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Reaktionen auf die Versorgungsprobleme mit Kaffee (2)

26. September 1977
Hinweise auf erste Reaktionen der Bevölkerung der DDR zur Mitteilung des Ministeriums für Handel und Versorgung am 23.9.1977 zur Kaffeesituation [Bericht O/51]

Nach vorliegenden ersten Hinweisen hat die Bevölkerung die Mitteilung des Ministeriums für Handel und Versorgung1 mit großem Interesse zur Kenntnis genommen.

In der Reaktion breiter Kreise der Bevölkerung zeichnen sich folgende Tendenzen ab:

  • Befriedigung über die Veröffentlichung zur Kaffeesituation. Erstmalig sei in einer Veröffentlichung in Massenmedien der DDR auf die Kaffeesituation, mit der wir auf dem Weltmarkt konfrontiert werden, hingewiesen worden. Es sei ganz enorm, welche Valutamittel die DDR zum Import von Kaffee einsetzen müsse, um den Bevölkerungsbedarf zu befriedigen. Damit seien die in der DDR festgelegten Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Kaffeeangebot verständlicher geworden.

    Gleichzeitig wird z. T. auch von progressiven Kräften hervorgehoben, die Meldung über die Situation auf dem Kaffeemarkt hätte eher kommen müssen. Wir hätten es gestattet, dass der Gegner mit seinen »Argumenten« Vorlauf gewinnt. Jetzt hätten wir es umso schwerer, die Diskussionen ins rechte Gleis zu bringen.

    Es sei typisch für unsere Informationspolitik, dass die Bevölkerung zu wichtigen Erscheinungen keine oder zu späte Informationen erhält. Dadurch würden wir uns selbst unzufriedene Diskussionen »organisieren«.

  • Zustimmung zur Herabsetzung der Sorte »Kaffee-Mix« auf den Preis von 4,00 M. Diese Maßnahme würde beweisen, dass Partei und Regierung »das Ohr an der Masse« haben und richtig reagieren wenn Unzufriedenheiten auftreten. Die Preisminderung sei dringend notwendig gewesen, und der Preis von 4,00 M bei Beachtung der dargelegten Sachlage, wonach auch in kapitalistischen Ländern Mischkaffee getrunken werde, sei akzeptabel. An dieser Preisfestsetzung sei nichts auszusetzen und sie wäre im Verhältnis zur früheren Sorte »Kosta« anzuerkennen.

  • Zweifel, ob »Kaffee-Mix« in der jetzt angebotenen Qualität und Geschmacksrichtung – in den Verkaufsstellen würden größere Mengen davon lagern – zum Preis von 4,00 M besser verkauft würde. Selbst bei einem »Nur-Preis« von 4,00 M werde die Qualität nicht besser, und viele Bürger würden besser auf »Rondo« ausweichen, weil sie damit einen 100%igen Röstkaffee zur Verfügung hätten.

  • Äußerungen, jetzt für 4,00 M den »Kaffee-Mix« doch probeweise kaufen zu wollen, um dann zu entscheiden, ob er trinkbar wäre oder nicht.

  • Skepsis, ob in Zukunft in ausreichender Menge »Rondo« und »Mona« zur Verfügung stünden, wobei besonders in kleineren Städten und Gemeinden davon ausgegangen wurde, dass beide Sorten in den letzten Wochen nicht durchgängig angeboten wurden.

  • Befürchtungen hinsichtlich der Preisgestaltung bei den angekündigten und nicht näher bezeichneten Kaffeesorten mit dem Hinweis, dass die Preise vermutlich so hoch angesetzt würden, dass sich Arbeiter und Familien mit mehreren Kindern diese nicht leisten könnten.

In geringerem Umfang sind solche Tendenzen in der Reaktion der Bevölkerung festzustellen wie

  • die neue Preisfestlegung sei ein »Schachzug«, um die Bevölkerung zu beruhigen;

  • Unsicherheit, ob die vom IX. Parteitag2 begründete Politik stabiler Verbraucherpreise beibehalten werden könne.

Damit verbunden sind in größerem Maße weiterhin Gerüchte über bevorstehende Preiserhöhungen, insbesondere bei Tabakwaren, Spirituosen, Vergaserkraftstoff, teilweise Grundnahrungsmitteln sowie Lederwaren und Ersatzteilen (Kfz).

Negativ-feindliche Kräfte äußerten u. a.

  • die Veröffentlichungen seien das »Eingeständnis«, dass die DDR mit der Preisfestsetzung nicht zurecht komme und auf starken Widerstand der Bevölkerung gestoßen sei;

  • es handele sich um das »Eingeständnis der gescheiterten Wirtschaftspolitik« der DDR.

Nach ersten Hinweisen überwiegt in der Reaktion der Bevölkerung die Zustimmung auf die Neufestlegung des Preises von »Kaffee-Mix« auf 4,00 M, jedoch die zum Teil in stärkerem Umfang vorhandenen Unzufriedenheiten über die erweiterten Möglichkeiten des Einkaufs eines Teiles der Bevölkerung der DDR in Intershops, angeblich »schleichende Preiserhöhungen«, den »Widerspruch« zwischen immer anspruchsvolleren Plänen und »zunehmenden Schwierigkeiten« in ihrer Realisierung, über zunehmende Versorgungsschwierigkeiten und bestimmte Mangelerscheinungen im Warensortiment des Handels, in der Ersatzteilbereitstellung für Dienstleistungen (z. B. Kfz), u. a., halten nach wie vor an und sind mit der Mitteilung des Ministeriums für Handel und Versorgung zur Kaffeesituation nicht abgeklungen.

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    26. September 1977
    Pfarrer [Name 1], [Ort 1], Bezirk Karl-Marx-Stadt [Bericht O/52]

  2. Zum vorherigen Dokument Gespräch Jurek Beckers mit dem Hauptabteilungsleiter Verlage Höpcke

    26. September 1977
    Hinweise auf Reaktionen Jurek Beckers auf die Aussprache beim Genossen Klaus Höpcke zu seinem Auftreten in der BRD [Bericht K 3/21]