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Dossier über Manfred Becker (Synodaler Berlin-Brandenburg)

9. Februar 1988
Information Nr. 73/88 über den Präses der Synode und Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Manfred Becker (49)

Präses Becker studierte bis 1961 an der Karl-Marx-Universität in Leipzig Germanistik und begann danach seine Tätigkeit als Assistent in der Akademie der Wissenschaften (AdW) der DDR, Institut für Deutsche Sprache und Literatur. Von 1969 bis 1973 war Becker als wissenschaftlicher Oberassistent am Zentralinstitut für Sprachwissenschaften sowie gleichzeitig bis 1975 als stellvertretender Direktor der Abteilung Information und Dokumentation der Akademie der Wissenschaften mit Lehrauftrag an der Humboldt-Universität Berlin tätig. Nach mehreren Aussprachen mit Becker durch zuständige Leitungskader der AdW wegen fachlicher Nachlässigkeit, ungenügender Arbeitsergebnisse und mangelnder Arbeitsdisziplin wurde ihm 1975 eine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentralinstitut für Sprachwissenschaften der AdW eingeräumt. (Diese Tätigkeit sah zwei Anwesenheitstage pro Woche vor. Intern äußerte Becker, er benötige wöchentlich 25 Stunden und mehr für seine Tätigkeit im kirchlichen Rahmen.)

Während seiner Studienzeit war Becker Mitglied der FDJ. Bereits damals mussten mit ihm Auseinandersetzungen wegen pseudopazifistischer Auffassungen geführt werden.

Becker besitzt eine religiöse Grundhaltung und wird von seinem Umfeld als überzeugter und gläubiger Christ eingeschätzt. Er war Mitglied der »Jungen Gemeinde« und während der Studienzeit der »Evangelischen Studentengemeinde«. Er lehnte in dieser Zeit bereits die Teilnahme an der vormilitärischen Ausbildung ab und wurde im März 1963 entsprechend seines Antrages vom Wehrdienst freigestellt.

Seit 1961 war er zunächst als Mitglied des Gemeindekirchenrates in Berlin-Lichtenberg und in weiteren kirchlichen Funktionen auf der Ebene kirchlicher Gemeinden in der Hauptstadt der DDR, Berlin, sowie als stellvertretender Vorsitzender des Facharbeitskreises Prognose beim Bund der Evangelischen Kirchen (BEK) in der DDR aktiv tätig.

1973 erfolgte auf der Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg seine Wahl als Präses der Synode. Er ist gleichzeitig Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg und war außerdem bis 1982 Präses der Synode der Evangelischen Kirche der Union (EKU) – Bereich DDR.

Letztere Funktion stellte Becker auf der 1. Tagung der 6. Synode der EKU – Bereich DDR – zur Verfügung, wurde jedoch erneut als synodales Mitglied in den Rat der EKU – Bereich DDR – gewählt.

Internen Hinweisen zufolge verfügt Becker über einen sehr guten Einblick in innerkirchliche Angelegenheiten sowie über zahlreiche enge, persönliche Kontakte zu kirchenleitenden Amtsträgern des BEK und der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg.

Er genießt das Vertrauen von Bischof Forck. Seit der Einführung von Forck als Bischof im Jahre 1981 steht er unter dessen Einfluss; seine negative Haltung zur Politik der DDR hat sich seitdem verstärkt. Ausdruck dafür ist, dass Becker seit Anfang der 80er Jahre mehrfach z. T. öffentlichkeitswirksam politisch negativ in Erscheinung trat.

Er gilt als Mitinitiator und hartnäckiger Verfechter der kichlichen Forderung nach Einführung eines »Sozialen Friedensdienstes« und vertrat in diesem Zusammenhang intern die Meinung, es käme darauf an, »Schwachpunkte« in den außenpolitischen Aussagen der DDR zu suchen und die staatlichen Stellen »mit eigenen Formulierungen zu greifen«.

Gleichzeitig solidarisierte er sich mit den Trägern der Aufnäher »Schwerter zu Pflugscharen« und erklärte sich entgegen staatlichen Forderungen nicht bereit, sich mit deren Trägern auseinanderzusetzen.

Becker war u. a. aktiv mitbeteiligt an der Vorbereitung von »Blues-Messen« und »Friedenswerkstätten« in der Hauptstadt der DDR, Berlin, deren »Schirmherrschaft« er z. T. übernahm und vertrat im Zuge der Auseinandersetzung staatlicher Vertreter mit kirchenleitenden Kräften zur Verhinderung des politischen Missbrauchs dieser Veranstaltungen die Auffassung, der Erfolg der Kirche bestehe darin, dass tausende Jugendliche, die in Opposition zum Staat stehen, im Glauben an die Kirche zusammengeführt würden; das sei nicht zu verhindern.

