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Südostasienreise des SPD-Bundestagsabgeordneten Maier

14. April 1964
Einzelinformation Nr. 312/64 über eine Südostasienreise des SPD-Bundestagsabgeordneten Meyer

Der SPD-Bundestagsabgeordnete und ehemalige westdeutsche Botschafter in Indien Ernst Wilhelm Meyer1 kehrte kürzlich von einer Reise durch Indien, Ceylon und Thailand zurück, die er im Auftrage des Bonner Auswärtigen Amtes unternahm, um in diesen Ländern insbesondere den Bonner Standpunkt in der deutschen Frage zu propagieren und ein »Gegengewicht« gegen die Ergebnisse der kürzlichen Südostasienreise einer Regierungsdelegation der DDR2 unter der Leitung von Bruno Leuschner3 zu schaffen. Zuverlässig wurden Äußerungen Meyers über seine Reise bekannt.

Er habe festgestellt, dass die Regierungsdelegation der DDR in den besuchten Ländern einen guten Eindruck auf die Staatsmänner dieser Länder gemacht habe. Demgegenüber sei er vor allem in Indien mit der Behauptung aufgetreten, dass angeblich die »überwältigende Mehrheit der Bevölkerung sowohl Ost- als auch Westdeutschlands« negativ zur Gesellschaftsordnung in der DDR stehe und dass alle Länder einschließlich der Sowjetunion diesem »realen Faktor« Rechnung tragen müssten. Nehru4 habe Meyer jedoch gefragt, ob es sich tatsächlich so verhalte. Ein anderer indischer Politiker habe ihm erklärt, dass in 20 bis 25 Jahren in der DDR eine neue Generation herangewachsen sein werde, die völlig auf der Basis des Sozialismus stehe. Meyer habe damit argumentiert, dass die Entwicklung in beiden deutschen Staaten in dieser Zeit einen »Weg des Liberalismus« gehen werde, und er habe angedeutet, dass die Bundesrepublik im Interesse der »Wiedervereinigung« aus der NATO austreten und sich mit einer Begrenzung ihrer Streitkräfte einverstanden erklären könnte.

In Ceylon habe Meyer nur mit einigen Parlamentsabgeordneten sprechen können und vor allem versucht, die Einstellung der Bonner »Wirtschaftshilfe« zu rechtfertigen. Nach seinen Äußerungen sei er auf »ein gewisses Verständnis« für den Bonner Standpunkt gestoßen, und es sei ihm erklärt worden, dass Westdeutschland für Ceylon als Handelspartner wichtiger sei als die DDR. Meyer habe vor allem damit argumentiert, eine weitere Normalisierung der Beziehungen zwischen der DDR und Ceylon könne eine Kettenreaktion bei anderen Ländern hervorrufen. Deshalb sei der Austausch von Generalkonsulaten mit der DDR eine »große Gefahr bezüglich einer Vertiefung der Spaltung Deutschlands«. Die Einstellung der Bonner »Wirtschaftshilfe« sei keine ökonomische Zwangsmaßnahme gewesen. Die Bonner Regierung habe jedoch die politischen Stimmungen breiter Schichten der westdeutschen Bevölkerung berücksichtigen müssen.

In Gesprächen mit Politikern Thailands sei Meyer darauf hingewiesen worden, dass die Bundesrepublik einen Modus Vivendi in den Beziehungen zur DDR suchen müsse. Es sei ihm auch vorgeworfen worden, dass von westdeutscher Seite Aufrufe ausgingen, die eine Minderung der internationalen Spannungen stören.

Über andere Fragen berichtete Meyer, er habe den Eindruck gewonnen, dass sich die sowjetisch-indischen Beziehungen in den letzten Jahren gefestigt hätten. In erster Linie werde in Indien die ökonomische Zusammenarbeit mit der Sowjetunion geschätzt. Die negative Einstellung Nehrus zu den indischen Kommunisten beeinträchtigte seine Sympathien für die sowjetische Außenpolitik nicht.

Aufmerksam verhalte man sich in Indien gegenüber der Entwicklung in China und Pakistan. Insgesamt hoffe man auf eine weitere Normalisierung der Beziehungen zu diesen Ländern. Meyer äußerte auch den Eindruck, dass Nehru sehr krank sei.

Diese Information darf im Interesse der Sicherheit der Quelle publizistisch nicht ausgewertet werden.

  1. Zum nächsten Dokument Maßnahmen der Bonner Regierung gegen ausländische Gastarbeiter

    15. April 1964
    Einzelinformation Nr. 313/64 über Maßnahmen der Bonner Regierung gegen ausländische Gastarbeiter

  2. Zum vorherigen Dokument Flucht im Raum Diesdorf

    14. April 1964
    Einzelinformation Nr. 311/64 über einen Grenzdurchbruch im Raum Diesdorf, [Kreis] Salzwedel, [Bezirk] Magdeburg, am 11. April 1964 durch sechs Personen