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Ansichten von Leistungssportlern zu den Olympiaausscheidungen

1. September 1964
Einzelinformation Nr. 699/64 über Ansichten von Leistungssportlern über Probleme des Sports in der DDR

Die Vorbereitungen und Ausscheidungen auf die Olympischen Spiele in Tokio1 stehen im Mittelpunkt der Diskussionen unter Leistungssportlern. In den Aussprachen mit den Leistungssportlern wurden aber auch Fragen der Trainingsmethoden, der materiellen Zuwendungen und persönliche Probleme angesprochen.

Nach den vorliegenden Informationen ist einzuschätzen, dass bei unseren Leistungssportlern insgesamt die Einstellung vorhanden ist, während der Ausscheidungskämpfe gegen Westdeutschland gute Leistungen zu bringen und für Tokio Plätze in der gesamtdeutschen Mannschaft zu erkämpfen.2 Von Aktiven wurde dabei mehrfach zum Ausdruck gebracht, es sei notwendig, in Tokio bessere Platzierungen zu erreichen als in Innsbruck, um den sportlichen Leistungen der DDR national und international mehr Ansehen zu verleihen. Im Interesse der Entwicklung des Sports in der DDR sei es ferner notwendig, gegenüber den Sportlern Westdeutschlands zahlenmäßig mehr Plätze zu erhalten.

Weiter ist einzuschätzen, dass die Sportler immer mehr zu der Erkenntnis kommen, dass eine gesamtdeutsche Mannschaft für Tokio keine reale Grundlage habe, was insbesondere aus dem Ablauf der bisherigen Wettkämpfe zwischen den Mannschaften der DDR und Westdeutschlands zu erkennen gewesen sei.

Typisch für die Meinung einer Reihe Aktiver zu diesem Problem ist die Äußerung des Leitathleten Dietmar Schröder3/SC Einheit Dresden, der u. a. anführte, er habe bisher häufig das Gemeinsame in der gesamtdeutschen Mannschaft gesehen, wie es die westdeutsche Sportführung stets betont habe, und die Argumente der DDR-Sportführung lediglich als politisches Motiv betrachtet; ihm sei nach den Ausscheidungen aber klar geworden, dass die gesamtdeutsche Mannschaft tatsächlich nur auf dem Papier existiert. Häufig zeigten sich zwischen den DDR- und westdeutschen Sportlern krasse Meinungsgegensätze, die auch zu Spannungen unmittelbar während der Spiele führen könnten. So seien z. B. die Hockeyspieler der DDR sehr aufgebracht gewesen, als sie von den westdeutschen Spielern als »Kommunistenschweine« beschimpft und gefragt worden seien, ob sie eine »ordentliche« Kleidung hätten, da nach dem Spiel ein Bankett stattfinde. Abwerbungsversuche seitens Westdeutscher würden von vielen DDR-Sportlern stark verurteilt; sie würden die bestehenden Spannungen zwischen den DDR-Sportlern und den Aktiven Westdeutschlands nur noch verstärken.

Als außerordentlich belastend werden von einer Reihe Aktiven die schweren Ausscheidungskämpfe gegen Westdeutschland vor der Olympiade angesehen. Die Kämpfe, bei denen jeder Sportler alles geben müsste, erforderten viel Kraft und Nerven, was sich während der Olympiade negativ auswirken könnte. Diese Meinung sei auch bei westdeutschen Sportlern vorhanden, wie aus Gesprächen mit diesen zu erkennen gewesen sei.

