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Geplante Südostasienreise des SPD-Bundestagsabgeordneten Meyer

3. März 1964
Einzelinformation Nr. 188/64 über eine geplante Südostasienreise des SPD-Bundestagsabgeordneten Meyer

Zuverlässig wurde bekannt, dass der SPD-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Bonner Botschafter in Indien Ernst Wilhelm Meyer,1 der Mitglied des Außenpolitischen Ausschusses des Bundestages ist, Anfang März dieses Jahres im Auftrage des Bonner Auswärtigen Amtes eine Reise nach Indien, Pakistan und Ceylon anzutreten beabsichtigt. Meyer sei für diesen Auftrag ausgewählt worden, weil er mit der Situation in den genannten Ländern gut vertraut ist, persönlich leitende Staatsmänner dieser Länder kennt und in der Zeit seiner Tätigkeit als Botschafter mit einigen von ihnen enge Beziehungen unterhielt.

Als offizieller Vorwand der Reise werden Lektionen und Vorträge angegeben, die Meyer zur Frage der Beziehungen Westdeutschlands mit den genannten Ländern und zu den Problemen der »Hilfe« Westdeutschlands für die sogenannten Entwicklungsländer halten soll. Wirkliches Ziel der Reise sind vertrauliche Kontakte und Gespräche mit den Meyer bekannten Staatsmännern (u. a. mit Nehru)2, die einer »Klärung« des Bonner Standpunktes zu den Auffassungen der genannten Länder in der deutschen Frage dienen sollen.

Der kürzliche Besuch einer Regierungsdelegation der DDR unter der Leitung von Bruno Leuschner3 in einer Reihe asiatischer Staaten hat,4 nach Einschätzung der Bonner Regierung, zu für Westdeutschland »äußerst unerwünschten Ergebnissen« geführt. Deshalb erachte die Bonner Regierung die Organisierung der Reise Meyers für dringend notwendig.

Das Bonner Auswärtige Amt ist der Meinung, dass die Bonner Regierung auf eine Veränderung der Haltung asiatischer Staaten gegenüber der DDR – insbesondere im Falle Ceylons – nicht nur mit einer Einstellung der sogenannten Wirtschaftshilfe reagieren darf, sondern dass auch eine »entsprechende Aufklärungsarbeit« in den führenden politischen Kreisen dieser Staaten geleistet werden muss. Meyer wurde deshalb beauftragt, in inoffiziellen Gesprächen zu erklären, die westdeutsche Regierung sei sich einer »gewissen Unzulänglichkeit« der Hallstein-Doktrin5 gegenüber jenen Ländern, die nach normalen Beziehungen zu anderen Staaten u. a. auch zur DDR, streben, durchaus bewusst. Sie könne jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht von dieser Doktrin abgehen, da auf ihr die Grundprinzipien der Politik Westdeutschlands sowohl in der NATO und der EWG als auch überhaupt in der Deutschland- und Westberlinfrage beruhten. Meyer soll an die Staatsmänner Indiens, Pakistans und Ceylons appellieren, Verständnis für die westdeutsche Haltung zu zeigen und ihr entgegenzukommen.

Meyer selbst ist der Auffassung, dass sich die Hallstein-Doktrin überlebt hat. Er beabsichtigt deshalb, das Schwergewicht seiner Argumentation während seiner Reise darauf zu legen, dass die Entwicklung der Beziehungen der genannten Länder zur DDR nicht zur Lösung der innerdeutschen Probleme, vor allem der »Wiedervereinigung« beitragen würde.

Die Information darf im Interesse der Sicherheit der Quelle publizistisch nicht ausgewertet werden.

  1. Zum nächsten Dokument Behandlung der Passierscheinfrage in der Evangelischen Akademie

    3. März 1964
    Einzelinformation Nr. 190/64 über die Behandlung der Passierscheinfrage in der Evangelischen Akademie im demokratischen Berlin

  2. Zum vorherigen Dokument Britische und französische Haltung zur Passierscheinfrage

    3. März 1964
    Einzelinformation Nr. 187/64 über die Haltung der britischen und französischen Regierung in der Passierscheinfrage