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Eishockey-Europapokalspiel des SC Dynamo in Westberlin

18. November 1976
Information Nr. 797/76 über provokatorische Handlungen gegen die DDR während des Eishockey-Europapokalspieles des SC Dynamo Berlin am 17. November 1976 in Westberlin

Während des Aufenthaltes der Eishockeymannschaft des SC Dynamo Berlin zu seinem ersten Europapokalspiel gegen den Berliner Schlittschuhklub am 17. November 1976 in Westberlin kam es zu provokatorischen Handlungen. Das Spiel wurde in der Eissporthalle des Westberliner Schlittschuhklubs in der Jafféstraße ausgetragen. Es begann um 19.00 Uhr und endete 21.20 Uhr.1

Der Bus der Sportvereinigung Dynamo, mit dem die Mannschaft des SC Dynamo Berlin anreiste, wurde vom Geschäftsführer des Berliner Schlittschuhclubs, Beister, auf einen innerhalb des Stadiongeländes gelegenen Parkplatz eingewiesen. (Dieser Parkplatz war von Spielbeginn bis Spielende durch Angehörige der Westberliner Polizei abgesichert.)

Nach Abschluss des Spieles wurde der Bus in die Nähe des Kabinenausgangs gefahren. (Durch eine an den Abstellplatz des Busses angrenzende Mauer war seit diesem Zeitpunkt eine Seite des Busses nicht einzusehen.)

Nachdem die Mannschaft des SC Dynamo Berlin mit dem Bus zur Clubgaststätte des BSC, Glockenturmstraße, gebracht worden war, um einen Imbiss einzunehmen, wurden beim Aussteigen folgende am Bus angebrachte Hetzlosungen festgestellt:

  • Auf dem roten Untergrund des Busses war in 30 cm großen Druckbuchstaben mit anthrazitfarbener Sprayfarbe aufgesprüht »Biermann/DDR – Mandel DDR/Biermann«.2

  • Auf dem beigefarbenen Untergrund des Busses war in 40 cm großen Druckbuchstaben mit roter Sprayfarbe aufgesprüht »Einreiseverbot DDR Biermann«.

  • An der linken hinteren Seite des Busses (in Höhe des Hinterrades) war mit der gleichen Farbe aufgesprüht »Biermann«.

  • Am Heck des Busses, über die gesamte Breite gezogen in schwarzer Ölfarbe »Berufsverbot«.

  • Das Fahrerhaus (2. Fensterscheibe links) wurde mit orangefarbener Leuchtfarbe beschmiert.

  • Das hintere Kennzeichen war mit der gleichen Farbe völlig verschmiert und nicht mehr lesbar.

Unmittelbar nach Feststellung dieser Hetzlosungen durch Angehörige der Eishockeymannschaft des SC Dynamo legte die Mannschaftsleitung des SC Dynamo Berlin Protest bei der Leitung des Westberliner Schlittschuhklubs ein und forderte das unverzügliche Überkleben der Schmierereien.

Die Leitung des Westberliner Schlittschuhklubs (Vorsitzender Lambrecht und Geschäftsführer Beister) entschuldigten sich umgehend und kamen der Forderung der Mannschaftsleitung des SC Dynamo nach.

Gleichzeitig verständigte die Leitung des Westberliner Schlittschuhklubs die zuständige Polizeibehörde, die nach kurzer Zeit sechs Beamte zur Untersuchung schickte. Die Polizeibeamten nahmen den Sachverhalt zur Kenntnis und erklärten, dass eine ordnungsgemäße Untersuchung zur Feststellung der Täter eingeleitet werde.

Der Mannschaftsleiter des SC Dynamo hat bei der Westberliner Polizei eine entsprechende Anzeige erstattet. (Die Dienstnummer des aufnehmenden Polizisten liegt vor.)

Während des gemeinsamen Imbisses beider Mannschaften entschuldigte sich der Vorsitzende des Westberliner Schlittschuhklubs, Lambrecht, nochmals in aller Form bei dem Leiter des SC Dynamo Berlin, Genossen Oberst Kramer, und der Eishockeymannschaft. Er bedauerte diesen Zwischenfall und gab vor, seinerseits alles zu veranlassen, damit die Angelegenheit aufgeklärt wird. Er äußerte, der zuständige Senator Neubauer sei verständigt worden und werde in Kürze erscheinen, um mit der Leitung der Delegation der DDR-Mannschaft zu sprechen. Genosse Kramer erwiderte, dass der festgelegte Zeitpunkt von 23.00 Uhr für die Abreise der Mannschaft bestehen bleibe.

Die Abfahrt verzögerte sich jedoch um ca. fünf bis zehn Minuten, da zwischenzeitlich der Westberliner Senator Neubauer eintraf und mit dem Mannschaftsleiter, Genossen Kniep, sprach. Neubauer entschuldigte sich bei ihm gleichfalls für dieses Vorkommnis und erklärte, seitens des Westberliner Senats werde alles unternommen, um die Täter zu ermitteln.

Bereits vor dem Spiel und während der gesamten Dauer des Spieles herrschte in der vollbesetzten Eissporthalle in der Jafféstraße (ca. 6 000 Zuschauer) eine gegen die DDR-Mannschaft gerichtete negative Stimmung. Im Verlaufe des gesamten Spiels wurden von einem Teil der Zuschauer in Sprechchören immer wieder Buh- und Schmährufe, wie

  • Ziesche hängen,3

  • Ziesche, wir finden Dich,

  • Dynamo pfui,

  • 1. Sekretär hängen,

  • Honecker hängen,

  • Sozis raus aus Berlin,

  • Kraske, gib’ dein Parteibuch ab4

geschrien.

Diese offensichtlich angeheizte unsportliche Atmosphäre ist nach übereinstimmenden Einschätzungen von der Mehrzahl der jüngeren Spieler (Durchschnittsalter der Mannschaft liegt bei 21,4 Jahren) psychologisch nicht verkraftet worden, was sich im Ergebnis und Spielverlauf selbst ausdrückt.5

Die Rückfahrt der Eishockeymannschaft des SC Dynamo Berlin erfolgte bis zur Grenzübergangsstelle in Begleitung von zwei Funkstreifenwagen der Westberliner Polizei. Vorkommnisse während dieser Fahrt traten nicht auf.

Alle Mitglieder der Eishockeymannschaft sowie der gesamten Delegation verhielten sich während des Aufenthaltes in Westberlin korrekt und diszipliniert.

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    18. November 1976
    Information Nr. 798/76 über weitere Reaktionen von Biermann, dessen Verbindungen und anderen Kulturschaffenden in der DDR zur Aberkennung der Staatsbürgerschaft der DDR für Biermann

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    18. November 1976
    Information Nr. 795/76 über den Umfang des grenzüberschreitenden Reise-, Touristen- und Transitverkehrs im III. Quartal 1976