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Lage der Jugendlichen in der DDR

27. April 1961
Bericht Nr. 200/61 über die Lage unter der Jugend und die Tätigkeit des Gegners

Dem MfS liegen eine ganze Reihe Beispiele und Hinweise über die Lage unter der Jugend und über feindliche Beeinflussungsmethoden und ihre Auswirkungen vor.

Der nachfolgende Bericht stellt eine Auswertung dieser im Wesentlichen noch vor der Herausgabe des Kommuniqués bekanntgewordener Materialien dar,1 beschränkt sich dabei aber vor allem auf die negativen Erscheinungen. Es ist deshalb erforderlich, einleitend darauf hinzuweisen, dass die überwiegende Mehrzahl aller Jugendlichen eine fortschrittliche Haltung einnimmt und die Politik von Partei und Regierung unterstützt. Das zeigt sich am deutlichsten in den großen Leistungen, die Jugendliche in der Produktion und auf anderen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens vollbringen. Das zeigt sich auch in dem immer stärker werdenden politischen Bewusstsein. Z. B. kämpfen zahlreiche Jugendbrigaden darum, sozialistische Brigaden zu werden und Lehrlingskollektive, Klassenkollektive an den Oberschulen und Studentengruppen sind durch vorbildliche Arbeit bemüht, aktiv an der sozialistischen Umgestaltung mitzuwirken.

Um den Aufbau des Sozialismus zu stören und die Jugend von der aktiven Teilnahme am Aufbau des Sozialismus abzuhalten, versucht der Feind mit allen Mitteln, insbesondere mittels der ideologischen Diversion, sich eine Basis unter der Jugend zu schaffen und diese Kräfte in seine verbrecherischen Pläne einzubeziehen. Die Verstärkung der Feindarbeit und deren Auswirkungen zeigen sich in den jugendlichen Rowdygruppen, in der Bildung sogenannter Film- und Starclubs nach westlichem Muster und in der Organisierung von Provokationen bei Sportveranstaltungen, Pressefesten und ähnlichen. Die Tätigkeit der jugendlichen Banden- und Rowdygruppen geht vom Lesen von Schund- und Schmutzliteratur, dem Abhören der westlichen Sender, der Belästigung von Bürgern, über Provozierung von Schlägereien bis zu gefährlichen Gewaltakten und zu Staatsverbrechen.

Der Gegner schaltet in seine Feindtätigkeit alle Agentenzentralen, Rundfunk- und Fernsehen sowie auch die anderen Zentren der ideologischen Diversion verstärkt in diese Tätigkeit ein.

Besonders wird das sichtbar im Anwachsen der Einschleusung von Hetzmaterial, Schundliteratur, Schallplatten, Starfotos u. a.

Die planmäßige negative Beeinflussung der Jugend der Deutschen Demokratischen Republik durch den Feind ist eine Erscheinungsform der psychologischen Kriegsführung und wird durch die NATO und das Lemmer-Ministerium2 gelenkt.

Dieses Eindringen der bürgerlichen Ideologie wird teilweise:

  • durch einen noch ungenügenden Stand der politischen Erziehungsarbeit unter der Jugend begünstigt

  • sowie durch bestimmte Fehler, die bei der Erziehung der Jugend auftreten, wie mangelndes Verständnis, bürokratisches Verhalten und eine nicht genügende differenzierte und auf systematische Überzeugung ausgerichtete Arbeit, erleichtert.

Die in der Analyse aufgezeigte Lage unter der Jugend, insbesondere der Aktivität aller feindlichen Zentren zur Zersetzung der Jugend der DDR, verpflichtet uns, mit verstärkter Aktivität an die Bekämpfung dieser feindlichen Tätigkeit heranzugehen und somit einen aktiven Beitrag zur Lösung der von der Partei gestellten Aufgaben in Bezug auf die Jugend zu leisten.

I. Methoden der gegnerischen Einflussnahme und zur Zersetzung der Jugend der DDR

1. Rundfunk, Fernsehen, Film

Unter einer ganzen Anzahl Jugendlicher ist das Hören westlicher Rundfunksender, das Ansehen westlicher Fernseh- und Filmprogramme verbreitet. Es wird von diesem Teil der Jugend noch nicht erkannt, dass diese Propaganda-Institutionen des Kalten Krieges auf die Zersetzung und Untergrabung unserer neuen gesellschaftlichen Ordnung ausgerichtet sind. In dieser Hinsicht ist die Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit noch ungenügend und nicht wirkungsvoll genug. Es werden in erster Linie Schlagersendungen gehört. Es taucht das Argument auf »Musik ist international« und »der deutsche Freiheitssender 904 bringt die gleiche Musik«.

Die am häufigsten abgehörten Westprogramme sind:

  • Radio Luxemburg, »Hit-Parade«,

  • »Frankfurter Schlagerbörse«,

  • RIAS, »Schlager der Woche«,

  • Schlagersendungen des SFB und des

  • »Deutschen Langwellensenders«.

Zum Beispiel wird in den Internaten des Instituts für Lehrerbildung (IfL) Schwerin und in der Pädagogischen Hochschule Schwerin regelmäßig die Hit-Parade gehört und der »Deutsche Langwellensender«. In den Oberschulen Parchim, Lübtheen, Wittenburg, Perleberg, Bützow u. a. gehört es bei den Jugendlichen zum »guten Ton« Hörer von Radio Luxemburg zu sein. Im Lehrkombinat des VEB Maschinenfabrik Meusewitz hören 75 % aller Jugendlichen Radio Luxemburg, montags erfolgt immer ein gegenseitiger Gedankenaustausch über die gebrachten Schlager. In Halle bildete sich ein »Luxemburg-Club«. Im Spannbetonwerk Neunhof wird in allen Räumen Radio Luxemburg gehört. Derartige Beispiele ließen sich noch beliebig fortführen. Sie zeigen, dass vom Gegner bewusst das Mittel der Musik zur Anlockung unserer Jugendlichen eingesetzt wird (wie es auch in der Westpresse zum Ausdruck kam). Man will damit bei den Jugendlichen die sozialistische Bewusstseinsbildung hemmen und sie für eine weitere Beeinflussung durch die bürgerliche Ideologie weich machen.

In welchem Ausmaße die westlichen Schlager bei uns verbreitet sind, zeigt ein Beispiel des Treffens Junger Talente in Köpenick, wo von 23 Talenten, die mit Schlagern auftraten, 22 Westschlager gesungen wurden. Hinzu kommt, dass der Inhalt der meisten westlichen Schlager ein niedriges Niveau hat und nicht selten auch revanchistisch-militaristisch gefärbt ist bzw. eine falsche Vorstellung vom Leben vermittelt.

Rätselsendungen und »Hit-Paraden« haben das Ziel, eine möglichst große Zahl von Jugendlichen zu Einsendungen zu bewegen. Als Preise sind Schallplatten, Starfotos u. Ä. ausgesetzt. Hierdurch erzielt dieser Rundfunksender umfangreiches Adressenmaterial. Gegenwärtig fordert Radio Luxemburg die Jugendlichen aus der DDR auf, beim Schreiben Decknamen und Deckadressen zu verwenden. Damit wird den Jugendlichen der Gedanke vermittelt, dass sie sich in einem bestimmten Gegensatz zur Politik der DDR befinden, es erfolgt auf diese Weise eine systematische Beeinflussung der Jugendlichen zum Widerstand. Bei den verschiedenen westlichen Rundfunkstationen gibt es spezielle, auf die Belange der Jugendlichen abgestimmte Sendungen, z. B. die Reihen »90 Minuten für junge Leute« vom Sender Bremen. In einer der letzten Sendungen wurde hier der »Chansonpater« Duval eingesetzt, der geistliche Lieder in modernen Rhythmen den Jugendlichen nahebrachte.

Beim westdeutschen Rundfunk läuft die Sendereihe: »Zwischen 15 und 25 – Begegnungen mit Teens und Twens«. Beim NDR-Hörfunk ein »Abend für junge Hörer« mit Wolfgang Jäger.

Ähnliche Sendereihen sind auch bei den anderen Sendern zu finden. Sie haben die Tendenz, die jungen Menschen von den wirklichen Problemen abzulenken, sie zu unterhalten und die Verhältnisse in der Westzone als Idealdemokratie hinzustellen. Den jugendlichen Hörern in der DDR, denen die Erfahrung fehlt, wird ein völlig falsches Bild von der Westzone vermittelt, das nicht selten mit zum illegalen Verlassen der DDR beiträgt.

Neben der Beeinflussung auf dem Wege der Musik und Unterhaltung gibt es aber auch spezielle Sendungen des westlichen Rundfunks, die sich hetzerisch mit Jugendproblemen in der DDR befassen. Besonders zum 15. Jahrestag der FDJ trat der Gegner in Rundfunkkommentaren in Erscheinung, fälschte Tatsachen und Zahlen aus der Geschichte der FDJ u. Ä.

»Spezialisten« für die Jugend der DDR sind u. a.

  • Peter Herz,3 RIAS Berlin

  • Peter Frey und Lothar Schmidt von Radio London.

Schmidt ist ein Renegat, der bis 1956 als 2. Sekretär der FDJ-Bezirksleitung Magdeburg tätig war.

Inhalt und Zielsetzung der gegnerischen Sendungen versuchen nachzuweisen, dass die FDJ angeblich eine Zwangsorganisation ohne Massenbasis sei und dass die Jugend der DDR keine Perspektive habe. Es wird versucht, das Kommuniqué des Politbüros als ein Wiederaufgreifen der Linie Schirdewan,4 hinzustellen. Die Stoßrichtung derartiger Sendungen geht ferner (um von der Wehrpflicht in der Westzone abzulenken) gegen den Ehrendienst von Jugendlichen in der Nationalen Volksarmee. (Z. B. in Kommentaren des Evangelischen Rundfunkdienstes über den SFB u. a.) Diese systematische gegnerische Propaganda in Richtung Jugend darf nicht unterschätzt werden.

Am Beispiel der Hetze gegen die NVA lassen sich diese Auswirkungen beweisen:

  • Im Bezirk Cottbus entzogen sich ca. 300 Jugendliche durch Arbeitsplatzwechsel ihrer Verpflichtung zur NVA, allein im Kreis Senftenberg waren es 80 Jugendliche.

  • Im Rüdersdorfer Kalk- und Zementwerk lehnte die gesamte Schlosserklasse den Dienst in der NVA ab, obwohl sie sich vorher dazu verpflichtet hatte.

  • Zwölf Jugendliche der BBS Bau-Union Frankfurt/O. und

  • 20 Jugendliche der MTS Spezialwerkstatt Wriezen zogen ihre Verpflichtungen zur NVA zurück.

  • Der Leichtathletiktrainer von Stahl Stalinstadt äußerte zu seinen Sportlern: »Wenn einer zur Armee geht, dann verkauft er sich und braucht nicht mehr zum Training zu kommen.«

Auch das westdeutsche Fernsehen spielt bei der ideologischen Beeinflussung unserer Jugend keine unbedeutende Rolle, besonders in den Grenzgebieten, in denen der Empfang des Westfernsehens technisch besser ist, als der des DDR-Fernsehens.

  • Z. B. im Kreis Rudolstadt sind in allen 48 Gemeinden gute Empfangsmöglichkeiten für das Westfernsehen und das DDR-Fernsehen kann in 27 Gemeinden nur ungenügend oder gar nicht empfangen werden.

  • Im Bezirk Gera ergaben Messungen, dass die Stärke der einfallenden Westsender bis 8-fach größer ist, als die der DDR-Sender. Derartige technische Probleme tragen mit dazu bei, dass in diesem Bezirk 70 bis 80 % der Teilnehmer Zuschauer des Westprogramms sind, obwohl die meisten von ihnen der Meinung sind, das DDR-Programm sei qualitativ besser.

Die ideologische Diversion erfolgt – abgesehen von der ständigen Beeinflussung durch das »unpolitische« Abendprogramm und die »Tagesschau« konzentriert vor allem in »Beiträgen zur politischen Bildung«, die ebenfalls abends ausgestrahlt werden.

Vom westdeutschen Bundesjugendring werden als besonders geeignet für die Jugendarbeit u. a. empfohlen:

»Peking und Moskau«, »Afrikanische Tragödie am Kongo«, »Kuba«, »Moskaus Fuß in Amerikas Tür«, »Mitteldeutsches Tagebuch«, »Schlesien heute«, »ČSSR«, und 44 weitere Sendungen (innerhalb von zwölf Wochen).

