 – Situation in Industrie und Landwirtschaft

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    20. Oktober 1956
    Informationsdienst Nr. 20 zur Beurteilung der Situation in der DDR