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Lage im VEB »Horch« und im Automobilwerk Zwickau

3. Juli 1956
Information Nr. 50/56 – Betrifft: Lage im VEB »Horch« und Automobilwerk Zwickau

Im Betrieb AWZ1 wird zurzeit wenig über politische Probleme diskutiert. Im Vordergrund der Diskussionen steht die schlechte Erfüllung des Volkswirtschaftsplanes. Folgender Fertigungsstand war am 31.5.1956 zu verzeichnen:

a) Abgesetzt vom Band

[Typ]

Soll

Ist

Rückstand

Limousinen P 702

2 494

1 564

930

Kombi P 70

780

494

286

Gesamt

3 274

2 058

1 216

b) Fertigmacherei

[Typ]

Soll

Ist

Rückstand

Limousinen P 70 Inland

1 610

1 355

255

Limousinen P 70 Export

800

21

779

Kombi P 70 Inland

490

367

125

Kombi P 70 Export

250

100

150

Gesamt

3 150

1 843

1 307

c) Umlauf:

Anstelle eines normalen Umlaufes von ca. 120 Fahrzeugen war am 31.5.1956 nachstehender Umlauf vorhanden:

  • Limousinen P 70: 188 Stück,

  • Kombi P 70: 27 [Stück],

  • Gesamtumlauf: 215 Stück.

Die Ursache der Mindererfüllung ist mit auf den um 95 Fahrzeuge zu hohen Umlauf zurückzuführen. Durch den Anlauf der Exportausführung im Karosseriewerk Dresden ergaben sich Schwierigkeiten, was sich auf die Anlieferung der Karosserien auswirkte. Insgesamt kamen im Monat Mai 1956 253 Karosserien, darunter 28 in Exportausführung, zur Auslieferung. Der hohe Umlauf hat seine Ursachen darin, dass auch im Mai alle 225 Karossen in alter Ausführung ohne Motorhaube angeliefert wurden, sodass es nicht möglich war, im Fertigungsband 2 alle im Umlauf befindlichen Fahrzeuge mit Motorhauben zu versehen. Bei den vom KW Dresden gelieferten Karossen traten auch lacktechnisch größere Mängel auf und es mussten erhebliche Nacharbeiten durchgeführt werden. Trotz Einsatzes von Arbeitskräften aus anderen Betrieben war es nicht möglich, den Umlauf im Juni auf einen normalen Stand zu bringen. Seit Beginn dieses Monats werden vom KW Dresden die Karossen wieder mit Motorhauben angeliefert und damit die Voraussetzung geschaffen, den Umlauf im Juni auf einen normalen Stand zu bringen.

Weitere Ursachen der Mindererfüllung sind darin zu suchen, dass in der Pressstoffabteilung zwar größere Mengen von Pressstoffteilen abgepresst worden sind, jedoch bei der Weiterbearbeitung der Steilkante Schwierigkeiten auftraten, da noch nicht alle Bearbeitungswerkzeuge und Fräßvorrichtungen fertiggestellt werden konnten. Außerdem wurden vom KW Dresden große Mengen Pressstoffteile zurückgeschickt, die KWD vereinbarungsgemäß selbst maßgerecht befräsen wollte. Nach wie vor beinhaltet die Pressstoff-Fertigung erhebliche Unsicherheitsfaktoren, die schlagartig auftreten und die geplanten Zahlen illusorisch machen oder zu Sondermaßnahmen zwingen, die sich letzten Endes noch auf irgendeine Weise an anderer Stelle nachteilig auswirken.

Im Werk »Horch« ist zurzeit folgender Zustand zu verzeichnen: Trotz der täglichen Planerfüllung von durchschnittlich 99 % seit 1.6. bis 14.6.1956 bestehen große Schwierigkeiten in der Materialversorgung. So fehlt es z. B. an Blechen in den Dimensionen 1,5 mm und 4 mm für die Rahmenfertigung H 3a. Diese Bleche werden vom Walzwerk »Thale«3 nur stockend angeliefert. Seit Anfang des Jahres bis 15.6.1956 ist das Werk mit 135 Stück Rahmen im Rückstand. Weiterhin fehlt es an Fahrerhäusern H 3a, welche ebenfalls von dem volkseigenen Karosseriewerk Weimar sehr schleppend angeliefert werden.

Betreffs der Fertigung des P 2404 ergeben sich im Werk große Schwierigkeiten, da dieser Typ noch immer handgefertigt werden muss. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Presswerkzeuge, die im Werk »Schwarzenberg« gefertigt werden, noch nicht fertiggestellt sind. Der Hauptdispatcher, Genosse [Name 1], brachte hier zum Ausdruck, dass durch den Bau des P 240, vor allem durch die Handfertigungsweise, dem Betrieb sehr viel Schaden in finanzieller Hinsicht entsteht. Dies sei der Werkleitung sowie dem Ministerium bekannt, aber trotz allem wird so »weitergewurschtelt«. Auch erwähnte er, wenn nicht demnächst die Presswerkzeuge angeliefert werden, dass dann die Planerfüllung von 500 Fahrzeugen Typ 240 Jahressoll infrage gestellt ist. Zurzeit sind 100 Fahrzeuge P 240 vom Band gelaufen, das sind gleich 20 % Erfüllung.

Negative Diskussionen hat bei den Arbeitern, Angestellten und Intelligenzlern des VEB Horch das Fahren von Westreifen (Continental) bei den Fahrzeugen des Genossen Minister Stoph5 und Generalmajor Rentzsch6 hervorgerufen. Kenntnis erhielt die Belegschaft dadurch, dass diese beiden Wagen des Öfteren zur Durchsicht im VEB »Horch« sind. Die Arbeiter stellen die Frage, ob die Minister kein Vertrauen zu unseren Erzeugnissen hätten und der Ingenieur [Name 2] erklärte, dass vor allem die junge Intelligenz so etwas nicht verstehen könne.

  1. Zum nächsten Dokument Synode der EKD in Westberlin

    3. Juli 1956
    Information Nr. 51/56 – Betrifft: Synode der evangelischen Kirche in Deutschland

  2. Zum vorherigen Dokument Stimmung zu den Unruhen in Posen (2)

    3. Juli 1956
    Information Nr. 49/56 – Betrifft: Stimmung zu den Provokationen in Poznan (2. Bericht)