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Lage in der Akademie für Landwirtschaftswissenschaften

12. Juni 1961
Bericht Nr. 297/61 über einige Schwächen und Mängel in der Arbeit der Agrarwissenschaft im Bereich der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften (DAL) zu Berlin

Beim MfS vorliegende Hinweise lassen eine Reihe von Schwächen und Mängeln auf einigen Gebieten der Agrarwissenschaft erkennen, die vor allem eine zielstrebige und termingemäße Erfüllung der im Perspektivplan enthaltenen Themen infrage stellen können.

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und allumfassende Darlegung zu erheben, wird aufgrund der vorhandenen Materialien auf folgende erkennbare Mängel in einigen Forschungsgebieten hingewiesen.

Auf dem Gebiet der Tierzucht:

Nach unseren Feststellungen fanden die Beschlüsse der Tagungen des ZK der SED in der wissenschaftlichen Arbeit des Instituts für Tierzuchtforschung Dummerstorf bisher ungenügende Berücksichtigung.

Von Fachkräften wird eingeschätzt, dass besonders die angewandte Forschung auf den Hauptgebieten der Rinder- und Schweinezucht unzureichend beachtet wird, andererseits jedoch Probleme behandelt werden, die für die Praxis unwesentliche Bedeutung haben, so z. B. die Milcherzeugung bei Pferden.

Außerdem besteht eine Zersplitterung der wissenschaftlichen Aufgaben, da alle in der DDR vorkommenden Haustierarten im Institut bearbeitet werden. Diese Zersplitterung wirkte sich so aus, dass z. B. in der Abteilung Schweinezucht alle bekannten europäischen Schweinerassen bearbeitet werden, was auf Kosten der Züchtung eines Fleischschweines geht. Auch in der Rinderzuchtabteilung wird eine größere Anzahl von Rinderrassen gehalten, wodurch das schwarzbunte Niederungsrind nicht umfassend genug wissenschaftlich bearbeitet wird.

Nach vorliegenden Hinweisen von Fachkräften entspricht auch das Verhältnis von Grundlagenforschung und angewandter Forschung (Zweckforschung) nicht der volkswirtschaftlichen Notwendigkeit. So würden viele Forschungsmittel für Untersuchungen verwandt, für die gegenwärtig keine Notwendigkeit besteht. Z. B. für Wiederholungen von Versuchen, die in den USA, in Dänemark, Schweden, Westdeutschland bzw. anderen kapitalistischen Ländern bereits durchgeführt wurden, oder für Kreuzungsversuche bei Wildschweinen und Untersuchungen bei Bienen. Die fachlichen Erkenntnisse der Wissenschaftler des Instituts werden nur ungenügend auf die eigene praktische Wirtschaft angewandt.

Außerdem herrscht unter den Wissenschaftlern des Instituts die Meinung vor, ein Wissenschaftler müsse mehrere Probleme bearbeiten, anstatt die Kraft des wissenschaftlichen Kollektivs auf die Lösung der Hauptprobleme zu konzentrieren.

In der Forschungsstelle Knau/Gera soll es ebenfalls erhebliche Schwierigkeiten in der wissenschaftlichen Forschung geben.

Obwohl hier beim Forschungsauftrag Rinderzucht das Zwischenziel erreicht wurde, brachte das Teilgebiet Futteruntersuchung aufgrund der ungenügenden Qualifikation des mit diesem Auftrag betrauten wissenschaftlichen Mitarbeiters nicht den erwarteten Erfolg.

Der Forschungsauftrag »Klima« wurde nach vorliegenden Hinweisen auch nur zum Teil erfüllt, da der verantwortliche Mitarbeiter 1960 republikflüchtig wurde und es außerdem mangels Techniker an der notwendigen technischen Unterstützung fehlte. Zwei entsprechende sowjetische Geräte wurden aus diesen Gründen bisher noch nicht eingesetzt.

Eine engere Verbindung dieser Forschungsstelle zur Praxis ist trotz Bemühungen der Leitung ebenfalls noch nicht erreicht worden.

Auf dem Gebiet Ackerbau, Pflanzenbau und Züchtung:

Trotz bedeutender wissenschaftlicher Erfolge auf dem Gebiet der Pflanzenzüchtung der DDR wird eingeschätzt, dass die Ergebnisse der Züchtung im Verhältnis zum Aufwand noch unbefriedigend sind.