In Aussprachen mit Aktiven des SC Einheit Dresden – Gewichtheben – und des SC Karl-Marx-Stadt wurde von ihnen die Republikflucht des TSC-Gewichthebers Rauscher4 stark verurteilt. Sportfreund Werner Arnold5 äußerte in diesem Zusammenhang, westdeutsche Trainer und Funktionäre hätten während der Gewichtheber-Ausscheidungen in Westdeutschland ihr Erstaunen über das Erscheinen von Rauscher in Westdeutschland nicht unterdrücken können. Rauscher habe bereits während der Kämpfe in Moskau mit Westdeutschen Verbindung aufgenommen und ihnen gegenüber die Absicht geäußert, bei Gelegenheit in Westdeutschland zu verbleiben. Von den Westdeutschen sei angenommen worden, dass die DDR-Funktionäre über die Absicht Rauschers informiert gewesen seien. Sportfreund Werner Dittrich6 ist der Ansicht, dass Rauscher in absehbarer Zeit in die DDR zurückkehrt. Rauscher versuche lediglich, da er sich in der DDR häufig vor körperlicher Arbeit gedrückt habe, in Westdeutschland billig zu leben; er müsse jedoch bald einsehen, dass ihm dies dort auch nicht gelingt.7

Verurteilt wird auch der Republikverrat von Dieter Wiedemann,8 insbesondere der9 Radsportler Manfred Weißleder10/SC Karl-Marx-Stadt – Radsport – äußerte, dass sich Wiedemann bereits seit längerer Zeit mit dem Gedanken der Republikflucht getragen haben müsse; rückschließend könnte man dies aus seinem Verhalten entnehmen. Danach befragt, ob Wiedemann eventuell über erhaltene materielle Zuwendungen sprechen würde, äußerte Weißleder, er halte Wiedemann nicht für solch einen Schurken, er würde seine ehemaligen Sportkameraden nicht in Verruf bringen. Wiedemann würde aber in Westdeutschland eine größere Perspektive als Radrennfahrer, eventuell sogar als Profi, sehen. Demgegenüber äußerte der Radsportler Immo Rittmeyer11 vom SC Karl-Marx-Stadt zur Republikflucht Wiedemanns, vermutlich habe sich Wiedemann nicht mehr länger gefallen lassen wollen, dass er hier [das] 5. Rad am Wagen spielen sollte. Wiedemann sei im Zusammenhang mit der letzten Friedensfahrt noch verärgert gewesen, weil er, Hoffmann12 und Appler13 nach Meinung Wiedemanns für die DHfK hätten fahren müssen. Dadurch sei sein 3. Platz gefährdet gewesen.

Mitglieder vom SC Empor Rostock trafen während des internationalen Wettkampfes in Moskau mit den republikflüchtigen Wasserspringern Barendt14 und Konzorr15 zusammen. Die Sportfreundin Christiane Lanzke16 – Wasserspringerin – äußerte, Barendt habe sich anmaßend und überheblich benommen und provozierende Fragen gestellt. Konzorr habe sich dagegen zurückhaltend verhalten und es sei zu spüren gewesen, dass er ähnlich wie vor seiner Republikflucht im DDR-Kollektiv zu den westdeutschen Clubkameraden keinen richtigen Kontakt findet. Einige Wassersportler hätten den Eindruck gewonnen, dass er sich in Westdeutschland nicht wohl fühlt und gern zurückkäme; seine Überheblichkeit ließe dies aber nicht zu.

In einigen Aussprachen äußerten sich Leistungssportler unzufrieden über die Leitungstätigkeit im Sport. Es sei nach ihrer Meinung insbesondere ein Mangel, dass die Trainer zu wenig auf persönliche Belange der Sportler eingingen.

