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Verlauf des 2. Passierscheinabkommens (11)

15. Oktober 1964
11. Bericht Nr. 903/64 über den Verlauf des 2. Passierscheinabkommens

Am 14.10.1964 wurden in den 16 Passierscheinstellen in Westberlin 10 250 Antragsformulare (insgesamt 1 078 965) ausgegeben, davon 5 200 (insgesamt 536 980) für den 1. und 5 050 (insgesamt 541 985) für den 2. Besuchszeitraum.1

Am 14.10.1964 wurden 18 004 Anträge (damit insgesamt 681 179) gestellt, und zwar für den 1. Besuchszeitraum 8 546 (damit insgesamt 338 601) und für den 2. Besuchszeitraum 9 458 (damit insgesamt 342 578) Anträge.

Auf den am 14.10. gestellten Anträgen sind

  • 14 077 Personen (mit 1 583 Kfz) für den 1. Besuchszeitraum,

  • 26 020 Personen (mit 2 951 Kfz) für den 2. Besuchszeitraum,

  • also insgesamt 40 097 Personen (mit 4 534 Kfz)

erfasst.

Damit sind auf den vom 1. bis 14.10.1964 gestellten Anträgen

  • 603 199 Personen (mit 64 711 Kfz) für den 1. Besuchszeitraum

  • 1 086 811 Personen (mit 118 803 Kfz) für den 2. Besuchszeitraum

  • also insgesamt 1 690 010 Personen (mit 183 514 Kfz)

erfasst.

Am 14.10. wurden in den einzelnen Passierscheinstellen durchschnittlich 1 000 Anträge entgegengenommen. Mit den am 14.10. abgegebenen Anträgen haben sich die Konzentrationen von über 100 000 Personen (7. und 8.11., 19. und 26.12.1964 sowie 2.1.1965) und von rd. 100 000 Personen (1.11., 25., 26., 27. und 31.12.1964) nicht wesentlich erhöht.

Infolge des geringen Besucherstroms konnten am 14.10.1964 alle Antragsteller reibungslos und ohne längere Wartezeiten abgefertigt werden. Teilweise waren in den Passierscheinstellen nur zwei Schalter ständig geöffnet. In den meisten Passierscheinstellen entstanden größere Arbeitspausen. Irgendwelche Störmaßnahmen oder Schwierigkeiten durch die Westberliner Einsatzkräfte – auch hinsichtlich unserer Lenkungsmaßnahmen – gab es nicht. In fast allen Passierscheinstellen wurden die Merkblätter durch unsere Angestellten in den Abfertigungsräumen ohne jegliche Behinderung ausgehändigt. (In Einzelfällen geschah dies bereits außerhalb der Abfertigungsräume.) Teilweise (z. B. Tiergarten) wurden unsere Angestellten durch Westberliner Hilfskräfte bei der Verteilung der Merkblätter unterstützt.

Insgesamt ist einzuschätzen, dass die Zusammenarbeit mit den westlichen Einsatzkräften wie am Vortage reibungslos verlief. Zum überwiegenden Teil unterstützten diese unsere Angestellten bei der Orientierung der Antragsteller auf weniger ausgelastete Tage.

Die Antragsteller selbst zeigten große Bereitwilligkeit, entsprechend unserer Lenkungsmaßnahmen Besuche auf bisher weniger ausgelastete Tage zu verschieben. Lediglich in der Passierscheinstelle Tempelhof beharrte eine größere Anzahl von Antragstellern hartnäckig auf den bereits weitgehend ausgelasteten Tagen. Einige der Antragsteller traten dabei sehr anmaßend gegenüber unseren Angestellten auf. In wenigen Fällen (z. B. Passierscheinstelle Wilmersdorf) wurden die Anträge von den Besuchern zerrissen, als diese gebeten wurden, für ihren Besuch in der Hauptstadt der DDR einen anderen Termin zu wählen.

In verschiedenen Passierscheinstellen (u. a. in Kreuzberg/Lobeckstraße und Neukölln/Karl-Marx-Straße) kursiert unter den Westberliner Einsatzkräften nach wie vor das Gerücht, dass unmittelbar vor Weihnachten erneut mit einer Öffnung der Passierscheinstellen zu rechnen sei, um allen Nachzüglern noch Gelegenheit für einen Feiertagsbesuch in der Hauptstadt der DDR zu geben.

