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5. Bericht über Verlauf des Passierscheinabkommens 1964/65

4. Januar 1965
5. Bericht Nr. 2/65 über den Verlauf der 2. Besuchsperiode des Passierscheinabkommens

Der Besucherverkehr über die KPP an der Staatsgrenze in Berlin verlief in der Zeit vom 31.12.1964 bis 3.1.1965 wie folgt:1

[Einreisen]

31.12.1964

1.1.1965

2.1.1965

3.1.1965

Aufgrund der ausgegebenen Passierscheine wurden erwartet

96 951

31 847

126 925

76 462

eingereist sind

72 749

(75 %)

20 180*

(63,4 %)* 4 131**

92 115

(72,1 %)

55 488

(72,5 %)

mit Kfz

4 541

1 858

8 449

5 672

*) Bei dieser Prozentzahl ist zu berücksichtigen, dass eine Reihe Westberliner Bürger, die über Passierscheine für den 31.12.1964 und dem 1.1.1965 verfügten, erst am 1.1.1965 ausreisten.

**) Personen, die bereits am 31.12.1964 mit Passierschein für den 1.1.1965 eingereist waren und bis zum 1.1.1965 in der Hauptstadt der DDR verblieben (Aufschlüsselung auf einzelne KPP).

Davon reisten über die einzelnen KPP ein:

[KPP]

31.12.1964

1.1.1965

2.1.1965

3.1.1965

Bahnhof Friedrichstraße

38 849

10 849

46 264

29 642

Chausseestraße

7 228

2 491

10 302

5 108

Invalidenstraße

5 817

1 667

10 500

5 398

Oberbaumbrücke

10 246

2 181

11 516

5 940

Sonnenallee

10 609

2 992

13 533

9 400

Damit reisten in der Zeit vom 31.12.1964 bis 3.1.1965 insgesamt 244 663 Westberliner Bürger mit Passierscheinen in die Hauptstadt der DDR ein.

Innerhalb der 2. Besuchsperiode haben somit insgesamt 825 188 Westberliner Bürger mit Passierscheinen die Hauptstadt der DDR besucht.

Während in der 1. Besuchsperiode 571 145 Westberliner Bürger (93,75 % der genehmigten Einreisen) die Hauptstadt der DDR besuchten, waren es in der 2. Besuchsperiode 825 188 Westberliner Bürger (= 82,2 %2 der genehmigten Einreisen).

Insgesamt haben in beiden Besuchszeiträumen 1 396 333 Bürger Westberlins die Hauptstadt der DDR besucht.

Mit Passierscheinen für dringende Familienangelegenheiten reisten außerdem ein:

  • am 31.12.1964: 59 Personen,

  • am 1.1.1965: 6 Personen,

  • am 2.1.1965: 36 Personen,

  • am 3.1.1965: 18 Personen.

Außer diesen Personen reisten am

  • 31.12.1964: 6 902,

  • 1.1.1965: 5 975,

  • 2.1.1965: 8 820,

  • 3.1.1965: 6 255

Bürger aus Westdeutschland und anderen nichtsozialistischen Ländern in die Hauptstadt der DDR ein.

Im angegebenen Berichtszeitraum (31.12.1964–3.1.1965) wurden an den KPP in Berlin insgesamt 342 ausreisende und 18 806 einreisende DDR-Bürger im Rentenalter abgefertigt.

Von DDR-Bürgern im Rentenalter wurde berichtet, in Westberlin sei das Gerücht verbreitet worden, es sei für sie von der DDR wegen des Passierscheinabkommens bis zum 4.1.1965 eine Sperre bei der Wiedereinreise verhängt worden.

Die Abfertigung des Besucherverkehrs der Westberliner Bürger vom 31.12.1964 bis 3.1.1965 erfolgte trotz verstärkten Andrangs im Wesentlichen zügig und reibungslos. Trotz gegebener Hinweise auf reine rechtzeitige Ausreise reisten ca. 50 % (besonders am 2.1.) erst nach 23.00 Uhr aus. Dadurch kam es, vor allem am KPP Bahnhof Friedrichstraße, zu Wartezeiten bis zu 15 Minuten. Zu Wartezeiten kam es auch in der Nacht vom 31.12.1964 zum 1.1.1965, da sich trotz durchgehender Öffnung der KPP aufgrund der Verlegung des Ausreisetermins morgens 5.00 Uhr die Ausreise zu einem großen Teil auf die Zeit um 3.00 Uhr konzentrierte. So entstanden, besonders an den KPP Friedrichstraße und Sonnenallee, Wartezeiten bis zu 10 Minuten. Zu kürzeren Wartezeiten bei der Einreise kam es ebenfalls vor allem am 2.1. zwischen 9.00 und 12.00 Uhr an den KPP Friedrichstraße und Chausseestraße.

