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5. Bericht über das Manöver Oktobersturm

20. Oktober 1965
5. Bericht Nr. 906/65 über die Aktion »Oktobersturm« (Berichtszeitraum 17. Oktober bis 19. Oktober 1965, 24.00 Uhr)

In den letzten Tagen wurden – wie bereits vor und zu Beginn der Aktion –1 keine Maßnahmen größeren Umfangs im westzonalen Vorfeld und im rückwärtigen Grenzgebiet, die im Zusammenhang mit den Manövern in der DDR zu sehen sind, bekannt. Die festgestellten Truppenbewegungen und anderen militärischen Maßnahmen der Bundeswehr und anderer NATO-Streitkräfte überschreiten nicht den bei NATO-Manövern üblichen Rahmen.

Die bereits im 1. Bericht enthaltenen Feststellungen über die Verstärkung der gegnerischen Aufklärungstätigkeit an der Staatsgrenze West der DDR wurden in den letzten Tagen durch weitere Beobachtungen bestätigt. Es handelt sich dabei insbesondere um den verstärkten Einsatz von Beobachtungs- und Streifenposten der US-Armee und der Bundeswehr, die motorisiert und mit Funkgeräten ausgerüstet sind und teilweise über Infrarotsichtgeräte verfügen.

Die Feststellungen über die verstärkte gegnerische Aufklärungstätigkeit treffen auch nach wie vor auf den Einsatz des westdeutschen Zollgrenzdienstes zu. Die Zahl der eingesetzten Streifenposten hat sich erhöht.

In diesem Zusammenhang verdient Beachtung, dass westdeutsche Zollbeamte auch den grenzüberschreitenden Verkehr auszunutzen versuchen, um Informationen über das Manöver zu erhalten. Nach vorliegenden Hinweisen versuchen sie die Befragung nach Westdeutschland reisender Bürger damit zu begründen, dass sie Angaben über gesperrte Landstraßen und Autobahnabschnitte in der DDR benötigen würden. Neuerdings wurden außerdem mehrere Fälle bekannt, wo in die DDR einreisende westdeutsche Bürger den Versuch unternahmen, durch gezielte Fragestellungen entsprechende Informationen zu bekommen.

In der Tätigkeit der westlichen Militärverbindungsmissionen gab es – im Vergleich zu den Angaben im ersten Bericht – keine neuen Schwerpunkte. Zu Verletzungen des jeweiligen Sperrgebietes im Manöverraum kam es bisher nicht. Bei den Fahrten der MVM zur Beobachtung der Truppenbewegungen und bestimmter militärischer Objekte trat vor allem die britische MVM aktiv in Erscheinung.

Die Stimmung und Einsatzbereitschaft unter den Soldaten und Offizieren der am Manöver beteiligten Armee-Einheiten ist weiterhin gut. Es kann außerdem eingeschätzt werden, dass die Begegnungen zwischen Armee-Angehörigen und Zivilbevölkerung (Kampf-Meetings usw.) sich positiv im Sinne der Erhöhung der Kampfmoral ausgewirkt haben. In einer Vielzahl von Gesprächen und Diskussionen wurde der Wille der Armeeangehörigen hervorgehoben, sich mit ganzer Kraft für das Gelingen des Manövers einzusetzen. In Einzelfällen aufgetretene negative Äußerungen waren nicht gegen das Manöver gerichtet, sondern hatten Fragen örtlicher Mängel zum Inhalt (Unzufriedenheit über Führungstätigkeit, Versorgung, Unterbringung usw.)

In den Tagen, in denen die am Manöver beteiligten Armeeeinheiten sich in den jeweiligen Konzentrierungsräumen befanden, haben Armeeangehörige in mehreren Fällen ihre Einheiten unerlaubt verlassen. In einigen Fällen kam es dabei zu Trinkgelagen. Es kann jedoch eingeschätzt werden, dass durch diese Einzelerscheinungen die Einsatz- und Kampfbereitschaft der jeweiligen Einheiten nicht beeinträchtigt wurde.

