Probleme bei der Produktion und dem Betrieb von Tagebaugroßgeräten
11. März 1981
Information Nr. 127/81 über auftretende Probleme im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Sicherheit, Ordnung und Disziplin bei der Produktion, der Betreibung sowie der Instandhaltung von Tagebaugroßgeräten
In Auswertung der Untersuchungen von Havarien und anderen Störfaktoren an Tagebaugroßgeräten fand Mitte 1979 eine Grundsatzberatung in Anwesenheit von politischen Mitarbeitern, der zuständigen Fachabteilungen des ZK der SED und unter Einbeziehung der verantwortlichen Fachministerien, der Obersten Bergbehörde der DDR sowie der Generaldirektoren der Industriezweige statt, in deren Ergebnis ein Programm zur Stabilisierung der 60-m-Abraumförderbrücken1 entstand, das nach Auffassung der Fachleute neueste wissenschaftliche, technologische und konstruktive Erkenntnisse enthält und die Forderungen zur Gewährleistung der Bergbausicherheit unter Beachtung volkswirtschaftlicher Erfordernisse und Möglichkeiten berücksichtigt.
Die bisherige Realisierung des Programms und die Durchsetzung weiterer langfristiger Maßnahmen durch die Betreiber bzw. Hersteller der Tagebaugroßgeräte haben zu Stabilität, Sicherheit und einer hohen Verfügbarkeit geführt und den Prozess der Gewinnung von Rohbraunkohle kontinuierlicher und effektiver gestaltet.
Auf der Grundlage von Hinweisen der Obersten Bergbehörde, von Sachverständigen für Tagebaugroßgeräte und anderen Experten des Industriezweiges Braunkohle erfolgten beispielsweise Sanierungsarbeiten an den 60-Meter-Abraumförderbrücken Welzow-Süd2 und Nochten3 (II. und III. Quartal 1979), die zur Beseitigung wesentlicher Schwachstellen und Gefährdungspunkte (Schwingen, Rollenbahnträger) und zur Einschränkung von Ausfällen der Tagebaugroßgeräte führten.
Nach Auffassung von Experten bestehen jedoch in diesem Zusammenhang nach wie vor eine Reihe von Problemen, an deren Beseitigung im Interesse der Leistungssteigerungen in der Rohkohlegewinnung bis 1990 unbedingt zielstrebig und konzentriert weiter gearbeitet werden müsse.4
Das bezieht sich vor allem auf solche Probleme wie
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der Erhöhung der Sicherheit der Stahltragwerke der Tagebaugroßgeräte,
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die bedienungsmäßige Beherrschung der Fahrprozesse der 60-Meter-Abraumförderbrücke und die
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Gewährleistung der Qualität und Sicherheit bei der Durchführung von Reparaturen.
Daraus resultieren Expertenmeinungen zufolge wiederum nachfolgende Einzelfragen:
Die Sicherheit der Stahltragwerke der Tagebaugroßgeräte wird im Wesentlichen von der Ermüdungsfestigkeit und von Verschleißerscheinungen, der Verwendung zweckentsprechender Einsatzmaterialien bei der Herstellung bzw. bei der Reparatur dieser Geräte und der Qualität der Berechnung, Konstruktion und Festigung bestimmt.
Wie dazu von zuständigen Experten festgestellt wurde, sind die Ermüdungsfestigkeitswerte für die Tagebaugroßgeräte jedoch auf der Grundlage von Erfahrungen bei der Herstellung und dem Betreiben kleinerer Tagebaugeräte ermittelt worden und beruhen demzufolge auf einem um etwa zehn Jahre zurückliegenden Wissensstand. Daraus wird die Notwendigkeit abgeleitet, die noch gültigen Standards zu überprüfen und sie dem gegenwärtigen Stand wissenschaftlich-technischer Erkenntnisse anzupassen.
Da gegenwärtig z. B. noch keine Erkenntnisse vorliegen, die Aufschluss über das Verhalten der Einsatzmaterialien und der Stahltragwerke nach einer längeren Betriebszeit der Tagebaugroßgeräte geben, wird es im Interesse konkreter Einschätzungen der Belastbarkeit dieser Geräte über einen längeren Zeitraum (bis zu 60 Jahren konzipiert) für erforderlich gehalten, entsprechende Nachweise dafür zu führen. Erst mit diesen Nachweisen werde es ermöglicht, konkrete Leistungsanforderungen und mögliche Leistungssteigerungen der Tagebaugroßgeräte zu begründen bzw. festzulegen. (Die Notwendigkeit dieser Nachweise wurde insbesondere bei den Untersuchungen von Havarien an den 60-m-Abraumförderbrücken, in Welzow-Süd und Nochten erkannt.)
