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Arbeitsorganisation im Kombinat »Schwarze Pumpe«

27. Juli 1956
Information Nr. 99/56 – Betrifft: Planerfüllung und Arbeitsorganisation im Objekt »Schwarze Pumpe«

1.) Planerfüllung

Das Ziel für die I. Aufbaustufe des Kombinats ist, am 1.10.1959 die Lieferung von Briketts aufnehmen zu können. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es notwendig, dass zu diesem Zweck die Brikettfabrik und das Kraftwerk West voll in Betrieb genommen werden. Um diesen Termin einhalten zu können, wird von den Ingenieuren der 1.1.1957 als der späteste Beginn der Bauarbeiten für das Kraftwerk, das für die Einhaltung des Termins ausschlaggebend ist, angegeben. Bei der Stellung dieses Termins gehen die Ingenieure davon aus, dass der Bau des Kraftwerkes bei einem Einsatz von 2 000 Bauarbeitern nur für das Kraftwerk und einer Arbeitsproduktivität von 1 500 DM je Bauarbeiter und Monat in einer Bauzeit von 16 Monaten zu schaffen wäre. Die Montagezeit der Kessel berechneten die Ingenieure mit zehn Monaten.

Nach vorliegenden Berichten ist sowohl der Beginn der Bau- und Montagearbeiten, als auch die Fertigstellung der genannten Objekte zu den geplanten Terminen gefährdet. Die Ursachen dafür sind folgende:

1.) Für die Kessel und Turbinen des Kraftwerkes sind folgende Aggregate vorgesehen:

  • 6 Kessel, Leistung 230/h, 545° C, 111 Atü,

  • 3 Gegendruck-Anzapf-Turbinen 50 MW, 111 Atü, 38 Atü, 5 Atü,

  • 4 Kondensations-Turbinen 25 MW, 38 Atü.

Angeblich sind aus den 4 Kondensations-Turbinen die Hauptaggregate in der DDR bisher noch nicht gefertigt worden.

2.) Nach Mitteilungen des Projektierungsbüros »Kohle« ist mit den ersten Ausführungszeichnungen für den baulichen Teil des Kraftwerkes etwa Mitte 1957 und mit den letzten etwa Anfang 1958 zu rechnen. Auf einer Besprechung am 15.6.1956 wurde von Dr. Bilkenroth1 erklärt, dass durch die Neukonstruktion der 50 MW-Projektierung für das Kraftwerk ein Verzug von zehn Monaten eingetreten wäre, was bedeutet, dass die ersten Ausführungsunterlagen etwa Anfang 1958 ausgeliefert würden und der Termin der Inbetriebnahme am 1.10.1959 nicht einzuhalten ist.

3.) Die Bau-Union Kohle, wie sie jetzt auf der Baustelle arbeitet, kann angeblich nicht die ihr gestellten Aufgaben durchführen, da sie ihren Stammsitz nicht im Kombinat »Schwarze Pumpe« hat und zum anderen das verantwortliche Personal mit anderen Großbauten beschäftigt ist, sodass das Kombinat erst an zweiter Stelle kommt. Die Kraftwerksingenieure der Aufbauleitung haben zwei Vorschläge unterbreitet, die es ihrer Meinung nach ermöglichen würden, den Termin der Inbetriebnahme einzuhalten. Diese Vorschläge sind:

  • a)

    Verwendung von bereits konstruierten bzw. erprobten Turbinen, die allerdings kleinere Leistung haben. Infolgedessen müssten einige Aggregate mehr aufgebaut werden.

  • b)

    Verwendung von Importturbinen aus Westdeutschland.

Beide Vorschläge wurden jedoch in der Besprechung am 15.6.1956 abgelehnt. Bei den Kraftwerksingenieuren der Aufbauleitung hat sich deswegen eine starke Niedergeschlagenheit bemerkbar gemacht, da sie befürchten, »dass sie zum Schluss die Prügelknaben für diese Widersprüche machen«.

Im ursprünglichen Plan für das Jahr 1956 beim Bau des Kombinates »Schwarze Pumpe« war für die Bauindustrie eine Summe von ca. 90 Mio. DM vorgesehen. Die augenblickliche Lage auf der Baustelle ist so, dass nach Meinung der Verantwortlichen diese Summe auch nicht einmal zur Hälfte erreicht wird, wenn die Zustände nicht schnellstens und gründlich geändert werden. Obwohl die Bau-Union Kohle Lauchhammer den größten Anteil an der Bausumme hat, geht das Baugeschehen nur schleppend voran. Der Grund liegt sowohl an dem Mangel von Arbeitskräften als auch an qualifizierten Bauleitern.