Ferner erweise es sich häufig als mangelhaft, dass Trainer Kritiken oder Hinweise von Sportlern nicht beachten und stets ihre eigene Meinung durchzusetzen versuchten, auch wenn sie im krassen Gegensatz zu den Ansichten der Aktiven stünde. So äußerte z. B. der Sportfreund Barthels17/SC Empor Rostock – Fußball –, er würde am liebsten den Club wechseln, da es dauernd Reibereien zwischen Sportlern und Trainer gebe. Der Trainer nehme keinerlei Kritik an, und wage es ein Sportler, ihn zu kritisieren, würde er immer den Kürzeren ziehen, wobei er auf das Beispiel des Sportfreundes Bialas18 verwies. Sportfreund Madeja19 dagegen verstehe es, sich beim Trainer »Liebkind« zu machen und könne sich alles erlauben, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Dagegen äußerte sich die Wasserspringerin Ingrid Engel-Krämer20 anerkennend über ihren Trainer beim SC Empor Rostock, der sich auch um ihren Beruf, ihr Studium usw. kümmern und Hilfe leisten würde. Sie fühle sich in Rostock wohler als in Dresden. Ihr Dresdner Trainer Kunert21 habe ihr auch vor Kurzem anlässlich eines zufälligen Treffens wieder ähnlich wie in Dresden Vorwürfe über ein Pausieren im Training gemacht. Ihre kürzliche Krankheit sei aber noch auf die nervlichen Belastungen, denen sie in Dresden ausgesetzt gewesen sei, zurückzuführen gewesen. Nach Unterredungen mit ihrem Trainer Kinast22 sei sie davon abgegangen, Medizin zu studieren. Sie will späterhin ihre Kenntnisse dem Nachwuchs als Sportlehrerin zur Verfügung stellen.

In Gesprächen mit Leistungssportlern spielen die materiellen Zuwendungen immer wieder eine Rolle. Während von einem großen Teil der Aktiven und Trainer die jetzige Verfahrensweise anerkannt wird, äußern sich einige, die Verteilung des materiellen Anreizes erfolge in den Clubs nicht zugkräftig genug und errege immer wieder den Unwillen der Sportler. Der materielle Anreiz müsse vielmehr so verteilt werden, dass er auch einen wirklichen Ansporn sowohl für das Training als auch für die Spiele bedeute.

Nach Meinung des Trainers Fritzsch23/SC Empor Rostock – Fußball – sei das ungenügende Abschneiden seiner Mannschaft in Warschau auf ungenügende materielle Zuwendungen zurückzuführen. Seiner Ansicht nach müssten die Sportler im Betrieb ein entsprechendes Grundgehalt bekommen und sich weitere Geldmittel durch Leistungen während des Trainings bzw. während der Spiele hinzuverdienen können. Dem Trainer sollte – nach Meinung des Trainers Fritzsch – ein monatlicher Betrag von ca. 5 000 Mark zur Verfügung stehen, mit dem er arbeiten könne. Aktive stellten bei Auslandsspielen – darunter auch in der VR Polen und in der ČSSR – immer wieder fest, dass in diesen Ländern höhere Zuwendungen gezahlt würden.

Ähnlich äußerte sich auch der Radsportler Erhard Pesch24/SC Leipzig im Zusammenhang mit dem ungenügenden Abschneiden unserer Radsportler in Gießen. Die Zeiten der westdeutschen Radsportler seien vermutlich deshalb besser gewesen, weil sie größere finanzielle Zuwendungen erhielten.

Ungenügend seien die Sportler über die bestehenden Differenzierungsmöglichkeiten der finanziellen Zuwendungen unterrichtet. Sie seien vollkommen von den Entscheidungen der Trainer abhängig und manchmal verwundert, wie die Aufteilung der geldlichen Mittel erfolgen würde. Jeder Sportler hoffe, dass er gut eingestuft würde, könnte selbst aber vorher den Betrag abschätzen.

Sportfreund Manfred Kaiser25/BSG Wismut Aue – Fußball – äußerte, es sei unter den jetzigen Umständen kaum möglich, dass unsere Mannschaften ähnlich wie die Profimannschaften bis zur Selbstaufopferung kämpfen würden. Die Lohntüte stimme bei unseren Spielern immer, ob sie gut oder schlecht gespielt hätten, und für das, was es zusätzlich gäbe, lohne es sich nicht, bis »zum Umfallen« zu kämpfen. Die Mittel seien zu gering und könnten keine Rolle des Anreizes zur Leistungssteigerung spielen.

Über die Höhe der Prämie für den Deutschen Meistertitel beklagte sich Sportfreund Scherbarth26/BSG Chemie Leipzig. Für 26 schwere Spiele hätten die Aktiven allgemein mehr erwartet.

