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Tagesbericht"

8. August 1953
Information Nr. 1035

Stimmung der Bevölkerung

Graphischer Druck Halle

Entgegen dem Ministerratsbeschluss wurde vom Ministerium für Arbeit im Gesetzblatt [Nr.] 88 eine andere Direktive gegeben,1 wodurch die Arbeiter und Angestellten vom graphischen Druck Halle in den Streik treten wollen. (HV hat entschieden, dass Ministerratsbeschluss maßgebend ist.)

Stahlwerk Silbitz SAG

Nach dem 17.6.1953 wird von 60 % Angestellten des Werkes kein FDGB-Beitrag gezahlt. In den Abteilungen sind es im Durchschnitt 80 %, die keinen Beitrag bezahlen. Von der BGL wurden Abteilungsversammlungen durchgeführt, in welchen sehr aggressiv diskutiert wurde. Hauptpunkte der Diskussion: FDGB hat sich nicht eingesetzt, dass der 17. und 18.6.1953 bezahlt werden, deshalb bezahlen sie keine Beiträge. »Wir sollen für unsere Fehler bestraft werden, die Regierung, die die ganze Zeit Fehler gemacht hat, wird nicht bestraft.« Forderungen: Preissenkung in der HO, die hohen Gehälter senken, dafür den Arbeiter besser bezahlen.

In der Parteibeitragskassierung traten einige Fälle auf, wo Mitglieder keinen Beitrag bezahlen wollen.

Verkehrsbetriebe der Stadt Dresden

Am 6.8.1953 wurde bekannt, dass das Gerücht umgeht, wonach am 7.8.1953 gestreikt werden sollte. Grund zum Streik sollten die am 17.6.1953 gestellten Forderungen sein:

  • 1.

    25 % Sonntagszuschlag,

  • 2.

    Treueprämien,

  • 3.

    kostenlose Fahrt bei Urlaub für Familienangehörige usw.

Sicherungsmaßnahmen waren getroffen. Am 7.8.1953 wurde auf allen Bahnhöfen die Arbeit aufgenommen. Als einzige äußerte die Schaffnerin [Name 1]: »Na, was ist nun, rücken wir aus oder streiken wir.«

VEB Chemische Fabrik Grünau

Unter der Belegschaft herrscht Missstimmung über die Anfang August ausgezahlte Quartalsprämie. So spricht man besonders darüber, dass die Produktionsarbeiter 15,00 bis 20,00 DM erhalten, die Angestellten aber einige Hundert DM. Beim Werksleiter soll dies 1 400,00 DM betragen.

In den Grenzkreisen ist nach wie vor eine Missstimmung darüber zu verzeichnen, dass an Personen, die im Grenzgebiet wohnhaft sind, keine Interzonenpässe oder Aufenthaltsgenehmigungen ausgegeben werden.2 Besondere Verärgerung herrscht darüber, dass, wie von Bewohnern der Grenzgebiete zum Ausdruck gebracht wird, Personen, die wegen Unsicherheit aus dem Grenzgebiet ausgesiedelt wurden,3 Interzonenpässe und Aufenthaltsgenehmigungen erhalten. Am 5.8.1953 erschien bei der Abteilung PM des VPKA Ludwigslust ein Einwohner aus Wootz (Sperrzone) und erkundigte sich, ob die Interzonenpässe für die Gemeinde Wootz schon ausgestellt wären. Als dieses verneint wurde, gab er an, dass demnächst die Bevölkerung der Gemeinde in den Streik treten würde.