So wird z. B. die Forschungstätigkeit im Institut für Pflanzenzüchtung Kleinwanzleben/Magdeburg keinesfalls als befriedigend bezeichnet. In Hinweisen wird auf die dort geleistete Doppelarbeit verwiesen, die aus der Bildung von gewissen Gruppierungen der wissenschaftlichen Mitarbeiter resultiere, die versuchen, sich gegenseitig wichtige Materialien zu entreißen und für sich auszunutzen.

Z. B. habe auf dem Gebiet »Züchtung monokarper Rüben« Diplom-Landwirt Röstel gute Erfolge erzielt. Unter verschiedenen Vorwänden haben sich daraufhin die Mitarbeiter [Name 1] u. [Name 2] und G. Senff Material darüber verschafft und nach einer gewissen Zeitspanne Formen mit angeblich besonderen Eigenschaften herausgebracht.

In ähnlicher Weise versuchen diese Personen gegenwärtig, bestimmte bedeutungsvolle Erkenntnisse des Dr. Bandlow für die Hydridzüchtung für sich auszunutzen. Dieser Zustand ist für die wissenschaftliche Arbeit des Instituts äußerst schädlich.

Auf dem Gebiet der Agrarökonomik:

Aus den Berichten ist ersichtlich, dass die Erfüllung der verschiedenen Forschungsaufträge in den einzelnen Instituten äußerst unterschiedlich erfolgt. Wenn in den Instituten Anklam und Gundorf die Forschungsaufträge fast ohne Ausnahme termingerecht erfüllt werden, so ist das im Institut Berlin nicht der Fall. Diese Tatsache wirkt sich besonders nachteilig aus, da das Institut in Berlin im Republikmaßstab federführend und koordinierend wirken soll und für die staatlichen Organe und die Parteiführung wissenschaftliche Unterlagen für die Verbesserung der Leitung der Landwirtschaft und damit zur Erhöhung der Produktivität erarbeiten muss.

So wurden z. B. die Themen »Zweckmäßige Einheit in der Milchviehhaltung« und »Ökonomische Begründung von Wirtschaftssystemen« durch die verantwortlichen Mitarbeiter Böttcher und Dr. Krause nicht termingemäß im I/60 abgeschlossen. Sie sollen erst im II/61 ihren Abschluss finden.

Wie weiter bekannt wurde, seien außerdem in der Arbeit von Böttcher rein inhaltsmäßig erhebliche politische Fehler enthalten, so z. B. Darlegungen über eine Theorie von vier Wegen der Entwicklung des Kapitalismus in der Landwirtschaft. Auch die Arbeit des Genossen Dr. Krause enthalte eine Reihe Unzulänglichkeiten, die vom Wissenschaftlichen Rat bereits beanstandet worden seien. Da es sich aber bei dieser Thematik um eine Aufgabe von großer volkswirtschaftlicher Bedeutung handelt, auf deren Ergebnisse auch andere Institute warten, um darauf aufzubauen, entsteht größerer Zeitverlust und Schaden. Dabei ist bekannt, dass Dr. Krause bereits schon 1959 seinen Forschungsplan nicht erfüllte.

Bei der Thematik »Ökonomik der Kartoffel- und Schweinefleischproduktion«, für die der Genosse Elvert1 verantwortlich ist, soll es ebenfalls Terminverzögerungen geben. Trotz der Empfehlungen des Zentralkomitees, der Sektion und der Grundorganisation der SED, die Thematik über die Schweinefleischproduktion vorrangig zu behandeln, halte sich Genosse Elvert nicht daran, sondern handele eigenmächtig.

Ein Zwischenbericht über die »Ökonomik der Kartoffelproduktion« wurde im Wissenschaftlichen Rat abgelehnt, da diese Arbeit von der Aufgabenstellung, das Wirken der ökonomischen Gesetze des Sozialismus in der Kartoffelproduktion zu untersuchen und zu prüfen, ob und wie diese Gesetze von der Produktion bis zur Konsumtion beachtet werden, abweiche. Demgegenüber seien in diesem Zwischenbericht rein zufällige, ohne System und ohne wissenschaftliche Begründung, ökonomische Fragen der Kartoffelproduktion aufgegriffen worden. Außerdem enthalte die Arbeit noch weitere erhebliche Mängel, u. a. in der historischen Analyse über die Bedeutung der in Deutschland mit dem Kapitalismus aufkommenden Kartoffelproduktion.