Durch besondere, über den Rahmen der normalen Vorbereitung hinausgehende Maßnahmen und den Einsatz aller Kräfte konnten alle Wartezeiten in kurzer Frist beseitigt und eine zügige Abfertigung gewährleistet werden. Infolge größeren Andrangs wurden alle KPP am 31.12. für die Einreise bereits um 6.20 Uhr geöffnet. Im gesamten Berichtszeitraum kam es bei der Ein- und Ausreise zu keinen besonderen Vorkommnissen.

In verstärktem Maße wurde am 31.12. durch Angehörige der Westberliner Polizei sowie auch durch Zivilpersonen versucht, Kontakte mit den Angehörigen der Grenzsicherungsorgane der DDR herzustellen und Genussmittel zu überreichen.3 Alle diese Versuche wurden zurückgewiesen. In einigen Fällen wurden am 31.12. besonders von Westberliner Jugendlichen Feuerwerkskörper über die Grenze in das Gebiet der DDR geworfen.

Am 2.1. wurde am KPP Chausseestraße, unterstützt von […]4 des westdeutschen Fernsehens, mit umfangreichen technischen Vorkehrungen eine Direktsendung des dänischen Fernsehens hergestellt. Die Arbeiten begannen um 3.50 Uhr und dauerten bis 17.10 Uhr. Es wurden von der Westberliner Seite aus Aufnahmen vom Gelände des KPP vom Verkehr am KPP gemacht. Gegen 15.40 Uhr wurde ein kurzes Interview mit Lemmer5 aufgenommen, der zum KPP gekommen war und sich zzt. des Interviews unmittelbar am Grenzstrich des Übergangs befand. Es kam bei diesen Fernsehaufnahmen zu keinen besonderen Vorkommnissen. Die Abfertigung am KPP wurde nicht beeinträchtigt. Ohne besondere Vorkommnisse verliefen auch Fernsehaufnahmen des SFB am 3.1.1965 an den KPP Chausseestraße und Oberbaumbrücke.

In der Zeit vom 31.12.1964 bis 3.1.1965 wurden 26 Westberliner Bürger bei dem Versuch zurückgewiesen, in die Bezirke Potsdam oder Frankfurt/O. einzureisen.6 Es wurden von Bürgern der Berliner Randgebiete mehrere negative Meinungsäußerungen darüber bekannt, dass sie keine Westberliner Besucher empfangen könnten. Von Westberliner Besuchern in der Hauptstadt wurde das Gerücht verbreitet, dass sich das nächste Passierscheinabkommen wahrscheinlich auf alle Gebiete erstrecken werde, die im Berliner S-Bahnbereich7 liegen.

Folgende Westberliner Bürger verstarben in der Hauptstadt der DDR: Karl Puhlmann, geb. 23.12.1898, am 1.1.1965 (Herzinfarkt); Rudolf Böttcher, geb. 2.12.1889; Georg Schulz, geb. 12.11.1896, am 3.1.1965. Am 30.12. verstarb im Klinikum Buch der auf Sonderpassierschein8 eingereiste Westberliner Parteiveteran9Rudolf Breitkreuz, geb. 18.10.1879.

Von den Westberliner Bürgern vornehmlich mitgeführte Geschenke waren im Zeitraum vom 31.12.1964 bis 3.1.1965 Spirituosen und andere Genussmittel (ca. 75 %), Südfrüchte und Nylonerzeugnisse. Es erfolgten bei der Ein- und Ausreise 44 Beschlagnahmungen (MDN, Textilien und in einem Fall, bei der Ausreise, ein Westberliner Postsparbuch eines ehemaligen Grenzgängers) sowie 1 870 Zurückweisungen (luftdicht/verschlossene Behältnisse, Literatur, Fleischwaren und in einigen Fällen Radiogeräte und Konverter)10. Bei der Einreise wurden 3 646 formlose Einziehungen (Druckerzeugnisse) vorgenommen.11

