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Schwächen in der Durchführung des Korrosionsschutzes, Rohrleitungsbau

6. November 1959
Information Nr. 807/59 – [Bericht über] Schwächen in der Durchführung des Korrosionsschutzes an Ferngasleitungen und in der Technologie des Rohrleitungsbaus

Wie uns durch eine Reihe von Hinweisen bekannt wurde, wird von Fachexperten die Ansicht vertreten, dass die Fragen des Korrosionsschutzes an Ferngasleitungen von den zuständigen Organen und Betrieben völlig ungenügend beachtet und eingeleitete Maßnahmen nicht zielstrebig genug durchgeführt werden.

Besonders bemängelt wird dabei die fehlende zentrale Lenkung bei der Durchführung des Korrosionsschutzes und die nicht mehr den Erfordernissen der modernen Technik entsprechende Herstellung von Gasleitungsrohren.

Diese Situation hat nach Ansicht von Fachleuten dazu geführt, dass in der Vergangenheit durch Korrosionsschäden an Ferngasleitungen und andere Mängel auf diesem Gebiet der Volkswirtschaft ein erheblicher Schaden entstanden ist.

In den vorliegenden Berichten wird als das zzt. schwierigste Problem im Hinblick auf Innenkorrosionen die Ferngasleitung Lauchhammer – Leipzig und dabei besonders die Anschlussleitung zum Stahl- und Walzwerk Riesa genannt. Diese Anschlussleitung wurde vor etwa zwei Jahren in Betrieb genommen. Vor einigen Monaten sollen sich bereits die ersten Durchbrüche der Rohrwand gezeigt haben und mussten die Leckstellen verschweißt werden. Die Rohrsohle soll dabei teilweise bereits so dünn gewesen sein, dass mit der Schweißflamme die Rohrwand durchbrochen wurde.

Nach den uns vorliegenden Hinweisen wird damit gerechnet, dass die gesamte Anschlussleitung nach Riesa – etwa 2,5 km – von diesem Innen-Korrosionserscheinungen betroffen ist und möglicherweise auch die Hauptleitung Lauchhammer – Leipzig in den Feuchttrockenbereichen ähnliche Schäden aufweist.

Durch das Institut für Energetik sollen bereits Maßnahmen eingeleitet worden sein, um eine Überprüfung der gesamten Rohrleitung vornehmen zu können.

So z. B. sollen der Rohrleitung Probestücke entnommen, eine Fernsehkamera zur Beobachtung des Zustandes der Leitung beschafft, Versuche mit einer Durchstrahlungsapparatur u. ä. Maßnahmen durchgeführt werden.

Nach Ansicht von Fachexperten erfolgt jedoch die Realisierung dieser Maßnahmen nicht energisch genug, obwohl bekannt ist, dass in den nächsten Jahren eine Drucksteigerung auf 20 atü erfolgen soll. Dies würde eine schnelle und wesentliche Verbesserung des derzeitigen Zustandes der Ferngasleitung erforderlich machen.

Zu den Ursachen der starken Innen-Korrosionsschäden in der Hauptleitung Lachhammer – Leipzig wurde bekannt, dass sie im Wesentlichen auf den starken Schwefelgehalt des Lauchhammergases zurückgeführt werden. Mit den derzeitigen Reinigungsanlagen soll eine auch nur annähernde Entschwefelung jedoch nicht möglich sein. Andererseits ist jedoch der Einbau einer Rectisolanlage1 erst für 1962/63 vorgesehen.

Sollte eine Vorverlegung dieses Projektes nicht möglich sein, so wäre es unbedingt notwendig, zur Vermeidung größerer Schäden die Gasrohrleitungen durch korrosionsverhütende Überzüge zu schützen. Vom Institut für Energetik sollen Versuche durchgeführt worden sein, um einen Überzug aus Epoxidharz in Verbindung mit einer aufgespritzten Aluminiumschicht anzuwenden.