Eine weitere Schwäche dieses Instituts bestehe darin, dass die anzufertigenden Dissertationen der einzelnen Assistenten sich mit unwichtigen Problemen befassen und der Volkswirtschaft keinen oder nur wenig Nutzen bringen würden und lediglich zur Erreichung des »Doktor« und damit persönlicher Vorteile bestimmt seien. Die volkswirtschaftlich wichtigen Probleme würden dadurch in der Bedeutung zurückgestellt.

Die zzt. bestehenden Verbindungen zwischen dem Institut für Agrarökonomik Berlin und der Praxis reichen nach vorliegenden Hinweisen auch nicht aus, um festzustellen, welche Probleme in der Praxis heranreifen, welche Wirkung die staatlichen Maßnahmen haben und auf welchen Gebieten staatliche Maßnahmen vorbereitet werden müssten.

Am Institut für Agrargeschichte in Berlin wurde bisher die Ökonomik der kapitalistischen, besonders der westdeutschen Landwirtschaft völlig unzureichend bearbeitet. Nach unseren Feststellungen besteht der Hauptmangel in der Tätigkeit dieses Instituts in der ständigen Veränderung der Aufgaben und Themen und in der außerordentlich mangelhaften Qualität und Befähigung der dort tätigen wissenschaftlichen Mitarbeiter. Im Ergebnis dieser Situation hat daher das Institut vorwiegend nur Arbeiten abgeliefert, die bestimmte Umstände in der kapitalistischen Landwirtschaft agitatorisch interpretieren, während grundlegende wissenschaftliche Arbeiten zur Ökonomik der kapitalistischen Landwirtschaft bisher nicht erschienen sind.

Auf dem Gebiet der Entomologie:

Das der DAL unterstellte Deutsche Entomologische Institut Berlin-Friedrichshagen soll die Belange der land- und forstwirtschaftlichen Praxis bei der Aufgabenstellung in der wissenschaftlichen Forschung berücksichtigen. So wäre z. B. die Abteilung für systematische Entomologie verpflichtet, die Grundlagen für die Arbeit der ökologischen Abteilung (angewandte Entomologie bzw. biologische Schädlingsbekämpfung) zu schaffen. Tatsache ist jedoch, dass sich diese Abteilung unter Leitung des Westberliners Prof. Hennig2 seit Jahren mit einer Forschungsreihe über bestimmte Fliegenarten befasst, die zum Teil in der Vet.-Medizin, aber auch bei den Menschen in der Lebensmittelhygiene als Krankheitserreger auftreten. Diese Forschungsthematik entspricht aber keinesfalls den Belangen der angewandten Entomologie, sodass z. B. die an den Problemen der biologischen Schädlingsbekämpfung arbeitenden Wissenschaftler einen zu bestimmenden landwirtschaftlichen Schädling an andere Institute, vorwiegende ins Ausland, einsenden müssen, um die entsprechenden Unterlagen für die weitere Arbeit zu erhalten.

Ungeachtet der Tatsache, dass die ökonomische Schädlingsbekämpfung in der Landwirtschaft jährlich enorme Mittel verbraucht, wird der Wert der biologischen Schädlingsbekämpfung durch die Abteilung für systematische Entomologie unterschätzt. So will z. B. die ökologische Abteilung des Instituts in der Folgezeit eine Wanzenart untersuchen, die als natürlicher Feind des Kartoffelkäfers auftritt, jedoch in unseren Breitengraden nicht heimisch ist und deshalb nur schwer die Überwinterung aushält. Die Abteilung hat sich im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit die Aufgabe gestellt, die Möglichkeiten der Einführung dieser Wanzenart zu erforschen, um damit die landwirtschaftliche Praxis bei der biologischen Kartoffelkäferbekämpfung wesentlich zu unterstützen. Die systematische Abteilung steht jedoch diesem Problem uninteressiert gegenüber und arbeitet nach dem alten bürgerlichen Stil, dessen Fürsprecher besonders Prof. Hennig ist. Die jungen progressiven Kräfte dieses Instituts vertreten deshalb die Meinung, einer derart unrealen Forschungsrichtung sollte endgültig Einhalt geboten werden, damit die Mittel nutzbringender verwandt werden können.

Eine Klärung dieses Problems innerhalb des Instituts wird für nicht möglich gehalten, da Prof. Hennig durch einflussreiche Persönlichkeiten, u. a. Prof. Becker3 und Stubbe4, unterstützt würde. Der negative Einfluss Prof. Hennigs auf das Institut erstrecke sich nicht nur auf die Festlegung der Forschungsrichtung nach seinen persönlichen Gesichtspunkten, sondern auch auf die Belange des wissenschaftlichen Nachwuchses und die politisch-ideologische Situation.