Die HV Spezialbaubetriebe, Kollege Bubl,2 im Ministerium für Aufbau hat am Beginn dieses Jahres einen Vertrag unterschrieben, in dem sich diese verpflichtete, alle Voraussetzungen zu schaffen, dass die 90 Mio. DM in diesem Jahr verbaut werden können. Selbst wenn durch fehlende Unterlagen verschiedene Objekte nicht pünktlich angefangen werden können, ist zzt. ein derartiger Vorlauf an Projekten vorhanden, dass das Baugeschehen im stärksten Umfang durchgeführt werden könnte.

2.) Arbeitsorganisation

Es ist festzustellen, dass die Arbeitsorganisation noch sehr zu wünschen übrig lässt und dass teilweise von der Bauleitung aus keine bzw. seltene Absprachen mit Polieren stattfinden. So ist auch bei der Bau-Union Kohle, Objekt Arbeiterwohnstadt,3 keine Koordinierung der Arbeiten der beiden verantwortlichen Bauabschnittsleiter für Hoch- und Tiefbau vorhanden und es kam dadurch oft vor, dass vom Tiefbau Ausschachtungen und Straßenarbeiten vorgenommen wurden, ohne dabei zu berücksichtigen, wie der Hochbau sein Material herangefahren bekommt bzw. die Arbeiten termingerecht vollenden kann.

Es besteht der Zustand, dass sehr viele Brigaden arbeitsmäßig, um es so zu bezeichnen, von der Hand in den Mund leben, anstatt für geraume Zeit ihren genauen Arbeitsbereich zu wissen. Die Brigademitglieder wissen auch zum Teil selbst nicht, was sie als einzelne zu tun haben, wie viel sie schaffen müssen und was sie dabei verdienen. Gerade hieran ist aber der Arbeiter interessiert. Es werden laufend Kündigungen festgestellt, in denen als Gründe schlechte Verdienstmöglichkeiten von den Arbeitern angegeben werden.

Bei der Bau-Union Kohle ist eine durchschnittliche Normerfüllung von 120 bis 130 % vorhanden. Nähere Untersuchungen ergaben, dass oftmals die Hälfte der Arbeitszeit Zeitlohnstunden sind, was bedeutet, dass diese den Arbeitern nicht den gewünschten Verdienst bringen. Hinzu kommen noch die ständig auftretenden Wartestunden. So sind im Monat April – Mai dreimal so viel Wartestunden angefallen als ursprünglich im Plan enthalten war. Hierbei handelt es sich um die Firmen Bau-Union Kohle, Montagebau Berlin und Firma Louis Schneider.

Bei dem VEB Montagebau Berlin liegen ebenfalls zurzeit viele Kündigungen vor mit der Begründung, dass der Verdienst zu gering wäre. Eine Analyse über die Planerfüllung zeigt, dass dieser Betrieb im I. Quartal eine Planerfüllung von 22,8 % und im II. Quartal etwas höher liegend hat. Die Arbeitsproduktivität liegt im I. Quartal bei 41 %. Bemerkenswert im Vergleich hierzu ist die Normerfüllung auf Lohnbasis im I. Quartal von 126,5 %. Ende des vorherigen Jahres und Anfang dieses Jahres kam es bereits zweimal vor, dass eine Brigade ihre Arbeit nicht aufnahm, da sie mit der Arbeitsorganisation nicht einverstanden war. Nach Klärung wurde die Arbeit jedoch wieder aufgenommen. In letzter Zeit ist festzustellen, dass Beschädigungen an Dumperfahrzeugen, Derricks4 und Mischmaschinen vorkommen. Im Juni fand mit einer Brigade eine Absprache statt, welche das Ziel hatte, die Arbeitsorganisation zu verbessern und eine gesunde Norm bei dieser Bauweise aufzustellen, um somit die Verdienstmöglichkeiten zu verändern. Mit diesem Beispiel sollte am 22.6.1956 begonnen und auf der ganzen Baustelle popularisiert werden. Am 22.6.1956 früh wurde festgestellt, dass beide Derricks beschädigt waren. Zuvor wurden zwei Dumperfahrzeuge beschädigt.

Im VEB Straßenbau Halle ist die Erfüllung der vorher gegebenen Planauflage bisher noch nicht erzielt worden. Die Ursache liegt einmal darin, dass die benötigten Unterlagen vonseiten der Aufbauleitung nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt wurden. Der überaus schlechte und zögernde Anlauf der Baustelle wirkt sich in verschiedenen Dingen bis zum heutigen Tage noch aus. Besonders stark tritt hier die schlechte Arbeitsorganisation in Erscheinung. Die Bauleitung hat es trotz immer wieder eingebrachter Vorschläge vonseiten der Arbeiter nicht verstanden, einen flüssigen Planablauf der Arbeit zu gewährleisten. Das Ergebnis dieser Planlosigkeit wirkt sich hemmend auf die Arbeitsmoral der Beschäftigten aus.