Die Herstellung großer Fördergeräte, wie die 60-m-Abraumförderbrücke bzw. Schaufelradbagger SRs 6300, kann nur unter Nutzung höherfester Stähle (Feinkornbau-Stahl H 60–3) als Konstruktionswerkstoff erfolgen.
Wie bereits bei der Herstellung der ersten 60-m-Abraumförderbrücke (Tagebau Welzow-Süd) festgestellt wurde, ergaben sich erhebliche Schwierigkeiten beim Schweißen dieser Stahlsorte (Schweißnahtrisse), die auf der Grundlage einer entsprechenden Vorgabe des Zentralinstitutes für Schweißtechnik (ZIS) Halle allerdings hätten überwunden werden können.
Die Untersuchungen ergaben weiter, dass der Einsatz des gegenwärtig in der DDR erzeugten höherfesten Stahls (H 60–3) nur möglich ist, wenn auch die Verarbeitungsbedingungen exakt eingehalten werden. (Kontrollen von Werkstätten und Montageplätzen ergaben besonders Verstöße gegen vorgeschriebene Vorwärmetemperaturen beim Schweißen.)
Darüber hinaus ziehen die ungenügende Dickenfestigkeit des Stahls H 60–3 sowie die gewählte bzw. aus dem Konstruktionsmaterial sich zwangsläufig ergebende ungünstige Konstruktionsform einzelner Bauelemente Schwierigkeiten nach sich. (Von Fachexperten wird darauf hingewiesen, dass in der DDR frühestens 1981/82 – nach Realisierung entsprechender Maßnahmen – Möglichkeiten bestehen, eine verbesserte Stahlqualität herzustellen. Der Einsatz dieses höherfesten Feinkornbau-Stahls in verschiedenen metallverarbeitenden Industriezweigen der DDR ist – einem internationalen Trend folgend – im Interesse der Durchsetzung der Leichtbauweise erforderlich und entspricht den Erfordernissen der Verbesserung der Materialökonomie.)
Es wird deshalb für erforderlich gehalten, die vorgeschriebenen Technologien und Prüfbedingungen bei der Verarbeitung des höherfesten Feinkornbau-Stahls in der metallverarbeitenden Industrie verstärkt unter Kontrolle zu nehmen und durchzusetzen. (Es liegen Hinweise vor, wonach auch im internationalen Maßstab noch nicht alle technologischen Probleme der Verarbeitung des höherfesten Feinkornbau-Stahls beherrscht werden; auch im Behälterbau/Chemieanlagenbau der DDR bestehen ähnliche Probleme.)
Einige qualitative Mängel an den Tagebaugroßgeräten sind auf ungenügende Berechnungen, Konstruktion, Fertigung und Montage zurückzuführen. Nach der Montage von Tagebaugroßgeräten durchgeführte Kontrollen in den Fertigungsstätten offenbarten derartige Mängel, die nur teilweise – mit einem zusätzlichen hohen Aufwand – oder gar nicht mehr beseitigt werden können.
Experten sehen eine der Ursachen u. a. darin, dass in den Betrieben des Schwermaschinenbaus selbst keine bzw. nicht ausreichende Fertigungskontrollen erfolgen und sich die Verantwortlichen dieses Industriezweiges offensichtlich auf die Prüftätigkeit der Sachverständigen für Tagebaugroßgeräte der Obersten Bergbehörde der DDR bei der staatlich vorgeschriebenen Abnahmekontrolle vor Inbetriebnahme verlassen.
Bereits seit Jahren ist die vorgeschriebene Prüfung und Begutachtung der Berechnungs- und Konstruktionsunterlagen vor Beginn der Werkstattfertigung bzw. der Montage durch Sachverständige und entsprechende Prüfkapazitäten des Kombinates TAKRAF nicht gesichert. Unabhängig davon erscheint es nach Expertenmeinungen erforderlich, dass die Betreiber der Tagebaugroßgeräte selbst entsprechende Voraussetzungen für Betriebskontrollen der Stahltragwerke schaffen.
Wesentlichen Einfluss auf die sichere Fahrweise der Tagebaugroßgeräte hat die bedienungsmäßige Beherrschung der Fahrprozesse. Das resultiert u. a. auch aus der Kompliziertheit der Abraumförderbrückenverbände (Jänschwalde, Welzow-Süd, Espenhain und Zwenkau). Noch immer werden die Fahrwerkeigenschaften der Abraumförderbrücke 60 nicht beherrscht, woraus sich Möglichkeiten für das Entgleisen bzw. für die Überschreitung der Spurtoleranzen ergeben. (Der Generaldirektor der ehemaligen VVB Braunkohle hat zwar dazu Festlegungen getroffen, jedoch wurde dieses Problem bisher keiner umfassenden Lösung zugeführt.)