Wie aus vorliegenden Diskussionsbeispielen zu ersehen ist, wird von einem großen Teil der Bevölkerung eine Preissenkung in der HO Lebensmittel erwartet. Es wird zum Ausdruck gebracht, dass in den Geschäften Butter, Margarine usw. angeboten wird, von Arbeitern aber aufgrund der zu hohen Preise nicht gekauft werden kann. Von »Paketabholern« wird sehr häufig die Argumentation gebraucht: »Soll die Regierung die Preise in der HO senken, dann brauchen wir uns den Fettstoff nicht aus Berlin zu holen.«

So sagt der Arbeiter [Name 2] aus Werferlingen: »Die Löhne sind zu den HO-Preisen viel zu niedrig. Ein Arbeiter muss so viel verdienen, dass er für einen Stundenlohn sich ein Pfund Margarine kaufen kann.«

Der Ingenieur [Name 3] vom Kraftwerk »Dimitroff« Leipzig: »Die Regierung sollte nicht Schreibmaschinen oder Glühbirnen, sondern Butter, Fleisch um 50 % senken, dann braucht man auch nicht mehr zu diskutieren.«

Der Bläser [Name 4]vom Stahlgusswerk Leipzig: »Die bisher getroffenen Maßnahmen der Regierung lassen eine Verbundenheit mit der Arbeiterschaft erkennen. Wir finden aber, dass die Preise für Fleisch und Butter noch zu hoch sind, zumal die Arbeiter, die auf Lebensmittelkarten erhaltenen Mengen durch HO-Einkäufe erweitern müssen.«

Der Arbeiter [Name 5] aus Mahlow: »Was nützen uns die Lieferungen aus der SU an Butter usw., wenn man sie als Arbeiter nicht kaufen kann. Wären die Arbeiter in der Lage, diese Lebensmittel zu kaufen, so wäre dies die beste Gegenaktion für Abholung der Amipakete.«

Demgegenüber erscheint wichtig, auf nachfolgende aufgeführte Situation in der Margarineversorgung hinzuweisen:

Aus der DHZ (L)4, Niederlassung Importe und Lagerung – Fleisch, Fett und Molkereiprodukte, wird bekannt: Während die HO im [Quartal] II/1953 aufgrund von Rohstoffschwierigkeiten nur ca. 3 000 t Margarine zur Erfügung gestellt bekam, ist im [Quartal] III/1953 die volle Menge des Warenbereitstellungsplanes zum Volkswirtschaftsplan, ca. 14 400 t, zur Verfügung gestellt worden. Es wurde darüber hinaus eine Aufstockung von ca. 7 000 t vorgenommen, sodass im [Quartal] III/1953 insgesamt ca. 21 000 t für den HO-Verkauf in den Handel gelangen.

In verschiedenen Bezirken der DDR ist ein Margarinestau bzw. ein stark schleppender Absatz zu verzeichnen. Voraussichtlich wird dies auch auf die anderen Bezirke übergreifen, wenn jetzt größere Mengen Speiseöl auf den Markt kommen. Dazu kommt noch, dass aus DIA-Vertrag5 100 t Importmargarine hereinkommen und ab 8.8.1953 500 t Margarine aus der ČSR eintreffen werden. Der nicht plangerechte Absatz und der Margarinestau haben zur Folge, dass unsere Produktionsbetriebe nicht voll produzieren können, evtl. die Produktion sogar ganz einstellen müssen. Unser größtes Margarinewerk Milka Pratau6 hat zzt. Rückstellungen von ca. 300 t durch die Bedarfsträger vorliegen, das heißt, dass die Abnehmer die vertragsmäßigen Mengen nicht abnehmen können und das Werk die Produktion drosseln muss. Bei der Magdeburger Margarinefabrik ist ebenfalls ein Stau vorhanden und es besteht die Gefahr, die Produktion in den nächsten Tagen einzustellen.

Wie zum Ausdruck gebracht wurde, hat unsere Margarine nur eine Lagerfähigkeit von ca. 18 Tagen, wodurch Maßnahmen ergriffen werden müssen, damit ein höherer und plangerechter Absatz gegeben ist. Der nicht plangerechte Verkauf von HO-Margarine wird darauf zurückgeführt, dass infolge des Preises die Ware nicht in dem erwarteten Umfang abzusetzen ist. Vorgeschlagen wird, eine Preissenkung für Margarine durchzuführen.

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