Unzufrieden äußern sich einige Fußballspieler über angebliche Versprechungen der Trainer bzw. Sportfunktionäre hinsichtlich materieller Zuwendungen, sobald bestimmte Leistungen erreicht würden. Sind dann entsprechende Resultate erreicht worden, würden die Versprechungen zurückgenommen. (Unter anderem Meinung von Sportfreund Urbanczyk,27 Kleiminger,28 Heinsch,29 Körner,30 Vogel,31 Fräßdorf,32 Liebrecht,33 Stöcker34 und Seehaus.35) Sportfreund Kleiminger war erbost, weil er nicht wie vom DFV versprochen, eine 100%ige Zuwendung erhalten hatte.

Einige Bemerkungen zu Gesprächen mit Leistungssportlern über die Arbeit der Sektionen und Verbände: Einige Trainer und Aktive der Sektion Fußball halten es nicht für richtig, dass in Vorbereitung der Olympischen Spiele bzw. der Weltmeisterschaften in der DDR die Punktespiele durchgeführt werden. Es sei richtiger, die Spiele unter Freundschaftsspielen laufen zu lassen, zumal die Nationalspieler bestrebt seien, nicht ihre besten Leistungen zu zeigen oder nicht verletzt zu werden, um die Teilnahme an den Spitzenausscheidungen nicht infrage zu stellen.

Unter Nachwuchsspielern besteht teilweise Unzufriedenheit über angeblich ungenügende Möglichkeiten zur Qualifizierung. Sportfreund Horst Kirsch36 vom SC Motor Jena – Fußball – erklärte, dass talentierte jugendliche Nachwuchsspieler in der DDR keine Möglichkeiten erhielten, sich systematisch auf den Einsatz in der Oberliga vorzubereiten; auch die Reservemannschaft habe nur ungenügend Qualifikationsmöglichkeiten. Er würde es befürworten, wenn man im Fußball – ähnlich wie im Handball vorgeschlagen – eine Juniorenliga schaffen könnte.

Sportfreund Günter Gleis37/SC Turbine Erfurt erwähnte, in der Mannschaft kursieren Gerüchte über den Aufbau einer Organisationsform auf der Basis von Betriebssportgemeinschaften im Gegensatz zu der jetzt praktizierten Form der Konzentrierung des Fußballs in den Clubs. Die Sportler verhielten sich zunächst zurückhaltend und warteten die kommende Entwicklung ab.

Sportlerinnen des SC Chemie Halle – Sektion Turnen – äußerten sich über die Ergebnisse der Ausscheidungskämpfe zufrieden; das gestellte Ziel sei erreicht worden. Das westdeutsche Publikum wird als objektiv eingeschätzt; an den Leistungen der westdeutschen Turnerinnen sei durch das Publikum Kritik geübt worden.

Durch die Punktrichter sei reell bewertet worden. Das wäre umso erfreulicher, da bisher bei der Bewertung häufig der Name des Sportlers mit ausschlaggebend gewesen sei. Demgegenüber ist der Sportfreund Klaus Milbradt38/SC DHfK Leipzig der Ansicht, dass die Bewertung bei den Turnern nicht objektiv erfolgte. Das sei umso erstaunlicher, da drei Schiedsrichter aus dem sozialistischen Ausland beteiligt gewesen seien.

In einer Aussprache mit Barbara Stolz39 beklagte sie sich über die ungenügenden Trainingsbedingungen in Halle. Die Turnerinnen würden zwar deshalb ihr eisernes Training nicht vernachlässigen, zögen jedoch Vergleiche zu den besseren Voraussetzungen z. B. in Berlin und Leipzig.

Die Sportfreundin Ute Starke40 begrüßte, dass der Wunsch der Turnerinnen berücksichtigt worden sei, nicht mehr so viel Lehrgänge durchzuführen. Ein Lehrgang würde für die Turnerinnen außer der Festigung des Kollektivs keinen weiteren Nutzen bringen, da die Umstellung an den Geräten vom intensiven Training ablenken würde.