In den letzten Tagen kam es in Einzelfällen unter Angehörigen der 9., 11. und 13. Grenzbrigade erneut zu Diskussionen, die gegen die Notwendigkeit der verstärkten Grenzsicherung gerichtet waren. Entsprechende Maßnahmen zur Überwindung dieser Unklarheiten wurden eingeleitet.

Vereinzelt kam es erneut zu groben Verletzungen der Wachsamkeit (z. B. im NB 7 und im PR 14). Es handelt sich dabei im Wesentlichen um den leichtfertigen Umgang mit VS-Dokumenten (unbeaufsichtigte Ablage, mangelnde Nachweisführung usw.). Die erforderlichen Maßnahmen zur Erhöhung der Wachsamkeit wurden eingeleitet.

Störungen der Nachrichtenverbindungen, die in Einzelfällen im Bereich der 4. MSD auftraten, konnten jeweils nach kurzer Zeit behoben werden. Sie hatten keine wesentlichen Auswirkungen auf die Durchführung der vorgesehenen Kampfaufträge.

Die Zahl der mit den Truppenbewegungen zusammenhängenden Unfälle blieb außerordentlich gering. In der Berichtszeit kam es, nach bisher vorliegenden Meldungen, täglich nur zu je einem Unfall.

Kurze Stromausfälle entstanden am 18.10. im Ortsnetz Bittstädt, Krs. Arnstadt, und in Meckfeld, Krs. Weimar. Die Stromleitungen waren infolge des Umfahrens von Leitungsmasten durch Panzer unterbrochen worden.

Am 16. und 17.10. vom westdeutschen Grenzgebiet aus durchgeführte Hetzschrifteneinschleusungen (Ballonaktionen) hatten auf die an der Übung beteiligten Kräfte bzw. auf die Haltung der Bevölkerung keinen Einfluss. An beiden Tagen wurden in einer relativ kurzen Zeit in den Bezirken Erfurt, Suhl und Gera über 3 300 eingeschleuste Hetzschriften sichergestellt (Erfurt 2 750, Suhl rd. 600, Gera knapp 100). Die Fundorte befinden sich in folgenden Kreisen: Mühlhausen, Nordhausen, Arnstadt, Worbis, Erfurt, Neuhaus, Ilmenau, Bad Salzungen, Sonneberg, Suhl, Saalfeld, Lobenstein und Rudolstadt. Inhaltlich wird in den Hetzschriften nicht auf das Manöver eingegangen. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Hetzschriften handelt es sich um das CDU-Blatt »Der Tag« vom August bzw. Oktober d. J. (CDU-Wahlkampfpropaganda bzw. Verherrlichung der CDU-Politik). Zahlenmäßig bewegt sich diese Hetzschriftenaktion bisher im üblichen Rahmen.

Die Stimmung der Bevölkerung zur Durchführung der Manöver ist weiterhin größtenteils positiv. Im größeren Umfang wurde das korrekte Verhalten der befreundeten Armeen lobend hervorgehoben. In vielen anderen Diskussionen wird auf die Bemühungen der Manövertruppen, Schäden möglichst zu vermeiden, hingewiesen. Die wenigen negativen Äußerungen können das positive Gesamtbild nicht beeinträchtigen.

In einigen Betrieben im Kreis Arnstadt vertraten viele der dort Beschäftigten die Meinung, dass am 20.10. nicht gearbeitet werden soll. Man wolle sich die Manöver ansehen und dafür am Bußtag arbeiten.

Eine Reihe von Genossenschaftsbauern in einigen Gemeinden im Krs. Arnstadt äußerten Befürchtungen dahingehend, dass der Landwirtschaftsrat des Bez. Erfurt den Genossenschaften bei der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen nicht genügend Unterstützung gewähren konnte.

In den VEB Kali-Kombinat Werra, Glaswerk Schönbrunn und Kalkwerk Oberrohn kam es wegen ungenügender Waggonbereitstellung durch die Reichsbahn zu zeitweiligen Stockungen im Abtransport der Erzeugnisse. Von Arbeitern dieser Betriebe wurde das Manöver als Ursache dieser Stockungen bezeichnet, ohne dass diese Diskussionen negativen Charakter annahmen. Andere Bürger (u. a. im Bezirk Suhl) äußerten sich dahingehend, dass sie gerne bei den Manövern zusehen würden, vor allem im Hinblick auf das Kennenlernen der neuen Waffentechnik.

