Systemkritik von Hallenser Professoren
14. Dezember 1961
[Einzel-Information] Nr. 780/61 über das weitere geplante Vorgehen reaktionärer Kräfte unter den Professoren nach den Auseinandersetzungen in Halle
Die bisherigen Auseinandersetzungen führten zwar zu einem gewissen Differenzierungsprozess unter den Professoren, in dessen Ergebnis eine Reihe Professoren (Rennert, Quandt, Freye, Schnelle u. a.) positiv auftritt, aber typisch ist zurzeit eine abwartende Haltung, die von negativen Kräften zu Versuchen ausgenutzt wird, wieder Oberwasser zu bekommen.
Zu diesem Zweck sind folgende Vorhaben geplant:
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Die besonders gegen Professor Mothes gerichteten vorgesehenen »Gegenerklärungen« der Medizinischen Fakultäten aller Universitäten und Akademien zu verhindern bzw. abzuschwächen. Prof. Mothes führte deshalb u. a. eine vertrauliche Aussprache mit dem Leiter der Chirurgischen Klinik der Charité, Prof. Felix, der Prof. Mothes entsprechende auf dieser Linie liegende Zusicherungen gab. Allerdings zeigte sich dann bei der Abstimmung auf der Fakultätsratssitzung der Humboldt-Universität (medizinische Fakultät) am 8.12.1961, dass sich 20 von 21 Abstimmenden gegen Prof. Mothes aussprachen. (Prof. Felix fuhr daraufhin am 12.12. zu einer Zusammenkunft bei Prof. Mothes in Halle.) Prof. Mothes begab sich außerdem nach Rostock und nach Leipzig (Tagung der Sächsischen Akademien), um dort in ähnlicher Form seinen Einfluss auszuüben.
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Um zu erreichen, dass die Emeritierung Prof. Reichenbachs rückgängig gemacht wird, beabsichtigen Prof. Mothes und andere Professoren, den Besuch des Volkskammerpräsidenten, Dr. Dieckmann, am 15.12.1961 dafür auszunutzen und offensichtlich an ihn heranzutreten. Ferner wurde erwogen, bei der Partei und bei staatlichen Stellen wegen der Emeritierung vorstellig zu werden. Frau Prof. Paula Hertwig, Halle, Nationalpreisträgerin, Trägerin des Vaterländischen Verdienstordens in Silber und anderer staatlicher und wissenschaftlicher Auszeichnungen, soll sich deshalb an Prof. Hager, Prof. Mörl an Staatssekretär Girnus und die Professoren Gruhnke und Jacobi an den Minister für Gesundheitswesen wenden.
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Prof. Mothes arbeitet darauf hin, dass sich alle ihm bekannten Personen aus der Arzneimittelkommission zurückziehen sollen. Mit diesen Personen plant er eine interne Zusammenkunft, um weitere Maßnahmen zu beraten.