Ein Beispiel für die Aufnahme westdeutscher Hetz- und Nachrichtensendungen:

  • In der Wahlversammlung der FDJ beim VEB Thuringia (Kreis Sonneberg) brachten die Jugendlichen zum Ausdruck, sie hörten ständig Sender der DDR und des Westens, um sich selbstständig eine »objektive« Meinung zu bilden.

  • Eine Gruppe von Jugendlichen in Sondershausen verbreitete nach dem Empfang westlicher Sender ständig politische »Witze« weiter, die sich gegen die DDR richteten.

Über den Charakter von Unterhaltungssendungen in Richtung Jugend schreibt das Organ des westdeutschen Bundesjugendringes »Deutsche Jugend« 1961: »Sehr starke Akzente setzte das deutsche Fernsehen auf die Jugend-Show. Fast alle Sender taten da mit. Doch auch dabei kam nichts Gutes heraus, weil die Schnulzenbereiche zu stark mit im Spiel waren, weil man im Studio eine verlogene Scheinwelt zurechtbastelte.«

Gerade aber dieser verlogenen Scheinwelt fallen Jugendliche aus der DDR zum Opfer, wenn sie, die die wirklichen kapitalistischen Verhältnisse nicht kennen, unseren Staat verlassen.

Die gleiche Zeitschrift fordert aber auch eine Aktivierung der Fernseharbeit gegen die DDR. Sie schreibt in der gleichen Nummer: »…. Ein Sender, der auf dem Sektor Jugend enttäuscht, ist Berlin. Gerade von dorther ließen sich doch erregende Sendungen ausstrahlen.«

Ein Beispiel für die Auswirkungen des Westfernsehens auf die Jugendlichen der DDR: in Eisenach forderte ein Jugendlicher nach einem Cowboyfilm beim Betreten einer Gastwirtschaft die Gäste auf, die Hände hoch zu nehmen.

Im Gebiet des demokratischen Berlin und in den Randgebieten von Berlin spielt neben der Beeinflussung von Westfernsehen und -rundfunk auch der unmittelbare Besuch von Jugendlichen in Westberlin eine Rolle, der neben verschiedenen Einkäufen auch häufig das Ziel hat, Filme zu besuchen.

In Westberlin wurden, vor allem in der Nähe der Sektorengrenze, sogenannte »Grenzkinos« eingerichtet, meist mit verbilligten Preisen (bis 1,00 DM/DNB) für »Ostbesucher«. Das Programm derartiger Grenzkinos ist auf billigste Reißer abgestimmt, gezeigt werden vor allem Hetzfilme, Kriminalfilme und Gangsterstreifen und militärische Filme. Anfang 1961 liefen z. B. nachstehende Titel an:

»Ausgeburt der Hölle«, »Begierde im Staub«, »Die Geliebte des Vampirs«, »Die nackte Furcht«, »Im Pazifik ist der Teufel los«, »Mord auf dem Dachgarten«, »Sonntag sollst Du sterben«, u. a.

Für den »Wert« der durchschnittlichen westlichen Filmproduktion sind die Ausführungen des bayerischen Abgeordneten Sackmann5 kennzeichnend, der im Bayrischen Landtag erklärte, dass in 400 westlichen Filmen einer Jahresproduktion 310 Morde, 405 Ehebrüche, 54 Erpressungen, 104 Raubüberfälle, 624 Betrügereien, 34 Brandstiftungen vorkämen, die man alle dem Publikum vorsetze.

Die Monatszeitschrift »Dänisches Filmmuseum« schrieb:

»Es ist kein Geheimnis mehr, dass der westdeutsche Film zu den schlechtesten der Welt gehört. Diejenigen, die optimistisch darauf gewartet haben, dass der Zusammenbruch des Faschismus ein Hervorbrechen unterdrückter künstlerischer Talente bedeuten würde, wurden bitter enttäuscht, die meisten Filme der letzten Jahre sind unter aller Kritik, vulgär und falsch, häufig von alten Naziregisseuren in Szene gesetzt«.

Besonderes in den Vordergrund geschoben wurden mit der verstärkten Aufrüstung der Westzone die militärischen Filme. Aus den Unterlagen eines westdeutschen Pädagogen geht hervor, dass bis 1.11.1959 in der Westzone nicht weniger als 224 Kriegsfilme gezeigt wurden. Über das Ansteigen im Jahre 1961 liegen noch keine Zahlen vor, es ist aber die Tendenz zu einer steigenden Produktion und Einfuhr militaristischer Filme erkennbar. In den meisten dieser Filme wird der Kriegs – auch nach Meldungen westlicher Presse – im »Volkston« geschildert, als »Stahlbad«, erfüllt mit den Untaten der anderen. Es erfolgt eine grobe Verfälschung der Geschichte und Propagierung des Militarismus.

Die Ergänzung zu derartigen Filmen sind die Streifen über »Teenagerprobleme«, die, auf Publikumswirkung ausgerichtet bei den jugendlichen Zuschauern bestimmte Bedürfnisse wachrufen sollen, meist Filme mit Rock and Roll6 o. Ä. im Mittelpunkt z. B.:

  • »Schnelle Jungs und kesse Mädchen« (Rock and Roll und Autoraserei, USA)

  • »Die Wölfe von Los Angeles« (Halbwüchsige üben Terror aus, USA)

  • »Wegen Verführung Minderjähriger« (eine Schülerin verführt ihren Oberstudienrat, WD)

u. a.m.

Es zeigte sich, dass Jugendliche aus dem demokratischen Berlin und der DDR nach dem Besuch derartiger »Grenzkinos« auch vor den Kinos angesprochen wurden und Hetzmaterial, wie die »Tarantel« zur Weiterverbreitung erhielten.

Andere Beispiele beweisen, dass Jugendliche bei solchen Anlässen von Agentenwerbern für eine feindliche Tätigkeit gegen die DDR gewonnen wurden.

Es ist bekannt, dass der amerikanische Geheimdienst an den WB Grenzkinos »Casino« und »Lido« Agentenwerber einsetzte, um Jugendliche aus der DDR anzuwerben. Dort wurden z. B. Jugendliche aus Bernau und Strausberg beauftragt, auf Müllplätzen russisch beschriftetes Papier zu sammeln und nach WB zu bringen. Ein Jugendlicher aus Strausberg wurde nach einem Kinobesuch in der Schlesischen Straße von dem Werber eines Geheimdienstes angesprochen und zur Mitarbeit aufgefordert.

Für Westberlin-Besucher wird außerdem das Amerikahaus angepriesen. Dort finden Vorträge, Konzerte, Filmveranstaltungen u. a. statt. Alle Veranstaltungen sind kostenlos. Sie dienen zur Propagierung des »American way of Life« und der amerikanischen militärischen Stärke.

2. Schund- und Schmutzliteratur

Die Ergebnisse bei der Zerschlagung von jugendlichen Banden und Rowdygruppen, bei der Aufklärung von Verbrechen, die durch Jugendliche begangen wurden und bei Taschenkontrollen an unseren Schulen, zeigen, dass im beträchtlichen Maße illegal Schund- und Schmutzliteratur in die DDR eingeführt wird. Bei der Begehung von Straftaten durch Jugendliche spielen immer wieder die Einflüsse dieser Groschenhefte eine beträchtliche Rolle, durch ihr Lesen wird der Jugendliche mit dem Verbrechen vertraut, es erfolgt durch den ständigen Einfluss eine Verrohung der Gefühle und häufig dienen die Schmöker als direkte Vorlage für kriminelle Handlungen der Jugendlichen. Es ist ein Anwachsen der illegalen Einschleusung derartiger Schundliteratur festzustellen, z. B. fielen beim AZKW Magdeburg 1960 80 % mehr Schundliteratur an, als im Vorjahr. Diese Einfuhr erfolgt auf die verschiedenste Art und Weise, meist aber durch Paketsendungen von Verwandten aus der Westzone. Es kommt auch vor, dass Westdeutsche in der DDR (z. B. Messebesucher, Binnenschiffer u. a.) von Jugendlichen wegen dieser Schmöker angesprochen werden.

Die Einwirkung, die durch die Westliteratur ausgeübt wird, ist äußerst differenziert, vor allem nach Altersgruppen, nach Interessengebieten und ideologischen Voraussetzungen. Für Kinder sind z. B. die »Micky-Maus«, »Globi«, »Felix«, »Tom und Jerry« u. a. vorgesehen, bunte Bildergeschichten oft mit einer antisowjetischen oder rassenhetzerischen Tendenz. Diese Kinderzeitschriften haben eine sehr hohe Auflage, wie z. B.

  • »Fix und Foxi«, 200 000,

  • »Micky-Maus«, 480 000.

Besonders auf Schulkinder wirken die Zeitschriften:

  • »Der kleine Tierfreund«, 200 000,

  • »Rasselbande«, 180 000,

  • »Sommergarten«, 50 000,

  • »Jugendring-Illustrierte«, 150 000,

  • »Liliput«, 160 000,

  • »Staffette«, 60 000

und viele Schülerzeitschriften zum Beispiel:

  • »Schloßfanfare«,

  • »Pennäler«,

  • »Kontakt«,

  • »Blick« u. a.

Für Jazzfreunde erscheint das »Schlagzeug«, für technisch Interessierte »Hobby« und »Auto«, für religiöse Jugendliche »Morgen«, »Am Scheideweg«, »Die bunte Kette«, »Informationsdienst«, »Jungführerin«, »Der Brunnen«, »Sonnenblumen«, »Junge Stimme«, »Die Glocke« u. a.m.

Stark vertreten ist die Zahl der Zeitschriften, die für sog. »Teenager« bestimmt sind und meist mit sehr hohen Auflagen ein profitbringendes Geschäft sind, wie z. B.

  • »Bravo« mit 590 000 Auflagen,

  • »Twen« mit 150 000 Auflagen,

  • »Hallo«, »Party«, »Teenager«, »Fau«, »Filmrevue«, »Ihre Freundin« u. a.

Vielfältig sind die Methoden, die von Zeitungskonzernen angewendet werden. Vor allem auf Jugendliche aus der DDR macht es Eindruck, wenn z. B. von der »Filmrevue« ein Wettbewerb »… die große Chance« (zum Film zu kommen), oder von »Bravo« Preisausschreiben mit Flugreisen nach Hollywood, Paris und London, gestartet werden. Es entsteht ein falscher Eindruck von den kapitalistischen Verhältnissen, was zur Republikflucht und teilweisen Ablehnung der Verhältnisse in der DDR verleitet. Ähnliche Mittel wenden auch die anderen Zeitschriften an, z. B. »Micky-Maus« veranstaltet vierteljährlich Großpreisausschreiben mit Flugreisen und wöchentlich kleine Preisausschreiben.

»Bravo« (die in einem Verlag, wie die »Revue« erscheint) organisiert eine »Tombola der Stars«, in jedem Heft sind »Starschnitte« zum Ausschneiden beigelegt. »Hallo« organisiert Schallplattenversand und weckt Illusionen mit seinem Kurzroman »Vom Kellerkind zur Schauspielerin«. In »Party« gibt es vierfarbige Starfotos zum Ausschneiden. Wettbewerbe um das Titelbild (an denen jeder Teenager mit seinem eigenen Foto teilnehmen kann) haben eine große Anziehungskraft. Bei »Rasselbande« braucht man nur eine gute Tat zu vollbringen und man hat die Chance, mit der »Bremen« nach Amerika zu fahren usw. Diese Darstellungen lassen in den Jugendlichen ein völlig falsches Weltbild entstehen und es gibt nicht wenig Jugendliche aus der DDR, die sich an derartigen Ausschreibungen beteiligen, bzw. Bettelbriefe nach der Westzone richten, dass man im »Osten« leider nichts von diesen Zeitschriften bekomme. Dass die Entwicklung dieser Jugendzeitschriften, so verschiedenartig sie auch sein mögen, von der westzonalen Regierung gefördert wird, da sie eine wichtige ideologische Funktion zu erfüllen haben, wird deutlich, wenn man die Zusammenarbeit Bundesregierung – Zeitschriften betrachtet. Die meisten Verlage erhalten aus Mitteln des Bundesjugendplanes finanzielle Subventionen. Der Chefredakteur der »Jungen Stimme« Eberhard Stammler,7 wurde zum Sprecher des Beirates für Innere Führung beim Straußministerium8 ernannt. Anknüpfend am Interesse der Menschen an einer Erschließung des Weltalls, besonders seit den sowjetischen Erfolgen in der Raumfahrt, hat sich in der Westzone ein anderer Literaturtypus breitgemacht, die »Science-Fiction-Hefte«9, die sich angeblich mit der Zukunft der Menschheit befassen, in Wirklichkeit aber Hetze, Menschenverachtung und Kriegspropaganda enthalten (z. B. über einen III. Weltkrieg).

