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Mobilmachungsübung »Prüffeld 71«

17. August 1971
Information Nr. 827/71 über Mängel und Schwächen in der politisch-militärischen Führungs- und Leitungstätigkeit der Kommandeure des Militärbezirkes III während der Mobilmachungsübung »Prüffeld 71«

Während der im Zeitraum vom 22. bis 30.7.1971 in den Bezirken Dresden und Cottbus durchgeführten Mobilmachungsübung »Prüffeld 71«1 wurden keine Feindhandlungen festgestellt.

Den zuständigen Organen des MfS wurden jedoch zum Teil erhebliche Mängel und Schwächen in der politisch-militärischen Führungs- und Leitungstätigkeit eines Teiles der mit der Vorbereitung und Sicherstellung der Übung beauftragten Kommandeure bekannt, die sich nachteilig auf den politisch-militärischen Zustand eines Teiles der zur 72. MSD formierten Truppenteile und Einheiten auswirkten.

Bereits in der Vorbereitungsphase der Mobilmachungsübung wurden zahlreiche Hinweise auf Verletzungen der Geheimhaltung seitens der Mitarbeiter der Wehrkreiskommandos bekannt, wodurch in mehreren Kreisen der einbezogenen Bezirke der Termin der Mobilmachung vorzeitig unter Teilen der Bevölkerung bekannt wurde.

So haben beispielsweise die Reservisten des Forstwirtschaftsbetriebes Niesky am 22.7.1971 ihre Arbeit vorzeitig beendet, da sie wussten, dass sie am Abend dieses Tages ihren Einberufungsbefehl erhalten würden.

In mehreren Einheiten wurden die Moral und die Einsatzbereitschaft der Reservisten durch Mängel in der Versorgung mit Nahrungsmitteln und Getränken zum Teil stark beeinträchtigt.

So wurde z. B. die 9. Kompanie, III. MSR, MSR 66, in der Zeit vom 23. bis 26.7.1971 nur mit Brot, Margarine und Marmelade sowie einmal täglich mit einer Suppe geringer Qualität versorgt. Während dieser Zeit – in der durch extreme Hitze- und Staubentwicklung besonders harte Bedingungen bestanden – hatten die Reservisten keine Möglichkeit, sich zu waschen.

Auf die täglich von den Reservisten vorgetragenen Beschwerden wurde von den verantwortlichen Offizieren nicht einheitlich und zum Teil mit politisch falschen Argumenten reagiert.

Während der Bataillonskommandeur, Hauptmann d. R. Falk,2 den Reservisten von Tag zu Tag eine Verbesserung der Versorgung zusagte, die jedoch ausblieb, äußerte der Kompaniechef, dass ein Soldat nicht mehr als Brot, Margarine und Wassersuppe benötige, um seine Aufgaben zu erfüllen. Der Politstellvertreter erklärte, dass diese Übung ein Härtetest sei, sodass nicht mit der Verbesserung der Versorgungslage gerechnet werden könne.

In dieser Situation haben am 26.7.1971, zehn Stunden nach dem letzten Verpflegungsempfang, die Reservisten des 1. Zuges und Teile des 2. Zuges den Befehl zum Ausbau einer Verteidigungsstellung erst nach siebenstündiger Diskussion mit der Bataillons- und Kompanieleitung ausgeführt.

Die daraufhin von der Regimentsführung eingeleiteten Überprüfungen führten am 27.7.1971 zur Beseitigung dieser Mängel.

Im Zusammenhang mit derartigen Versorgungsschwierigkeiten kam es zu zahlreichen unerlaubten Entfernungen von der Einheit mit dem Ziel, Lebensmittel einzukaufen und Gaststätten aufzusuchen, wo vielfach übermäßig Alkohol genossen wurde.

Vereinzelt kam es dabei auch zu Kartoffel- und Gemüsediebstählen von Feldern.

In drei Fällen kam es durch Reservisten aufgrund übermäßigen Alkoholgenusses zum Verlust der ihnen übergebenen Maschinenpistolen, die in allen Fällen nach Suchmaßnahmen wieder aufgefunden wurden.

Am 27.7.1971 entfernten sich die Gefreiten d. R. [Name 2] und [Name 3] vom Transportbataillon 72 unerlaubt von der Einheit, versteckten ihren Lkw »S 4000« mit Hänger im Wald und nahmen in mehreren Gaststätten größere Mengen Alkohol zu sich. Anschließend liehen sie sich von einer Zivilperson zwei Fahrräder und überließen die Maschinenpistolen und die Kampfanzüge als »Pfand«. Eingeleitete Sofortmaßnahmen führten zur Sicherstellung der Waffen und zur Ergreifung der Täter.

Mängel in der Führungs- und Leitungstätigkeit zeigten sich auch im MSR 67, als am 29.7.1971 den 800 Reservisten bekannt gegeben wurde, dass sie – im Widerspruch zu dem bis dahin bekannten Entlassungstermin 30.7.1971 – weitere zehn Tage zur Wiedereinlagerung der Technik und Ausrüstung im Lager Droben3 eingesetzt werden.

Diese Maßnahme war seitens der NVA politisch-ideologisch nicht genügend vorbereitet worden und führte – im Zusammenhang mit Mängeln in der Versorgung und der sanitären Betreuung – zu Missstimmungen und Tendenzen der Selbstauflösung, die erst durch den Einsatz des Chefs des MB III überwunden werden konnten. Dennoch verließen am Abend des 29.7.1971 die Reservisten [Name 4], [Name 5], [Name 6] und [Name 7], ersterer im Besitz einer ihm als Panzerfahrer strukturmäßig übergebenen Pistole, das Zeltlager Droben und begaben sich in ihren Heimatort Dresden, wo sie im Zuge eingeleiteter Fahndungsmaßnahmen am 30.7.1971 in ihren Wohnungen festgenommen wurden. Als Begründung für ihre unerlaubte Entfernung gaben sie Verärgerung über die Verlängerung ihrer Dienstzeit an. Sie wurden disziplinarisch bestraft.

  1. Zum nächsten Dokument Schäden durch Handraketen der NVA in Westdeutschland

    25. August 1971
    Information Nr. 772/71 über das Ergebnis der Überprüfung eines Protestes des Bundesgrenzschutzkommandos Mitte über auf westdeutschen Gebiet durch den Abschuss von Handraketen der NVA-Grenztruppen entstandenen Gebäudeschaden am 22. Juli 1971

  2. Zum vorherigen Dokument Aufklärung von Feindhandlungen am 13.8.1971

    [ohne Datum]
    Information Nr. 825/71 über die Aufklärung von im Zusammenhang mit dem 13. August bekannt gewordenen Feindhandlungen in der DDR