Aus den vorliegenden Hinweisen ist jedoch ersichtlich, dass in der ČSR bereits ein Verfahren entwickelt wurde, nach dem ein Innenüberzug aus Bakelit-Einbrennlack, der mit einem Aluminium-Pigment versehen ist, angebracht wird. Dieses Verfahren könnte nach Ansicht der Experten von der DDR übernommen werden, wobei sich die Möglichkeit ergeben würde, durch die Anwendung in unseren Rohherstellungswerken den Bedarf der sozialistischen Länder an innengeschützten Stahlrohren decken zu können.

Ähnliche Mängel sollen auch in der Verhinderung von Außen-Korrosionen bestehen. Die bisher angebrachten Schutzüberzüge sollen durch schlechte Qualität der verschiedenen Schichten, Beschädigung beim Transport, nachlässige Nachisolierung auf der Baustelle u. a. Mängel niemals völlig geschlossen sein.

Im Ausland wird als Ergänzung zu den Isolierüberzügen der elektrische Korrosionsschutz angewandt, was seit zwei Jahren auch in der DDR erfolgt.

Nach uns bekannt gewordenen Äußerungen von Fachexperten, wird jedoch der zusätzliche elektrische Korrosionsschutz wegen dem schlechten Zustand der Isolationsüberzüge als völlig unwirtschaftlich bezeichnet und abgelehnt.

Als wichtigste Ursache für die schlechte Rohrisolation wird dagegen angegeben, dass in den Rohrleitungswerken die Rohre vor dem Aufbringen der Schutzschichten keiner ausreichenden und zweckmäßigen Vorbehandlung unterzogen werden (z. B. erfolge eine ungenügende Entrostung und mangelhafte Vorwärmung der Rohre u. ä.).

Zur Überwindung dieses Mangels sei es daher unerlässlich, schnellstens das Problem der Oberflächenbehandlung zu lösen.

Diese Vorbehandlung könne mechanisch durch Sandstrahlen oder chemisch durch das neue Chemodine-Verfahren2 des VEB Rohre und Behälterbau, Berlin-Lichtenberg, erfolgen.

Gute Erfahrungen seien auch in der ČSR gemacht worden, wo zum Beizen der Stahlrohre ein Schwefelsäurebad mit einem Naphtensulfonatzusatz3 als Inhibitor verwendet wird.

Nach den vorliegenden Hinweisen wird als wesentlicher Mangel beim Bau von Ferngasleitungen auch die Tatsache bewertet, dass der Bau derartiger Leitungen nicht von den Verbundnetzen selbst durchgeführt wird. An einer Trasse sollen oftmals mehrere Rohrleitungsbaubetriebe arbeiten, wobei die Bauleitung des Verbundnetzes nur die Bauaufsicht ausübt.

Im Interesse der Erhaltung des volkswirtschaftlichen außerordentlich wertvollen Rohrmaterials wäre es nach Ansicht der Fachexperten zweckmäßiger, die VVB Verbundwirtschaft bzw. den VEB Verbundnetz West für die Durchführung sämtlicher Arbeiten verantwortlich zu machen, angefangen von der Projektierung der Ferngasleitung einschließlich der Korrosionsschutzanlagen bis zum Einbau sämtlicher Einrichtungen. Die dazu notwendigen Arbeiten sollten auch in eigener Regie durchgeführt werden.

Im Zusammenhang mit diesen u. a. Feststellungen wird als zweckmäßig angesehen, die Technologie zur Herstellung von Gasleitungsrohren zu überprüfen und entsprechende Maßnahmen festzulegen.

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    9. November 1959
    Information Nr. 803/59 – [Bericht über] die Ursachen der am 6. November 1959 in der Farbenfabrik Wolfen erfolgten Explosion

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    4. November 1959
    Information Nr. 800/59 – [Bericht über] Waldbrände im Übungs- bzw. Sperrgelände der Sowjetarmee und der Nationalen Volksarmee (NVA)