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Stimmung der Bergarbeiter im Steinkohlenrevier Zwickau/Oelsnitz (1)

21. Mai 1963
Einzelinformation Nr. 320/63 über die Stimmung unter den Bergarbeitern der Steinkohlenwerke »Martin Hoop« Zwickau und Oelsnitz/Erzgebirge

Unter den Bergarbeitern des Zwickauer/Oelsnitzer Steinkohlenreviers sind in der letzten Zeit verstärkt negative Diskussionen aufgetreten, die bis zu Androhungen von Arbeitsniederlegungen und einzelnen feindlichen Handlungen führten.

Anlass für diese Erscheinungen bildet die schlechte Planerfüllung – zwischen 90 und 95 % –, die nach Meinung der Wirtschaftsfunktionäre sich auch in den nächsten Wochen nicht verbessern kann. Die Löhne der Bergarbeiter – insbesondere der Zeitlöhner – sind zum Teil erheblich gesunken. Etwa 60 % der gesamten Untertagebelegschaft arbeitet im Zeitlohn. Sie haben bei der letzten Lohnzahlung durchschnittlich 100 bis 200 DM1 weniger Lohn erhalten.

Vor allem betrifft es die Berufsgruppen der Schießer, Bohrer, Handwerker, Förderleute, Wetterleute und die zur Unterhaltung und Absicherung eingesetzten Brigaden.

Die Lohneinbußen wurden durch Wegfall der Förderprämien und [des] Zeitlohnzuschlages, die bei entsprechender Planerfüllung der Abteilung bzw. des Werkes zum Grundlohn gezahlt werden, hervorgerufen.

Als Ursache für die Nichterfüllung werden von den Wirtschaftsfunktionären und auch von den Arbeitern die schlechten geologischen Verhältnisse im »Martin-Hoop-Werk«2 und die Verringerung der Kohlevorräte im Werk Oelsnitz angegeben.

In vielen Diskussionen wird zum Ausdruck gebracht, dass die Planung beider Werke falsch sei und die vorhandenen Kohlevorräte und die Tatsache, dass das »Martin-Hoop-Werk« ins unverritzte Feld – geologisch noch nicht erkundet – fährt, nicht beachtet werden.

Häufig kommt dabei zum Ausdruck, dass bei Wirtschaftsfunktionären, welche die Planung durchzuführen haben, das Gehalt stimme, ob der Plan erfüllt würde oder nicht.

Bei der Lohnzahlung am 16.5.1963 wurde unter den Bergleuten auch darüber gesprochen, dass man für diesen »Hungerlohn« nicht mehr im Bergbau arbeiten wolle und eine Delegation nach Berlin fahren müsse, um die Lohnfrage zu klären. So eine niedrige Lohnzahlung dürfe nicht noch einmal vorkommen, »sonst sei der Teufel los oder man stürme die Steigerstube«.

Durch bisher unbekannte Täter wurde am 15.5.1963 im »Martin-Hoop-Werk« an mehrere Hunte »Deutschland erwache«, dazu einige Hakenkreuze und am 18.5.1963 im Steinkohlenwerk Oelsnitz an zwei Hunte die Losung »Fordert 13 % Lohnerhöhung« angeschmiert.

Vom MfS wurden die entsprechenden Maßnahmen zur Aufklärung der Täter eingeleitet.

In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass im Bezirk Karl-Marx-Stadt insgesamt in der letzten Zeit Arbeitsniederlegungen, Androhungen von Arbeitsniederlegungen, Kündigungen und Lohnforderungen zugenommen haben.

Über diese Situation wurde bereits der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Karl-Marx-Stadt, Genosse Roscher,3 durch das MfS in Kenntnis gesetzt.

  1. Zum nächsten Dokument Zustimmung der DDR-Synodalen zur EKD-Synode in Bethel

    24. Mai 1963
    Einzelinformation Nr. 329/63 über die Zustimmung der DDR-Synodalen zu den Beschlüssen von Bethel und über die damit im Zusammenhang zu sehende Tätigkeit der Evangelischen Kirche in der DDR

  2. Zum vorherigen Dokument Explosion eines von Schülern gebauten Sprengkörpers in Lübbenau

    20. Mai 1963
    Einzelinformation Nr. 319/63 über die Explosion eines selbstgefertigten Sprengkörpers an der HOG »Turbine« in Lübbenau am 10. April 1963