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Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte

24. August 1964
Einzelinformation Nr. 680/64 über die geplante Durchführung der 103. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte in der Zeit vom 4. bis 9. Oktober 1964 in Weimar

Dem MfS wurde bekannt, dass die Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte1 – bei der es sich um eine Gesellschaft mit gesamtdeutschem Charakter handelt – in der Zeit vom 4. bis 9.10.1964 in Weimar ihre 103. Versammlung durchzuführen beabsichtigt, wobei aus einer Reihe Einzelheiten der Vorbereitung dieser Tagung zu erkennen ist, dass sie nicht mit den vorher getroffenen Festlegungen übereinstimmen bzw. bestehende Regelungen in der DDR missachten.2

Nachdem dem Antrag des Vorstandes der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte, die 103. Versammlung der Gesellschaft im Oktober 1964 in Weimar durchzuführen, seitens des Präsidiums des Ministerrates im Dezember 1963 zugestimmt worden war, erarbeiten Vertreter der Gesellschaft für diese Tagung ein Programm sowie ein Merkblatt für Teilnehmer.

Ohne Programm und Merkblatt zumindest im Staatssekretariat für das Hoch- und Fachschulwesen der DDR vorzulegen, wurde seitens des Generalsekretärs und Sekretärs der Naturwissenschaftlichen Hauptgruppe der Gesellschaft, Prof. Dr. K. J. Antweiler,3 Bonn, der Druck dieser Materialien in der Bonner Universitäts-Buchdruckerei veranlasst.

In einer Aussprache zwischen dem Genossen [Name], Mitarbeiter der Auslandsabteilung im Staatssekretariat für das Hoch- und Fachschulwesen und den Professoren Mothes, Halle,4 Vorsitzender der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte, und Bruns, Jena,5 Geschäftsführer der 103. Versammlung, am 10.6.1964 – die auf Initiative des SHF stattfand – hatten beide Professoren sowohl das Programm der 103. Versammlung als auch den Entwurf des Merkblattes vorgelegt. Dabei wurde festgestellt, dass im Programm der 103. Versammlung im Gegensatz zu den Festlegungen bzw. Empfehlungen des SHF – die rechtzeitig vorher über Prof. Bruns dem Vorstand der Gesellschaft zugegangen waren – nicht ausgedruckt ist, dass der Genosse Abusch6 als Mitglied des Ministerrates der DDR und der Vorsitzende des Forschungsrates bei der Regierung der DDR, Prof. Dr. Thiessen,7 die Versammlung der Gesellschaft im Namen der DDR begrüßen werden. Auch das Auftreten des Oberbürgermeisters von Weimar, Steidle,8 ist im Programm nicht vermerkt. Ferner ist der für die Teilnehmer der Tagung vorgesehene Empfang der Regierung der DDR anlässlich des 15. Jahrestages der Gründung der DDR im Programm nicht aufgenommen worden.

Der ebenfalls in der Aussprache am 10.6.1964 vorgelegte Entwurf des grünen Merkblattes für Besucher der Tagung enthält ebenfalls falsche und zum Teil diskriminierende Formulierungen, obwohl auch für das Merkblatt durch das SHF rechtzeitig entsprechende schriftliche Vorschläge dem Generalsekretär der Gesellschaft, Prof. Antweiler, zugesandt worden waren. Die im Merkblatt enthaltenen falschen Angaben wiederholen sich in fast gleichlautender Form im letzten Teil des Programmheftes.

In beiden Materialien – sowohl im letzten Teil des Programmheftes als auch im Merkblatt – wurde z. B. nicht zwischen Tagungsteilnehmern aus der DDR und aus der Deutschen Bundesrepublik klar unterschieden, und die amtlichen Bezeichnungen DDR und Deutsche Bundesrepublik wurden nicht verwandt. Das Merkblatt sieht weiter – entgegen den Vorschlägen des SHF – vor, dass die Anmeldungen der ausländischen Teilnehmer in Wuppertal, dem Sitz der Gesellschaft, erfolgen und nicht in Weimar, wie es die entsprechenden Bestimmungen der DDR vorsehen. Weiterhin sieht das Merkblatt im Gegensatz zu den getroffenen Vereinbarungen (Erweiterung der Aufenthaltsgenehmigung für westdeutsche und ausländische Besucher bei dem Besuch anderer Orte in der DDR) eine ungehinderte Bewegungsfreiheit der Teilnehmer im gesamten Gebiet der DDR vor.

Im vorletzten Absatz des Merkblattes wird schließlich für »Mitglieder mit früherem Wohnsitz in der DDR« mitgeteilt, dass ihnen eine ungehinderte Ein- und Ausreise gewährt würde. Am 12.6.1964 wurde daraufhin Prof. Bruns, Jena, vom Staatssekretariat für das Hoch- und Fachschulwesen mitgeteilt, er solle Prof. Antweiler in Bonn telegrafisch verständigen, das Merkblatt vorläufig nicht in Druck zu geben. Am 13.6.1964 wurde Prof. Bruns durch Genossen [Name] der Entwurf eines neuen Merkblattes übergeben mit dem Vorschlag des SHF, wie das Dokument inhaltlich gestaltet werden muss.