Der Mitarbeiter des Stuttgarter Jugendfunks Dolezol, nahm zu einem dieser Hefte wie folgt Stellung: »Die Union der 2 000 Welten ist also ein in den Weltraum verlegter Nazistaat und die überlegenen, außerirdischen Intelligenten entpuppen sich als simple Faschisten. Ihre Moral ist identisch mit der Moral eines Himmler, die unmerklich in die Hirne der Leser eingeträufelt wird!«

3. Arbeit westlicher Jugendorganisationen zur Zersetzung der Jugend der DDR

Der WD Bundesjugendring widmet der Arbeit seiner Ost-West-Kommission eine besondere Beachtung. Bisher beschäftigte sich diese Kommission in drei Richtungen:

  • Information der gesamten Jugend über Probleme der Spaltung und Wiedervereinigung Deutschlands (im westlichen Sinne),

  • Betreuung der republikflüchtigen Jugendlichen aus der DDR,

  • Fragen der »menschlichen« Kontakte zur Jugend der DDR.

Diese Kommission arbeitet eng mit dem »Kuratorium Unteilbares Deutschland«10 zusammen. Bei einer Beratung der Ost-West-Kommission im November 1960 in Honnef wurde festgelegt, den 16. Juni11 in Zukunft nicht mehr in Form von Großveranstaltungen durchzuführen (deren Fiasko sich in den letzten Jahren gezeigt hatte), sondern in den einzelnen Gruppen und örtlichen Feierstunden abzuhalten. Entsprechend der DDR-feindlichen Linie des Bundesjugendringes, der offizielle Kontakte zur FDJ ablehnt und die Forderung nach »menschlichen Kontakten« erhebt, arbeiten auch verschiedene Jugendorganisationen der Westzone gegen die DDR.

Es erfolgt eine systematische Schulung der verschiedenen Jugendfunktionäre zur »Ost-West-Problematik«, z. B. bei der WD Gewerkschaftsjugend, bei studentischen Organisationen u. a.

Von den verschiedenen Universitäten der Westzone wird versucht, gesamtdeutsche Kontakte herzustellen. Auch bei diesen Kontakten soll eine Anerkennung der FDJ oder der DDR peinlichst vermieden werden. Vom Verband deutscher Studentenschaften wurde in Westberlin das »Gesamtdeutsche Referat für Schüler und Studenten« (früher »Amt für Gesamtdeutsche Studentenfragen«) eingerichtet, das sich intensiv mit der Lage an den Hoch- und Fachschulen der DDR beschäftigt und das mit den anderen Agentenzentralen zusammenarbeitet. Die WD Korporationen und der Adenauertreue Ring Christlicher Demokratischer Studenten (RCDS) bemühen sich ebenfalls um eine aktivere Ostpolitik.

Im demokratischen Berlin hat die Jugendorganisation der West-CDU, die »Junge Union« illegale Kreisverbände geschaffen, die in allen Stadtbezirken in einer Stärke bis zu zwölf Jugendlichen bestehen. Die Zusammenkünfte finden konspirativ in Westberlin statt. Bei den Versammlungen der Jugendgruppen wird in übelster Form gegen die DDR gehetzt. Zielstellung der Gruppen ist es, am Tage X sofort entsprechende Positionen des öffentlichen Lebens im demokratischen Berlin zu besetzen. Von der »Jungen Union« wird hektographiertes Material für die Zersetzung unter den Jungarbeitern. »Aktion – für junge Arbeitnehmer«. herausgegeben, eine Veröffentlichung, die vom wütenden Hass gegen die DDR und von Revanchehetze gegen die SU und Volkspolen strotzt. Eine aktive Ostarbeit führt auch die auf die SPD orientierte Jugendorganisation »Falken« durch. Das bis März 1960 existierende »Referat Mitteldeutschland« wurde formell aufgelöst und die gegnerische Tätigkeit umgestellt auf noch raffiniertere Methoden mit dem Ziel, eine breitere Basis unter den Jugendlichen des demokratischen Sektors bzw. der DDR, zu schaffen.

Im »Referat Mitteldeutschland« waren 3 000 Jugendliche aus der DDR erfasst, wobei zu etwa 500 Verbindungen bestanden.

Die Arbeit der Falken im demokratischen Berlin erfolgt jetzt in illegalen Kreisen. Im demokratischen Berlin gehören ca. 600 Jugendliche den »Falken« an.

Die Zusammenkünfte werden in Westberlin durchgeführt. Bei den Versammlungen wird die Politik der rechten SPD-Führer propagiert. Durch die »Falken« wurden Fahrten nach Westdeutschland und ins kapitalistische Ausland organisiert, an denen auch die DDR-Bürger teilnehmen.

So fand z. B. im Sommer 1960 ein 1 000 Personen umfassendes Zeltlager in Jugoslawien statt. Die Teilnehmer aus der DDR, die illegal über Westberlin nach Jugoslawien gekommen waren, wurden durch Vorträge u. Ä. im starken Maße ideologisch beeinflusst. Für das Jahr 1961 ist in Holland ein internationales Zeltlager geplant, an dem ebenfalls DDR-Bürger teilnehmen sollen.

Wie der 2. Vorsitzende Koffke12 intern dazu ausführte, ist geplant, dort vor allem die »starken« Kreise zur Betreuung der Jugendlichen einzusetzen, d. h. solche Kreise aus dem Landesverband Berlin, die die Brandt-Linie bedingungslos durchführen. Die »schwachen« Kreise sollen als Betreuer für das Kinderferienlager der »Falken« abgeschoben werden. Koffke ist einer der aktivsten rechten Führer der »Falken« und ein Duzfreund von Willy Brandt.

Im Zeichen der Ostarbeit versuchen die »Falken« auch, die FDJ zu »überspielen« und geeignete Kontakte im sozialistischen Lager zu schaffen. Zu diesem Zwecke organisierten sie 1959 und 1960 Fahrten nach Volkspolen (Auschwitz).

Mitte November 1960 fand eine außerordentliche Bundeskonferenz der »Falken« in Kassel statt.13 Hierbei wurde ein neues Programm der Organisation angenommen, das einen völligen Bruch mit den sozialistischen Traditionen bedeutet und einen Sieg der rechtsorientierten Kräfte darstellt. Trotz ihres Widerstandes wurden alle profilierten »Linken« aus dem Vorstand hinausgewählt. Damit ist die weitere politische Linie der »Falken« in der nächsten Zeit im Sinne der Brandt-Clique klar.

Es ist eine verstärkte Aktivität gegen die DDR zu erwarten, da auch bisher schon die Ostarbeit von den rechten Kräften getragen wurde, die nun die Politik des gesamten Verbandes diktieren.

Das Haupteinflussgebiet der »Falken« sind das demokratische Berlin und seine Randgebiete. In den anderen Bezirken der DDR konnte bisher keine Aktivität dieser Organisation festgestellt werden.

4. Einflussnahme der Kirche

Bedingt durch die Entwicklung der DDR und den Prozess der sozialistischen Bewusstseinsbildung, sinkt der Einfluss der Kirche ständig, z. B. ist in größeren Städten die Zahl der Taufen bis zu 90 % zurückgegangen (Mitteilung des Evangelischen Pressedienstes).

In den Jahren 1955 bis 1959 sank die Mitgliederschaft der »Jungen Gemeinde« von 125 000 auf 104 000.

Im Berlin gehörten 1955 noch 5 000 Jugendliche der »Jungen Gemeinde« an, gegenwärtig sind es 2 300, d. h., es ist ein Mitgliederrückgang von mehr als 50 % zu verzeichnen.

Dennoch darf die Rolle der kirchlichen Jugendorganisation keinesfalls unterschätzt werden. Sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche versuchen, ihre Jugendarbeit zu aktivieren und wenden dabei die vielfältigsten Methoden an.

Zum anderen gibt es noch bestimmte Konzentrationspunkte, wo die »Junge Gemeinde« noch feste Positionen hat, z. B. unter den Krankenschwestern und Schwesternschülerinnen, an Oberschulen, in Klein- und Mittelbetrieben, in vereinzelten Dörfern.

Aus dem Bezirk Leipzig wurde bekannt, dass die evangelische Kirche »Jugendwarte« ausbildet, die die »Junge Gemeinde« speziell betreuen sollen. Die evangelische und die katholische Kirche setzen ferner Jugendpfarrer und Jugendvikare ein, die aufgrund ihres Alters leicht Kontakt mit den Jugendlichen finden.

Nachstehend einige Beispiele für die Anwendung der verschiedensten Formen der Jugendarbeit:

  • in Thallwitz, Kreis Wurzen, organisiert der Jugendpfarrer regelmäßig Fahrten, Gesellschaftsspiele, beteiligt sich am Fußball, u. Ä.,

  • die »Junge Gemeinde« in Brand-Erbisdorf, Klingenthal, Rochlitz, Oelsnitz, Plauen organisiert gesellige Veranstaltungen, Kfz-Ausbildung, Luftgewehrschiessen, Aussprachen über Probleme wie z. B. »Liebe und Sünde« usw. ,

  • im Kreis Oranienburg geht die Arbeit des Jugendpfarrers bis zum Veranstalten von Geländespielen, es finden Fernsehabende (mit Westprogramm) statt.

Gleichzeitig gibt es bereits verschiedene Beispiele, die eine Verwendung westlicher Schlager bei den Jugendabenden zeigen, z. B. in den Bezirken Karl-Marx-Stadt, Rostock, Suhl.

Die Linie der evangelischen und katholischen Kirche in Bezug auf das Verhältnis der Jugendlichen zur FDJ ist folgendes: Mitarbeit in der sozialistischen Jugendorganisation mit dem Ziel der Unterordnung und dem Besetzen bestimmter Positionen innerhalb der FDJ, gleichzeitig durch Gestaltung eines interessanten Jugendlebens, den Einfluss der FDJ auszuschalten, bzw. zurückzudrängen.

So gab z. B. der Pfarrer T. an die Mitglieder der katholischen Jugend die Richtlinie:

  • keine Ablehnung von Funktionen, gesellschaftliche Mitarbeit, Gewinnung von FDJ-lern, deren Eltern katholisch sind, für kirchliche Veranstaltungen. Dieses Beispiel aus Neubrandenburg ist nicht vereinzelt.

  • In Friedensdorf, Kreis Merseburg, ist der Jugendpfarrer selbst Mitglied der FDJ und nimmt regelmäßig an Veranstaltungen der FDJ teil. Durch seinen Einfluss hat er erreicht, dass eine Reihe von Jugendlichen wieder regelmäßig die Kirche besuchen.

  • Der Pfarrer aus Kaunzendorf, Kreis Luckau, vertritt ebenfalls die Linie einer Mitarbeit der Angehörigen der »Jungen Gemeinde« in der FDJ, auch im gesamten Bezirk Cottbus wurde diese taktische Richtung bekannt.

  • Im Bezirk Magdeburg werden Mitglieder der »Jungen Gemeinde« zu Aussprachen und Foren der FDJ delegiert, um dort ihre Fragen aufzuwerfen, bzw. um den Einfluss und Funktionen in der FDJ zu erlangen, ebenfalls in Berlin.

Die Auswirkungen einer derartigen Aktivität zeigen sich in einzelnen Gemeinden, in denen es gelang, die FDJ-Arbeit zu lähmen.

  • In den Gemeinden Zoppoten und Volkmannsdorf, Bezirk Gera mussten die FDJ-Wahlen mehrfach verschoben werden, da die dort sehr aktive »Junge Gemeinde« zu diesem Zeitpunkt ihre Veranstaltungen angesetzt hatte und die Jugendlichen abzog.

  • Der Pfarrer von Petershain, Kreis Niesky, bot der FDJ-Gruppe des Ortes an, ihre Zusammenkünfte in kircheneigenen Räumen durchzuführen, da kein Jugendzimmer vorhanden ist. Er organisierte zur selben Zeit interessante Vorträge über Kernphysik, Kfz-Technik u. a. und warb auf diese Weise FDJ-Mitglieder für seine kirchliche Jugend ab.

  • Ein Pastor aus dem Kreis Demmin führt mit der »Jungen Gemeinde« Tanzabende, Fernsehabende, Teenachmittage durch. Bisher gelang es nicht, im Ort eine FDJ-Gruppe zu bilden.

  • Im Bezirk Magdeburg ist die Stärke der katholischen Pfarrjugend im Laufe des Jahres 1960 gewachsen.