Im Zusammenhang mit den Untersuchungen mehrerer schwerer Havarien wurde u. a. auch der Nachweis erbracht, dass es erforderlich ist, konstruktive Veränderungen einiger Tragestützteile und Fahrwerkteile zu veranlassen sowie zusätzliche messtechnische Möglichkeiten für die Gewährleistung einer sicheren Fahrweise zu schaffen. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass komplizierte Fahrprozesse teilweise unter Verletzung bestehender Vorschriften bewältigt wurden. (U. a. wurden Sicherheitseinrichtungen teilweise für den Fahrbetrieb über die gesamte Schicht überbrückt; konstruktiv vorgegebene Spurtoleranzen entsprachen nicht den realen Bergbaubedingungen.) Ausnahmefälle, bei denen ein Überfahren zulässiger Spurtoleranzen mithilfe von Überbrückungen zulässig ist, erfordern den Einsatz qualifizierter Werktätiger und leitender Fachkader, die nicht immer zur Verfügung stehen. Darüber hinaus wurde auch den Erfordernissen der Oberbauvorschrift für Werkbahnen, die die bergbautechnologischen Bedingungen entsprechend berücksichtigt, zum Teil zu wenig entsprochen.
Das Stör- und Havariegeschehen 1979/80 war in einigen Braunkohlekombinaten besonders von Verletzungen einschlägiger Qualitäts- und Sicherheitsparameter bei der Ausführung von Instandhaltungs- und Generalreparaturen gekennzeichnet. Falsche Vorgabewerte für Belastungen einzelner Anlagenteile, fehlende Vorbereitungen für den Brandschutz bei der Durchführung von Schweißarbeiten, ungenügende technologische Festlegungen bei Einzelreparaturen u. a. Verstöße gegen Bestimmungen von Ordnung und Sicherheit hatten immer wieder schwerwiegende Schäden an Tagebaugroßgeräten und erhebliche Produktionsausfälle zur Folge.
In den Untersuchungen wurde eindeutig festgestellt, dass diese Havarien vermeidbar gewesen wären unter der Voraussetzung der ständigen Gewährleistung der Kontrolle, einer hohen Qualifikation der verantwortlichen Leitungs-, Bedienungs- und Reparaturkräfte sowie der Erhöhung von Unduldsamkeit gegen Verstöße von Ordnung, Sicherheit und Disziplin.
Das betrifft insbesondere die das Schadensgeschehen begünstigenden erheblichen Verschiebungen der vorbeugenden Generalreparaturen und deren nachteilige Auswirkungen auf den Gesamtzustand der Tagebaugroßgeräte.
Es wird vorgeschlagen, im Zusammenhang mit den bevorstehenden Beratungen zu Problemen von Sicherheit, Ordnung und Disziplin bei der Herstellung, beim Betreiben und bei der Instandhaltung von Tagebaugroßgeräten auf ein engeres Zusammenwirken der Ministerien für Kohle und Energie und Schwermaschinen- und Anlagenbau unter Einbeziehung der Vertreter der Obersten Bergbehörde der DDR einzuwirken, insbesondere mit der Zielstellung, das System der Kontrolle und Überwachung der Tagebaugroßgeräte weiter zu vervollkommnen. Weiter sollte geprüft werden, unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen eine unbedingt notwendige Verstärkung der Kontrolle und Überwachung der Projektierung (Berechnung und Konstruktion) und der Fertigung im Verantwortungsbereich des Schwermaschinen- und Anlagenbaus der DDR (TAKRAF) ermöglicht werden kann. Im Verantwortungsbereich der Braunkohlenindustrie sollten weitere Anstrengungen, unternommen werden, die als gefährdet eingeschätzten Tagebaugroßgeräte im Verlauf des Dauerbetriebes einer den Sicherheitserfordernissen besser entsprechenden durchgehenden Kontrolle zu unterziehen.
In Anbetracht der in der DDR noch nicht gelösten Probleme beim Einsatz und der Verarbeitung des höherfesten Feinkornbau-Stahls sollte auf zentraler Ebene geprüft und entschieden werden, welches zentrale Organ bzw. in dessen Auftrag handelnde wissenschaftlich-technische Einrichtung prinzipiell für die wissenschaftlich-technische Erforschung günstiger Schweißtechnologien für die Verarbeitung von Feinkornbau-Stahl und deren sichere Beherrschung verantwortlich gemacht werden könnte.