Hinsichtlich der Ausgabe der Passierscheine selbst scheint es bei einer Anzahl Westberliner Einsatzkräfte – vereinzelt jedoch auch bei Sammelantragstellern Westberliner Betriebe – noch Unklarheiten zu geben. So brachten Westberliner Postangestellte bei einem diesbezüglichen Gespräch mit unseren Angestellten in der Passierscheinstelle Wedding/Müllerstraße zum Ausdruck, dass sie noch keinen Überblick besäßen, welche Aufgaben sie bei der Ausgabe der Passierscheine zu übernehmen hätten. Die Ausgabe der Passierscheine sei ihrer Meinung nach eine große Belastung der DDR-Angestellten, denen sie einen ganzen Teil der Arbeit abnehmen könnten. In der Passierscheinstelle Schöneberg äußerte der Betriebsrat der BEWAG, der für viele Betriebsangehörige einen Sammelantrag gestellt hatte, dass er mit den einzelnen Antragstellern Schwierigkeiten bekäme, wenn diese ihre Passierscheine alle selbst abholen müssten, da die Betriebsangehörigen in den verschiedensten Westberliner Stadtbezirken wohnhaft seien. Auch Westberliner Postangestellte, die sich an dem Gespräch beteiligten, zeigten sich daran interessiert, dass Betriebe mit Sammelanträgen die entsprechenden Passierscheine insgesamt abholen können.

Auch am 14.10.1964 wurde wiederum festgestellt, dass Westberliner Kräfte während der Öffnungszeiten der Passierscheinstellen alkoholische Getränke zu sich nahmen, ohne dass dies jedoch einen negativen Einfluss auf die Erfüllung ihrer Aufgaben ausübte (Passierscheinstellen Reinickendorf/Scharnweber Straße und Thurgauer Straße).

Verschiedene Passierscheinstellen wurden auch am 14.10.1964 von Mitarbeitern des Westfernsehens (SFB) aufgesucht, um Aufnahmen für die Anfertigung eines Fernsehfilmes zu erhalten, der angeblich nach Beendigung der Passierscheinaktion im Westfernsehen gezeigt werden soll. Unter anderem hielten sie sich ca. 45 Minuten in der Passierscheinstelle Charlottenburg auf, wo sie filmten und Gespräche mit Westberliner Postangestellten führten. Das gleiche trifft zu für die Passierscheinstelle Neukölln/Morusstraße, wo insbesondere Zugang der Antragsteller, Übergabe der Merkblätter, Annahmevorgang und Übergabe der Kontrollabschnitte gefilmt wurden. Unabhängig davon wurden auch Tonbandaufnahmen vorwiegend von Diskussionen Westberliner Kräfte mit Antragstellern vorgenommen. Teilweise wurde dabei versucht, das dazu verwandte Mikrofon in die Nähe der Schalter unserer Angestellten zu bringen. Behinderungen des Arbeitsablaufes der Passierscheinstellen traten durch die Reporter nicht auf.

In der Passierscheinstelle Zehlendorf stellte am 14.10.1964 der Westberliner CDU-Chef Amrehn2 einen Passierscheinantrag zum Besuch seiner Schwägerin in Berlin-Lichtenberg.

In der Passierscheinstelle für dringende Familienangelegenheiten wurden am 14.10. 138 Anträge (davon 34 für Einreise mit Pkw) für 240 Personen (84 Männer, 112 Frauen, 44 Kinder) entgegengenommen. Nach Gründen untergliedert waren es

  • 43 wegen lebensgefährlicher Erkrankungen,

  • 49 wegen Todesfällen,

  • 26 wegen Geburten,

  • zwölf wegen Eheschließungen,

  • drei wegen Familienzusammenführung,

  • fünf wegen besonderer Gründe.

Damit wurden seit dem 1.10. in dieser Passierscheinstelle 2 115 Anträge für 3 343 Personen entgegengenommen.

Am 14.10. wurden 114 Passierscheine ausgegeben und eine Verlängerung für drei Personen ausgesprochen. Die bereits in den Vortagen aufgetretene Tendenz der Zunahme der versuchten Antragstellung von nicht besuchsberechtigten Personen hielt an.

Die Vorkontrolle durch die Westberliner Kräfte zeigte am 14.10. eine weitere Verbesserung, nachdem sie in den letzten Tagen vonseiten der DDR-Angestellten mehrfach auf fehlerhafte Arbeit (ungenügende Beratung der Antragsteller im Sinne des Protokolls und mangelhafte Kontrolle der Beglaubigungen und anderer Dokumente) hingewiesen worden waren.

Besondere Vorkommnisse gab es auch während des Besuchs des Beauftragten der DDR, Genosse Reuther,3 in der Passierscheinstelle nicht. Der Verantwortliche des Senats, Grunst,4 wandte sich ab und täuschte eine andere Beschäftigung vor, als Genosse Reuther über die Notwendigkeit einer sofortigen Ausstellung von Passierscheinen in der Passierscheinstelle sprach. Der Leiter der Westberliner Kräfte, [Name], der dem Genossen Reuther vom Leiter unserer Angestellten vorgestellt wurde, gab sich leutselig und verhielt sich korrekt.

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    16. Oktober 1964
    12. Bericht Nr. 911/64 über den Verlauf des 2. Passierscheinabkommens

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    15. Oktober 1964
    Einzelinformation Nr. 892/64 über ein Informationsgespräch des Westberliner Bürgermeisters Albertz mit Westberliner Chefredakteuren und Korrespondenten westdeutscher Zeitungen über die Ermordung des Genossen Unteroffizier Schultz