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Vorkommnisse auf Bauernversammlungen im Kreis Brandenburg

9. August 1956
Information Nr. 131/56 – Betrifft: Vorkommnisse in Gollwitz [und] Wusterwitz, [Kreis] Brandenburg, [Bezirk] Potsdam

Am 6.8.1956 fand in dieser Gemeinde [Gollwitz] eine Bauernversammlung statt, auf der provokatorische Forderungen gestellt wurden. Anwesend waren 20 Bauern. Ziel der Versammlung war eine nochmalige Überprüfung der Wasserschäden durch Unwetter. Aus diesem Grunde nahmen der Bürgermeister (SED) und ein Erfasser aus Wusterwitz teil. Im Laufe der Versammlung wurde auch darüber gesprochen, dass es notwendig sei, die Bodenwertzahlen und das Soll zu verändern.1 Als verschiedene Bauern, die noch nicht ihre Binnengräben geräumt hatten,2 heftig angegriffen wurden, kam es zu tumultartigen Szenen.

Auch der VdgB/BHG-Vorsitzende Heinemann griff deswegen verschiedene Bauern an und sagte in diesem Zusammenhang: »Das ist die letzte Versammlung, die ich mitgemacht habe, ich kümmere mich um nichts mehr, sondern verkloppe mein Vieh usw. und suche mir andere Arbeit. Nach dem Westen haue ich nicht ab, denn hungern will ich nicht. Wir müssen in den Streik treten, weil uns nicht geholfen wird.« Dem Bürgermeister, der ihn darauf aufmerksam machte, er könne doch nicht gegen sich selbst streiken, antwortete er: »Was willst Du denn, Streiks sind doch in der DDR nicht verboten. Damit können wir das auch machen, wenn uns nicht geholfen wird.« Daraufhin wurden dem Bürgermeister Vorwürfe gemacht, weil er den Vorschlag, eine Bauerndelegation zur Regierung zu senden, abgelehnt hatte. Die Bauern erklärten, dass wegen der Ablieferung eine sehr schlechte Stimmung herrsche, aber vom Rat des Kreises bzw. vom Rat des Bezirkes noch keine Schritte unternommen worden seien.

An der Versammlung nahmen sechs Großbauern teil, die sich, wie auch der größte Teil der Bauern, in den Diskussionen zurückhielten. Ein Bauer (SED), der noch nie sein Soll erfüllt hat, und der ehemalige Parteisekretär (werktätiger Bauer) unterstützten den Bürgermeister nicht. Es besteht die Vermutung, dass der werktätige Bauer [Name] (SED) wesentlich dazu beitrug, dass die Forderung nach Streik zustande kam, da er laufend bei andern Gelegenheiten hetzerische Reden führt. Maßnahmen wurden eingeleitet.

Abschließend ist zu bemerken, dass das Land in dieser Gemeinde in eine verhältnismäßig hohe Bodenwertzahl eingestuft ist, sodass der größte Teil der Bauern Schwierigkeiten mit der Sollablieferung hat. Diese Bodenwertzahlen wurden noch vom Kreis Genthin übernommen3 und konnten wegen der bisherigen Bestimmungen vom Rat des Kreises nicht geändert werden. Weiterhin ist der Rinderbestand der Gemeinde von Leberegeln befallen. Von der Gemeinde wurde gefordert, die Binnengräben zu räumen, was auch zum größten Teil durchgeführt wurde. Jedoch der VEB Wasserwirtschaft Genthin hat die Hauptgräben noch nicht geräumt, obwohl mehrmals darauf hingewiesen wurde. Außerdem verlangen die Bauern, dass die LPG Wusterwitz-Warchau ihren Verpflichtungen ebenfalls nachkommt. Weil die Hauptgräben nicht geräumt worden waren, floss das Wasser wieder zurück, sodass weitere Schäden auf Feldern und Wiesen entstanden.

  1. Zum nächsten Dokument Kritik am Bürgermeister der Gemeinde Lentzke

    9. August 1956
    Information Nr. 132/56 – Betrifft: Stimmung in der Gemeinde Lentzke, [Kreis] Neuruppin, [Bezirk] Potsdam

  2. Zum vorherigen Dokument Analyse (Nr. 3/56) über die Republikflucht im Juni 1956

    9. August 1956
    Analyse über die Republikflucht im Monat Juni 1956 [Nr. 3/56]