Explosion mit zweifacher Todesfolge in Kinderferienlager
25. August 1964
Einzelinformation Nr. 683/64 über eine Explosion mit zweifacher Todesfolge im Kinderferienlager des VEB Kraftverkehr Ilmenau in Baruth, Kreis Zossen, [Bezirk] Potsdam
Am 23.8.1964, gegen 14.10 Uhr, ereignete sich im Kinderferienlager des VEB Kraftverkehr Ilmenau in Baruth, Kreis Zossen, eine schwere Explosion, an deren Folgen zwei Kinder verstarben, ein Kind und ein Erzieher schwer verletzt wurden.
Das Kinderferienlager, ein ehemaliges Barackenlager des VEB Röhrenwerke Mühlhausen, wurde erstmalig für die Sommerferien 1964 eingerichtet. Obwohl in der näheren Umgebung Baruths in den Jahren 1962 bis 1964 bereits neun Munitionsfunde – Munition aus dem Zweiten Weltkrieg – erfolgten, wurden bei der Einrichtung des Kinderferienlagers keine besonderen Sicherheitsmaßnahmen, z. B. nochmaliges systematisches Absuchen des Geländes rund um das Ferienlager, getroffen.
Es erfolgte lediglich eine aktenkundige Belehrung des Lagerleiters über das Verhalten bei Munitionsfunden durch den zuständigen ABV. Der Lagerleiter seinerseits unterrichtete alle Helfer und Erzieher über die Belehrung. Während eines Fahnenappells wurden alle Kinder über das Verhalten bei Munitionsfunden aufgeklärt. Das Ferienlager wird seit ca. sechs Wochen benutzt.
Gegenwärtig ist der vollständige Unfallablauf noch nicht zu rekonstruieren, da die beiden unmittelbar am Unfall beteiligten Überlebenden, ein Schüler und der Erzieher, noch nicht vernehmungsfähig sind. Nach den bisher vorliegenden Ermittlungen hat sich die Explosion etwa wie folgt ereignet: Der Erzieher [Name 1] verbrachte mit drei Kindern in der an das Lager unmittelbar angrenzenden Waldschonung die Mittagspause. Als das Zeichen zum Beenden der Mittagspause im Lager ertönte, gegen 14.00 Uhr, begaben sich alle vier Personen auf den Rückweg.
Alle drei Kinder liefen etwas seitlich von dem Erzieher. Etwa 70 bis 100 m vor den Lagerbaracken, auf dem Gelände des Lagers, fanden die Kinder angeblich ein »Stück Eisen oder Blech«. Ein hinzukommender Schüler sah, wie die drei übrigen Kinder einen Gegenstand in den Händen hielten, der einer Handgranate ähnlich sah.
Dieser Schüler wollte nicht erst den begleitenden Erzieher verständigen – dieser wäre immer so streng gewesen –, sondern beabsichtigte, dem Lagerleiter sofort von diesem Fund Mitteilung zu machen. Als er sich ca. 20 m von den übrigen drei Kindern entfernt hatte, erfolgte die Explosion.
Nach der Rekonstruktion am Unfallort müssen die drei Kinder den Sprengkörper, möglicherweise eine Gewehrgranate aus dem Zweiten Weltkrieg (Splitterfunde, Art der Verletzung), auf dem Lagergelände gefunden haben. Als sie sich den Lagergebäuden näherten, müssen sie, unbeachtet von dem begleitenden Erzieher, den Sprengkörper weggeworfen haben, wobei dann die Explosion erfolgte.
Der Schüler Werner, Winfried war sofort tot, die beiden anderen Kinder [Name 2, Vorname] und Wölfel, Reinhard sowie der Erzieher [Name 1] wurden schwer verletzt. In der Nacht vom 23. zum 24.8. verstarb der Schüler Wölfel im Krankenhaus Zossen. Dem Erzieher [Name 1] musste inzwischen ein Bein amputiert werden. Der Schüler [Name 2] befindet sich nach Angaben der Ärzte, trotz schwerer innerer Verletzungen, außer Lebensgefahr.
Zur Erhöhung der Sicherheit bei der Errichtung von Kinderferienlagern wäre es unbedingt erforderlich, bei der VP und den örtlichen Organen vorliegende Hinweise über mögliche Gefahrenquellen noch gründlicher zu beachten und entsprechende Maßnahmen zur Beseitigung derselben einzuleiten.