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8. Tagung der Synode der Ev. Landeskirche Thüringen

26. April 1988
Information Nr. 215/88 über die 8. Tagung der VII. Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen

Die 8. Tagung der VII. Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen fand vom 14. bis 17. April 1988 in Eisenach unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Von 75 gewählten und berufenen Synodalen nahmen 66 daran teil. Außerdem waren zwei ökumenische Gäste der Evangelischen Landeskirche Württemberg/BRD zugegen.

Die Synode behandelte folgende Probleme:

  • Bericht des Landesbischofs Dr. Leich/Eisenach zum Thema: »Integrationskraft der Gemeinden und innerer Frieden in unserer Gesellschaft«,

  • Nachwahl von Mitgliedern in den Landeskirchenrat,

  • innerkirchliche und theologische Probleme (Gesetze zur Zusammensetzung des Landeskirchenrates und zum Laienvorsitz in Gemeindekirchenräten, Haushaltsplan 1988, Bericht des Vorstandes der Synode über die Tätigkeit zwischen den Synodaltagungen u. a.).

Nach Eröffnung der Tagung wurden an die Synode gerichtete Eingaben und Anträge behandelt. Neben überwiegend innerkirchlichen und theologischen Inhalten befassten sich zwei Eingaben mit gesellschaftspolitischen Problemen:

  • 1.

    Von der Arbeitsgruppe Umweltschutz der Kirchengemeinde Eisenach wurde die Schaffung einer Planstelle für einen »Umweltbeauftragten« in der Landeskirche gefordert. Aufgabe dieses Beauftragten soll die ökologisch-theoretische Beratung, die Ausgestaltung entsprechender Rüstzeiten und Seminare und die Anleitung sogenannter Ökologiekreise sein.

    Die Behandlung der Eingabe wurde durch Einspruch des Synodalen Vogel/Neumark, der hervorhob, die Kirche solle sich ihrem eigentlichen Auftrag widmen, auf die Herbsttagung verschoben.

  • 2.

    Der Synodale Oertel/Greiz (Übersiedlungsersuchender) stellte in seiner Eingabe unter Hinweis auf das derzeitige Verhältnis Staat – Kirche die Verfassungswirklichkeit der DDR infrage und forderte Parteinahme und Unterstützung für alle »Bedrängten« durch den Landeskirchenrat.

    Die Eingabe wurde unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Bischofsbericht zurückgewiesen.

Der Bericht von Landesbischof Dr. Leich trug vorwiegend innerkirchlichen und theologischen Charakter. Durchgängig war die Grundaussage erkennbar, wonach die christlichen Gemeinden vorrangig den Auftrag der Verkündigung des Evangelismus hätten; darin liege die Kraft für ein Fortbestehen der Kirchengemeinden.

Hervorzuheben ist der Abschnitt des Berichtes von Leich »Die Kirche und der innere Friede der Gesellschaft in der gegenwärtigen Situation«, der gesellschaftspolitische Bezugspunkte enthielt.

Leich führte aus, das Gespräch mit dem Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen Erich Honecker, am 3. März 1988 sei dringend notwendig gewesen, da eine Kette von Ereignissen das Verhältnis Staat – Kirche belastet habe. In diesem Zusammenhang nannte er u. a.: Den Verlauf der Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR im September 1987 in Görlitz, die Zurücknahme angekündigter Informationsgespräche durch den Staat, die Vorgänge um die Umweltbibliothek in Berlin und die nachfolgenden Mahnwachen, die Vorfälle am 17. Januar 1988 in Berlin sowie die darauf folgenden Fürbittgottesdienste, Inhalt und Verlauf der 1. Vollversammlung der »Ökumenischen Versammlung der Christen und Kirchen in der DDR für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung« (12. bis 15. Februar 1988 in Dresden), die Ereignisse um den Gottesdienst in der Sophienkirche in Berlin am 6. März 19881 sowie den »Gemeinsamen Standpunkt des ZK der SED und der Regierung der DDR zur Frage des Verhältnisses Staat – Kirche vom 19. Februar 1988«,2 der kirchenleitenden Kräften in unterschiedlicher Weise übermittelt worden sei.

