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Stimmung zur Neufestsetzung der Arbeitsnormen (5)

16. Mai 1956
Die Stimmung zur Neufestsetzung der Arbeitsnormen (5. Bericht) [Information Nr. M101/56]

In der Zeit vom 15.3.1956 bis 15.5.1956 wurden aus einigen Betrieben wiederum Unzufriedenheiten und ablehnendes Verhalten zur Neufestsetzung bzw. Erarbeitung von Arbeitsnormen bekannt. Die Ursachen dafür sind in der ungenügenden Aufklärung sowie auch falschen Erarbeitung von Arbeitsnormen zu suchen. Am meisten wurde Missstimmung zur Neufestsetzung von Arbeitsnormen in den Betrieben des Bezirkes Halle festgestellt.

1. Die ungenügende Aufklärung und Aussprache mit den Beschäftigten über die Erarbeitung und Neufestsetzung der Arbeitsnormen führt oftmals dazu, dass die Beschäftigten dafür Unverständnis aufbringen oder sich sogar ablehnend dazu verhalten. Auf diese Weise kommt es dann auch zu solchen Diskussionen wie im VEB Imprägnierungswerk Magdeburg, wo ein Teil der Arbeiter die Meinung vertritt: »Uns soll noch mehr Arbeit aufgebürdet werden? Wir haben schon genug zu tun. Wenn es so weitergeht, ist bald kein Arbeiter mehr da.« Die Stimmung ist darauf zurückzuführen, dass der Leiter der Abteilung Arbeit des Werkes ohne nähere Ausführung und Begründung angegeben hat, dass alle Arbeitsnormen nochmals überprüft und geändert werden müssen. Auf ähnliche Weise entstand auch Missstimmung zur Frage der Arbeitsnormen in folgenden VE-Betrieben:

  • Holzbe- und -verarbeitungsindustrie, Pößneck, [Bezirk] Gera,

  • Leunawerke Bau 30, [Bezirk] Halle,

  • Kraftwerk Vockerode, [Kreis] Gräfenhainichen, [Bezirk] Halle,

  • Lehrwerkstatt Luckenau, [Kreis] Hohenmölsen, [Bezirk] Halle.

2. Falsche Erarbeitung der Arbeitsnormen ist neben ungenügender Aufklärung immer wieder eine der wesentlichsten Ursachen, die insbesondere zur Ablehnung der Erarbeitung von Arbeitsnormen führt.

So wird im Werk 536 Zwickau/Wismut in der Mechanischen Abteilung von verschiedenen Arbeitern erklärt, dass die Normierer keine Ahnung vom Produktionsablauf hätten, da in vielen Fällen bei der Anfertigung ungenaue Normen eingesetzt werden. Von den Arbeitern wird der Standpunkt eingenommen, dass sie die »Normen verschmieren«, um wenigstens auf ihr Geld zu kommen.

Im Grubenbetrieb des Kali-Werkes »Marx-Engels« in Unterbreizbach, [Bezirk] Suhl, ist der größte Teil der Beschäftigten mit den Normen nicht einverstanden, da diese nach ihrer Meinung zu hoch sind. Von insgesamt zwölf Jugendbrigaden gibt es nur vier, die ihre Norm erreichen, alle andern liegen ständig unter 100 %.

In der Ketten- und Nagelfabrik Weißenfels, [Bezirk] Halle, der Betrieb war am 17.6.1953 Ausgangspunkt der Provokationen, wurde in der Transportkolonne eine neue Norm festgelegt, die den Stundenlohn der Transportarbeiter von 2,32 DM auf 1,37 DM verringert. Die Erfüllung der Norm lag bisher bei ca. 150 % und liegt jetzt nach der Neufestsetzung bei 85 %. Darüber herrscht unter den Transportarbeitern große Missstimmung. In der gleichen Weise wurde auch die Neufestsetzung der Arbeitsnormen bei den Schlossern dieses Werkes vorgenommen. Ein gleichartiges, administratives Herangehen an die Neufestsetzung der Normen löste im VEB Schiefergruben »Glück auf«, Schacht Hennecke, in Unterloquitz, [Kreis] Saalfeld, [Bezirk] Gera, unzufriedene Diskussionen aus, die sich bis zu einer gewissen Streikstimmung steigerten.

Aus gleichen oder ähnlichen Vorkommnissen kam es zu Unzufriedenheit und Missstimmung noch in folgenden VE-Betrieben:

  • Reifenwerk Fürstenwalde, [Bezirk] Frankfurt/O., Abteilung Konfektion;

  • Deutsche Solvay-Werke1 Osternienburg, [Bezirk] Halle, Abteilung Elektrolyse;

  • BKW »Erich Weinert«, Werkstatt I, [Kreis] Hohenmölsen, [Bezirk] Halle;

  • VEB »Otto Schlag« Bösau,2 [Bezirk] Halle;

  • Maschinensetzerei »Neues Deutschland« Berlin, Schönhauser Allee;

  • Schuhfabrik »Roter Stern« Burg, [Bezirk] Magdeburg, Littleway-Abteilung.3

Besondere Vorkommnisse

Im VEB Keulahütte Krauschwitz, Abteilung Gießerei I, machte es sich erforderlich, aufgrund der ungesunden Normen eine Normenbereinigung vorzunehmen. Die Normenerfüllung war bisher bei 240 %. Aufgrund der Rücksprache mit den Beschäftigten vonseiten der Werkleitung lag der jetzige Erfüllungsstand bei 178 %. Vonseiten der IG Metall besuchten zwei Instrukteure diesen Betrieb und auch die Abteilung Gießerei I. In ihren Diskussionen mit den Beschäftigten agitierten sie so, dass eine solche Normenbereinigung nicht zulässig wäre. Das Ergebnis dessen war, dass die gesamte Belegschaft dieser Abteilung forderte, dass die Betriebsleitung die bisherigen Vereinbarungen rückgängig macht.

Feindpropaganda

RIAS beschäftigt sich in einer Sendung am 15.3.1956 mit einem Artikel aus der Zeitschrift die »Arbeit«, in der zu der falschen Festsetzung von Arbeitsnormen Stellung genommen wird.4 Am Ende des Kommentars hetzt er die Arbeiter in der DDR auf, »Arbeitszurückhaltung« zu üben, wenn eine Neufestsetzung der Arbeitsnormen erfolgen soll.

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    16. Mai 1956
    Unzufriedenheiten der Intelligenz (2. Bericht) [Information Nr. M102/56]

  2. Zum vorherigen Dokument Sendungen des RIAS zum XX. Parteitag und zur III. Parteikonferenz

    11. Mai 1956
    Feindpropaganda des RIAS zum XX. Parteitag der KPdSU und zur III. Parteikonferenz der SED [Information Nr. M100/56]