Bei der Organisierung der kirchlichen Jugendarbeit ist eine bestimmte Tendenz erkennbar, sich auf Mädchen zu konzentrieren. Zum Beispiel wurden in Forst vom Pfarrer Probleme der werktätigen Frauen und Mädchen behandelt.

In Wieneberg, Bezirk Halle, holt der Pfarrer zu seinen Nachmittagen die Mädchen im Pkw ab, denn »wenn die Mädchen da sind, kommen die Jungen von alleine«.

Insgesamt zur Gestaltung eines abwechslungsreichen Jugendlebens durch die Kirche, zur Organisierung von Zeltlagern und Ferienspielen muss eingeschätzt werden, dass nur ein Bruchteil der Jugendlichen, die an solchen kirchlich organisierten Veranstaltungen teilnehmen, wirklich christlich überzeugt sind. Es gibt eine Vielzahl von Äußerungen, vor allem auf dem Lande, die zeigen, dass die Jugendlichen bei der »Jungen Gemeinde« und katholischen Pfarrjugend »mitmachen«, weil die Arbeit unserer Organisationen in den einzelnen Gemeinden noch schwach ist, dass es uns dort noch nicht gelungen ist, überall eine sinnvolle und abwechslungsreiche Freizeitgestaltung zu organisieren.

Eine andere Frage, bei der sich die Anhänger der Kirche eindeutig auf dem Rückzug befinden, ist die sozialistische Erziehung unserer Schulkinder und die Jugendweihe, die einen ständig wachsenden Einfluss unserer Politik zeigen. Trotzdem gibt es auch auf diesem Gebiet noch einen starken Widerstand seitens der Kirche, der bis zu anonymen Drohbriefen an Lehrkräften unserer Schulen reicht (Bezirk Rostock).

Eine ähnliche Rolle wie die »Junge Gemeinde« und die katholische Pfarrjugend spielen die ESG und KSG bei unserer studentischen Jugend.

Die Stärke der ESG in der DDR beträgt zurzeit etwa 1 800, die der KSG ca. 2 000 Studenten. Hiervon sind aber etwa 50 % nicht aktiv tätig. Nur ein Bruchteil der aktiven ESG und KSG-Mitglieder sind Gegner unseres Staates, die Mehrzahl beider Studentengemeinden hat eine loyale Haltung zu unserem Staat.

Eine negative Rolle spielen die »Patengemeinden« in der Westzone, die für eine materielle und moralische Unterstützung der DDR-feindlichen Bestrebungen in den Studentengemeinden sorgen.

Im Verlaufe des Studienjahres 1959/60 wurden ca. 1 130 Studenten aus der DDR in Westberlin in katholischen Einrichtungen, im Sinne der westlichen Revanchepolitik, beeinflusst.

In der Westzone ist es insbesondere die »katholische Deutsche Studenteneinigung«, die Träger einer solchen Politik ist.

Generalsekretär Thiel14 umriss 1960 die Ziele der KDSE und forderte eine ständige Sondierung der Lage in der FDJ, weiterhin eine »wissenschaftliche Bildungsarbeit« und »Ostkunde« mit dem Ziele der Wiedervereinigung (im westlichen Sinne).

Auf einem Regionaltag in Westberlin führte Thiel vor Vertretern der KSG aus der DDR aus, es sei notwendig, mit aller Vorsicht die katholischen Menschen in der DDR auf die »Beseitigung der kommunistischen Regierung« vorzubereiten, denn die »unterdrückte katholische Jugend«, an der Spitze die junge katholische Akademikerschaft, sei dazu berufen, die Führung des neuen Staates zu übernehmen.

Eine Auswertung derartiger Tagungen fand bisher nur in besonderen Arbeitskreisen mit den »zuverlässigsten« KSG-Mitgliedern statt. Diese Arbeitskreise umfassen nur 20 % der KSG-Angehörigen.

Die ESG hat zurzeit in der DDR 29 Studentengemeinden. Sie wird vom Vertrauensrat der ESG (Sitz Stuttgart) und dem »Beirat Ost« geleitet. Das organisatorische Zentrum für die DDR ist die Geschäftsstelle der ESG in Berlin C 2, Bischofstr. 6–8.

Die Maßnahmen der ESG zielen auf eine Legalisierung ihrer Arbeit und eine Erweiterung ihres Einflusses hin. Sie versucht, die Studenten ideologisch zu beeinflussen.

Die Hauptangriffspunkte sind:

  • Ablehnung des Sozialismus wegen seines atheistischen Charakters,

  • Auftreten gegen die Jugendweihe,

  • Militärische Ausbildung wird aus pazifistischen Gründen abgelehnt.

Dies geht Hand in Hand mit einer Verherrlichung des Westens. Aktive Gruppen der ESG arbeiten in Jena, Leipzig, Genthin, Halle, Greifswald, Dresden und Rostock.

Neben der Tätigkeit der evangelischen und der katholischen Kirche zur Beeinflussung der Jugend gibt es auch bestimmte Anzeichen für eine aktive Jugendarbeit der Sekten.

So gründete z. B. in Borna die Neuapostolische Gemeinde einen Chor, dem über 50 Jugendliche angehören.

Im demokratischen Berlin ist ebenfalls eine Aktivität der Neuapostolischen Kirche und der Baptisten (evangelisch Freikirchliche Gemeinden) zu verzeichnen, zum Beispiel bestehen hier 14 Jugendgruppen der Baptisten mit ca. 240 ständigen Besuchern.

In Rothenburg, Kreis Niesky sind innerhalb einer Konzentration von »Zeugen Jehovas« 20 % Jugendliche.

II. Auswirkungen der politisch-ideologischen Diversion

1. Film- und Starclubs

Gegenwärtig existieren in der Westzone ca. 1 000 Film- und Starclubs, organisiert und finanziert durch Großverlage, Schallplatten- und Filmkonzerne, durch Monopolvereinigungen in der Bekleidungs- und Genussmittelindustrie. Jeder dieser Clubs hat noch eine Vielzahl von Filialen in der Westzone und in der DDR, zum Beispiel:

  • der Freddy-Quinn-Club (115 Filialen),

  • der Peter-Kraus-Club (110 Filialen),

  • der Catarina-Valente-Club (75 Filialen) usw.

Insgesamt gehören ca. 100 000 Jugendliche aus der Westzone und der DDR diesen Clubs an. Im Mittelpunkt dieser Clubs steht die schwärmerische Verehrung von Stars von Funk und Film. Diese Leute werden zum Vorbild der Jugendlichen gemacht, in deren Augen sie ein abwechslungsreiches und müheloses Leben führen. Den Jugendlichen wird vorgegaukelt, auch sie könnten einmal dieses Ziel erreichen, allerdings nur »im freien Westen«. Diese Stars werden als typisches Beispiel für die »Entwicklungsmöglichkeiten« jedes Jugendlichen im kapitalistischen System hingestellt und die Arbeit des Starclubs liefert ein völlig verzerrtes Bild der wirklichen Verhältnisse. Weit größer als die Zahl der Jugendlichen aus der DDR, die diesen Clubs illegal angehören, ist die Zahl der Autogrammwünsche, die zu den Clubs nach der Westzone gehen.

Zum Beispiel fielen in einem Monat in einem Bezirk über 5 000 Schreiben von und an westdeutsche Clubs und Rundfunkstationen an.

Die Dachorganisation der Clubs in der Westzone ist die »Union der Film- und Starclubs« Frankfurt/M., Rembrandstr. 14. Die UdFC wird von dem Kakao- und Schokoladenkonzern »Kwatta« Köln organisiert und finanziert. Durch die UdFC wird eine Zeitschrift: »Das Filmautogramm« herausgegeben, in der eine Kontaktrichtlinie über die Arbeit nach dem Osten veröffentlicht wurde. Sie trägt den Titel: »Die Fans in der Zone« und fordert eine moralische und materielle Unterstützung für die DDR-Jugend durch die bestehenden Clubs. In der Richtlinie wird auf die besondere Bedeutung der Clubarbeit hingewiesen:

»….. Das Leben in der Zone ist nicht leicht. Oft sind die Star-Clubs die einzige Verbindung für die Jugendlichen drüben«.

Es sind Hinweise in ihr enthalten, wie diese Unterstützung aussehen muss, wie man am besten die Beschlagnahme von Sendungen vermeidet bzw. Mitglieder in der DDR abdeckt. Zur Anlockung der Jugendlichen setzt die UdFC jährlich »Teenagerpreise« für die beiden Schauspieler aus, die diesen Typ am besten verkörpern. – Hierzu werden an jedes Clubmitglied (auch in der DDR) Karten verschickt, die gleichzeitig mit einem »Preisausschreiben« für die Kwatta-Schokolade gekoppelt sind. (Mit Preisen bis 500 DM/BdL).

Diese Preisausschreiben sind primitiv gehalten, um eine möglichst große Teilnehmerzahl anzulocken, z. B. galt es beim letzten Wettbewerb 1960 einen Namen für ein dargestelltes Kätzchen auszudenken und einzuschicken.

Die meisten in der Westzone bestehenden Clubs, die Mitglieder oder Filialen in der DDR besitzen, haben Beitragsfreiheit für »Ostmitglieder« ausgeschrieben, beliefern diese aber ständig mit Clubrundschreiben, Starfotos und anderen Materialien. Zum Beispiel:

  • Die Clubs »Oliver-Grimm-Club«, Stuttgart (Oliver-Grimm ist ein ca. 8-jähriges Filmkind, Mitglieder aus der DDR brauchen ebenfalls keinen Beitrag zahlen, müssen aber DDR-Geld im Brief, Kurs 1:4,4 für Starfotos schicken.),

  • »Internationaler Erica-Beer-Club«, München (viele Vergünstigungen: wir haben viele DDR-Mitglieder, bitte Ostbriefmarken),

  • »Peter Alexander-Club« (DDR-Mitglieder brauchen keinen Beitrag) usw.

Diese Westclubs führen in der Regel Mitgliedskarteien und haben feste Ausweise. Zum Teil führen sie Paketaktionen für Jugendliche in der DDR durch, z. B. der »Peter-Kraus-Zentralclub«, der über 200 Zweigstellen hat. Ähnlich tritt auch der »Teenager Club 17« in Erscheinung.

»Der Rudolf-Lenz-Club«, München, (60 Zweigstellen) sammelte während der Ungarnereignisse Geld und Pakete für die Unterstützung der ungarischen Konterrevolutionäre. An die DDR-Mitglieder werden umfangreiche Fragebogen verschickt, die Westclubs erhalten dadurch Personalien, politische Einstellung, Fotos von Jugendlichen der DDR, die für eine ideologische Beeinflussung zumindest empfänglich sind.

Oft schreiben Jugendliche aus der DDR in verleumderischer Form an Westclubs über unseren Staat, sie könnten hier keine Westfilme sehen und Westzeitungen bekommen, sie erbieten sich, für den Westclub anstelle des Mitgliedsbeitrages Arbeiten durchzuführen, u. Ä. Damit erhält der Gegner in der Westzone auch Materialien in die Hände, die von den verschiedenen Geheimdiensten als Ansatzpunkte für Werbungen verwendet werden können.

Die Werbung von DDR-Mitgliedern hat auch noch einen anderen Hindergrund. Es sollen bestimmte Bedürfnisse z. B. nach Westfilmen und Westschlagern in der DDR geschaffen werden – einmal um die Jugendlichen ideologisch aufzuweichen, zum anderen, um auch hier Ansatz- und Gewinnmöglichkeiten für diese billigen Produkte zu schaffen. Bei den Jugendlichen soll der Eindruck erweckt werden, sie müssten sonst etwas entbehren. Deutlich kommt dies z. B. in einem Brief des Leiters des »Romy-Schneider-Zentralclubs« an ein Rostocker Mitglied zum Ausdruck:

»Wenn Sie mir schreiben, geben Sie bitte immer die Kennziffer 759 an, dann finde ich Ihre Post sofort … Wenn Sie weiterhin mit dem Club Verbindung halten wollen, wenden Sie sich einfach von Zeit zu Zeit an uns. Teilen Sie uns Ihr Geburtsdatum dann bitte noch mit. Für unser Clubalbum würden wir auch die Übersendung eines Bildchens von Ihnen begrüßen …«

In einem anderen Brief schreibt der gleiche Herr, vieles was man in der »Ostzone« über Romy Schneider höre, seien »üble Gerüchte«.

