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Waffenfund in der Kirche in Schildau, Kreis Torgau

11. Oktober 1963
Einzelinformation Nr. 606/63 über einen Waffenfund in der Kirche der Gemeinde Schildau, Kreis Torgau

Am 4.10.1963 informierte der Angehörige der Abteilung Feuerwehr (Leipzig) [Name 1, Vorname 1], geb. am [Tag, Monat] 1931, wohnhaft Leipzig S 3, [Straße, Nr.], die Volkspolizei in Torgau, dass er am gleichen Tage bei der gemeinsam mit seinen Eltern durchgeführten Reinigung des Kirchturmes in Schildau, Kreis Torgau, ein Waffenlager entdeckt habe. Die daraufhin eingeleiteten Untersuchungen erbrachten bisher folgendes Ergebnis:

Der genannte [Name 1, Vorname 1] befand sich am 4.10.1963 in Urlaub bei seinen Eltern in Schildau, die seit März 1963 in der dortigen Kirchengemeinde als Küster tätig sind. Auf Veranlassung seiner Eltern [Name 1, Vorname 2], geb. am [Tag, Monat] 1908, und [Name 1, Vorname 3], geb. [Tag, Monat] 1904, wohnhaft in Schildau, [Straße, Nr.], hat er sich am 4.10.1963 an der gemeinsamen Reinigung des Kirchturms beteiligt. Dabei entdeckte er in der 3. Etage des Glockenturmes unter einem Fehlboden ein Versteck, abgedeckt durch Kehricht, in dem sich – eingebündelt in eine Gummihülle und eine Schürze – folgende Waffen befanden:

  • drei Pistolen (Kal. 9 mm, 7,65 mm, 7,65 mm) mit vier verschiedenen Magazinen,

  • drei Doppelflinten (Kal. 12 mm, 16 mm, 16 mm),

  • eine Büchsflinte,

  • 13 Pistolenpatronen (Kal. 7,65 mm),

  • 45 Pistolenpatronen (Kal. 9 mm),

  • 64 Jagpdatronen verschiedenen Kalibers.

Diese Waffen und die Munition waren zwar in einem eingeölten Zustand, jedoch zum überwiegenden Teil bereits stark verrostet.

Aufgrund der bisherigen Untersuchungen über die Beschaffenheit der Waffen und der Munition ist einzuschätzen, dass diese offensichtlich nicht im Zusammenhang mit der Beendigung des Zweiten Weltkrieges dort versteckt wurden, sondern erst zu einem späteren, jedoch eine Reihe von Jahren zurückliegenden Zeitpunkt. Die notwendigen kriminaltechnischen Untersuchungen zur näheren Bestimmung des Zeitpunktes des Versteckens dieser Waffen wurden eingeleitet. Wie weitere Überprüfungen ergaben, ist die Kirche – mit Ausnahme bei kirchlichen Veranstaltungen – ständig verschlossen. Zum Kirchturm haben unter normalen Umständen nur der Pfarrer und der Küster Zugang.

Der in der Gemeinde Schildau längere Zeit tätig gewesene Pfarrer Miethe1 ist im März 1963 verstorben; seitdem wird die Kirchengemeinde Schildau von dem Pfarrer Miehe2 aus der Nachbargemeinde Beckwitz mit betreut. Pfarrer Miehe hat sich nach bisherigen Feststellungen um die Räumlichkeiten in der Kirche nicht gekümmert. (Die entsprechenden Aufklärungsmaßnahmen sind jedoch noch nicht abgeschlossen.) Der ebenfalls längere Zeit in der Gemeinde Schildau tätig gewesene Küster Kummer, Paul ist gleichfalls im März 1963 verstorben. Seit dieser Zeit ist der o. g. [Name 1, Vorname 2] als Küster in Schildau tätig.

Nach den bisherigen Untersuchungsergebnissen besteht der Verdacht, dass die Waffen von dem inzwischen verstorbenen ehemaligen Küster Kummer, Paul, eventuell im Auftrage seines Bruders, dort versteckt worden sind bzw., dass er diesem oder anderen Personen die Möglichkeit zum Verstecken der Waffen im Kirchturm verschafft hat. Der Bruder des Kummer – Kummer, Richard3 – war vor 1945 führendes NSDAP- und SA-Mitglied, Jagdpächter und Großbauer in Schildau. Die Ehefrau war Leiterin der faschistischen »NS-Frauenschaft«, die Tochter Leiterin des »BDM« in Schildau. Die Familie ist 1952 nach Westdeutschland republikflüchtig geworden. Kummer, Richard ist in Westdeutschland verstorben.4

Vom MfS wurden umfassende Maßnahmen zur weiteren Aufklärung des Waffenfundes, insbesondere zur konkreten Feststellung der Täter und möglicher Zusammenhänge mit der Kirche eingeleitet.

Nach Vorliegen entsprechender Untersuchungsergebnisse wird nachberichtet.

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    11. Oktober 1963
    Einzelinformation Nr. 607/63 über provokatorisches Verhalten von US-Militärkonvois gegenüber den Kontrollkräften der Sowjetarmee

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    [ohne Datum]
    Einzelinformation Nr. 603/63 über die Verbreitung selbstgefertigter Hetzschriften im demokratischen Berlin