In einem Gespräch mit den Genossen [Name], DHfK Leipzig, brachte dieser seine Bedenken zum Start des Sportfreundes Förster41 in Westdeutschland zum Ausdruck. Förster verhalte sich moralisch nicht einwandfrei (er unterhalte Verhältnisse zu anderen Frauen, [Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben] u. a.), was nachteilige Auswirkungen haben kann. Andere Turner seien über den Einsatz Försters ebenfalls sehr verwundert gewesen.

Unter Aktiven der Sektion Leichtathletik wird vereinzelt darüber gesprochen, die Funktionäre sollten endlich von ihren Forderungen abgehen, bereits vor den entscheidenden Wettkämpfen Höchstleistungen zu verlangen. Durch eine vorherige Verausgabung der Kräfte würden die Leistungen während der entscheidenden Kämpfe nur verschlechtert. Es wäre richtiger, die Funktionäre würden von dem indirekten Drängen in die Sportler Abstand nehmen, sonst werde der notwendige Leistungsstand aus Nervosität nicht erreicht.

Auch Manfred Matuschewski42 teilte diese Meinung und äußerte, er habe sein Training in dieser Saison ganz auf die Olympischen Spiele abgestimmt und könne demzufolge jetzt noch nicht in guter Form sein. Ihn mache aber nervös, öfters in der Tagespresse genannt zu werden, weil er seine Olympianorm noch nicht erfüllt hat.

Sportfreund Gerhard Hönicke43/SC Karl-Marx-Stadt – Marathon – brachte zum Ausdruck, die guten Leistungssteigerungen beim SC Karl-Marx-Stadt seien durch eine Umstellung des Trainings erreicht worden. (Training nicht nur auf Wald- und Feldwegen, sondern auch auf normalen Straßen.) Es sei zu wünschen, dass auch weiterhin individuell im Training gearbeitet wird und Anregungen der Aktiven beachtet würden.

Vom Sportfreund Klaus Moser44/SC Leipzig – Geher – wird ebenfalls die Durchführung eines individuellen Trainings begrüßt. Dadurch seien gute Leistungssteigerungen erreicht worden. Günstig hätte sich auch die Absage von Lehrgängen ausgewirkt, welche die Sportler häufig infolge »Vermassung« des Trainings in den Leistungen zurückgebracht hätten. Die Individualität sei auf den Lehrgängen nicht gegeben.

Der Sportfreund Eckhard Thorun45/SC Leipzig – Ringen – erklärte in einer Aussprache auf die Frage, ob es während der Ausscheidungskämpfe Abwerbungsversuche gegeben habe, dass die Aktiven Metz46 und Vesper47 sowie er angesprochen wurden, in Westdeutschland zu bleiben und in München weiterzuringen. Er selbst sei von dem Sohn eines Inhabers einer großen Fleischerei in München angesprochen worden, dessen Vater bereits 1960 versucht hätte, ihn zur Republikflucht zu überreden. Der in Westdeutschland lebende Bruder des Thorun sei von dem Fleischer angesprochen worden, seinen Bruder zum Verbleiben in Westdeutschland zu überreden, habe dieses Ansinnen jedoch abgelehnt. Thorun äußerte, er habe nicht die Absicht, seine Kameraden zu verraten.

Zur Arbeit der Punktrichter während der Ausscheidungen in Hof äußerten sich die Ringer ungehalten. Außer dem bulgarischen Punktrichter hätten die übrigen offensichtlich für Westdeutschland gewertet; sie seien unsicher gewesen und hätten beim Publikum gut ankommen wollen. Bedauern wurde von Ringern über die Reaktion des Publikums während der Ausscheidungskämpfe in Zwickau zum Ausdruck gebracht. Die Stimmung in Zwickau sei für unsere Sportler nicht so gut gewesen wie die Stimmung in Hof für die Westdeutschen.

