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Haltung der Bundesregierung zum gesamtdeutschen Sportverkehr

22. Dezember 1964
Einzelinformation Nr. 1137/64 über die Haltung der Bundesregierung zum gesamtdeutschen Sportverkehr und zur Förderung des Sports in der Bundesrepublik

Es wurden zuverlässige Angaben aus Bonner Regierungskreisen über die Bonner Haltung zum gesamtdeutschen Sportverkehr und zum Sportverkehr zwischen der Bundesrepublik und den anderen sozialistischen Staaten sowie zur Frage sogenannten Sportförderungsmaßnahmen in der Bundesrepublik bekannt. In einem sogenannten Kontaktgespräch zwischen Vertretern des CDU-Parteipräsidiums unter Teilnahme von Adenauer1 und führenden Vertretern des DSB wurden die diesbezüglichen Fragen vor einiger Zeit erörtert.

Nach Meinung der genannten Regierungskreise ist die Haltung der Bonner Regierung zum gesamtdeutschen Sportverkehr jetzt klar erkennbar. Jede Aktivierung des gesamtdeutschen Sportverkehrs einschließlich des Verkehrs auf Vereins- und Verbandsebene werde begrüßt und mit einer Zurücknahme der Düsseldorfer Beschlüsse2 verbunden, wenn die DDR zuvor eine Erklärung abgebe, dass sie die Einbeziehung Westberlins »in die Verantwortlichkeit« des DSB im Rahmen des gesamtdeutschen Sportverkehrs anerkennt und in den gesamtdeutschen Sportverkehr den »gesamtberliner Sportverkehr« einbezieht. Bei auftretenden Schwierigkeiten mit Emblemen, Staatswappen usw. gelte die Richtlinie, dass Vereinskleidung erlaubt sei, das Zeigen staatlicher Embleme aber zum Einschreiten der Polizei, zum Abbruch bzw. Verbot der geplanten Veranstaltung und zur Ausweisung der DDR-Sportler aus der Bundesrepublik führe.

Den Reisen von Auswahlmannschaften der DDR in NATO-Länder3 zu Europameisterschaften und ähnlichen Vergleichskämpfen stimme die Bundesregierung zu, wenn diese Mannschaften nach dem olympischen Protokoll, d. h. ohne Staatsflagge, Hymne und Emblem auftreten.

Der Sportverkehr zwischen der Bundesrepublik und anderen sozialistischen Staaten soll, nach den Bonner Vorstellungen, stark aktiviert werden. Die Bundesregierung verbinde damit den Wunsch, dass Mannschaften aus anderen sozialistischen Staaten, besonders wenn sie mehrfach eingeladen werden, auch der Verlegung eines Spiels oder einer anderen sportlichen Veranstaltung nach Westberlin zustimmen.4 Die Einreise müsse in diesen Fällen über die Bundesrepublik erfolgen, und die Sportler müssten Visa der Bundesrepublik haben. Auf diese Weise könne die Anerkennung der »Zugehörigkeit Berlins zum Sportbereich der Bundesrepublik« »zwangsläufig durchgesetzt« werden. Es werde von den Sportvereinen und Verbänden der Bundesrepublik erwartet, dass sie sich in diesem Sinne verhalten.

Zur Förderung des Sports in der Bundesrepublik dränge die Bundesregierung jetzt darauf, Pläne mit Kostenanschlägen für die Schaffung von Leistungszentren und die Anstellung qualifizierter Trainer zu erhalten. Dabei soll die wissenschaftliche Durchdringung des modernen Trainings zentral von einer Stelle geleitet werden. Wahrscheinlich werde der jetzige wissenschaftliche Ausschuss unter der Leitung von Siegfried Perrey5 straffer organisiert und personell besser besetzt werden und einen Sitz an der Sporthochschule in Köln bekommen. Er könne dann alle Sportverbände mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Dokumentationen versorgen.

Leistungszentren sollen dezentralisiert für die verschiedenen Sportarten geschaffen werden. Dazu komme die Notwendigkeit einer besseren wirtschaftlichen Versorgung der Sportler, die ihre berufliche Tätigkeit nicht vernachlässigen dürften. Dafür werde ein Förderungsplan ausgearbeitet, der die Frage von Stipendien, Zuschüssen usw. regeln werde. Um den Anschein einer staatlichen Reglementierung zu vermeiden, sei geplant, ein Kuratorium zu bilden, das sich mit diesen Förderungsmaßnahmen befasst und Träger der finanziellen Mittel sein soll. Diese Mittel müssten einerseits Staat und Wirtschaft, andererseits aber auch der Sport selbst aufbringen.

Bis zum Frühjahr nächsten Jahres sollen Richtlinien ausgearbeitet werden, aus denen hervorgeht, in welcher Weise die Sportler entsprechend der sozialen Abstufungen und auch in Übereinstimmung mit den Amateurbestimmungen »gefördert« werden können. Darin sollen zugleich die Erfordernisse der Trainingsbelastung der Sportler berücksichtigt werden.

Gesamtziel all dieser Maßnahmen sei eine Erhöhung des Leistungsvermögens und des Ansehens des westdeutschen Sports sowohl international als auch im Vergleich mit der Sportbewegung der DDR. Vor allem komme es darauf an zu erreichen, dass die Bundesrepublik in weiteren sportlichen Auseinandersetzungen mit der DDR bestehe und wieder den Vorrang gewinne.

Zu den Aussichten auf das Zustandekommen einer sogenannten gemeinsamen deutschen Mannschaft6 auch für die nächsten Olympischen Spiele äußerten die genannten Regierungskreise, dass Daume7 ihnen eine pessimistische Prognose gestellt habe. Daume rechne damit, dass eventuell auf dem IOC-Kongress in Madrid im kommenden Jahr8 eine Mehrheit für zwei getrennte deutsche Mannschaften stimmen könnte.

Es wurde aus den genannten Kreisen noch bekannt, dass als eventueller Nachfolger für Daume der derzeitige Vorsitzende des Sportbeirates des DSB Dr. Lotz/Würzburg9 vorgesehen ist.

Die Information darf im Interesse der Sicherheit der Quelle nicht publizistisch ausgewertet werden.

  1. Zum nächsten Dokument Ansichten von Teilnehmern der DDR-Olympiamannschaft

    23. Dezember 1964
    Bericht Nr. 1138/64 über Ansichten von Teilnehmern der DDR-Olympiamannschaft

  2. Zum vorherigen Dokument Verlauf der 2. Besuchsperiode des Passierscheinabkommens (1)

    21. Dezember 1964
    1. Bericht Nr. 1130/64 über den Verlauf der 2. Besuchsperiode des Passierscheinabkommens