Auf der Synode der EKU, Bereich BRD und Berlin (West), im Juni 1982, an der Becker in seiner ehemaligen Funktion als Präses der Synode der EKU – Bereich DDR – als Gast teilnahm, trat er öffentlichkeitswirksam mit einem Grußwort in Erscheinung, das inhaltlich offene Angriffe gegen die Friedenspolitik der DDR enthielt.

Auch während der Synode der EKU – Bereich DDR – im Juni 1982 wandte sich Becker gemeinsam mit anderen politisch negativen Kräften erneut gegen realistische und politisch positive Aussagen und Anträge, insbesondere gegen die darin enthaltene Zurückweisung der Existenz einer sogenannten staatlich unabhängigen Friedensbewegung in der DDR. Er diffamierte die Losungen der Friedensdemonstration der Jugend der DDR zu Pfingsten 1982 als vom Staat »diktiert«.

Seine insgesamt politisch negative Grundhaltung widerspiegelte sich auch in den folgenden Jahren insbesondere in Äußerungen und Beiträgen auf Tagungen kirchenleitender Gremien.

Das fand auch seinen Ausdruck in seinem Auftreten und Verhalten anlässlich des »Kirchentages 1987« sowie gegenüber den Initiatoren der »Kirche von unten«. Der ausgesprochenen staatlichen Erwartungshaltung, disziplinierend gegenüber den in dieser Initiative wirkenden Kräften aufzutreten, kam er trotz gegebener Zusage nicht nach.

Seit 1982 wurden mit Becker seitens zuständiger staatlicher Organe (jeweils aus gegebenem Anlass) wiederholt Aussprachen geführt, in denen sein negatives Verhalten energisch zurückgewiesen wurde.

Wiederholt wurden auf Veranlassung zentraler Partei- und Staatsorgane durch leitende Kader der AdW mit Becker Auseinandersetzungen geführt, um ihn zu disziplinieren und ihn durch politischen Einfluss zu einem dem Ansehen und der Würde der Arbeitsstelle entsprechenden Verhalten zu veranlassen.

Im Wiederholungsfall wurden ihm entsprechende Konsequenzen angedroht. (Seine Anwesenheitstage in der AdW wurden auf vier pro Woche erhöht, die Kontrolltätigkeit der AdW ihm gegenüber wurde verstärkt.)

Unmissverständlich wurde Becker gegenüber die staatliche Erwartungshaltung zum Ausdruck gebracht unter Hinweis darauf, sich gegen die von bestimmten kirchlichen Kräften ausgehenden Angriffe gegen die DDR entschieden zu verwahren und sich stärker für die Friedenspolitik der DDR zu engagieren.

Seit geraumer Zeit ist festzustellen, dass Becker im Ergebnis der mit ihm geführten intensiven Aussprachen in seinen öffentlichen Äußerungen im Bereich der Kirche zurückhaltender geworden ist, ohne sein Taktieren und seine tolerante Haltung gegenüber den dort wirkenden feindlich-negativen Kräften aufzugeben.

In seinem Auftreten im Arbeitskollektiv und gegenüber seinen staatlichen Leitern versucht er den Eindruck zu erwecken, dass er im Interesse der Aufrechterhaltung des guten Verhältnisses Staat – Kirche maßgeblich darauf Einfluss nehme, provokatorisch-demonstrative Aktionen feindlich-negativer Kräfte zu verhindern und insgesamt beruhigend auf die entstandene Situation im Bereich der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg einwirke.

Das Verhalten von Becker am Zentralinstitut für Sprachwissenschaften ist durch ein konsequentes Trennen der fachlichen Aufgaben von seiner Tätigkeit in der Kirche gekennzeichnet. Zu den festgelegten Anwesenheitstagen erscheint er pünktlich; er arbeitet diszipliniert und zuverlässig.

Durch die Kreisleitung der SED der AdW wurde festgelegt, dass sowohl seitens der Institutsleitung als auch der Parteileitung Gespräche mit Becker weitergeführt werden.

Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.

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    10. Februar 1988
    Information Nr. 74/88 über die bevorstehende 1. Vollversammlung der »Ökumenischen Versammlung der Christen und Kirchen in der DDR für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung« vom 12. bis 15. Februar 1988 in Dresden

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    9. Februar 1988
    Information Nr. 72/88 über feindlich-negative Aktivitäten einiger im kulturellen Bereich tätiger Personen