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Bonner Sportführung zur Sicherung ihres Einflusses im IOC

29. März 1963
Einzelinformation Nr. 214/63 über Vorbereitungen der Bonner Sportführung zur Sicherung ihres Einflusses im IOC und zu den Olympia-Ausscheidungen

Über Pläne und Maßnahmen der Bonner Sportführung und Regierung, mit deren Verwirklichung der Einfluss Bonns im IOC und im internationalen Sportverkehr gestärkt werden soll, berichtete eine zuverlässige Quelle interessante Einzelheiten.

Nach der Information treffe die westdeutsche Sportführung schon jetzt Vorbereitungen, um im Falle eines Ablebens des auf Lebenszeit gewählten westdeutschen Vertreters im IOC Dr. Karl Ritter v. Halt1 – v. Halts Gesundheitszustand wird als nicht gut eingeschätzt – dem IOC einen weiteren westdeutschen Vertreter als IOC-Mitglied vorschlagen zu können. Als aussichtsreicher Anwärter gelte der Präsident der westdeutschen Olympischen Gesellschaft Georg v. Opel,2 der als wirtschaftlich »unabhängig« angesehen werde.

Von der Quelle wurde in diesem Zusammenhang empfohlen, dass sich die zuständigen Gremien der DDR mit dieser Frage beschäftigen und sich überlegen, welche geeignete Persönlichkeit der DDR im Falle eines Ablebens von Halts als IOC-Mitglied vorgeschlagen werden könnte. Ein DDR-Kandidat könne von einem Vertreter der sozialistischen Länder – er denke an das Mitglied des Exekutivkomitees Andrianow3 aus der UdSSR – als IOC-Mitglied vorgeschlagen werden.

Nach Meinung der Quelle hätten ein solches Vorgehen und rechtzeitige Vorbereitungen Erfolgsaussichten, zumal der IOC-Präsident Brundage4 die gesamtdeutsche Olympiamannschaft als sein »Lieblingskind« ansehe. Zu einem geschickten Vorgehen würde auch gehören, sich nicht von vornherein auf eine bestimmte Lösung zu versteifen, mehr an das gesamtdeutsche Anliegen des IOC zu appellieren und die staatsrechtlichen Gründe nicht so sehr in den Vordergrund zu rücken.

Wie weiter berichtet wurde, stelle die westdeutsche Sportführung Überlegungen mit dem Ziel an, bei der nächsten Tagung der Führungsgremien des IOC und der internationalen Fachverbände eine Einschränkung der Protokollfragen bei internationalen Turnieren und Meisterschaften vorzuschlagen.

Das richte sich nicht gegen die übliche Meisterehrung bei Europa- und Weltmeisterschaften, sondern gegen den unnötigen protokollarischen Aufwand z. B. des internationalen Eishockeyverbandes (Siegerehrung nach jedem Spiel).

Die Bonner Sportführung wolle auf die Vermeidung unnötiger Schwierigkeiten hinweisen und »an die Vernunft appellieren«. Der Sieg der westdeutschen Eishockeyauswahl über die Nationalmannschaft der DDR5 sei von Kreisen der Bonner Sportführung als ein Zufallserfolg gewertet worden.

Im Hinblick auf die Ausscheidungen6 für die Aufstellung der gesamtdeutschen Olympiamannschaft sei vom Sportbeirat des Bonner Innenministeriums beschlossen worden, den Sportfonds des Ministeriums vor allem für die Leistungsschulung und Leistungssteigerung auszunutzen. Die für die sportmedizinische Forschung, für die Teilnahme Westdeutschlands an internationalen wissenschaftlichen Kongressen usw. vorgesehenen Mittel würden aus diesem Grund wesentlich eingeschränkt. Es sei zwar aufgrund dieses Beschlusses zwischen Kreisen der westdeutschen Sportführung und verschiedener Fachverbände einerseits und dem Innenministerium andererseits zu Auseinandersetzungen gekommen, Daume7 und andere Funktionäre würden aber den Standpunkt vertreten, dass Westdeutschland ein Gegengewicht gegen die »zentralistischen« Maßnahmen der DDR schaffen und alle Mittel auf die Olympiavorbereitungen konzentrieren müsse.

Bonner Kreise rechnen damit, dass Westdeutschland wieder die Mehrheit der Olympiateilnehmer stellt und haben für diesen Zweck wieder Gerhard Stöck8 als Chef de Mission vorgesehen. Wenn die DDR wider Erwarten die Mehrheit der Teilnehmer entsenden sollte, werde Stöck als Stellvertreter vorgeschlagen.

Als schwierig schätze die Bonner Sportführung die Aussprachen mit DDR-Vertretern in der Frage ein, nur Sportler mit einem bestimmten Leistungsniveau nach Tokio zu entsenden. Man habe ausgerechnet, dass die Einkleidung, die Fahrtkosten und der Aufenthalt in Tokio je Sportler rund 3 000 Dollar kosten werden. Die Schwierigkeit bestehe nach Meinung Daumes darin, dass die DDR über unbegrenzte Mittel verfüge und Westdeutschland dadurch ins Hintertreffen geraten könnte.

Die in Verhandlungen erzielten Vereinbarungen9 über die stärkere Betonung des gesamtdeutschen Charakters der deutschen Olympiamannschaft und über die Ausscheidungen auch in Westberlin seien besonders von der Bonner Regierung begrüßt worden. Insbesondere vom Bundesministerium für »gesamtdeutsche Fragen« werde gewünscht, in erster Linie auf Westberlin als Austragungsort für Ausscheidungen zu bestehen. Bonner Spekulationen würden dahin gehen, Ausscheidungswettkämpfe in Berlin (auch im demokratischen Berlin10) mit einer möglichst »starken Demonstration« in das demokratische Berlin zu verbinden. Bonn sei jedoch noch skeptisch, weil die DDR diesen Absichten zuvorkommen und die Ausscheidungen auf DDR-Territorium nach Leipzig verlegen könnte.

In Kreisen der westdeutschen Sportführung sei auch erneut darauf hingewiesen worden, dass Bonn in der Frage der Einhaltung des Amateur-Status in der DDR nichts mehr unternehmen werde, wenn es im Rahmen der Olympiavorbereitungen zu einer vernünftigen und tragbaren Zusammenarbeit komme. Außerdem habe das IOC gewünscht und Daume nahegelegt, im Interesse des Ansehens beider deutscher Staaten einen Schlussstrich zu ziehen und diese Fragen nicht wieder hochzuspielen. Die Bonner Seite wolle aber trotzdem sehr aufmerksam darüber wachen, dass es vonseiten der DDR zu keinen eklatanten Verstößen gegen die Amateur-Richtlinien des IOC kommt.

Die Information kann aus Gründen der Sicherheit der Quelle publizistisch nicht ausgewertet werden.

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