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Entwicklung des Geldumtausches (2)

3. November 1964
[2.] Einzelinformation Nr. 980/64 über die Entwicklung des Geldumtauschs von in die DDR einreisenden westdeutschen und Westberliner Bürgern sowie Ausländern aus nichtsozialistischen Staaten

In der Zeit vom 23.10. bis 31.10.1964 wurden von den in die Bezirke und die Hauptstadt der DDR eingereisten westdeutschen und Westberliner Bürgern1 sowie Ausländern aus nichtsozialistischen Staaten insgesamt 468 467 DM/West umgetauscht.

Davon entfallen auf Mindestumtausch2 320 922 DM/West und auf zusätzlichen Umtausch 147 545 DM/West. (Über die Entwicklung des Geldumtausches in der Zeit vom 15.10. bis 22.10.1964 wurde bereits in der Einzelinformation Nr. 943/64 vom 24.10.1964 berichtet.)

Die Gesamtsumme aus dem Mindestumtausch seit dem 15.10.1964 beträgt 544 922 DM/West und aus dem zusätzlichen Umtausch 307 112 DM/West, sodass in der Zeit vom 15.10. bis 31.10.1964 eine effektive Einnahme von 852 034 DM/West zu verzeichnen ist.

Von den vom 23.10. bis 31.10.1964 in die Hauptstadt der DDR eingereisten Westberlinern, Westdeutschen und Ausländern aus nichtsozialistischen Staaten sind insgesamt 267 496 DM/West umgetauscht worden, und zwar im Mindestumtausch 192 090 DM/West und im zusätzlichen Umtausch 75 406 DM/West.

Von 110 825 in der Zeit vom 23.10. bis 31.10.1964 eingereisten Westberliner Bürgern mit Passierscheinen (einschließlich Passierscheinen für dringende Familienangelegenheiten) haben 40 800 (36 %) einen Mindestumtausch vorgenommen und insgesamt 119 140 DM/West getauscht.

Von den 62 286 in die Hauptstadt der DDR eingereisten westdeutschen Bürgern und Ausländern aus nichtsozialistischen Staaten machten 17 912 (27 %) vom Mindestumtausch Gebrauch und tauschten insgesamt 72 950 DM/West.

Die im genannten Zeitraum in die Bezirke der DDR eingereisten westdeutschen Bürger und Ausländer aus nichtsozialistischen Staaten haben insgesamt 200 971 DM/West getauscht, und zwar im Mindestumtausch 128 832 DM/West (von ca. 80 % der eingereisten Personen) und im zusätzlichen Umtausch 72 139 DM/West.

Die vorstehende zahlenmäßige Übersicht über die Durchführung des Mindestumtausches bis einschließlich 31.10.1964 lässt aus folgenden Gründen keine umfassende und genaue Einschätzung der bisherigen Durchsetzung des Mindestumtausches zu:

  • Die in die Bezirke der DDR eingereisten Personen, die den »Mindestumtausch« getätigt haben, tauschten im Durchschnitt ca. 15,00 DM/West um. Das entspricht einem Mindestumtausch für drei Tage, obwohl sich diese Personen in der Regel eine weitaus längere Zeit in der DDR aufhalten.

  • Da die in die Bezirke der DDR eingereisten westdeutschen Bürger und Ausländer aus nichtsozialistischen Staaten neben dem Umtausch an den KPP auch während der Zeit ihres Aufenthaltes am Besuchsort den Mindestumtausch noch vornehmen können, ist eine lückenlose Erfassung der Umtauschenden und ein exakter Vergleich mit der Zahl der Eingereisten nicht möglich.

  • Es ist zu berücksichtigen, dass diese Personen meistens schon beim Grenzübergang einen bestimmten Betrag umtauschen. Offensichtlich sind sie daran interessiert, einerseits für die Weiterfahrt auf dem Gebiet der DDR über legal erworbene MDN zu verfügen, andererseits am Besuchsort mit dem bereits vorgenommenen Geldumtausch zu argumentieren und den Mindestumtausch entsprechend der Besuchstage zu umgehen (z. B. bei der polizeilichen Anmeldung), in dem sie darauf hinweisen, bereits beim Grenzübergang getauscht zu haben.

  • In der als Vergleich dienenden Gesamtzahl der in die Bezirke und in die Hauptstadt der DDR eingereisten Personen sind diejenigen, für die der Mindestumtausch nicht vorgesehen ist (z. B. Rentner, Kinder usw.) mit enthalten. (Eine getrennte Ausweisung der für den Mindestumtausch nicht vorgesehenen Personen ist nicht möglich, da dadurch der Kontrollablauf wesentlich kompliziert würde.)