Für den 2. Besuchszeitraum kann insgesamt festgestellt werden, dass an Geschenken bei der Einreise der Westberliner Besucher insbesondere Genussmittel, Südfrüchte und Textilien (besondere Kunstfasererzeugnisse) und bei der Ausreise insbesondere Blumen, Spielwaren, Bücher und kunstgewerbliche Gegenstände mitgeführt wurden. Beschlagnahmt wurden bei der Einreise besonders MDN,12 Zigaretten und andere Genussmittel in nicht genehmigten Mengen sowie Briefmarken und bei der Ausreise Fleischwaren, Bier, Textilien (besonders Bettwäsche) und MDN. Zurückweisungen wurden bei der Einreise vor allem bei luftdicht verschlossenen Behältnissen, Literatur, Schallplatten13 und Diapositiven, Textilien ohne Desinfektionsbescheinigung14 und Radiogeräten und Konvertern, bei der Ausreise vor allem bei Textilien, Porzellan und MDN vorgenommen, formlos eingezogen wurden bei der Einreise verschiedene Arten von Druckerzeugnissen (Zeitungen und Zeitschriften, Schundliteratur, Werbeprospekte und Kalender).

Geldumtausch

Aufgrund des obligatorischen Mindestumtausches15 wurden in der Zeit vom 31.12.1964 bis 3.1.1965 nachstehend aufgeführte Summen vereinnahmt:

[Datum]

Anzahl der Umtauschenden

%-ualer Anteil der Eingereisten

Umtauschsumme

31.12.1964

50 380

69,2

151 226 DM/West

1.1.1965

15 187

75,2

45 564 DM/West

2.1.1965

77 844

84,5

239 870 DM/West

3.1.1965

38 530

69,4

115 587 DM/West

Damit haben während der 2. Besuchsperiode insgesamt 565 18716 Westberliner Bürger (= 68,8 %17 der eingereisten Personen) insgesamt 1 761 537 DM/West im Mindestumtausch gewechselt. Die Geldsumme der in diesem Zeitpunkt (31.12.–3.1.) von Westberliner Bürgern getauschten Beträge beläuft sich auf insgesamt 18 748 DM/West.

Im zusätzlichen Geldumtausch wurden damit während der 2. Besuchsperiode insgesamt 93 586 DM/West vereinnahmt.

Der Mindestumtausch verlief an allen vier genannten Tagen reibungslos. Es brauchten keine Zurückweisungen wegen Verweigerung des Mindestumtauschs zu erfolgen. Einige Westberliner Bürger nahmen allerdings erst dann widerwillig den Umtausch vor, nachdem sie auf die Konsequenzen seiner Verweigerung hingewiesen worden waren. Am 2.1. mussten mit einigen Westberliner Rentnern am KPP Friedrichstraße, die noch nicht das in der Anordnung angegebene Rentenalter erreicht hatten, längere Diskussionen über die Durchführung des Mindestumtauschs geführt werden.

Im Berichtszeitraum wurde in einigen Fällen von Westberliner Bürgern darauf hingewiesen, dass die von der Deutschen Notenbank verpackten Beutel für den Mindestumtausch nicht den vollen Betrag von 3 DM enthielten. Die Westberliner Besucher, bei denen diese Feststellung getroffen wurde, erhielten den Restbetrag an den KPP erstattet.

Es kann insgesamt festgestellt werden, dass die negativen Meinungsäußerungen zum obligaten Geldumtausch auch zu den letzten Tagen der 2. Besuchsperiode trotz des verstärkten Reiseverkehrs geringer waren als zu Beginn der 2. Besuchsperiode und im Umfang weiter zurückgingen.

In mehreren Gesprächen mit Westberliner Bürgern wurde festgestellt, dass die Befürchtung besteht, die für Ostern und Pfingsten dieses Jahres vorgesehenen neuen Besuchsmöglichkeiten könnten an der Einführung des Mindestumtauschs scheitern. Mehrfach wurde auch von Westberliner Bürgern geäußert, dass sie ihre für Ostern und Pfingsten geplanten Besuche wegen des Mindestumtausches nicht durchführen würden. Von Westberliner Pkw-Fahrern wurde das Gerücht verbreitet, im nächsten Besuchszeitraum würde eine obligatorische Haftpflichtgebühr von 3,00 oder 5,00 DM pro Westberliner Pkw erhoben.

Von den Westberliner Geldumtauschstellen wurde bekannt, dass am 31.12. eine starke Nachfrage nach MDN auftrat und der Bedarf teilweise nicht befriedigt werden konnte. MDN wurden zum Kurs 100: 40 DM getauscht. MDN wurden besonders von Arabern, Griechen und Italienern angeboten.

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    5. Januar 1965
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