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Vorkommnisse Hitler-Geburtstag

[ohne Datum]
Information Nr. 216/89 über erste Ergebnisse der geführten Untersuchungen zur Aufklärung von Vorkommnissen im Zusammenhang mit dem 100. Geburtstag Hitlers am 20. April 1989

Im Ergebnis der bisherigen Aufklärung von bedeutsamen Vorkommnissen im Zusammenhang mit dem 100. Geburtstag Hitlers wurde bekannt:

Hauptstadt der DDR, Berlin

Am 20. April 1989, gegen 22.30 Uhr, wurden acht Jugendliche/Jungerwachsene (zwischen 17 und 21 Jahren, Lehrling sowie Fach- und ungelernte Arbeiter, darunter vier wegen Eigentumsdelikten bzw. Rowdytum mehrfach vorbestrafte Personen) festgenommen, als sie sich in einer Gruppe von ca. 25 Jugendlichen/Jungerwachsenen vom Kulturhaus des VEB Elektrokohle Berlin-Lichtenberg (EKL) zu Fuß in Richtung Jacques-Duclos-Straße1 bewegten und dabei lautstark mehrfach »Happy Birthday lieber Adolf« und »Heil Hitler« riefen und den Arm zum faschistischen Gruß erhoben. Darüber hinaus entzündeten sie mehrere Feuerwerkskörper und liefen auf der Straße, sodass sie den Fahrzeug- und Straßenbahnverkehr zeitweilig behinderten.

Die untereinander bekannten Personen hatten im Zeitraum von 19.00 Uhr bis 20.00 Uhr unabhängig voneinander den Jugendklub im Kulturhaus des EKL aufgesucht, um im Rahmen der dortigen Tanzveranstaltung an einer von einem ihnen bekannten DDR-Bürger (20, Maurer) initiierten »Abschiedsfeier« teilzunehmen. (Der Genannte ist am 22. April 1989 mit staatlicher Genehmigung die Ehe mit einer Westberliner Bürgerin eingegangen und reist am 24. April 1989 aus der DDR nach Westberlin aus.) An der »Feier« nahmen neben den acht Personen weitere Jugendliche/Jungerwachsene aus deren Umgangskreis teil, die vom Hörensagen von dieser Veranstaltung Kenntnis erlangten. Nach Beendigung der Veranstaltung, während der von allen Teilnehmern erhebliche Mengen alkoholischer Getränke getrunken und von bisher noch nicht ermittelten Personen Äußerungen faschistischen Charakters gemacht wurden, versammelten sich die Täter und weitere Personen vor dem Eingang des Kulturhauses und handelten danach in der dargestellten Form. Die Genannten bestätigen, dass die eingangs angeführten faschistischen Äußerungen in der Gruppe getätigt wurden, bestreiten aber bisher, sich aktiv daran beteiligt zu haben. Gegen sie wurden Ermittlungsverfahren mit Haft gemäß § 220 Absatz 3 StGB (siehe Anlage) eingeleitet. Der Schwerpunkt der weiteren Untersuchung liegt in der Aufklärung des der Straftat zugrunde liegenden Motivs sowie der Rädelsführer und Inspiratoren, der Prüfung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit weiterer Personen und der Klärung der konkreten individuellen Tatbeiträge.

Bezirk Neubrandenburg

Am 20. April 1989, gegen 17.30 Uhr, wurde ein 22-jähriger Transportarbeiter, tätig im VEB (K) Bau Neustrelitz, vor dem Jugendklub Neustrelitz, Kiefernheide, festgenommen, nachdem er im Beisein mehrerer Personen den rechten Arm erhoben und »Sieg Heil« gerufen hatte. Der Genannte hatte entsprechend seiner Gewohnheit seit den frühen Morgenstunden alkoholische Getränke zu sich genommen. Als er im volltrunkenen Zustand auf dem Weg von der Kaufhalle zufällig am Jugendklub vorbeikam und dort vier Jugendliche an Gartentischen sitzen sah, beging er die genannte Handlung. Der Täter kann sich aufgrund seiner Trunkenheit nicht mehr daran erinnern, räumt diese aber ein und sagt aus, ihm sei bekannt, dass Hitler am 20. April Geburtstag habe. Bei dem Genannten handelt es sich um eine geistig primitive Person, die zur asozialen Lebensweise neigt und kriminell gefährdet ist. Er ist mehrfach wegen Eigentumsdelikten und unbefugter Kfz-Benutzung vorbestraft und wurde am 1. Dezember 1987 amnestiert.2 Seit dieser Zeit geht er unregelmäßig der Arbeit nach. Gegen den Täter wurde ein Ermittlungsverfahren gemäß § 220 StGB mit Haft eingeleitet, das kurzfristig nach Aufklärung der Motive und Hintergründe der Straftat abgeschlossen wird.