Aus den angeführten Zahlen und Vergleichen geht hervor, dass von der Mehrzahl der in die Hauptstadt der DDR eingereisten Westberliner, Westdeutschen und Ausländer der Mindestumtausch nach wie vor abgelehnt wird. An dem bereits mit der Information vom 24.10.1964 geschilderten Zustand hat sich nichts Wesentliches verändert, obwohl in organisatorischer Hinsicht eine reibungslose und schnelle Abwicklung des Geldumtausches gewährleistet ist und auch die dafür eingesetzten Kräfte konsequenter auftreten.

Aus zahlreichen Beobachtungen und verschiedenen Tests geht sogar hervor, dass die für den Mindestumtausch vorgesehenen Personenkreise vom Umtausch noch weit weniger Gebrauch machen, als aus den angeführten Zahlen und Vergleichen ersichtlich ist, da z. B. viele der in die Hauptstadt der DDR eingereisten Rentner, für die ein Mindestumtausch nicht vorgesehen ist, bereitwillig und ohne Aufforderung den Mindestumtausch vornahmen.

Von den Personenkreisen, die bei ihrer Einreise in die Hauptstadt der DDR den Mindestumtausch ablehnen, sind insbesondere die Kfz-Besitzer bzw. -benutzer, Jugendliche und Ausländer (sogenannte Dauerkunden) zu nennen. Durchgeführte Tests haben z. B. ergeben, dass die Zahl der mit Kfz einreisenden Personen, wo alle Insassen den Mindestumtausch vornehmen, sich in der Regel nur auf etwa 10 % beläuft.

Ein beispielsweise am KPP Bahnhof Friedrichstraße durchgeführter Test ergab, dass von 87 Ausländern, die innerhalb einer Stunde einreisten, 35 den Mindestumtausch vornahmen, zehn nur geringfügige Beträge tauschten und 42 jeden Geldumtausch ablehnten. Bei den am gleichen KPP und im gleichen Zeitraum eingereisten westdeutschen Bürgern zeigte sich ein noch drastischeres Bild. Von 370 eingereisten Personen nahmen 85 den Mindestumtausch bzw. teilweise einen Mehrumtausch vor, 61 tauschten nur geringfügige Beträge und 241 lehnten jeden Geldumtausch ab. Bei Tests an anderen KPP ergab sich ein ähnliches Bild.

Bei den mit Passierschein eingereisten Westberlinern ist in den letzten Tagen sogar eine rückläufige Tendenz des Mindestumtausches festzustellen. Die Summe der Mindestumtauschbeträge auf die Zahl der insgesamt eingereisten Personen bezogen, ergibt pro Person einen Mindestumtausch am 30.10. mit 1,39 DM/West, am 31.10. von 1,00 DM/West und am 1.11. von 0,92 DM/West.

Von den Personen, die den Mindestumtausch ablehnen, wird im Wesentlichen die gleiche »Argumentation« zur Rechtfertigung ihrer Haltung gebraucht, wie bereits in der Information vom 24.10. ausführlich dargelegt.

Wie bisher wird in der Mehrzahl der Fälle die Ablehnung des Mindestumtausches damit zu »begründen« versucht, dass nur von der Möglichkeit die Rede sei (Hinweis auf die Merkblätter), kein Zwang bestehe und bei Verwandten kein Geld benötigt würde.

In den letzten Tagen ist insbesondere an den KPP in Berlin festzustellen, dass vor allem mit Kfz einreisende Personen zunehmend in provokatorischer Art und Weise den Mindestumtausch ablehnen und gegenüber den Finanzkontrolleuren unhöflich auftreten. Sie »argumentieren« z. B., sie würden ihr »gutes Westgeld« nicht gegen »billiges Ostgeld« tauschen; sie seien nicht bereit, für das Betreten des »Ostsektors« noch extra »Eintritt zu bezahlen«; die DDR wolle ihre Wirtschaft auf Kosten der Einreisenden stärken und sogar die Einkleidung der an den KPP eingesetzten Kräfte sei vom Geldumtausch finanziert worden.

Am KPP Heinrich-Heine-Straße bezeichneten Westberliner Jugendliche die dort eingesetzten DDR-Kräfte durch Zurufe vom Westberliner Gebiet aus als »Geldeintreiber«. In anderen Fällen beriefen sich die Einreisenden darauf, dass die Umtauschenden noch extra dafür bestraft würden, da sie nicht zurücktauschen könnten. Es sei deshalb schon besser, nicht zu tauschen, zumal ihnen »nichts passieren« könne.

Weitere Einreisende beriefen sich darauf, von ihren Westberliner Verwandten, die bereits an den Vortagen in der Hauptstadt der DDR waren, Geld erhalten zu haben. Wiederholt wurde »argumentiert«, dass in Gaststätten und Hotels in Westwährung gezahlt werden könne.