Bei den meisten Clubgründungen in der Westzone stecken sehr reale Profit- und Geschäftsinteressen dahinter. Die großen Film- und Schallplatten-Konzerne, Firmen auf dem Gebiete der Bekleidungs- und Genussmittelindustrie rufen derartige Clubs ins Leben, um die falsch geleiteten Begeisterungen und Ideale der Jugendlichen in sehr reale Westmark zu verwandeln, denn jedes Clubmitglied bedeutet einen verkauften Platz bei Filmen bzw. eine verkaufte Schallplatte mit dem entsprechenden Star.

Der Geschäftscharakter dieser Clubbildungen wird auch von der Westpresse nicht abgeleugnet und ab und zu bloßgestellt. Den Jugendlichen wird die Möglichkeit eines Entdeckt-Werdens und einer Laufbahn bei Film und Funk vorgegaukelt, man spekuliert mit den Hoffnungen der Jugendlichen und wirbt junge DDR-Bürger ab.

So erhielten z. B. DDR-Mitglieder von Starclubs vor einiger Zeit Schreiben, in denen ihnen eine glänzende Karriere bei Bühne, Funk, Film und Fernsehen versprochen wurde. Es heißt darin u. a.:

»… Wir wenden uns heute an Sie, weil wir glauben, dass gerade Sie als Mitglied eines Starclubs Interesse und Begabung für eine künstlerische Laufbahn besitzen … ja, wir gehen sogar so weit, dass wir besonders fördernswerten Talenten eine kostenlose Aus- und Weiterbildung bieten …Wir wollen Ihnen noch Mitteilung machen, dass ein Film geplant ist, bei dem Drehbuchautoren, technisches Personal, Regisseure, Darsteller usw. ausschließlich Nachwuchskräfte sein sollen. Allein hierfür werden noch einige hundert Mitwirkende aller Sparten gesucht (auch Tänzer, Sänger, Artisten usw.). Wenn Sie an der Mitwirkung in diesem Film Interesse haben und Sie sich noch rechtzeitig zu Probeaufnahmen melden, besteht bis jetzt noch die Möglichkeit, Sie in diesem Film unterzubringen …«

Der [Name 1] aus Salzgitter, der dieses Rundschreiben verschickt, teilte auch mit, woher er die Adressen der Angeschriebenen hatte: »Durch ihre Clubleitung haben wir Ihre Adresse erfahren.«

Eine besondere Rolle im schmutzigen Clubgeschäft, das auf die Jugend der DDR spekuliert, spielt die Frontstadt Westberlin. Hier konzentrieren sich die westlichen Clubs, die nach DDR-Mitgliedern fischen. Nahezu jeder größere westdeutsche Club hat eine Filiale in Westberlin, die seine Ostarbeit wesentlich erleichtert. Hinzu kommen noch bestimmte zentrale Vereinigungen, wie:

  • »Internationale Zentrale«, [Name 2], Berlin-Neukölln, [Straße, Nr.], (umfasst den »Peter-Alexander-Club«, den »Marien-Ried15-Club« und den »Claude-Farell-Club«),

  • der »Club C 18« (der mit dem RIAS zusammenarbeitet),

  • der westdeutsche »Vico-Torriani-Club« hat sogar im demokratischen Berlin eine sehr gut organisierte Filiale geschaffen.

  • Durch die aktive Ostarbeit gelang es dem westdeutschen Zentralclub, sogar in der SU eine Zweigstelle einzurichten ([Name 3], Ventspils, Lett. SSR).

  • Der Leiter des Berliner Clubs, der Postangestellte, [Initialien], Baumschulenweg, forderte von Neuaufgenommenen Personalien, Beruf, Arbeitsstelle, Organisationen, 2 Passbilder, usw.

Neben den illegalen Filialen von Westclubs in der DDR haben sich nach westlichem Vorbild, beeinflusst von Westfernsehen und -rundfunk und Schundliteratur selbstständige Clubs gebildet. In verschiedenen Bezirken entstanden Rock and Roll16-Clubs, Teenager-Clubs u. a.

In Rostock bildete sich z. B. eine »Vereinigung deutscher Halbstarker«,17 ein Club, der nach eigenen Angaben 93 Mitglieder umfasst. Die Angehörigen der Clubs sind politisch desinteressiert, hören Westsender und haben kein Interesse für gesellschaftliche Ereignisse. Typisch für die meisten Clubmitglieder in der DDR ist, dass sie neben ihren Briefverbindungen nach der Westzone, nach Westberlin fahren, um dort Bekleidungsgegenstände, Schallplatten und Schundliteratur zu kaufen. Der andere Teil des Materials wird auf dem Post- und Besuchsweg von der Westzone her eingeschleust. Die Clubs konzentrieren sich besonders auf Oberschulen, Fachschulen und andere Ausbildungsstätten. Bei den Mitgliedern handelt es sich in erster Linie um Kinder aus den Kreisen der Intelligenz und der Angestellten, die die dominierende Rolle spielen, aber es gibt auch eine ganze Anzahl von Arbeiterkindern darunter.

Im Jahre 1960 wurden allein im Bezirk Schwerin folgende Filialen von West-Clubs und »eigene« Clubbildungen zerschlagen:

  • »Mambo-Club« in Kremmin,

  • »Gus-Backus-Club« in Dömitz,

  • »Charly-Brown-Club« in Vellahn,

  • »Pflaumenkuchen-Club« in Boizenburg,

  • »Club der Matadore« in Goldberg,

  • »Ted-Herold-Club« in Schwaan,

  • »Hitze-Boy-Club« in Bützow,

  • »Film-Star-Club« in Perleberg.

In Rostock besteht ein 25-köpfiger »Caterina-Valente-Silvio-Francesco-Club«, der auch Mitglieder in anderen Bezirken der DDR hat. Vom Hauptclub in Mannheim wird Anleitung gegeben und Material zugeschickt. Die Rostocker Clubmitglieder geben sogar eine monatliche Clubzeitung heraus.

Ein Beispiel für die Auswirkungen dieser Clubs: An der Oberschule Pößneck besteht ein »Gaby-Club«. Die beiden Leiterinnen sind Schülerinnen, deren schulische Leistungen absinken. Bei politischen Auseinandersetzungen diskutieren sie negativ. Sie unterhalten Verbindungen zu zwei Westclubs.

Die Vergangenheit zeigte aber, dass sich auch aus den Clubs staatsfeindliche Gruppierungen entwickeln können, bzw. dass Clubs Ausgangspunkte für negative Handlungen waren. Zum Beispiel:

  • der »Ted-Herold-Club« in Schwaan stellte sich die Aufgabe, Waggonbeschädigungen bei der Reichsbahn durchzuführen, Unruhe zu stiften und Schlägereien zu provozieren.

  • In Strausberg versuchten die Mitglieder eines anderen »Herold-Clubs« im Dezember 1960 eine Provokation durchzuführen, die sich gegen fortschrittliche Lehrer und Schüler richtete. Die Eltern dieser Club-Mitglieder waren größtenteils Genossen.

  • Mitglieder des »Elvis-Presley-Clubs« in Lübbenau begingen den 17. Juni als »Staatsfeiertag«.

Außer den Film- und Starclubs bestehen in der DDR zahlreiche Gruppierungen Jugendlicher, die im Besitz von Mopeds und Krädern sind und die meist durch überhöhte Geschwindigkeiten, ruhestörenden Lärm u. Ä. in Erscheinung treten. Diese Jugendlichen bezeichnen sich meist selbst als »Jawa« – »Awo« und »Hugo« (-Leichtsinn)-Clubs. Oft fallen diese Jugendlichen durch westliche Bekleidung und durch Fahrten nach Westberlin auf. In ihrer Zusammensetzung sind sie von den Film- und Starclubs grundsätzlich verschieden.

Eine Zusammenfassung und Gegenüberstellung zeigte, dass bei Film- und Starclubs stärker politisch-negative Momente, als bei den Motorrad-Clubs in Erscheinung traten.

2. Gruppenbildung, Rowdytum, Jugendkriminalität

Im Jahre 1960 wurden bei der Bekämpfung des Rowdytums und der Jugendkriminalität dank der koordinierten Arbeit vom MfS, VP und gesellschaftlichen Organisationen gute Erfolge erzielt. Insgesamt konnte ein wesentlicher Rückgang der Jungkriminalität erreicht werden. So waren:

  • 1959 17 265,

  • 1960 13 587 jugendliche Täter zu verzeichnen.

Auch der Anteil der Jugendlichen an der Gesamtkriminalität ging von 15,5 auf 13,7 % zurück. Gegenwärtig entfallen auf je 100 000 jugendliche Einwohner 1 527 jugendliche Täter. Über diesem Durchschnitt lagen im Jahre 1959 die Bezirke Berlin, Frankfurt, Leipzig, Halle, Potsdam, Karl-Marx-Stadt, Cottbus.

Als wesentlich erscheint, dass 49,6 % der jugendlichen Täter das Ziel der Grundschule nicht erreicht haben. Das bedeutet, dass eine verstärkte Erziehungsarbeit mit dieser Personenkategorie notwendig ist, die bereits in der Schule bei der Frage der Betreuung der Sitzenbleiber beginnt.

In der Mehrzahl sind die straffälligen Jugendlichen gute Arbeiter und stammen auch aus der Arbeiterklasse. Sie verursachen den Schaden nicht aus Klassenfeindschaft, sondern, weil sie ungenügend politisch ideologisch erzogen wurden und damit leichter feindlichen Einflüssen zum Opfer fielen. Gegenwärtig bestehen in der DDR (nach unvollständigen Angaben) ca. 460 Banden, Meuten und Clubs von Jugendlichen, die ca. 4 500 Personen umfassen. Die Zahlen sind niedrig angesetzt und beziehen sich nur auf konkret berichtete Materialien.

Die Untersuchung der meisten Straftaten ergab eine Beeinflussung durch Schundliteratur und Filme. Zum Beispiel:

  • Eine jugendliche Meute, die die Angehörigen eines Jugendwerkhofes überfallen und zusammengeschlagen hatte (Wittenberg), stand unter der Leitung eines »Häuptlings«. In seiner Wohnung wurde eine große Anzahl von Westschmökern gefunden.

  • In Rostock wurde eine 43-köpfige »3-Punkt-Bande« zerschlagen, die nach dem Vorbild westlicher Gangsterbanden bestimmte Markierungen und Erkennungszeichen vereinbart hatte.

  • Eine 20-köpfige Gruppe von Rowdys, die sich ständig Schundliteratur aus Westberlin besorgt, demolierte in Finow das FDJ-Heim.

  • Eine Gruppe von Jugendlichen vom Fernmeldeamt Frankfurt/O. zeigte sich begeistert vom ständigen Kinobesuch in Westberlin. Die Jugendlichen beabsichtigten, Verbindung zu alten SS-Leuten herzustellen.

Ähnliche Beispiele gibt es in Radebeul, Neunhofen, Greiz-Uschwitz, Pößneck, usw.

Eine neue Methode der gegnerischen Tätigkeit trat im Jahre 1960 verstärkt in Erscheinung.

Das Hervorrufen von Provokationen von Jugendlichen bei großen Menschenkonzentrationen, zum Beispiel auf Rummelplätzen, bei Pressefesten, bei Sportveranstaltungen u. Ä.

Beispiele hierfür bieten die Provokationen beim Schlossteichfest in Karl-Marx-Stadt, auf dem Fučik-Platz in Dresden, beim Oktoberfest in Wittenberg, beim Pressefest in Cottbus, auf den Sportplätzen in Halle u. a.

Konzentrationspunkte für jugendliche Banden und Gruppen sind meist Bahnhöfe, Gaststätten, Plätze, Parks. Kein geringer Teil von Vorkommnissen, bei denen Jugendliche negativ in Erscheinung treten, erfolgt unter Alkoholeinwirkung.

In den letzten Monaten 1960 trat noch eine andere Erscheinung in verschiedenen Orten, und nach den bisherigen Ergebnissen, unabhängig voneinander auf: die Verwendung der Bezeichnung »Rote Hand« und das Versenden von Drohbriefen mit dieser Unterschrift.

Anscheinend wurde die Phantasie der Jugendlichen durch die Berichterstattung unserer Presse, über die Terrororganisation und das Fernsehspiel »Die Flucht aus der Hölle« hierzu angeregt. Beispiele für dieses Auftreten:

  • An der polytechnischen Oberschule in Eisleben erhielt ein aktiver Junger Pionier einen Drohbrief mit dem Absender »Rote Hand«. Der Täter war ein Mitschüler.

  • In Köthen erhielt ein Genosse einen Drohbrief mit einer Morddrohung der »Roten Hand«, falls er nicht DM 20,00 an einer bestimmten Stelle hinterlegen würde.

