Bahnbetriebsunfall auf der Strecke Lübben–Beeskow
6. August 1964
Einzelinformation Nr. 620/64 über den Bahnbetriebsunfall auf der Strecke Lübben – Beeskow, Reichsbahndirektionsbezirk Cottbus, am 5. August 1964
Am 5.8.1964, gegen 18.35 Uhr, stießen zwischen den Bahnhöfen Krugau und Groß-Leuthen beim km 88,7 der Strecke Lübben – Beeskow der mit Reisenden besetzte Triebwagen T 2441 und der Überführungsgüterzug 15747 zusammen.
Durch den Zusammenstoß wurde eine Reisende getötet, fünf Personen schwer – davon befinden sich zwei in Lebensgefahr – und acht leicht verletzt.
Der Umfang des Sachschadens wird durch die Deutsche Reichsbahn auf 25 TMDN geschätzt. Nicht eingerechnet sind dabei eventuelle Schäden an der Ladung, die für das zentrale Materiallager der NVA/Luft bestimmt ist.
Die bisherigen Untersuchungen ergaben Folgendes: Am 5.8.1964, gegen 17.55 Uhr, lief der Güterzug 8226 auf dem Bahnhof Groß-Leuthen aus Richtung Beeskow kommend ein. Nach Durchführung notwendiger Rangierarbeiten auf dem Bahnhof Groß-Leuthen wurden zwei Güterwagen zur Überführung mit dem Überführungszug 15747 nach dem Anschlussgleis der Nationalen Volksarmee/Luft in Krugau vor die Lok gekuppelt. Durch den Zugführer [Name 1, Vorname] wurde der Zugschaffner [Name 2, Vorname] entgegen den bestehenden Vorschriften der Deutschen Reichsbahn mit der Durchführung der Überführungsfahrt beauftragt, obwohl dieser als Zugschaffner für eine solche Fahrt nicht zuständig und nicht befugt ist.
Diese vorschriftswidrige Handlungsweise wurde fortgesetzt, indem der [Name 2] an das Fenster des Fahrdienstleiters [Name 3, Vorname] trat und diesem zurief: »Wir wollen nach dem Anschluss Krugau«. Obwohl [Name 3] die Worte des [Name 2] nicht verstanden hatte, gab er seine Zustimmung zum Abfahren und beauftragte den [Name 2], die Schranken zu schließen. [Name 3] wusste zu dieser Zeit bereits, dass der Triebwagen den Bahnhof Lübben verlassen hat und sich fahrplanmäßig im Streckenabschnitt befindet.
[Name 2] begab sich nach Erhalt der Zustimmung durch den Fahrdienstleiter [Name 3] zum Lokführer [Name 4] und gab diesem den Abfahrauftrag für den Überführungszug 15747. [Name 4] handelte ebenfalls entgegen den Vorschriften, indem er von einem nicht befugten Eisenbahner ([Name 2]) einen Abfahrauftrag entgegennahm und ausführte. [Name 2] war aufgrund der Zustimmung des [Name 3] zur Fahrt der Meinung, dass der aus Richtung Lübben zu erwartende Triebwagen (welcher planmäßig in Groß-Leuthen Kreuzung mit dem Nahgüterzug 8226 bzw. der Überführungsfahrt 15747 hat) Verspätung hat und er die Überführungsfahrt ordnungsgemäß durchführen kann. Auf dem Bahnhof Groß-Leuthen sind keine Ausfahrtsignale vorhanden.
Nach etwa fünf Minuten Fahrt bei einer Geschwindigkeit von 20 km/h sah [Name 2], der sich auf dem ersten Wagen befand, den entgegenkommenden Triebwagen. Trotz sofort eingeleiteter Schnellbremsung durch den Lok- bzw. Triebwagenführer kam es zum frontalen Zusammenstoß. [Name 2] war bereits in Erkennung der Gefahr für sein Leben vor dem Zusammenstoß abgesprungen. Das gleiche tat der Triebwagenführer vom T 2441 nach Einleitung der Schnellbremsung. Der Beimann des Triebwagens wurde schwer verletzt.
Durch den Zusammenstoß schob sich der an der Spitze laufende O-Wagen der Überführungsfahrt mit einem Drittel seines Wagenkastens einschließlich der Kisten des NVA-Ladegutes in den Triebwagen, wodurch der vordere Teil des Triebwagenaufbaues zerstört wurde und der Beiwagen überpufferte.
Nach den ersten Untersuchungen des Unfalles wurde durch den Transportpolizei-Abschnitt Cottbus gegen [Name 2, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1902 in Luckau, wohnhaft Luckau, [Straße, Nr.], beschäftigt Bahnhof Luckau als Zugschaffner, [Name 3, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1928 in Groß-Leuthen, wohnhaft Groß-Leuthen, [Straße, Nr.], beschäftigt Bahnhof Groß-Leuthen als Fahrdienstleiter, [Name 4, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1903 in Luckau, wohnhaft Langengrassau, [Straße, Nr.], beschäftigt Bahnbetriebswerk Luckau als Lokführer, ein Ermittlungsverfahren nach § 315/316 StGB (Transportgefährdung) eingeleitet. Über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den [Name 1, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1912 in Lübben, wohnhaft Luckau, [Straße, Nr.], beschäftigt Bahnhof Luckau als Zugführer, wird am 6.8.1964 noch entschieden.
Durch das MfS werden in Verbindung mit der Transportpolizei weitere Untersuchungen zur restlosen Aufklärung des Unfalles geführt.