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Stimmung zur III. Parteikonferenz der SED (4)

26. März 1956
III. Parteikonferenz der SED (4. Bericht) [Information Nr. M69/56]

Die Diskussionen zur III. Parteikonferenz haben gegenüber den Vortagen etwas zugenommen, sind aber trotzdem noch gering.1 Man beginnt erst langsam, sich mit den gemachten Ausführungen zu beschäftigen. Die bisher bekannt gewordenen Stellungnahmen sind überwiegend positiv. Alle Bevölkerungskreise beschäftigen sich mit dem Referat Walter Ulbrichts; es wird aber meist nur über die Einführung der 40-Stunden-Woche,2 die Erhöhung der Renten3 und die Anwendung der Atomenergie gesprochen,4 während zu den anderen Problemen noch keine Diskussionen bekannt wurden.

Bei den positiven Stimmen kommt Dankbarkeit gegenüber unserer Partei zum Ausdruck, dass sie sich mit solchen Fragen beschäftigt, die der Verbesserung der Lebenslage dienen. In Bezug auf die Einführung des 7-Stunden-Tages erkennen die Arbeiter aber auch an, dass die Steigerung der Arbeitsproduktivität, Technisierung, Modernisierung und anderes unbedingte Voraussetzungen dafür sind. Vor allem Rentner, aber auch andere, begrüßen die in Aussicht gestellte Rentenerhöhung. Einzelne Stellungnahmen von Angehörigen der Intelligenz zeigen Zustimmung zur friedlichen Anwendung der Atomenergie.

Negative Äußerungen wurden bisher nur vereinzelt bekannt. Einmal kommt darin Zweifel zum Ausdruck, ob alles erfüllt wird, was Walter Ulbricht jetzt verspricht. Mehrfach heißt es dazu, dass auch zu Beginn des ersten Fünfjahrplanes ein nie gekannter Wohlstand versprochen wurde, was man aber nie erreicht habe.5 Zum anderen argumentiert man, dass das gesteckte Ziel nur durch höhere Arbeitsleistung »auf Kosten der Knochen der Arbeiter« möglich sei. Beschäftigte in der Landwirtschaft bezweifeln die Einführung des 7-Stunden-Tages in der Landwirtschaft und Rentner sind der Meinung, dass eine Rentenerhöhung im Jahre 1957 zu spät erfolge.

Feindliche Argumente wurden bisher nicht bekannt. Feindtätigkeit zeigt sich im Anschmieren von Hetzlosungen und im Abreißen von Fahnen und Plakaten, was jedoch nur ganz vereinzelt auftritt.

Folgende negative Äußerungen wurden aus den einzelnen Bevölkerungsschichten bekannt

Industrie- und Verkehrsbetriebe

  • Ein Eisenbahner aus Freidorf, [Kreis] Königs Wusterhausen, [Bezirk] Potsdam: »Man wird wieder viel versprechen und zum Schluss doch nichts einhalten können. Man hat uns im ersten Fünfjahrplan viel versprochen und nichts gehalten.«

  • Mehrere Arbeiter diskutierten in einem Gartenlokal in Karl-Marx-Stadt: »Es ist ganz gut, was Walter Ulbricht in seinem Referat auf der III. Parteikonferenz in Bezug auf Verbesserung des Lebensstandards, Verkürzung der Arbeitszeit auf täglich sieben Stunden sowie Rentenerhöhungen im Jahre 1957 gesagt hat. Er sollte aber den Mund nicht gar so voll nehmen, denn zu Beginn des ersten Fünfjahrplanes wurde gerade von ihm gesagt, dass am Ende des ersten Fünfjahrplanes ein noch nie gekannter Wohlstand erreicht sein würde.«

  • Arbeiterinnen der Sonntagsschicht im VEB Bekleidungswerk Frankfurt/O., äußerten, »dass der Rundfunk und die Zeitungen schon vieles gesagt haben. Aber was jetzt gesagt wird, die Arbeitszeit verkürzen und Rentenerhöhung, das glauben sie nicht mehr.«

  • Ein Arbeiter aus [Bad] Freienwalde: »Die gesteckten Ziele sind ja ganz annehmbar, aber die Verwirklichung geht bestimmt auf den Knochen der Arbeiter und Bauern, denn allein ist die Regierung nicht in der Lage.«

  • Im Zusammenhang mit dem 7-Stunden-Tag wird im Kraftwerk Finkenheerd,6 [Bezirk] Frankfurt/O., die Frage gestellt: »Wo will man die Menschen hernehmen, die reichen ja schon nicht bei einer achtstündigen Arbeitszeit aus.«

Handelsangestellte (HO Rudolstadt, [Bezirk] Gera) diskutieren, dass sie sich [sic!] materiell schon immer schlechter gestanden hätten, als die Arbeiter in der Industrie, und dass dies nunmehr durch die Einführung des 7-Stunden-Tages noch krasser in Erscheinung treten würde. Verschiedentlich wird zum Ausdruck gebracht, dass sie dann ebenfalls in der Industrie arbeiten wollen.

Landwirtschaft

Auch in der Landwirtschaft gibt es Einzelstimmen, dass für Beschäftigte in der Landwirtschaft der 7-Stunden-Tag nie kommen werde. Traktoristen der MTS Renzow und Roggendorf, Kreis Gadebusch, [Bezirk] Schwerin, erklärten: »Die Einführung des 7-Stunden-Tages ist eine gute Angelegenheit, aber leider können wir diese aber nicht in Anwendung bringen, da wir zeitweilig mit zehn Stunden noch nicht auskommen.«

Rentner

Ein Rentner aus Gehren, Kreis Ilmenau sagte: »Die Rede Ulbrichts ist schon gut, aber mit der Rentenerhöhung erst im Jahre 1957 dauert es mir zu lange.« Eine Rentnerin aus Quedlinburg, [Bezirk] Halle: »Uns Rentner erfreut die Erhöhung der Renten. Bedauerlich ist nur, dass kein konkreter Zeitpunkt genannt wurde, sodass man annehmen kann, Weihnachten 1957 eventuell damit rechnen zu können.«

Feindtätigkeit

Am 25.3.1956 wurden in der Toilette des Sportplatzes »Vater Jahn« in Burgstädt, [Kreis] Karl-Marx-Stadt, drei Galgen angemalt sowie ein Hakenkreuz und die Buchstaben KgU.7 Unter den Galgen standen die Namen Pieck, Grotewohl und Ulbricht und die Worte »Sieg Heil«.

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    27. März 1956
    Feindpropaganda zur III. Parteikonferenz [1. Bericht] [Information Nr. M70/56]

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    25. März 1956
    III. Parteikonferenz der SED (3. Bericht) [Information Nr. M68/56]