Sportfreund Luschnig,48 Nationalmannschaft – Freistil – äußerte sich erfreut, dass er nicht gegen den Republikflüchtigen Kämmerer49 kämpfen musste. Er ist der Ansicht, dass die DDR-Sportler mit Kämmerer kein Wort wechseln sollten. Von unserem Verbandstrainer wüsste er, dass Kämmerer mit seinem Einsatz in Westdeutschland nicht zufrieden sein soll. Westdeutsche Trainer hätten sich unseren Ringern gegenüber geäußert: »Den könnt ihr wieder mitnehmen, den wollen wir nicht haben.«

Aussprachen mit Hockeyspielern des SC Leipzig ergaben, dass die Sportfreunde über die errungenen Tokiofahrkarten außerordentlich erfreut sind. Als Ursache ihres Erfolges sehen die Aktiven das Zusammenwachsen der Nationalmannschaft zu einem Kollektiv. Noch vor Monaten hätten sich sowohl die Leipziger als auch die Jenaer Sportler sehr reserviert verhalten, wodurch zu Beginn der Saison die Leistungen auch noch nicht die Höchstform erreicht hätten. Aktive rechnen auf einen 4. Platz in Tokio. Nach Meinung einiger Aktiver der Sektion seien die Spieler auch ideologisch gut auf ihren Einsatz vorbereitet – das sei schon in Westdeutschland bewiesen worden –, und mit einer Republikflucht aus ihren Reihen sei angeblich nicht zu rechnen.

Aktive der Sektion Boxen sprachen sich erfreut über die Haltung des Westberliner Publikums während der Ausscheidungen aus. Im Vergleich zu den Ausscheidungen 1960, wo es noch Äußerungen wie »Kommunistenschweine« u. Ä. gegen unsere Sportler gegeben habe, sei die Atmosphäre jetzt besser gewesen. Die Aktiven führen dies auf das Passierscheinabkommen 196350 zurück. Unzufrieden bzw. erstaunt sind einige Boxer über die Nominierung des Boxers Behrendt51 zu den Ausscheidungen. Die Niederlage Behrendts hätte man vorher berechnen können, da er jahrelang kein intensives Training durchgeführt habe. Andere trainierte Boxer hätten dagegen bei einer Nominierung mehr Chancen gehabt.

Sportler der Sektion Radsport sind äußerst ungehalten über das Angebot Westdeutschlands, die offenen Ausscheidungen im Bahnradsport auf einer sportlich ungeeigneten Bahn in Westdeutschland auszutragen. Die von Westdeutschland vorgeschlagene Bahn müsse bestimmte Tücken aufweisen, da Westdeutschland dort noch keinen Länderkampf verloren hätte. Bedenken bestehen bei Bahnradsportlern hinsichtlich des Nachwuchses. Talentierte junge Radfahrer äußerten sich bei Befragen häufig, der Anschaffungswert von 600 Mark für ein Rennrad sei zu hoch. Nach Meinung Aktiver müsse der Verband in naher Zukunft mehr unternehmen, um Nachwuchssportler heranzubilden.

Der Sportfreund Helmut Hochschild52/SC Leipzig ist verärgert über die Mitteilung seitens des Verbandes, er sei angeblich für die Vierermannschaft nicht mehr geeignet. Die Behandlung durch den Verband habe ihn schockiert.53

Radsportler äußern sich ziemlich deprimiert über das ungenügende Ergebnis während der Ausscheidungen in Gießen. Manfred Weißleder ist der Ansicht, dass durchaus noch zwei Plätze zu erobern gewesen seien, einige Fahrer hätten aber den Anschluss verpasst.

Siegfried Kettmann54 vom SC DHfK Leipzig führt die Ursachen des mangelhaften Ergebnisses in Gießen auf eine ungenügende Taktik zurück. Bereits einen Tag vor dem Rennen hätte der westdeutsche Trainer in der westdeutschen Sportpresse seine Taktik bekannt gegeben, die darin bestanden habe, dass sich je ein westdeutscher Fahrer an einen DDR-Fahrer hängt. Diese Variante wäre von unseren Verantwortlichen bei der Festlegung der Taktik ungenügend berücksichtigt worden.