Weiter stellte Leich fest, dass es keine Alternativen zu den Ergebnissen des Grundsatzgespräches vom 6. März 1978 gäbe und man sich deshalb nach wie vor zur »Kirche im Sozialismus« bekenne. Aufgabe der Kirche könne es keinesfalls sein, als Oppositionspartei in Erscheinung zu treten.

Da das Gespräch am 3. März 1988 nicht durch entsprechende Kontakte vorbereitet worden sei, habe man von vornherein nicht mit konkreten Ergebnissen rechnen können. Ihm sei jedoch zugesichert worden, dass die von ihm vorgetragenen Anliegen zu solchen Fragen wie Wehrdienst, Volksbildung, Mündigkeit und eigenständige Verantwortungsbereitschaft des Bürgers einer sorgfältigen Prüfung unterzogen würden.

Man müsse dabei berücksichtigen, so erklärte Leich weiter, dass verantwortliche Gremien der Partei und der Regierung eine notwendige Beratungszeit hinsichtlich der angesprochenen »Problemfelder« benötigten; deshalb sollten keine vorschnellen Urteile gefällt werden.

In seinem Bericht erwähnte Leich, dass er beim Staatsratsvorsitzenden die Fragen nach der Mündigkeit der Bürger offen angesprochen habe.

Die UdSSR habe bewiesen, dass eine Öffnung auf außen- und wirtschaftspolitischem Gebiet auch eine innenpolitische Wende mit sich bringen müsse. Niemand denke an eine Kopie, doch eine neue differenzierte Dialogbereitschaft, die eine nach und nach gewachsene Mündigkeit des Bürgers klar in Rechnung stellt, sei auch in unserer Gesellschaft nötig.

Zur Übersiedlungsproblematik stellte Leich fest, dies führe zu Belastungen sowohl des Staates als auch der Kirche. In Anlehnung an entsprechende Aussagen auf der 116. Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen (11. bis 13. März 1988) erklärte er, jeder Mensch werde in unserer Gesellschaft mit seinen Fertigkeiten und Fähigkeiten gebraucht. Unser Land werde ärmer mit jedem, der ausreise. Die Kirche sehe ihre Aufgabe darin, »zu Verhältnissen in der Gesellschaft beizutragen, unter denen Menschen gern leben können und Anträge auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft nicht mehr stellen wollen … besondere Kontakt- oder Seelsorgestellen für Personen, die einen Antrag auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR gestellt haben, werden deshalb nicht eingerichtet«.

Bezogen auf die Bildung kirchlicher Arbeitsgruppen, die sich mit Problemen der Wehrdienstverweigerung befassen, formulierte Leich: »Die Integrationskraft unserer Gemeinden hängt auch von der Berechenbarkeit unseres Handelns ab. Was wir grundsätzlich ausgesprochen haben, muss sich in unserem Handeln widerspiegeln.

So haben wir keine Wertung der Glaubensentscheidung zwischen Wehrdienstleistenden in bewaffneten Einheiten, Bausoldaten oder Armeedienstverweigerern vorgenommen. Demzufolge kann es auch keine kirchlichen Arbeitsgruppen geben, die sich ausschließlich mit der Frage der Wehrdienstverweigerung befassen.«

An anderer Stelle seines Berichtes charakterisierte er die Verkündigung des Evangeliums als Gottesdienst, Zeugendienst und Liebesdienst. Die Kirche habe in jedem Falle die Pflicht, bei der Erfüllung dieser Aufgabe eine Grenze zwischen Fürbitte, Andacht und Demonstration zu ziehen und müsse dabei sehr selbstkritisch vorgehen. In diesem Zusammenhang stellte er gleichzeitig die Forderung, dass es keine Gruppen außerhalb der Kirchengemeinden geben dürfe.

Landesbischof Leich hob in seinem Bericht das persönliche Engagement des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen Erich Honecker, für die Erhaltung des Weltfriedens und die Überwindung des Wettrüstens hervor und betonte, er habe ihm dafür in dem Gespräch am 3. März 1988 gedankt. Er erklärte, auch die Kirche müsse in allen ihren Wirkungsbereichen bestrebt sein, diese Politik zu unterstützen; hier sei ein wichtiges Bindeglied zwischen Staat und Kirche vorhanden.