Auf dem Gebiet der Kaderpolitik, der Leitungstätigkeit, der Arbeit mit der jungen Intelligenz und der Parteiarbeit im Bereich der DAL:

Wie vorliegende Informationen erkennen lassen, sind in der kaderpolitischen Arbeit im Bereich der DAL in den vergangenen Jahren ernste Versäumnisse zugelassen worden. Die Ursachen dafür lagen bzw. liegen noch in der schlechten Besetzung der Funktionen der Kaderleiter der Institute sowie der zentralen Kaderabteilung. Die Kaderabteilung hat demnach mehr eine organisatorische Funktion ausgeübt und kaum eine wirkliche Kaderarbeit geleistet. Einstellungen von Wissenschaftlern sind z. B. immer noch von persönlichen Ansichten der Institutsdirektoren abhängig. Die führende Rolle der Partei ist keineswegs verwirklicht.

Gegenwärtig sind im Bereich der DAL ca. 80 Planstellen für wissenschaftliches Personal nicht besetzt, davon in Dummerstorf allein zehn Stellen.

Eine Auswirkung der schlechten Kaderarbeit ist auch die ungünstige soziale Zusammensetzung.

Ihrer sozialen Herkunft nach sind die wissenschaftlichen Kader 18,1 % Arbeiter, 17,1 % werkt. Bauern, jedoch 43,1 % Angestellte und 21,7 % Mittelschichten und sonstige.

Auf die unzureichende Kaderarbeit im Bereich der DAL ist auch zurückzuführen, dass es in verschiedenen Instituten zu Konzentrationen ehemaliger Mitglieder der faschistischen Partei und ihrer Gliederungen bzw. ehemalige Offiziere der faschistischen Wehrmacht gekommen ist. So sind zum Beispiel 16 % aller Beschäftigten im Bereich der DAL Mitglieder der SED. Diesen stehen 13 % der Beschäftigten gegenüber, die ehemals Mitglieder der NSDAP oder Offiziere waren.

Besonders starke Konzentrationen solcher Kräfte bestehen im Institut für Forstwissenschaften Graupa-Tharandt/Dresden, im Institut für Pflanzenzüchtung Quedlinburg, im Institut für landwirtschaftliches Versuchs- und Untersuchungswesen Leipzig, Arbeitsgruppe Bodenuntersuchung Dresden und in der Forschungsstelle für Getreidezüchtung Kloster Hadmersleben.

Im Institut für Pflanzenzüchtung Kleinwanzleben, Leitung Prof. Heinisch,5 wird nach vorliegenden Materialien die Neueinstellung von wissenschaftlichen Mitarbeitern ausschließlich davon abhängig gemacht, ob diese willenlos alle Anordnungen des Direktors befolgen, ungeachtet dessen, ob diese Anordnungen fachlich oder politisch vertretbar sind. Alle Wissenschaftler, die aus politischen oder fachlichen Gründen heraus mit Einwänden gegen eine Anordnung oder Entscheidung des Direktors auftreten, würden benachteiligt werden. In diesem Institut ist eine Konzentration von Personen vorhanden, die einer positiven Entwicklung im Institut entgegenwirkt, wodurch auch erhebliche negative Auswirkungen auf die Züchtungsergebnisse auftreten. Die Vertreter des Direktors dieses Instituts, Dr. Sommer als Chemiker und Dr. Feucht als Phytopathologe, sind nach vorliegenden Einschätzungen fachlich nicht in der Lage, bei Abwesenheit von Dr. Heinisch das Institut zu leiten, da sie auf dem Gebiet der Pflanzenzüchtung keinerlei Kenntnisse besitzen. Eine ähnliche kadermäßig ungünstige Situation besteht auch im Institut für Agrarökonomie Berlin und in der DAL-Zentrale mit ihren Sektionen.