In den Gottesdiensten der katholischen und evangelischen Kirche wurde – nach bisher vorliegenden Informationen – nicht zum Manöver Stellung genommen. Der Stellvertreter des katholischen Bischofs Aufderbeck,2 Dr. Wenzel, brachte zum Ausdruck, dass die Manöver Angelegenheit des Staates sind und der [sic!] Kirche nichts angehen.

3Weitere, die beteiligten Armee-Einheiten betreffende Vorkommnisse

Organisatorische Mängel wurden im Stab des MB III und der Kommandantenkompanie (Gefechtsstand der 3. Armee) festgestellt. Es bestand keine namentliche und zahlenmäßige Übersicht über die Zukommandierungen aus der 11. MSD. Ebenso bestand keine Übersicht darüber, ob die NVA-Angehörigen mit oder ohne Waffe kommandiert wurden und wo sich die Waffen befinden. Die Zukommandierungsmeldungen stimmten weder namentlich noch zahlenmäßig.

Unter den Offizieren des Stabes MB III gibt es Diskussionen darüber, dass der Sender »Oktobersturm« das angekündigte Programm nicht einhalten würde. Außerdem sei auf der Welle 898 (Frequenz des Senders »Oktobersturm«) der österreichische Rundfunk zu hören.4

Bei vereinzelten negativen Stellungnahmen zur Unterbringung und Verpflegung war der Schwerpunkt das Nachr.-Btl. 7. Da lt. Struktur den Mannschaften keine größeren Zelte zur Verfügung stehen und die vorhandenen Altbestände nicht ausreichen, schlafen die Soldaten in Einmannzelten auf der Erde.

Am 17.10.1965 wurde ca. 300 m südwestlich von Sondra, [Kreis] Eisenach, im Unterbringungsraum des Pz. Btl. des MSR 24, ein Funkstörballon sichergestellt. Das Gerät dient der Funkgegenwirkung und wurde mit primitiven Mitteln hergestellt. Am Ballon befand sich ein in der DDR hergestelltes Stromelement. Die Herkunft des Ballons ist bisher nicht bekannt geworden.

5Fahnenflucht

Am 18.10.1965 wurde der Ufw. [Name 1, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1944, NVA 4.4.1962, wohnhaft Rudolstadt, [Straße, Nr.], Angehöriger der Kp Lichtenhain, GR Zschachenmühle, nach Westdeutschland fahnenflüchtig. [Name 1] meldete sich gegen 14.50 Uhr bei der Kompanieleitung ab, um Einkäufe im Standortbereich zu erledigen. Da [Name 1] bis 17.00 Uhr nicht zurückgekehrt war, wurden Suchmaßnahmen eingeleitet, in deren Ergebnis die Spuren des Obengenannten im Kp-Abschnitt in Richtung Westdeutschland festgestellt wurden.

Unerlaubte Entfernungen

Seit den Morgenstunden des 18.10.1965 ist der Soldat [Name 2, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1940, wohnhaft Gablenz, [Kreis] Stollberg, überfällig. [Name 2] entfernte sich unerlaubt aus dem Konzentrierungsraum des PR 16 und kehrte bisher nicht zurück. Such- und Fahndungsmaßnahmen wurden eingeleitet. [Name 2] ist schwermütig veranlagt. Gegenüber Offizieren seiner Einheit erklärte, dass er die Kälte im Zelt nicht mehr aushalten könne.

Am 17.10.1965 war Uffz. [Name 3, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1944, wohnhaft Dresden A 21, [Straße, Nr.], in Obersinderstedt, wo er sich mit dem Rentner [Name 4] traf. Diesem stahl er eine Schachtel Zigaretten, Schokolade und Zigarren. Am 18.10. war er wieder dort, wo er erfuhr, dass der Diebstahl bekannt geworden war. Seit diesem Zeitpunkt ist [Name 3] überfällig. Fahndung wurde eingeleitet.

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    20. Oktober 1965
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