Ergänzend zum Bericht des Landesbischofs erfolgte durch Dr. Müller, Chefredakteur der Zeitung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen »Glaube und Heimat«, die Auswertung des am 14. April 1988 stattgefundenen Gespräches des Leiters des Presseamtes beim Ministerrat, Dr. Blecha, mit den Herausgebern bzw. Chefredakteuren verschiedener Kirchenzeitungen der DDR.

In diesem Gespräch sei eine Liste von Themen übermittelt worden, zu denen den Kirchenzeitungen eine Berichterstattung untersagt worden sei. Dies wurde mit dem Hinweis abgelehnt, die DDR überlasse damit noch mehr als bisher die Berichterstattung über bestimmte Gebiete den westlichen Medien. Man könne ohnehin nicht verstehen, dass einer Zeitung wie »Glaube und Heimat« derartige Auflagen erteilt werden, denn in deren Berichterstattung hätte niemand staats- oder gesellschaftsfeindliche Tendenzen feststellen können.

In der Aussprache zum Bericht des Landesbischofs forderte Oberkirchenrat Grosze/Saalfeld, unterstützt durch weitere Synodalen, gegen diese staatlichen Auflagen gegenüber der Kirchenzeitung »Glaube und Heimat« Protest einzulegen. Der Synodale Metzler/Schmalkalden stellte die Frage, wie lange sich die Kirche eine solche »Druckausübung« durch den Staat noch gefallen lassen wolle, und mit welchen Mitteln die Kirche zu reagieren beabsichtige.

Landesjugendpfarrer Friedrich/Eisenach betonte in seinem Diskussionsbeitrag, die Trennung von Staat und Kirche dürfe nicht zur Trennung der Kirche von den Menschen führen; die Kirche müsse nach wie vor für die Menschen eintreten, die mit gesellschaftlichen Belangen konfrontiert werden.

Nach Beendigung der Aussprache zum Bischofsbericht appellierte Leich an die Synodalen, sich besonnen zu verhalten. Gleichzeitig betonte er, die Kirche habe sich nicht in die Befugnisse anderer Organe und Gremien einzumischen, da die Christen die »Nachfolge Christi anzutreten und nicht etwa dem Staat ein Diktat aufzudrücken« hätten. Im Zusammenhang mit der Diskussion um die kirchliche Zeitung »Glaube und Heimat« erklärte Leich, bei Nichteinhaltung der staatlichen Forderungen durch die Kirche sei ein Lizenzentzug möglich.

Kirchenrat Greim/Eisenach informierte in seinem Bericht zur Gemeindearbeit u. a. auch über den Stand der Vorbereitung des Erfurter Kirchentages 1988.3 Er verwies u. a. darauf, dass staatlicherseits zwar eine Druckgenehmigung für die Programmhefte erteilt wurde, jedoch verbunden mit Forderungen auf Streichung bestimmter Passagen. Es habe sich außerdem erforderlich gemacht, bereits ausgesprochene Einladungen an die SPD-Politiker Bahr und Eppler wieder zurückzuziehen.

Im Ergebnis mehrfacher langwieriger Wahlgänge wurden für die aus Altersgründen ausscheidenden Mitglieder des Landeskirchenrates Oberkirchenrat Dr. Saft/Gotha und Oberkirchenrat von Frommannshausen/Meiningen die Superintendenten Schröter/Sonneberg und Hoffmann/Dermbach nachgewählt. Darüber hinaus wurde Oberkirchenrat Weber (Finanz- und Bau-Dezernent des Landeskirchenrates) durch die Synode als stimmberechtigtes Mitglied im Landeskirchenrat bestätigt.

Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.

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    27. April 1988
    Information Nr. 214/88 über Aktivitäten, Vorkommnisse und rechtswidrige Handlungen von Angehörigen der in Westberlin stationierten westlichen Besatzungstruppen bei der Einreise und dem Aufenthalt in der Hauptstadt der DDR, Berlin, im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. März 1988

  2. Zum vorherigen Dokument Proteste Übersiedlungswilliger im Zentrum Dresdens (4)

    25. April 1988
    Information Nr. 216/88 über erneute provokatorisch-demonstrative Aktivitäten Übersiedlungsersuchender auf dem Altmarkt und Theaterplatz in Dresden am 24. April 1988