Ergänzend zu den in der Information vom 24.10. angeführten Einzelheiten über die Rolle vor allem bestimmter Westberliner Stellen zur Untergrabung des Mindestumtausches kann eingeschätzt werden, dass diese Stellen ihre Tätigkeit weiter intensiviert haben. Neben der Vielzahl von Pressemitteilungen und Rundfunkdurchsagen, wonach der Mindestumtausch möglich aber nicht erforderlich sei, traten am 1.11. in den Morgenstunden erstmals Lautsprecherwagen in Aktion. Auf Westberliner Seite waren in der Nähe des KPP Invalidenstraße ein VW-Funkwagen und ein Lautsprecherwagen des SFB und am KPP Chausseestraße ein Lautsprecherwagen der Westberliner Polizei eingesetzt. Sie gaben den Westberlinern für ihren Grenzübertritt folgende »Verhaltensmaßregeln«: Zunächst soll gefragt werden, ob der Mindestumtausch ein Zwang sei. Wenn mit nein geantwortet wird, brauche kein Geldumtausch vorgenommen zu werden. Weiter könne gefragt werden, ob Restbeträge vom Mindestumtausch rücktauschbar seien. Bei Verneinung dieser Frage brauche ebenfalls nicht getauscht zu werden.

Von einer größeren Zahl der eingereisten Personen wurden daraufhin auch entsprechende Fragen an die Finanzkontrolleure gestellt und der Mindestumtausch abgelehnt.

Von den Maßnahmen, die in die DDR und ihre Hauptstadt einreisenden Personen vom Mindestumtausch abzuhalten, spielen nach wie vor die auf westdeutschem Gebiet und vor allem in Westberlin geschaffenen »attraktiven« Umtauschmöglichkeiten eine große Rolle. Der Schwindelkurs steht seit dem 22.10. bei 1,00 DM/West : 3,00 MDN.

Entsprechende Überprüfungen haben ergeben, dass die sogenannten Wechselgeschäfte in den Westberliner Wechselstuben bedeutend zugenommen haben.3 So wurde z. B. festgestellt, dass am 26.10. in der Wechselstube am Bahnhof Zoo innerhalb einer Stunde 75 Personen – zu einem großen Teil Ausländer – Beträge zwischen 20,00 und 50,00 MDN kauften, in einer Reihe von Fällen auch Posten zwischen 100,00 und 200,00 MDN. Ein Teil dieser Personen fuhr anschließend in die Hauptstadt der DDR. Am 1.11. tauschten innerhalb von zehn bis 15 Minuten zwölf Personen DM/West in MDN um (ebenfalls zwischen 20,00 und 50,00 MDN). Am 31.10. herrschte in dieser Wechselstube ein sehr großer Andrang, wobei vor allem Ausländer und Jugendliche sogenannte Wechselgeschäfte tätigten. Außerdem wurde festgestellt, dass sich z. B. in der Nähe des Bahnhofs Zoo etwa sechs bis sieben Gruppen (Schwarzhändler-Gruppen – meistens Jugendliche) herumtreiben und Westberliner Bürger zum »Geldumtausch« auffordern.

Offensichtlich stammen die in Westberlin vorhandenen Summen MDN zu einem großen Teil aus direkten Schiebergeschäften bzw. von Bürgern der DDR, die ihren Verwandten und Bekannten Geld zur Beschaffung von Westwaren mitgeben. Die bisher durchgeführten Kontrollen der ein- und ausreisenden Personen – es konnten nur wenige kleinere Beträge seit Beginn der Passierscheinaktion beschlagnahmt werden – ergeben bei Weitem kein reales Bild über den Umfang der Ein- und Ausschleusung von MDN. Der große Umfang der in Westberlin betriebenen sogenannten Wechselgeschäfte beweist, dass verhältnismäßig große Beträge MDN nach Westberlin geschleust worden sind und werden. (Die Annahme alter Banknoten wird in Westberlin neuerdings verweigert.) Eine umfassende Kontrolle ist schwer durchführbar, da hierzu in größerem Umfange Leibesvisitation durchgeführt werden müssten.

  1. Zum nächsten Dokument Verlauf des 2. Passierscheinabkommens (21)

    5. November 1964
    21. Bericht Nr. 987/64 über den Verlauf des 2. Passierscheinabkommens

  2. Zum vorherigen Dokument Ursachen des Eisenbahnunfalles Langhagen (2)

    3. November 1964
    Bericht Nr. 977b/64 über die Ursachen des Eisenbahnunfalles an der Ausfahrt des Bahnhofes Langhagen, [Kreis] Güstrow, [Bezirk] Schwerin, der Strecke Berlin – Rostock am 1. November 1964 [2. Fassung]