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Stimmung zur III. Parteikonferenz der SED (2)

24. März 1956
III. Parteikonferenz der SED (2. Bericht) [Information Nr. M67/56]

Unter allen Bevölkerungsschichten wird zurzeit noch wenig über die III. Parteikonferenz diskutiert.1 Aus den wenigen Diskussionen geht hervor, dass Genossen und auch parteilose Werktätige verschiedene Erwartungen an die III. Parteikonferenz knüpfen. Am meisten tritt dabei hervor, dass genauso eine offene Aussprache und Kritik erwartet wird, wie das auf dem XX. Parteitag der KPdSU getan wurde,2 vor allem hofft man, dass noch weitere Ausführungen über Genossen Stalin gemacht werden. Hierzu einige charakteristische Beispiele:

Die parteilose Erzieherin [Vorname Name 1] aus Struveshof, [Kreis] Zossen, erklärte: »Die III. Parteikonferenz wird sich ja größtenteils mit den Fragen des XX. Parteitages beschäftigen, wo auch die Rolle Stalins zu Wort kommen wird. Hierüber müsste die Parteikonferenz mehr bringen, als bisher in den Zeitungen zu lesen war, denn das interessiert ja alle Menschen.« In der gleichen Weise diskutierten in einer Parteiversammlung der SED-Grundorganisation des Kreisgerichtes Ribnitz-Damgarten die Genossen Richter und Staatsanwälte. Der Leiter der Reparaturbetriebe Quedlinburg äußerte: »Es ist mir unverständlich, dass man Stalin wie einen Gott angebetet hat. Ich bin deshalb gespannt, was die III. Parteikonferenz der SED dazu noch zu sagen hat bzw. inwieweit auch bei uns in der DDR ähnliche Fehler begangen worden sind.«

Verschiedentlich gibt es in den Bezirken Magdeburg, Gera und Neubrandenburg Diskussionen, wo man annimmt, dass bei uns in der DDR ähnliche Fehler von den leitenden Genossen gemacht wurden, wie vom Genossen Stalin. Dazu einige Beispiele:

  • Unter mehreren ehemaligen SED-Angehörigen aus Gardelegen, [Bezirk] Magdeburg, trat die Meinung auf, dass die III. Parteikonferenz genau dieselben Beschlüsse fassen wird wie der XX. Parteitag, auch in der Frage des Personenkults. In der SU käme es wegen der Kritik an Stalin in Kürze zu einer Revolution. Walter Ulbricht würde auf der III. Parteikonferenz wegen seines diktatorischen Verhaltens bestimmt kritisiert.

  • Der Direktor der Oberschule Tangermünde, [Bezirk] Magdeburg, Genosse Gröserling, erklärte: »Ich habe nichts gegen den alten Präsidenten, glaube jedoch, dass auch Wilhelm Pieck Personenkult betrieben hat sowie auch andere Personen, nämlich Walter Ulbricht. Die III. Parteikonferenz wird es ja zeigen.« (G. ist Bezirkstagsabgeordneter).

  • Ein NDPD-Mitglied aus Greiz, [Bezirk] Gera, sagte in einer Vorstandssitzung, dass der Genosse Walter Ulbricht auf der III. Parteikonferenz wahrscheinlich eine Rüge erhalten wird, weil er den Genossen Stalin zu sehr kritisiert habe. Dieser Meinung stimmte ein Teil der übrigen Vorstandsmitglieder zu.

Im VEB Peniger Maschinenfabrik Rochlitz, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, einige Angestellte in Frankfurt/O. sowie einige LPG-Mitglieder und Beschäftigte in der MTS des Kreises Seelow3 erwarten von der III. Parteikonferenz die Verkürzung des Arbeitstages. In der Schwelerei des VEB-Kombinates »Otto Grotewohl« Böhlen, [Bezirk] Leipzig, hofft man auf eine Preissenkung und die Herabsetzung der Parteibeiträge.

Im Kreis Stadtroda, [Bezirk] Gera, und in Trebelshain, [Kreis] Wurzen, [Bezirk] Leipzig, wird von Einzelbauern die Ansicht vertreten, dass über eine verstärkte Kollektivierung in der Landwirtschaft auf der III. Parteikonferenz Beschlüsse gefasst werden. Dies wirkt sich so aus, dass oft die Meinung vertreten wird: »Wir wollen erst einmal abwarten, wer weiß, ob morgen der Besitz noch unser ist.«

Feindtätigkeit

Im Bezirk Neubrandenburg wurden in verstärktem Maße Flugblattfunde festgestellt (vom 17. bis 24.3.1956 insgesamt 48 970 Exemplare). Überwiegend handelt es sich um Hetzschriften der KgU4 (»Das Diktat der KPdSU für Mitteldeutschland«), des SPD-Ostbüros5 (»Ganz Deutschland erhebt sich zum Protest«) und um den sog. »Steckbrief«.6 Ähnlich ist es im Bezirk Potsdam. In der Nacht zum 24.3.1956 wurden in Potsdam-Babelsberg, Paul-Neumann-Straße (Wohnobjekt der Bezirksverwaltung des MfS) von unbekannten Tätern auf ausgehängte Fahnen mit Kreide Hakenkreuze geschmiert.

Feindpropaganda

  • RIAS hetzt am 23.3.1956: »Die III. Parteikonferenz wird uns nichts anderes bringen, als die deutsche Fassung des letzten Moskauer Stückes.«

  • Sender Freies Berlin: »Die SED ist in einer verteufelt schwierigen Lage. Sie will das Kunststück fertigbringen, den Urheber ihrer eigenen Existenz nachträglich zu verdammen und will doch ihre bisherige Politik fortsetzen.«

  • Der »Kurier« vom 24./25.3.1956 erklärt unter der Überschrift »Stalins Kopf fehlt in der Seelenbinderhalle«, dass die III. Parteikonferenz unter dem Eindruck der von Moskau befohlenen Abkehr vom Stalinkult begonnen hat und dass die »ideologische Neuformierung« zu den Hauptaufgaben der III. Parteikonferenz gehört.7

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    25. März 1956
    III. Parteikonferenz der SED (3. Bericht) [Information Nr. M68/56]

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    23. März 1956
    III. Parteikonferenz der SED (1. Bericht) [Information Nr. M66/56]