Viehverluste in der LPG Kremmen
18. Mai 1961
Einzel-Information Nr. 243/61 über Viehverluste in der LPG »Einheit« in Kremmen/Oranienburg
Zahlreiche Hinweise über Viehverluste in landwirtschaftlichen Betrieben veranlassten das MfS, Untersuchungen darüber u. a. in der LPG »Einheit« in Kremmen/Oranienburg/Potsdam durchzuführen. Im Verlauf dieser Untersuchung wurde Folgendes festgestellt:
Die LPG »Einheit« in Kremmen betreut auf 2 600 ha LNF 1 834 Rinder, davon 598 Milchkühe, 1 617 Schweine, davon 294 Ferkel, 3 000 Hühner und 450 Enten. Die LPG gehört zum Milchader-Projekt Berlin und sollte im Jahre 1960 zu einem Musterbetrieb ausgebaut werden, wozu u. a. ein Offenstallkombinat für Rinder errichtet wurde.1
Die Hauptaufgabe der LPG besteht in der Rinder- und Schweinezucht. Die Erfüllung dieser Aufgabe wurde jedoch bisher durch hohe Tierverluste erheblich beeinträchtigt, was auch mit die wichtigste Ursache dafür sein dürfte, dass die LPG seit ihrer Bildung 1954 noch nicht rentabel arbeitet. Der Wert der Arbeitseinheit lag 1960 bei 2,24 DM.
Eine konkrete Übersicht über die Viehverluste und deren Ursachen konnten weder die LPG noch der Rat des Kreises bzw. die Deutsche Versicherungsanstalt (DVA) geben. Zwischen den gemeldeten und den tatsächlichen Verlusten bestehen erhebliche Differenzen.
So wurden z. B. im Jahresabschlussbericht der LPG für 1959 insgesamt 17 Kälberverendungen ausgewiesen. Feststellungen ergaben jedoch, dass bis zum 31.10.1959 bereits 58 Kälber verendet waren.
Auch der für 1959 angegebene Verlust von 100 Rindern muss stark angezweifelt werden.
Für 1960 hat der Rat des Kreises Oranienburg für die LPG »Einheit« einen Verlust von 153 Rindern und 1 197 Schweinen registriert. Die Deutsche Versicherungsanstalt hingegen hat der LPG für 1960 Schadenersatz in Höhe von 111 700 DM für 245 verendete und notgeschlachtete Rinder und 350 Schweine geleistet. Dieser Summe stehen 67 792 DM Versicherungsbeiträge gegenüber, welche die LPG an die DVA zahlte. Dem Kreistierarzt ist bekannt, dass 1960 in der LPG »Einheit« 136 Rinder und 1 000 Schweine verendet sind.
Als einigermaßen real sind die Verlustzahlen im I. Quartal 1961 einzuschätzen, nach denen in der LPG »Einheit« 139 Rinder und Kälber verendeten und 39 notgeschlachtet werden mussten.
Konkrete Unterlagen über die Ursachen der Viehverendungen in dieser LPG sind nicht vorhanden. Die Verendungen werden hauptsächlich auf Krankheiten und Seuchen zurückgeführt. Der Tierarzt Dr. [Name 1] sieht die wesentlichste Ursache der Verendungen jedoch in Haltungsfehlern und Mängeln, die im Kombinat bestehen. Dieser Meinung schließt sich auch der Tierarzt der LPG, Dr. [Name 2], an.
Wie Untersuchungen ergaben, entspricht diese Einschätzung der Tierärzte der Realität. So wird z. B. in der LPG die Seuchenschutzverordnung nicht eingehalten. Zum Zeitpunkt der Untersuchung lagen auf dem Gelände der LPG mehrere, seit einigen Tagen bereits verendete Kälber, ohne dass diese mit Chlorkalk bestreut waren. Vor den Ställen, die sich in unmittelbarer Nähe befanden, lagen keine Seuchenmatten. Außerdem standen die Tiere im Dreck und im Schlamm, wodurch die Entstehung und Förderung von Krankheiten und Seuchen sehr stark begünstigt wird.
In einem beengten Kälberstall war der Mist schon mehrere Tage nicht abgefahren worden, sodass sich die Jauche um die Futtervorratskiste staute. In einem anderen Kälberstall lagerte Kraftfutter auf dem Boden unmittelbar neben einem Misthaufen. Außerdem weisen die Stallungen des Kombinats erhebliche bauliche Mängel auf, die ebenfalls Krankheiten im Tierbestand begünstigen bzw. zur Leistungsminderung beitragen, so z. B. unzureichende Abwässerführung im Ruhe- und Freistall des Rinderkombinats, verschlammte Ausläufe am Melkhaus, nasse Böden in den Ställen u. a.
Aufgrund der festgestellten Situation in der LPG »Einheit« in Kremmen wurden folgende Maßnahmen zur Durchführung vorgeschlagen:
- 1.
Entsendung einiger Fachleute in die LPG, die der dortigen Leitung unmittelbare Hilfe und Unterstützung bei der Beseitigung der festgestellten Mängel und beim Aufbau einer ordnungsgemäßen Vieh- und Futterwirtschaft geben.
- 2.
Konkrete Analysierung der Viehverluste und ihrer Ursachen, um auf dieser Grundlage entsprechende Veränderungen zur Beseitigung der Ursachen und damit zur Verhinderung von Viehverlusten herbeizuführen.
- 3.
Einen bedeutenden Beitrag zur Veränderung der Situation könnte der Tierarzt der LPG Dr. [Name 2] leisten. Allerdings müsste dafür gesorgt werden, dass er bessere Arbeits- und Lebensbedingungen erhält. Dr. [Name 2] wohnt getrennt von seiner Familie im Kulturraum der LPG, da es angeblich bisher nicht möglich war, ihm eine Wohnung zuzuweisen.
- 4.
Überprüfung und Einschätzung der fachlichen Arbeit des Viehzuchtbrigadiers [Name 3] durch die entsandten Fachleute, da eine Veränderung seiner unqualifizierten Arbeitsweise unumgänglich erscheint.
- 5.
Dem LPG-Vorsitzenden Genosse Widra müsste geholfen werden, seinen Arbeitsstil entsprechend den Grundsätzen der programmatischen Erklärung des Staatsrates und des 12. Plenums2 zu verändern.
Anlage
Mappe mit 15 Fotografien [beim Ablage-Expl. nicht überliefert]