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Gescheiterter Fluchtversuch bei Lichtenhain

4. August 1964
Einzelinformation Nr. 611/64 über einen verhinderten gewaltsamen Grenzdurchbruch nach Westdeutschland im Kreis Neuhaus, [Bezirk] Suhl, am 2. August 1964

Am 2.8.1964, gegen 23.00 Uhr, wurden im Grenzabschnitt Schwedensteig bei Lichtenhain, [Kreis] Neuhaus, [Bezirk] Suhl, die westdeutschen Bürger [Name 1, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1935, wohnhaft München, [Straße, Nr.], Kraftfahrer bei der Firma Gottschalk/München, DGB/IG Metall 1959 bis 1963, Mitglied Pistolenclub »Bavaria« 1963 bis 1964, [Name 2, Vorname 1 ], geboren [Tag, Monat] 1941, wohnhaft München, [Straße, Nr.], Feinmechaniker, Firma Niezoldi & Krämer, München, DGB 1963, 1955 die DDR illegal verlassen, und die Bürger der DDR [Name 2, Vorname 2], geboren [Tag, Monat] 1942, wohnhaft Leipzig N 24, [Straße, Nr.], Schriftsetzerin in der Berufsschule »Otto Grotewohl«/Leipzig (Schwester des [Name 2, Vorname 1]), [Name 3, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1943, wohnhaft Leipzig N 24, [Straße, Nr.], technische Zeichnerin, VEB Bodenbearbeitungsgeräte Leipzig, beim versuchten Grenzdurchbruch nach Westdeutschland ca. 100 m vor der Minensperre von den Grenzposten der NVA festgenommen. Die Grenzverletzer reagierten zunächst auf die Aufforderung zum Stehenbleiben nicht, sodass sie erst nach Abgabe von insgesamt 15 Warn- und Zielschüssen festgenommen werden konnten. Personen wurden nicht verletzt.

Bei der Festnahme warf der [Name 2] eine von ihm mitgeführte schussbereite belgische Pistole, Modell Douareu1 (Kaliber 9 mm) weg, offensichtlich um das Auffinden der Waffe durch die NVA zu verhindern. Die Pistole wurde sichergestellt. Sie war mit 13 Schuss unterladen, eine weitere Patrone befand sich bereits im Lauf.

Der [Name 1] war bei der Festnahme ebenfalls im Besitz einer schussbereiten Pistole (Kaliber 7,63 mm) mit der dazugehörigen Munition. Insgesamt wurden 52 Schuss Munition Kaliber 9 und 7,63 mm sichergestellt. Weiter führten die Grenzverletzer sechs Sprengkörper unterschiedlicher Größe von 10 bis 100 g TNT, sechs Sprengzünder, ein Fernglas, einen Kompass, eine Landkarte, Taschenlampen, zwei Päckchen Pfeffer, Verbandmaterial sowie ein zweiteiliges Bügelbrett und mehrere Leinen zum Überqueren der Sicherungsanlagen bei sich. Insgesamt waren sie im Besitz von 202 DM DNB (davon 75,00 MDN neue Banknoten)2 und 79,10 DM BdL. Die weiblichen Personen hatten Adressen von Bürgern der DDR und Zeugnisse in ihrer Unterwäsche eingenäht.

Die bisherigen Untersuchungen erbrachten folgendes Ergebnis: Die westdeutschen Bürger reisten am 25.7.1963 mit Aufenthaltsgenehmigung über den KPP Gutenfürst nach Leipzig ein, um gemeinsam mit der [Name 2] und [Name 3] gewaltsam die Staatsgrenze der DDR nach Westdeutschland zu durchbrechen. Aus diesem Grunde führten [Name 2] und [Name 1] bereits bei der Einreise am 25.7.1964 die sichergestellten zwei Pistolen mit 52 Schuss Munition, sechs Sprengkörper und sechs Sprengzünder am Körper versteckt in die DDR ein.

Sie beabsichtigten den Grenzdurchbruch unter allen Umständen – wenn erforderlich unter Anwendung der Waffen und Sprengmittel – zu erzwingen. Zu diesem Zweck fuhren die Genannten gemeinsam am 1.8.1964 mit dem Eilzug von Leipzig nach Saalfeld und weiter mit einem Taxi nach Reichmannsdorf. Von Reichmannsdorf begaben sie sich zu Fuß in das der [Name 2] bekannte Grenzgebiet Lichtenhain, [Kreis] Neuhaus, (sie hatte dort 1963 ihren Urlaub verlebt), wo sie durch die Grenzsicherungskräfte der NVA festgenommen wurden.

[Name 1] und [Name 2] weilten 1964 bereits zur Frühjahrsmesse, zu Ostern, am 1. Mai, zum Deutschlandtreffen3 und zu den Arbeiterfestspielen4 mit Aufenthaltsgenehmigungen in der DDR. Der beabsichtigte gewaltsame Grenzdurchbruch wurde zwischen den Genannten angeblich erst in der Zeit vom 25.7. bis 1.8.1964 konkret abgesprochen, wobei sich die [Name 2] und [Name 3] einverstanden erklärten.

Die Untersuchungen zur Aufklärung der Ursachen und Zusammenhänge des verhinderten Grenzdurchbruchs sowie zur Ermittlung möglicher Mittäter, Hintermänner oder Auftraggeber der vorgesehenen Schleusung werden durch das MfS weitergeführt.

  1. Zum nächsten Dokument Großbrand im Leipziger Gummiwerk »ELGUWA«

    4. August 1964
    Einzelinformation Nr. 613/64 über den Großbrand im VEB Leipziger Gummiwerk » ELGUWA«, Werk III, Leipzig W 33, Endersstraße, am 30. Juli 1964

  2. Zum vorherigen Dokument Schlägerei mit angeblicher Beteiligung von drei Offizieren

    4. August 1964
    Einzelinformation Nr. 609/64 über eine Schlägerei mit angeblicher Beteiligung von drei Offizieren der NVA/Grenze im Bereich Frankfurt/O.