In allen Instituten ist nach vorliegenden Einschätzungen auch die Heranbildung von positiven Kräften für die Übernahme der Institutsleitungen bei evtl. Ausscheiden der alten Institutsdirektoren vernachlässigt worden. Begünstigt wird diese Erscheinung dadurch, dass der größte Teil der Institute durch ältere bürgerliche Wissenschaftler geleitet wird, die an der Heranbildung entsprechender Nachwuchskräfte wenig interessiert sind. Aus diesen Gründen wird auch die junge Intelligenz weitgehend sich selbst überlassen bzw. in ihrer Entwicklung gehemmt. So seien z. B. im Institut für Acker- und Pflanzenbau Müncheberg Anzeichen für eine Unterdrückung der jungen Intelligenz durch Dr. Troll und Dr. Simon vorhanden. Im Deutschen Entomologischen Institut Berlin würden »die progressiven Kräfte vonseiten der bürgerlichen Wissenschaftler kaltgestellt« werden.

Im Institut Kleinwanzleben herrsche der Grundsatz: »Stoßt ihn ins Wasser, er wird schon schwimmen lernen.« Die Qualifikation der jüngeren Wissenschaftler ist daher fast ausschließlich davon abhängig, an welcher Universität sie studiert haben und mit welcher Energie sie nach ihrem Studium selbstständig an der weiteren Qualifizierung arbeiten. Im Institut ist die Ansicht weit verbreitet, für das Nachrücken in leitende Stellungen und in verantwortungsvolle Funktionen sei allein die Stellung zum Institutsdirektor ausschlaggebend. Nicht eine mühevolle Weiterbildung, sondern nur Liebedienerei beim Institutsdirektor könne dazu führen, einmal mit der Leitung einer Arbeitsgruppe oder Abteilung beauftragt zu werden.

Nach den vorliegenden Hinweisen kann eingeschätzt werden, dass die Parteiarbeit in allen wissenschaftlichen Institutionen und Einrichtungen der DAL noch mit erheblichen Schwächen und Mängeln behaftet ist. Innerhalb der Parteiorganisation der DAL-Zentrale wird der offene Meinungsstreit gemieden, es fehlt an parteilichen Auseinandersetzungen über politisch-ideologische Probleme. Unter dem Vorwand, keine Fehlerdiskussionen aufkommen zu lassen, ist auch die Kritik und Selbstkritik nur schwach entwickelt.

Derartige Erscheinungen in der Parteiarbeit zeigen sich bei der Mehrzahl der der DAL unterstellten wissenschaftlichen Einrichtungen. In den meisten wissenschaftlichen Institutionen der DAL nehmen die BPO bzw. ihre Leitungen keinen spürbaren Einfluss auf die wissenschaftliche Arbeit. Das ist zu einem großen Teil auf die mangelnde politische und fachliche Qualifikation der Parteimitglieder zurückzuführen, so z. B. im Institut für Pflanzenzüchtung Kleinwanzleben, in den Instituten für Phytopathologie Nauenburg und Aschersleben.

Aber auch in den Instituten, in denen ein relativ großer Teil von Wissenschaftlern Mitglied der Partei ist, u. a. Groß-Lüsewitz, Dresden-Pillnitz, treten die Parteimitglieder nicht besonders in Erscheinung und nehmen die BPO keinen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der gesellschaftlichen sowie wissenschaftlichen Arbeit.

Der politisch-ideologische Zustand im gesamten Bereich der DAL wird sehr wesentlich durch die noch weit verbreitete bürgerliche Ideologie bestimmt. Daraus resultierend ist daher häufig die Erscheinung anzutreffen, dass vor allem die Wissenschaftler jede gesellschaftliche Arbeit ablehnen und ausschließlich »Nurfachmann« sein wollen.

Im Institut für Forstwissenschaften Graupa-Tharandt geht der bürgerliche Einfluss sogar soweit, dass selbst Genossen Wissenschaftler jede politische Mitarbeit ablehnen. Unter diesen Genossen bestehen Zweifel an der Richtigkeit unserer Politik, sie glauben nicht an die Sieghaftigkeit des Sozialismus. Ähnliche Erscheinungen gibt es im Institut für landwirtschaftliches Versuchs- und Untersuchungswesen Jena, im Institut für Gartenbau Dresden-Pillnitz und im Institut für Pflanzenzüchtung Kleinwanzleben.

  1. Zum nächsten Dokument Immatrikulation von Kindern aus Medizinerfamilien

    13. Juni 1961
    Einzel-Information Nr. 302/61 über gegenwärtige Schwierigkeiten bei der Immatrikulation von Kindern der medizinischen Intelligenz und mögliche Auswirkungen auf die Republikflucht der davon betroffenen Personen

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    9. Juni 1961
    Bericht Nr. 273/61 über unmoralisches Verhalten von mittleren und leitenden Kadern des Staatsapparates und seine Auswirkungen