In der Sektion Wasserspringen wird über den Ausschluss der Sportfreundin Niemeyer55/TSC diskutiert, wobei übereinstimmend die Herausnahme der Sportfreundin Niemeyer aus den Ausscheidungen mit Westdeutschland befürwortet wird. Nicht einverstanden sind mehrere Aktive mit den Ausschluss der N. aus dem Club. Sportfreundin Niemeyer habe im Club seit zehn Jahren trainiert, man solle sie im Kollektiv belassen und ihr die Möglichkeit einräumen, sich zu bewähren. An eine mögliche Republikflucht der N. wird in den meisten Fällen nicht geglaubt.

Aktive der Sektion Rudern/SC Aufbau Magdeburg beklagten sich über mangelnde Unterstützung des Clubs und des Verbandes bei der Instandhaltung ihrer Boote. Günter Micka56 führte aus, dass ihre Sektion seit November 1963 sechs Zweier und zwei Viererboote in der Yachtwerft Berlin-Köpenick, Werk II, hatte, um die Ausleger erneuern zu lassen. Während die Boote der Sektionen Berlin und Potsdam prompt bearbeitet worden wären, habe Magdeburg Mitte Mai 1964 die Boote unbearbeitet wieder zurücknehmen müssen, da angeblich zur Durchführung der Reparatur Ersatzteile gefehlt hätten.

Der Sportfreund Jürgen Bremer57/SC DHfK Leipzig, Sektion Kanu, äußerte hinsichtlich der Zukunft der Disziplin Wildwasserrennen Bedenken. Obwohl die DDR augenblicklich noch eine führende Position einnehme, zeichne sich ein Rückgang der Leistungen ab. Zurückzuführen sei dies auf mangelnde Trainingsmöglichkeiten infolge Fehlens geeigneter Wildwasser. Nachdem die Mulde als Naturschutzgebiet gesperrt worden sei, wären unsere Wildwasserspezialisten lediglich auf Auslandsstarts angewiesen. Aktive äußern die Ansicht, der Verband würde auf diese Disziplin keinen Wert legen, da über die Zukunft des Trainings noch nichts verlautet wäre.

In einer Aussprache mit dem Aktiven Wolfgang Weidner58/SC Traktor Oberwiesenthal – Rennschlittensport – brachte er Unzufriedenheit über seinen weiteren Einsatz zum Ausdruck. Der Verbandstrainer des Schlittensports Geinitz59 habe ihm bereits im Vorjahr die Zusage gegeben, dass er seine Tätigkeit als Trainer in der neu eingerichteten KJS in Oberwiesenthal aufnehmen könne. Wie ihm jetzt bekannt geworden sei, wäre jedoch bereits der Sportfreund Walter Jentzsch60 als Trainer für Schlittensport eingesetzt und diese Planstelle somit vergeben worden. Sportfreund Weidner könne nicht verstehen, dass Jentzsch, der bisher nicht aktiv im Schlittensport, sondern in der Disziplin Turnen tätig war, theoretische Kenntnisse über den Schlittensport besitzen und fähig sein soll, Nachwuchssportler dieser Disziplin zu trainieren. Ihm sei bekannt, dass die Trainerräte nicht immer verantwortungsbewusst ihre Entscheidungen treffen, und der Verband müsse hier – nach Meinung Weidners – eine Überprüfung durchführen.

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    1. September 1964
    Einzelinformation Nr. 714/64 über eine Havarie am Bagger 643 der Förderbrücke 2 des Tagebaues Spreetal des Kombinates »Schwarze Pumpe« am 29. August 1964

  2. Zum vorherigen Dokument Bahnbetriebsunfall mit Todesfolgen bei Werdau

    29. August 1964
    Einzelinformation Nr. 710/64 über einen Bahnbetriebsunfall bei Werdau mit Todesfolgen am 29. August 1964