  • In Naumburg wurden im November 1960 selbstgefertigte Hetzzettel verbreitet, die mit einer roten Hand gekennzeichnet waren.

  • Eine Gruppe von 20 Jugendlichen in Pirna schloss sich zu einer Bande »Rote Hand« zusammen, deren Ziel es ist, Versammlungen der FDJ zu stören; bisher konnte ein Rückkehrer als Mitglied festgestellt werden.

Eine Analysierung derartiger staatsfeindlicher Gruppierungen zeigt, dass es sich in der Mehrzahl um Jugendliche handelt, die durch negative Beeinflussung über Westrundfunk, Literatur und Erwachsene, durch alte faschistische Literatur (die die Eltern gedankenlos aufbewahrt hatten) zu ihren Auffassungen gekommen waren. Dazu kommt in bestimmten Fällen das Bestreben nach dem Besitz von Geld (das sie nach staatsfeindlichen Handlungen von westdeutschen Stellen zu erhalten hofften), ferner spielen ein Streben nach Abenteuer und falsch verstandener Romantik eine Rolle. Das bedeutet, dass die meisten Jugendlichen die volle Bedeutung und die Tragweite ihrer feindlichen Handlungen gar nicht abschätzen können. Das mindert aber nicht die Gesellschaftsgefährlichkeit der feindlichen Aktionen, denn es ist im Ergebnis gleich, ob zum Beispiel ein Diversionsschaden von einigen Zehntausend Mark durch einen Erzfaschisten oder durch einen von der westlichen Propaganda irregeleiteten Jugendlichen hervorgerufen wurde: unsere sozialistische Gesellschaftsordnung wurde geschädigt.

Die unterschiedliche Wertung setzt erst bei der Bestrafung der Täter und der Wertung ihrer Motive und Quellen ihres Handelns ein.

Immer wieder ist feststellbar, dass zur Verhetzung der Jugendlichen, im wesentlichen Maße die Schundliteratur, Westrundfunk und die anderen bereits aufgezeigten Formen der politisch ideologischen Diversion beigetragen haben.

4. Republikfluchten18

Eine Auswirkung der ideologischen Diversion des Gegners auf die Jugend können wir unmittelbar bei den Republikfluchten erkennen.

Die Star-Clubs rufen bei vielen die Vorstellung von einem herrlichen Leben im Westen hervor und verleiten dadurch unmittelbar zur Republikflucht. Hinzu kommen eindeutige Abwerbemethoden, wie zum Beispiel:

  • Materialien eines »Künstler-Arbeitskreises«, die sich »An alle Star-Clubmitglieder« wenden und ihnen eine Karriere bei Film, Bühne, Funk oder Fernsehen versprechen.

  • Ein aus dem Kreis Angermünde nach Westberlin geflüchteter Jugendlicher wurde mit dem Auftrag zurückgeschickt, Abwerbungen durchzuführen, wobei er für jede Person 10,00 DM (West) erhielt. Insgesamt verleitete er vier DDR-Bürger zur Republikflucht.

  • In Leipzig versuchte der Westrückkehrer Sperling, Jugendliche zur Republikflucht zu bewegen.

  • In Magdeburg organisierten zwei jugendliche Rückkehrer, die erst seit Dezember 1960 und Januar 1961 wieder in der DDR waren, die Republikflucht von fünf weiteren Jugendlichen.

  • Der Rückkehrer Hoffmann aus Torgau beeinflusste die meisten Angehörigen einer 32 Mann starken Rowdygruppe so, dass sie beschlossen, die DDR zu verlassen und sich in Westberlin wiederzutreffen.

1960 ist die Zahl der republikflüchtigen Jugendlichen gegenüber dem Vorjahr leicht angestiegen, was uns verpflichtet, die gesamte Arbeit zur Bekämpfung der Republikfluchten entscheidend zu verstärken.

Die Gründe sind verschiedener Art: Ideologische Beeinflussung durch den Gegner, Abenteuerlust, Fehler in der Erziehung, die Furcht vor Strafe, ein Mitgehen mit republikflüchtigen Eltern, falsche Methoden bei der NVA-Werbung, Abwerbung direkt durch den Feind.

Letzten Endes aber wurzelt jedes Verlassen unserer Republik in einem noch ungenügenden Vertrauen zu unserem Staat, d. h., wir haben es nicht verstanden, diese Jugendlichen von den Perspektiven des Sozialismus zu überzeugen. Die DDR erleidet einen moralischen Schaden, die Erfüllung unserer ökonomischen Aufgaben wird verzögert und der Militarismus in der Westzone erhält ein größeres Menschenpotential.

Kein geringer Teil der republikflüchtigen Jugendlichen kommt aus Familienverhältnissen, bei denen die Eltern positiv zu unserem Staat stehen, aber sich nicht genügend um die Kinder kümmern.

Zum Beispiel wurden bei dem erwähnten »Ted-Herold-Club« in Strausberg, Jugendliche nach dem Scheitern ihrer Provokation republikflüchtig. Der Vater des einen Jungen war Vertragsarzt bei der VP, der Vater des anderen Dozent an der ABF Berlin. Das zeigt, dass verschiedene Eltern, die aktiv am Aufbau des Sozialismus mitarbeiten, ihre Kinder nur ungenügend erziehen und nicht den richtigen Kontakt finden. – Bei einer Republikflucht sind sie dann überrascht und erschreckt.

Der Anteil der alleinstehenden Jugendlichen an der Gesamtzahl der Republikflucht ist groß.

So sind 1960 von der Gesamtzahl der Republikflüchtigen ca. 50 % ohne ihre Eltern republikflüchtig geworden.

Die meisten dieser Jugendlichen verlieren aber bald ihre Illusionen. So schreibt z. B. die Zeitschrift des Bundesjugendringes »Deutsche Jungend« u. a.: »… Damit wird für viele gerade die Seite des goldenen Westens zum großen Ärgernis, die vorher die größte Anziehungskraft ausgeübt hatte. Sie müssen die Unerfahrenheit im Spiel von Werbung und Angebot mit teuerem Lehrgeld bezahlen … Diese Enttäuschung zerstören radikal alle Illusionen, die sich der Jugendliche vor der Flucht nach dem Westen gemacht hat. Er wird verbittert und verschlossen und kommt auf gefährliche Gedanken. In diesem verbitterten Zustand erinnert er sich nur zu leicht der politischen Thesen, wie er sie drüben durch Schulung eingetrichtert bekam. Wurde die kapitalistische Gesellschaftsordnung nicht genauso dargestellt, wie er sie jetzt am eigenen Leibe erlebt? Was hat er von den vielgepriesenen Freiheiten des Westens, wenn sie jeder nur zu seinem Vorteil braucht? Der Jugendliche … beginnt seinen Schritt nach dem Westen zu bereuen. Nun bedarf es nur noch des äußeren Anstoßes zur Kurzschlusshandlung, die in die Zone zurück oder in die nächste Apotheke zum Kauf von Schlaftabletten führt«.

Dieses Eingeständnis zeigt die Notwendigkeit, jugendliche Republikflüchtige in einem stärkeren Maße als bisher durch Eltern, Verwandte, Arbeitskollegen, gesellschaftliche Organisationen u. a. und mit dem Mittel der op. Arbeit zu einer Rückkehr in die DDR zu bewegen.

Das »freimütige« Geständnis zeigt aber noch etwas anderes: Dass man gegenwärtig in der Westzone erkannt hat, in welchem Maße die Anziehungskraft der DDR steigt und die Erziehung eines Jugendlichen in unserem Staat auch nach dessen Republikflucht noch wirkt, dass jugendliche Republikflüchtige die Verhältnisse in der Westzone kritischer einschätzen und viele zu einer Rückkehr bereit sind.

Aus diesem Grunde setzte in den letzten Monaten eine verstärkte Kampagne um die Betreuung jugendlicher Republikflüchtiger ein (z. B. in Presse und Fernsehen).

Das Ziel war, alle Institutionen der Westzone für eine verstärkte Aktivität mit zu gewinnen, jugendliche Republikflüchtige auch nach dem Lager durch Organisationen, Kirche u. a. zu »betreuen«, um sie an der Rückkehr in die DDR zu hindern.

III. Mängel in der Arbeit mit der Jugend

1. Die Verwirklichung des Gesetzes zur Förderung der Jugend

Die rasche Verwirklichung der Forderungen des Kommuniqués zu Problemen der Jugend verlangt eine schnelle Beseitigung vorhandener Schwierigkeiten, die sich aus einer ungenügenden Arbeit der örtlichen Staatsorgane und Volksvertretungen ergeben. Bei einem Großteil von Mitarbeitern der örtlichen Staatsorgane wurden die Probleme der Jugend unterschätzt, es kam zu sektiererischen Auffassungen, die nicht der Linie der Partei entsprechen.

  • So äußerte z. B. der Bürgermeister von Brachstedt, Saalkreis, als er über die Förderung der Jugend seiner Gemeinde befragt wurde: »Ich bin doch kein Handwerksbursche, dass ich hinter jedem Lausejungen herlaufe«.

  • Der Bürgermeister von Serbitz betrachtete die Aufstellung eines Jugendförderungsplanes als unnötig, da die Jugendlichen sowieso in die Betriebe zur Arbeit gingen.

  • Der Bürgermeister von Wilchwitz erklärte, die Jugend bekäme keinen Förderungsplan. Er habe gar nicht gewusst, dass in seinem Dorfe eine FDJ-Gruppe existiere und das Geld, das dieser von staatlicher Seite aus zustehen, brauche er für den Straßenbau usw.

Aufgrund derartiger falscher Einstellungen kam es im gesamten Gebiet der DDR bis zum Kommuniqué des Politbüros nur sehr mangelhaft zum Aufstellen von Jugendförderungsplänen, bzw. vorhandene Pläne sahen zum Teil nur formal aus und wurden auch so verwirklicht. Besonders krass trat dies in den ländlichen Gemeinden hervor.

  • Im Jahre 1960 wurden in 133 Gemeinden des Bezirkes Halle keine Förderungspläne aufgestellt.

  • Für 1961 fehlten am 8.2.1961 noch 380 Pläne von Gemeinden. In den 437 LPG des Bezirkes existieren 97 Förderungspläne.

  • In Groß-Berlin waren 784 Pläne aufzustellen. Davon waren bis Februar 1961 erst 300 ausgearbeitet und 50 beschlossen.

  • Im Bezirk Erfurt waren erst 41,1 % der Förderungspläne aufgestellt. Auch hier zeigt die Statistik ein Zurückbleiben der Landwirtschaft, insbes. in den ländlichen Gemeinden und in den LPG.

In einigen anderen Bezirken und Kreisen gibt es ähnliche Beispiele. Teilweise kam es sogar vor, dass die Pläne von Bürgermeistern am »grünen Tisch« erarbeitet wurden, ohne dass die Jugendlichen befragt wurden. Oder, dass die für die Jugendförderung bereitgestellten Mittel nur ungenügend ausgenutzt werden.

In vielen Betrieben erscheinen die Jugendförderungspläne nur als Anhängsel der Betriebskollektivverträge, und es gibt keine konsequente Verwirklichung der Pläne. Letzteres trifft zu auf einige Großbetriebe des Bezirkes Rostock. Mängel gibt es auch in der Förderung und dem zweckmäßigen Einsatz von Jung-Ingenieuren. Oft werden von den Kaderabteilungen keine Gespräch mit ihnen über ihre Perspektive geführt, sie werden in die Produktionsabteilungen der Betriebe abgeschoben, während die Projektierungen und Konstruktionsabteilungen mit alten Kräften besetzt bleiben (z. B. Peenewerft Wolgast).

Ein anderes Problem ist die ungenügende Bereitstellung von Räumlichkeiten für die Jugendarbeit durch die örtlichen Organe, die Zweckentfremdung von Jugendräumen und eine mangelhafte Arbeit verschiedener Klubheime. Auch hier spielen – neben objektiven Schwierigkeiten – die ideologischen Unklarheiten über Probleme der Jugend bei einzelnen Funktionären eine Rolle.

Gründe für die schlechte Arbeit von Jugendheimen liegen wiederum häufig in einer ungenügenden politisch-ideologischen Qualifizierung der Verantwortlichen, in einem sektiererischen Herangehen u. a. Beispiele:

  • Im Bezirk Cottbus gab es Ende 1960 in 325 Gemeinden und Städten keine bzw. zweckentfremdete Jugendräume, die in Abstellräume, Lagerräume und Kindergärten umgewandet worden waren.