Bezirk Suhl

Am 20. April 1989, in der Zeit von 7.00 Uhr bis 9.00 Uhr, trafen sich sieben Schüler (15, 16 Jahre) der Klasse 9b der POS »Rosa Luxemburg« in Ilmenau vor Beginn des Unterrichts in der elterlichen Wohnung eines Schülers, um den 100. Geburtstag von Hitler zu feiern. Dabei nahmen sie alkoholische Getränke zu sich. Alle Beteiligten wurden gegen 13.00 Uhr durch die DVP zugeführt, befragt und nach ausführlicher Belehrung und Auswertung des Sachverhaltes mit den Erziehungsberechtigten an diese übergeben. In der Befragung sagten sie aus, dass sie sich durch ihre Tat selbst bestätigen wollten. Einer der Organisatoren der Zusammenkunft erklärte, durch Sendungen der BRD-Medien über Skinheads und deren neonazistische Ansichten beeinflusst worden zu sein, Hitlers Geburtstag zu feiern.

Am 20. April 1989, gegen 17.00 Uhr, trafen sich zufällig sieben Jugendliche/Jungerwachsene (13 bis 19 Jahre, darunter drei Schüler der 7. bzw. 9. Klasse der POS »Otto Grotewohl«; zwei Fach- bzw. Teilfacharbeiter und ein Schüler der Klasse 9b der POS »Rosa Luxemburg«; der an der zuvor genannten Zusammenkunft in der elterlichen Wohnung eines Schüler teilgenommen hatte) vor der Kaufhalle »Auf dem Stollen« in Ilmenau. Die Genannten, die sich zum Teil mit der Äußerung »Heil Hitler« und mit Erheben des rechten Armes begrüßten, kamen überein, anlässlich des Geburtstages Hitlers alkoholische Getränke zu trinken, die in erheblichem Umfang (zehn Flaschen Bier, eine Flasche Sekt, eine Flasche Aprikosenlikör – 0,35 Liter – und 20 kleine Taschenflaschen) von einem Jugendlichen (19) in der Kaufhalle unter finanzieller Beteiligung der anderen Personen gekauft und gemeinsam im weiteren Verlauf ausgetrunken wurden. In der Folgezeit grölten die Genannten vor der Kaufhalle mehrfach mit unterschiedlicher Tatbeteiligung »Heil Hitler« und »Sieg Heil«; erhoben den rechten Arm zum faschistischen Gruß und brachten Hochrufe auf die NSDAP aus. Der genannte Schüler der POS »Rosa Luxemburg« spielte während dieser Zeit auf seinem Kassettenrekorder mit großer Lautstärke Titel von BRD-Musikgruppen mit neonazistischem Inhalt ab. Als die Genannten anfingen, die leeren Flaschen auf der Straße zu zerschlagen, wurde durch Bevölkerungshinweis die DVP-informiert, woraufhin ihre Zuführung erfolgte. Im Ergebnis der Prüfungshandlungen wurden gegen vier Jugendliche Ermittlungsverfahren mit Haft gemäß § 220 StGB eingeleitet. Die drei mitbeteiligten Schüler der POS »Otto Grotewohl« wurden nach den Befragungen eingehend belehrt und an die Eltern übergeben. Der Direktor der POS und der FDJ-Sekretär dieser Schule wurden über den Sachverhalt zwecks Einleitung wirksamer erzieherischer Maßnahmen informiert.

Darüber hinaus wurde bekannt, dass in zwei weiteren Fällen (20. April 1989 Schmalkalden/Suhl, 22. April 1989 Neubrandenburg) jeweils zwei Täter (23, 27 und 18, 18, Fach- bzw. angelernte Arbeiter) im angetrunkenen Zustand in der Öffentlichkeit anlassbezogene Äußerungen (»Heil Hitler«; »Sieg Heil«) tätigten. Gegen die vier Täter wurden Ermittlungsverfahren mit Haft gemäß § 220 StGB eingeleitet. Die Vorkommnisse werden umfassend aufgeklärt.

Bisher noch nicht geklärte anlassbezogene Vorkommnisse, bei denen an der Ermittlung der Täter intensiv gearbeitet wird, sind:

  • 20. April 1989, Schmölln, [Bezirk] Leipzig, Anbringen der Losung:

    » – 100 J[ahre] Adolf H[itler] – « (ca. 2,45 m lang) an der Rückseite des Gebäudes des Postamtes am Ernst-Thälmann-Anger;

  • 21. April 1989, Berlin-Schönefeld, Anbringen der Losung: »Rotärsche im Sozialismus tot, Adolf Hitler dreimal hoch« (beschriftete Fläche: 0,6 m mal 1 m) an einem Elektranten (Verteiler) im Bereich der Grenzübergangsstelle des Flughafens.

Anlage zur Information Nr. 216/89

Strafgesetzbuch der DDR

§ 220 – Öffentliche Herabwürdigung

Absatz 3

Ebenso wird bestraft, wer in der Öffentlichkeit Äußerungen faschistischen, rassistischen, militaristischen oder revanchistischen Charakters kundtut oder Symbole dieses Charakters verwendet, verbreitet oder anbringt.

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    25. April 1989
    Information Nr. 196/89 über den Umfang des grenzüberschreitenden Verkehrs im I. Quartal 1989

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    21. April 1989
    Information Nr. 206/89 über die Teilnahme des stellvertretenden Vorsitzenden der Grundwertekommission beim Parteivorstand der SPD, Dr. Thomas Meyer, an einer Veranstaltung der evangelischen Samariterkirchengemeinde in der Hauptstadt der DDR, Berlin