Zu diesen Beispielen wurde noch bekannt, dass die Arbeiter sich äußern: »Es wird viel gesprochen und geschrieben, aber eine Erleichterung sieht man nicht.« Die Arbeiter stehen auf dem Standpunkt, wenn man vonseiten der Bauleitung weiter mit den Menschen so verfährt wie bisher, haben wir bald im Objekt »Schwarze Pumpe« keine Arbeitskräfte mehr. Dieses kommt dadurch zum Ausdruck, dass die Arbeiter keine geregelte Arbeitszeit haben und in jeder Woche die Arbeitszeit verändert wird. Ebenfalls soll geäußert worden sein: »Wenn ein zweiter ›17. Juni‹ erspart bleiben soll, dann muss eine bessere Verdienstmöglichkeit geschaffen werden. Die Kollegen kommen nicht auf ihre Norm bzw. nur kurz darüber. 1,24 DM bis 1,36 DM ist der durchschnittliche Verdienst, was soll da ein Arbeiter, der praktisch zwei Haushalte zu versorgen hat, verdienen.« Es liegt an der Fertigung von falschen Zeichnungen bzw. verkehrten Einzeichnungen, die dann geändert werden müssen und nur im Zeitlohn bezahlt werden, sowie im Fehlen von Material, weil es vergessen wurde zu bestellen und ähnlichen Dingen.

3.) Stimmung der Beschäftigten

Unter den Beschäftigten der Baustelle wird sehr viel über die Vergünstigungen gesprochen, die sich aus einer langjährigen Zugehörigkeit zu einem Betrieb in Form der Treueprämie ergeben.5 In der Aufbauleitung ist ein kleiner Teil beschäftigt, die aus Bergbaubetrieben kommen und jetzt diese Vergünstigungen weiter erhalten. Der weitaus größere Teil der Beschäftigten kommt jedoch aus fremden Industriezweigen und erhält diese Zuwendung nicht. Die Beschäftigten erhoffen, dass in dieser Frage eine Regelung getroffen wird.

Stark diskutiert wird der Wohnungsbau in der Bereitschaftssiedlung, weniger, dass der Bau so schleppend vorangeht, als dass die Art der Wohnungen keinem Menschen gefallen kann. Die Anzahl der Zimmer ist zu gering für einen Betrieb, indem erfahrungsgemäß viele junge Leute arbeiten, und die auch meistens einige Kinder haben werden. Die einzelnen Räume sind zu klein, um sich mit den handelsüblichen Möbeln eine nette Wohnung einrichten zu können. An Einbaumöbel hat man nicht gedacht. Die Wohnungen sind als Typenwohnungen der Aufbauleitung vorgeschrieben.

4.) Feindpropaganda

Der UfJ6 nimmt in der von ihm herausgegebenen Hetzschrift der »Lausitzer Freiheitsbote«7 Nr. 5/56 zum Bau des Kombinats »Schwarze Pumpe« Stellung. Nachdem er eingangs über den Zweck und die Kosten des Baues geschrieben hat, hetzt er in seinen weiteren Ausführungen, dass »das Kombinat ›Schwarze Pumpe‹ nach der Wiedervereinigung wertlos sei, da dann auch für das Gebiet der heutigen Sowjetzone bester Steinkohlenkoks genügend zur Verfügung« stehen würde. In den weiteren Ausführungen geht der UfJ auch auf die vom FDGB geübte Kritik an der mangelhaften Ausnutzung der Baumaschinen ein und behauptet, »dass die Arbeiter sich weigern würden« mit den Maschinen und Kränen zu arbeiten, da sie »sicherheitstechnische Mängel« aufwiesen. Dies ist Anlass für den UfJ, gegen die SED zu hetzen, indem er behauptet, »die SED würden sicherheitstechnische Mängel nicht interessieren« und dann hetzt: »Sie reden den Arbeitern ein, dass die sicherheitstechnischen Mängel der Kräne unbedeutend sind und dass sie deshalb in ihrem eigenen Interesse den Einsatz der Kräne zur Erleichterung ihrer Arbeit fordern sollen.«8

Unter der Bevölkerung in den Kreisen Spremberg und Hoyerswerda kursiert das Gerücht, dass der Bau des Kombinats »Schwarze Pumpe« um drei Jahre zurückgestellt wird. Dabei sind die Argumente dieser Personen mit ziemlich genau scheinenden Beweisen belegt. Diese Propaganda ist zum Teil daran Schuld, dass zzt. so wenig Arbeitskräfte auf der Baustelle sich zur Arbeitsaufnahme melden.

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    28. Juli 1956
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