  • Im Kreis Bad Salzungen, vor allem im Grenzgebiet, sind 31 Jugendzimmer zweckentfremdet.

  • In vielen Gemeinden des Bezirkes Erfurt fehlen Jugendzimmer, z. B. im Kreis Eisenach 44, die bis Ende 1960 fertig eingerichtet werden sollten. Das Kreisklubhaus der Jugend in Eisenach ist gegenwärtig von einer HO-Imbissstube (bis 19 Uhr geöffnet), einem Kindergarten und einer weiteren Institution belegt.

  • Das FDJ-Heim in Polkenberg, Kreis Döbeln, das sich die Jugendlichen selbst geschaffen haben, wurde aufgelöst. Die Räume benutzt jetzt der Bürgermeister als Wohnung.

Ähnliche Beispiele gibt es im Bezirk Karl-Marx-Stadt, Potsdam, Leipzig, Frankfurt, Dresden, Halle und Gera.

In vielen Fällen wird die Initiative der Jugendlichen durch die örtlichen Staatsorgane gebremst, und oft ist man schnell dabei, Raumschwierigkeiten des Handels und anderer Institutionen auf Kosten der Jugendeinrichtungen zu lösen.

Bei vorhandenen Jugendklubhäusern wird häufig eine ungenügende Arbeit geleistet. Veranstaltungen sind zu eintönig und uninteressant. Es mangelt an qualifizierten Heimleitern, oft sind Jugendheime wegen kleinerer Anlässe längere Zeit geschlossen.

  • Die Veranstaltungen des Jugendklubhauses Riesa haben nur niedriges Niveau, dafür werden aber hohe Eintrittspreise verlangt.

  • Das FDJ-Klubhaus in Eichwalde, Bezirk Potsdam, ist nicht ausgelastet, da die Leitung nicht versteht, ein Jugendleben zu organisieren und Veranstaltungen zu planen.

  • In Berlin sind eine Anzahl von Klubheimen geschlossen, da keine qualifizierten Kader vorhanden sind, z. B. in Friedrichshain von vier Klubs zwei, in Lichtenberg von zehn Klubs fünf, u. a. Beispiele.

Die Arbeit der Jugendkommissionen der Volksvertretungen

Insgesamt muss eingeschätzt werden, dass eine ganze Anzahl von Kommissionen für Jugendfragen und Jugendschutz in der Vergangenheit eine ungenügende Arbeit leisteten, d. h., es mangelte an Aktivität, an regelmäßigen Arbeitsbesprechungen, an einer koordinierten Arbeit und an der Verbindung zu den untergeordneten Kommissionen in den Kreisen und örtlichen Volksvertretungen. Zum Teil erfolgte auch eine routinemäßige Auslegung und Anwendung der Jugendförderungspläne. Die Bezirkskommission für Jugendfragen in Halle hatte nur eine lose Verbindung zu den Kommissionen der Kreistage und Gemeinden. Die Arbeitsergebnisse aller Kommissionen waren ungenügend. Ähnliche Beispiele gibt es in den Bezirken Gera, Magdeburg, Erfurt, Frankfurt/O.

2. Die Arbeit der Massenorganisationen

Das Kommuniqué des Politbüros der SED zu den Fragen der Jugend stellt in den Mittelpunkt, dass Erziehung der Jugend nicht nur allein die Aufgabe der FDJ und anderen Institutionen sein kann, die sich unmittelbar mit der Erziehung der Jugend befassen, sondern, dass auch alle Massenorganisationen, deren Mitgliedschaft sich zu einem großen Teil aus Jugendlichen zusammensetzt, eine große Verantwortung tragen. Eine starke Kritik wird an der bisherigen Unterstützung und Förderung durch die Gewerkschaft geübt.

Häufig wurden Jugendprobleme in den Betrieben von der Gewerkschaft nicht erkannt, es erfolgte eine Gängelei und Bevormundung der Jugendlichen.

Hinzu kommt eine ungenügende Zusammenarbeit mit der FDJ. Es war die Ideologie verbreitet, die Jugenderziehung der FDJ zu überlassen. Trotz meist guter Anleitung durch Parteileitungen beachteten die Gewerkschaftsfunktionäre die Probleme der Jugend zu wenig.

  • So wurde z. B. in Berlin der Beschluss, in den Jugendbrigaden FDJ-Gruppen zu schaffen, nicht konsequent verwirklicht. In Köpenick gibt es erst 32 FDJ-Gruppen in den 97 Jugendbrigaden. Ein positives Ergebnis ist, dass in Berlin 78,4 % aller Jugendbrigaden um den Titel »Brigade der sozialistischen Arbeit« kämpfen. Es zeigt sich aber, dass insbesondere in Klein- und Mittelbetrieben eine Stagnation bei der Bildung und im Inhalt der sozialistischen Brigaden eingetreten ist. In Weissensee ging die Zahl der Jugendbrigaden sogar von 62 auf 47 zurück.

  • Bei der Vorbereitung der Verbandswahlen der FDJ wurde der BGL-Vorsitzende im VEB Niesky um Unterstützung gebeten. Er erklärte hierzu: »Die Jugendlichen sollen erst einmal richtige Gewerkschafter werden, dann können sie auch etwas für die FDJ leisten«.

  • Aus einer Einschätzung des MfS – Magdeburg – geht hervor, dass Probleme der Jugend in der Arbeit der Gewerkschaft zu wenig Berücksichtigung finden. Die Gewerkschafter stützen sich in erster Linie auf ältere Kollegen. Im VEB Messgeräte und Armaturenwerk »Karl-Marx« kümmerten sich die BGL-Mitglieder nicht um die Jugendbrigade »Aktivist« und überließen sie ihren Schwierigkeiten. Als diese dann aber überwunden waren und Presse und Rundfunk sich mit den Erfolgen der Jugendbrigade beschäftigten, wurde auch die BGL auf die Brigade aufmerksam.

Die Gewerkschaftsleitungen verstehen es oft noch nicht, die gesamte Arbeiterklasse für die sozialistische Erziehung zu mobilisieren. Vielfach werden straffällige Jugendliche aus den Betrieben entlassen, statt dass der Versuch gemacht wird, sie in ihrem Arbeitskollektiv zu erziehen. Man scheut in den Betrieben noch davor zurück, Verantwortung an junge Menschen zu übertragen, obwohl ein Jugendlicher mit einer bestimmten Aufgabe in seiner Arbeit wächst und merkt, dass er auch das Wissen der Älteren braucht. Andererseits wird durch die von dem Jugendlichen gebrachte Leistung, er auch in den Augen des alten Facharbeiters für voll genommen.

Ein anderes Beispiel für eine schlechte Arbeit mit den Menschen trat in der Möbelfabrik Großröhrsdorf in Erscheinung. Dort wurde ein Jugendlicher, der aus Westdeutschland kam, weil er den Adenauer-Staat und den NATO-Wehrdienst ablehnte in eine politisch stark negativ in Erscheinung getretene Brigade gesteckt und deren Einfluss überlassen.

In den Organisationen der GST und des DTSB gibt es Ansätze zur Einbeziehung der Masse der Jugend. Die vorbildlichen Ergebnisse beim 3. Deutschen Turn- und Sportfest wurden aber nicht planmäßig im breiten Maße angewendet.19

Der Gesamteinfluss auf die Jugend ist noch zu gering, da sowohl GST als auch DTSB nur den kleineren Teil der Jugendlichen umfassen (z. B. im Bezirk Rostock sind 15,9 % der Jugendlichen Mitglied der GST und 14,8 % des DTSB).

Fehler in der GST und im DTSB sind bestimmte Erscheinungen eines »Nursportlertums«, losgelöst von den konkreten politischen Erziehungsaufgaben (z. B. treten solche Tendenzen in Magdeburg und Rostock auf).

Außerdem sind bestimmte Sportarten Konzentrationspunkte bürgerlicher und kleinbürgerlicher Elemente (z. B. Segeln, Tennis, Reitsport, Taubensport).

Positive Ergebnisse bei einer Koordinierung der Arbeit der Massenorganisationen zeigten sich z. B. im Bezirk Gera (bei der Auswertung der Olympischen Spiele), in der Zusammenarbeit der WEMA Saalfeld, des VEB Zeiss Saalfeld und der Maxhütte.

3. Die Arbeit der FDJ in den Kreisen und Bezirken

Eines der wichtigsten Instrumente zur Erziehung der Jugend ist der sozialistische Jugendverband, die FDJ.

Während ihres 15-jährigen Bestehens hat die FDJ viele Erfolge errungen. Aus ihren Reihen kommen viele junge Kader, die heute an entscheidenden Positionen in unserem Staat stehen.

Der bewusste Teil unserer Jugend ist in der FDJ organisiert und arbeitet aktiv für den Aufbau des Sozialismus.

In der bisherigen Arbeit der Freien Deutschen Jugend gab es auch noch eine Anzahl von Mängeln und Schwächen, vor allem auf dem Lande und in den Kreisen, aber auch auf Bezirksebene.

So konnte zum Beispiel im Bezirk Potsdam bisher der Beschluss des VI. Parlaments der FDJ20 nicht erfüllt werden, 60 % der Jugendlichen in der FDJ zu vereinigen. Gegenwärtig sind im Bezirk Potsdam nur 31 % der Jugendlichen Mitglieder, in einzelnen Grenzkreisen zu Westberlin sogar nur 25 %.

Im Bezirk Cottbus treten sektiererische Einstellungen zur Arbeit mit religiös gebundenen Jugendlichen auf, die ebenfalls den Beschlüssen des VI. Parlaments zuwiderlaufen. Diese Auffassungen werden begünstigt durch die Unterschätzung der Probleme durch die Bezirksleitung der FDJ, die sich bisher im November 1959 und im April 1960 in Sekretariatssitzungen mit der Arbeit unter religiösen Jugendlichen beschäftigte:

  • In Liebenwerda erklärte ein Mitarbeiter der Kreisleitung der FDJ, er sei Atheist und habe deshalb nichts mit religiösen Jugendlichen zu tun.

  • Der Ortssekretär von Falkenberg, Kreis Herzberg, äußerte: »Es hat keinen Zweck, mit diesen Freunden zu arbeiten, da sie andere Interessen haben und uns von der Arbeit abhalten«.

Dies alles zeigt eine noch unsystematische und nicht genügend differenzierte Arbeit zur Gewinnung der Jugend. Damit ist in vielen Fällen auch eine mangelnde Kenntnis der politischen Schwerpunkte und der wichtigsten Aufgaben verbunden. Ein Mangel in der zielstrebigen aktiven Arbeit ist die teilweise noch ungenügende Arbeit mit den Beschlüssen. Das zeigt sich u. a. darin, dass in einigen Bezirken zuviel Beschlüsse gefasst werden, die die Bezirks- und Kreisleitungen an einer zielstrebigen Arbeit hindern und letzten Endes darauf hinauslaufen, dass die Beschlüsse nur teilweise und oberflächlich verwirklicht werden.

Damit verbunden ist oft eine Überbewertung der administrativen Arbeit und ein ungesundes Ansteigen des Papierverbrauches.

Im gesamten Gebiet der DDR gibt es viele Beispiele über die Unterbesetzung des FDJ-Apparates, insgesamt im Bezirk Karl-Marx-Stadt und Gera.

Damit verbunden gibt es in Karl-Marx-Stadt Diskussionen über eine angeblich schlechte Bezahlung der FDJ-Funktionäre, was mit der Unterbesetzung vieler Kreisleitungen im Zusammenhang stehe.

Von großer Bedeutung für eine erfolgreiche Arbeit ist die Qualifikation unserer hauptamtlichen Jugendfunktionäre. Es darf nicht dazu kommen, dass diese bei der Erfüllung ihrer Aufgaben die eigene Qualifizierung vernachlässigen, wie es z. B. bei Freunden im Kreis Rochlitz der Fall ist.

In Frankenberg, Kreis Hainichen konnten die Freunde der FDJ bei zwei Foren über Radio Luxemburg und über Schundliteratur nicht die führende Rolle einnehmen – ebenfalls ein Ausdruck der mangelnden Qualifikation.