Inzwischen ist aber das alte, vom SHF nicht gebilligte Merkblatt auf Veranlassung des Prof. Antweiler in Bonn gedruckt worden. Dr. Antweiler erklärte, den Eilbrief von Prof. Bruns aus Jena angeblich erst am 16.6.1964 erhalten zu haben, aber mit der Druckerei in Bonn terminlich bereits am 15.6.1964 gebunden gewesen zu sein. Seiner Meinung nach enthalte das Merkblatt auch keine größeren Fehler.

Prof. Antweiler verschickte – obwohl er von der Ablehnung durch das SHF unterrichtet war – indessen ca. 800 Programme mit den beanstandeten grünen Merkblättern an Adressen von Naturwissenschaftlern und Ärzten in Westdeutschland. Circa 250 bis 300 Programm-Exemplare mit dem Merkblatt sandte er an Prof. Bruns, Jena, der diese an DDR-Mitglieder der Gesellschaft weitervermittelte. Weitere 400 Exemplare mit Einlagen erhielt das Staatssekretariat für das Hoch- und Fachschulwesen über Prof. Bruns von Prof. Antweiler zugesandt, die, obwohl das Merkblatt sowie die im letzten Teil des Programmheftes abgedruckten Hinweise vordem vom SHF selbst beanstandet worden waren, unverändert an die Rektorate der Universitäten der DDR verschickt wurden.

Anfang August legten Prof. Bruns und Prof. Mothes im SHF den Entwurf einer Ergänzung zum Merkblatt vor. Darin wurden die Vorschläge des SHF vom 12.6.1964 insofern berücksichtigt, dass die ausländischen Teilnehmer gebeten wurden, sich direkt in Weimar und nicht in Wuppertal anzumelden. Gleichfalls wurden darin die Westberliner Teilnehmer zur direkten Anmeldung in Weimar aufgefordert. Außerdem wurden durch Prof. Bruns Vorschläge zum Geldumtausch in der DDR und zu den Reisen der westdeutschen Teilnehmer innerhalb der DDR unterbreitet. Insbesondere zu den letzten beiden Punkten wurden Dr. Bruns – da er noch keine klaren, den in der DDR geltenden Bestimmungen entsprechende Vorstellungen entwickelte – vom SHF erneut schriftliche Berichtigungen und Ergänzungen zum Merkblatt übergeben. Während dieser Beratung Anfang August kamen Genosse [Name]/ SHF und die Professoren Bruns und Mothes überein, zu dem vom SHF beanstandeten Passus im grünen Merkblatt, die »Mitglieder mit früherem Wohnsitz in der DDR« betreffend, keine Berichtigung vorzunehmen, »um der Westpresse nicht Material zu liefern«.

Prof. Bruns führte als »Begründung« an, dass im Interesse der reibungslosen Durchführung der 103. Versammlung der Gesellschaft zu empfehlen sei, die vorgesehenen Begründungsansprachen des Vertreters der Regierung der DDR, Genosse Abusch, und des Vorsitzenden des Forschungsrates der DDR, Prof. Thießen, sowie des Oberbürgermeisters Steidle nicht im Programm auszudrucken, »um den Kräften in Westdeutschland, die sich gegen die Durchführung der Tagung in Weimar stellten (u. a. Prof. Antweiler), keine Argumente zu liefern«. Prof. Mothes erklärte sich lediglich damit einverstanden, dass er als Präsident und Veranstalter der Tagung die Regierungsvertreter vorstellen und als Begrüßungsredner der Regierung der DDR ankündigen werde.

Inzwischen wurde bekannt, dass je eine Ergänzung sowohl zum Programm als auch zum Merkblatt in Westdeutschland gedruckt wurden. Zur Zeit. ist jedoch noch nicht feststellbar, welchen Inhalt diese haben und ob sie mit den vom Staatssekretariat für das Hoch- und Fachschulwesen gegebenen erneuten Empfehlungen übereinstimmen.

Ungeklärt ist zzt. auch noch die Regelung der Anreise der westdeutschen Teilnehmer mit Pkw. Die verantwortlichen Veranstalter in der DDR vertreten die Auffassung, die bisherige Festlegung, nur maximal 200 West-Pkw nach Weimar zuzulassen, sei ungeeignet, da bisher allein 147 prominente westdeutsche Professoren ihre Teilnahme in Weimar zusagten und den übrigen ca. 200 bisher gemeldeten Wissenschaftlern und Ärzten aus Westdeutschland eine Anreise mit Pkw ebenfalls nicht verweigert werden könne.9

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    25. August 1964
    Einzelinformation Nr. 683/64 über eine Explosion mit zweifacher Todesfolge im Kinderferienlager des VEB Kraftverkehr Ilmenau in Baruth, Kreis Zossen, [Bezirk] Potsdam

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    19. August 1964
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