Zum anderen besteht in vielen Fällen ein ungenügender Kontakt zwischen den ehrenamtlichen und den hauptamtlichen Funktionären, das bedeutet, es ist auch zu wenig Verbindung mit den Mitgliedern vorhanden. Auch die gewählten Organe kommen nicht regelmäßig zusammen, um über die Arbeit zu beraten. Die mangelnde Verbindung zu den Mitgliedern auf der einen Seite und andererseits die gegnerische Hetze gegen den sozialistischen Jugendverband, Einflüsse der Kirche, u. Ä. bewirken ein ungenügendes Interesse von Jugendfreunden an Verbandsproblemen:

  • Im Kreisverband Flöha gibt es in 34 Gemeinden Ortsgruppen der FDJ, davon arbeitet eine Gruppe aktiv, in den anderen ist die FDJ-Arbeit schlecht. FDJ-Versammlungen fallen aus oder müssen wegen ungenügender Beteiligung zweimal angesetzt werden. Ähnliche Erscheinungen gibt es auch in anderen Kreisen des Bezirkes Karl-Marx-Stadt. Vielfach konzentriert man sich in der Anleitung nur auf Großbetriebe und aktive FDJ-Gruppen.

  • Die Delegiertenkonferenz des Stadtbezirkes Nord-Ost in Leipzig musste wegen zu geringer Beteiligung abgebrochen werden. Bei 14 durchgeführten Kreisdelegiertenkonferenzen im Bezirk Leipzig fehlten auf elf Konferenzen ein Drittel bis ein Viertel aller Delegierten. Zum Beispiel lag die durchschnittliche Beteiligung beim 2. Konferenztag im gesamten Bezirk bei 71,6 %. Die Bezirksleitung Leipzig hatte vor den Konferenzen bereits bestimmte Signale, dass sich derartige Tendenzen abzeichneten, zog aber keine Konsequenzen.

  • Ein besonders krasses Beispiel für eine schlechte Arbeit zeigt sich im Kreis Wurzen, wo über fünf Monate keine Kreisleitungssitzung stattfand und die Verbandswahlen grob unterschätzt wurden. Vielfach erfolgte keine Wahl der Delegierten, sondern diese wurden einfach bestimmt. Um die schlechte Arbeit zu vertuschen, fertigten einige Funktionäre in Wurzen gefälschte Berichte an, über Wahlen, die gar nicht stattgefunden haben.

Schwächen gibt es auch in der Zusammenarbeit mit anderen Institutionen, die an der Jugenderziehung beteiligt sind (wobei keineswegs die Ursachen immer bei den Freunden von der FDJ liegen).

  • In Fürstenwalde erschien zu zwei Sitzungen der Jugendkommission kein Vertreter der FDJ, obwohl sie schon Wochen zuvor eingeladen waren.

  • Von der Staatsanwaltschaft des Kreises Beeskow wurde angestrebt, dass Verhandlungen über Vergehen von Jugendlichen durch Vertreter der FDJ besucht werden, damit die Freunde der FDJ besser mit der Jugend, insgesamt in der vorbeugenden Tätigkeit, arbeiten können. Trotz Einladungen erschienen keine Vertreter der Kreisleitung Beeskow zu den Verhandlungen.

Eine bestimmte Bedeutung hat auch das persönliche Auftreten der Jugendfunktionäre auf die Jugendlichen.

Sie dürfen nicht als negative Beispiele in den Fragen der Moral und der Interessenlosigkeit an der Verbandsarbeit in Erscheinung treten.

  • In der Bezirksleitung Leipzig haben verschiedene Freunde das Ziel, die Arbeitsstelle zu wechseln, da sie kein Interesse an ihrer gegenwärtigen Arbeit mehr haben.

  • Zum Festakt anlässlich des Jahrestages der DDR erschien nur der 1. Sekretär der Kreisleitung Cottbus. Die anderen Funktionäre der Kreisleitung betranken sich in der »Sportlerklause«. Dabei ließen sie in der Kreisleitung Türen und Schränke offen und Materialien auf den Schreibtischen herumliegen.

  • In den Kreisen Liebenwerda und Weißwasser zeigen hauptamtliche Funktionäre wenig Interesse, mit Nicht-FDJlern zu diskutieren.

  • In Schwerin kamen moralische Verfehlungen von FDJ-Funktionären vor. In Freiberg, Flöha, Brandenburg mussten Mitarbeiter der Kreisleitungen der FDJ bzw. Instrukteure wegen ihres unmoralischen Lebenswandels entlassen werden.

4. Probleme der Landjugend

Bereits aus dem bisherigen Teil der Analyse geht hervor, dass die Fragen der Landjugend unterschätzt werden und dass auch die FDJ-Arbeit besonders auf dem Lande mangelhaft ist. In vielen LPG sind nur in ungenügendem Maße jugendliche Mitglieder. Es ist schwierig, ein bestimmtes Abwandern in die Industrie zu verhindern.

Auf der 7. Zentralratstagung wurden Beispiele über den Rückgang jugendlicher Mitglieder in der LPG gebracht. Seit dem Jahre 1956 wurde der Nachwuchsplan für die Berufsausbildung auf dem Lande nicht mehr erfüllt. Der höchste Stand lag bei 84 %.

Gleichzeitig werden auch bestimmte Fehler in der Arbeit mit den Menschen gemacht. Im FDJ-Aufgebot »1 000 unserer Besten gehen in das vollgenossenschaftliche Dorf«21 wurden große Erfolge erzielt. Danach kümmerte man sich aber zu wenig um diese Freunde.

  • Im Bezirk Erfurt z. B. ist den FDJ-Kreisleitungen nur wenig bekannt, in welchen Gemeinden diese besten Jugendfreunde eingesetzt wurden, wie sie dort arbeiten, usw.

  • Zur Kreisdelegiertenkonferenz in Eisenach waren 293 Delegierte anwesend, davon nur 14 aus der Landwirtschaft (obwohl der Kreis 60 Gemeinden hat). Der Kreissekretär ging in seiner Rechenschaftslegung nur wenig auf die Landjugend ein.

  • Im Februar 1961 wurde ein Jugendlicher aus Heinersdorf bei seiner Republikflucht gestellt. Er sagte, in der Landwirtschaft kümmere sich niemand um die Jugend, auch die FDJ nicht, man bleibt sich selbst überlassen.

  • In Hundhaupten, Bezirk Gera, sehen die jugendlichen LPG-Mitglieder für sich keine Perspektive, sie fühlen sich als gewöhnliche Landarbeiter. Ähnliche Auffassungen gibt es in Remptendorf, Kreis Lobenstein.

Hauptprobleme für die Jugendlichen auf dem Lande sind Fragen ihrer Perspektive, die Möglichkeiten einer Qualifizierung und eines höheren Verdienstes, bessere Möglichkeiten für ihre Freizeitgestaltung.

Besonders auf dem Lande ist es ausgeprägt, den Jugendlichen Verantwortung zu übertragen.

Bei der NVA wurde bisher nur wenig darauf geachtet, dass ihre entlassenen Soldaten auch wieder in die Landwirtschaft zurückgehen.

Schließlich kommt noch eine falsche Einstellung von einzelnen Staatsfunktionären zu den Problemen der Landjugend hinzu:

  • Der Abteilungsleiter für Landwirtschaft beim Rat des Kreises Artern sagte über die Jugendförderung: »Dazu sind wir 1960 nicht gekommen und 1961 wird das schon gar nichts«.

  • Der Abteilungsleiter Landwirtschaft beim Rat des Kreises Wittenberg zum gleichen Problem: »Ich bin verantwortlich für die Marktproduktion, für was soll ich noch verantwortlich sein?«.

IV. Positive Ergebnisse der politisch-operativen Arbeit unter der Jugend

Nachstehend einige Beispiele, die zeigen, wie man eine Aktivierung der Jugendarbeit erreichen und den gegnerischen Einfluss zurückdrängen kann:

  • In Erfurt konnte durch eine koordinierte Arbeit zwischen FDJ, dem MfS und den Organen der VP die Arbeit in den drei Jugendklubhäusern wesentlich verbessert werden.

  • Durch Genossen des MfS wurde in Zusammenarbeit mit einer Volksvertreterin eine Gruppe von jugendlichen Eckenstehern, die sich am Alexander-Platz trafen, gewonnen. In eineinhalbjähriger systematischer Arbeit mit diesen Jugendlichen kam es zu positiven Erziehungsergebnissen, trotz des Widerstandes von Mitarbeitern des Rates des Stadtbezirks. Die Jugendlichen schufen sich selbst ein Clubheim, und unter Ausnutzung aller Möglichkeiten wurde ein reges Klubleben organisiert, an dessen Gestaltung die Jugendlichen entscheidend mitwirkten.

  • In Neubrandenburg organisierte ein Genosse eine gute Jugendarbeit, in deren Ergebnis die »Lederjacken« der Stadt für eine positive Freizeitgestaltung und Motorsport gewonnen werden konnten.

  • Im Bezirk Cottbus wurde ein ca. 100 Mann starker »Jawa-Club« in Zusammenarbeit mit der FDJ und der Verkehrspolizei für eine positive Arbeit gewonnen. Heute haben sich die Jugendlichen eine eigene Werkstatt geschaffen und nehmen an Verkehrskontrollen der VP teil.

  • Auch im Kreis Großenhain werden junge Motorradfahrer für die Arbeit in Verkehrssicherheits-Aktivs gewonnen.

  • In den Kreisen Zittau und Pirna wurden durch die VP Aussprachen mit den »Häuptlingen« von Meuten und Banden geführt. Diese Gespräche verfolgten das Ziel, über die Verführer der Jugendlichen im positiven Sinne auf die Masse der Anhänger zu wirken und sie für eine Jugendarbeit zu gewinnen. Nach den Aussprachen zeigten sich positive Ergebnisse.

  • Im Bezirk Karl-Marx-Stadt wurde ein Klub von Mädchen zerschlagen, der nach dem Vorbild westlicher Starklubs organisiert war. Die ehemaligen Mitglieder des Klubs wurden für eine Tätigkeit im Rahmen der »Jungen Talente« gewonnen.

  • Ein Theaterzirkel wurde von Jugendlichen des Kreises Saalfeld gebildet. Andere Beispiele für die positive Erziehungsarbeit waren Sonderleistungen von Jugendlichen in der Produktion für die streikenden belgischen Arbeiter,22 waren eine gute Verbindung von Kultur- und Sportarbeit in diesem Kreis, ferner das Organisieren von interessanten Vorträgen und eine Unterstützung der Deutschen Grenzpolizei.

Diese Beispiele müssen durch die Mitarbeit aller gesellschaftlichen Organisationen verbreitert werden und dürfen keine Einzelbeispiele bleiben.

»Anlage« zur Information Nr. 200/61

[Antwort-Brief des Ministers für Volksbildung vom 20.6.1961]

Deutsche Demokratische Republik | Ministerium für Volksbildung | Der Minister

Berlin W1, den 20.6.1961 | Wilhelmstraße 68 | Tel. 2207

An den | Minister für Staatssicherheit | Genossen Mielke | Berlin23

Sehr geehrter Genosse Minister!

Mit einem Schreiben vom 27.4.1961 übersandten Sie mir zwei Materialien: 1. Einige Maßnahmen und Vorschläge zur Verbesserung der Arbeit mit der Jugend auf der Grundlage des Kommuniqués des Politbüros des ZK der SED; 2. Bericht über die Lage unter der Jugend und die Tätigkeit des Gegners. Besten Dank dafür. Entschuldigen Sie bitte, dass ich erst heute darauf antworte. Die Hauptursache liegt darin, dass die Aussprache mit den Ministern über das Kommuniqué des Politbüros der SED zu Problemen der Jugend, die für Mai angesetzt war, auf Hinweis zentraler Stellen verschoben werden musste, aber bis jetzt kein neuer Termin festgelegt werden konnte.

Der Bericht und auch die Vorschläge sind für uns eine wertvolle Grundlage zur Ausarbeitung von Maßnahmen, die dem Staatsrat zur Beratung vorgelegt werden sollen.

Ich sende Ihnen anbei den Bericht zurück, der sich in vielem mit den Informationen und Berichten deckt, die auch wir eingeholt haben.

Ich möchte Sie aber bitten, mir das Material über die Maßnahmen und Vorschläge noch einige Zeit zu belassen, weil wir es für die Auswertung unserer Vorlagen verwenden möchten.24

Mit sozialistischem Gruß

Prof. Dr. Lemmnitz [Unterschrift]

  1. Zum nächsten Dokument Entwicklung und Lage in den VEG

    27. April 1961
    Bericht Nr. 214/61 über die Entwicklung und die Lage in den Volkseigenen Gütern (VEG)

  2. Zum vorherigen Dokument Defekt an der Gasfernleitung im Kreis Geithain

    25. April 1961
    [Einzel-Information] Nr. 216a/61 über einen Gasausbruch an der Gasfernleitung Böhlen–Zwickau–Karl-Marx-Stadt–ČSSR in der Nähe der Ortschaft Benndorf, Kreis Geithain