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Mängel in der Abfertigung von ausländischen Bürgern im Transitverkehr

8. September 1964
Einzelinformation Nr. 742/64 über einige Mängel in der Abfertigung von ausländischen Bürgern im Transitverkehr an den Kontrollpassierpunkten der Staatsgrenze der DDR

Dem MfS wurde bekannt, dass die zur Zeit an den Kontrollpassierpunkten der Staatsgrenze Westring Berlin sowie Staatsgrenze Ost und Süd der DDR gehandhabte Abfertigungspraxis von Ausländern, insbesondere aus den kapitalistischen Ländern, die das Gebiet der DDR auf dem Transitwege zu durchreisen beabsichtigten und kein gültiges Transitvisum besitzen, Mängel aufweist, die zur Verärgerung der ausländischen Bürger führen.

Schwierigkeiten, die sich diesbezüglich mit den ausländischen Bürgern ergeben, bestehen sowohl an den Kontrollpassierpunkten der DDR, die für den Transitverkehr zugelassen sind, als euch an jenen, die für den Transitverkehr durch die DDR nicht zugelassen sind.

Im Einzelnen handelt es dabei um folgende insbesondere seitens der zuständigen DDR-Organe ungeklärte Probleme:

Der Beschluss des Sekretariats des Zentralkomitees vom 16.10.1963 zur »Erweiterung der Touristik aus den kapitalistischen Ländern und den jungen Nationalstaaten in der DDR«1 enthält u. a. die Festlegung, dass Ausländer, die beim Deutschen Reisebüro oder einem ihrer Vertragspartner eine Gruppen- oder Einzeltouristenreise buchen und dafür einen Voucher bekommen, durch die Visabüros der DDR bei Vorlage dieses Vouchers sofort das erforderliche Ein- und Wiederausreisevisum erhalten.

Zur Realisierung dieses Beschlusses wäre es erforderlich gewesen, an allen KPP der DDR, die für den Transitverkehr zugelassen sind, Visabüros des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten einzurichten, die bei ständiger Besetzung bevollmächtigt sind, Transitvisa bei Vorlage eines entsprechenden Vouchers auszustellen.

Bisher liegen jedoch keine konkreten Weisungen zur Einrichtung von Visabüros an den für den Transitverkehr zugelassenen Kontrollpassierpunkten vor.

Eine Regelung erscheint jedoch im Interesse einer reibungslosen Abfertigung von Ausländern an den KPP durch die Kontrollorgane der DDR sowie im Hinblick auf das ständige Ansteigen des Transitverkehrs notwendig.

Die Auswirkungen an den für den Transitverkehr zugelassenen KPP bestehen zur Zeit darin, dass durch die Kontrollorgane der DDR täglich eine große Anzahl von Ausländern zurückgewiesen werden, weil sie – auch wenn sie über einen gültigen Voucher verfügen – nicht im Besitz der notwendigen Transitvisa sind, die nach den gesetzlichen Bestimmungen im Durchreiseverkehr benötigt werden.

So wurden an diesen für den Transitverkehr zugelassenen Kontrollpassierpunkten zurückgewiesen:

KPP

In der Zeit vom 1.7.–31.7.1964

In der Zeit vom 1.8.–20.8.1964

Frankfurt/O. (Eisenbahn)

27 Personen

19 Personen

Frankfurt/O. (Autobahn)

6 Personen

38 Personen

Drewitz

131 Personen

263 Personen

Griebnitzsee

117 Personen

65 Personen

Staaken

24 Personen

14 Personen

Insgesamt

305 Personen

399 Personen

Die Zurückweisung der Ausländer ist für sie mit erheblichem Zeitverlust und größeren Geldausgaben verbunden. So wird z. B. der am Kontrollpassierpunkt Frankfurt/O. zurückgewiesene Ausländer veranlasst, das Transitvisum bei der Botschaft der DDR in Warschau einzuholen. Ein am Kontrollpassierpunkt Drewitz zurückgewiesener Ausländer erhält das Transitvisum bei der Konsularabteilung des MfAA in der Hauptstadt der DDR. Dazu kommt noch, dass an Sonn- und Feiertagen vom MfAA und an den Botschaften der DDR nur in besonderen Ausnahmefällen Visa erteilt werden.

Bei der Mitteilung an die Ausländer, dass eine Zurückweisung zwecks Einholung eines Visums erfolgen muss, ist deren Reaktion – abgesehen von den bestehenden Verständigungsschwierigkeiten – häufig sehr ungehalten. Mehrfach wird von ihnen auf die angeblich unkomplizierte Abfertigung in anderen sozialistischen Ländern verwiesen. Ferner sind dem größten Teil der die DDR durchreisenden Ausländer die Verhältnisse in der DDR (politisch notwendige sorgfältige Kontrollpflicht aufgrund der besonderen Lage in Deutschland) sowie die geltenden Grenzbestimmungen nicht oder sehr wenig bekannt. Sie verstehen nicht, dass sie an den für den Transitverkehr zugelassenen Kontrollpassierpunkten der Staatsgrenze West, Nord und Süd Transitvisa erteilt bekommen, während sie an den Kontrollpassierpunkten der Staatsgrenze Ost und Westring Berlin keine erhalten.

Die Verärgerung der Ausländer erklärt sich weiterhin aus der Tatsache, dass sie bei Auskünften in staatlichen Dienststellen der befreundeten sozialistischen Länder – insbesondere der VR Polen und der ČSSR – teilweise fälschlicherweise die Antwort erhalten, Transitvisa für die Durchreise durch die DDR würden an den DDR-Kontrollpassierpunkten erteilt. (Die falschen Auskünfte u. a. auch durch Zollangehörige der VR Polen und der ČSSR resultieren aus Unkenntnis über unsere Grenzbestimmungen.)

Durch die Kontrollorgane der DDR wurden in Ausnahmefällen bei Vorliegen besonderer Umstände in den vergangenen Monaten in eigener Verantwortung bei vorliegenden Voucher Genehmigungen an einzelne Ausländer zur Durchreise durch die DDR erteilt, wobei sie eine zusätzliche Kontrolle durch gleichzeitiges Verständigen des gegenüberliegenden, vom Ausländer anzufahrenden KPP gewährleisteten. (Zum Beispiel bei Anreise von schwerbehinderten Ausländern, bei Mitführen von Kleinstkindern, bei verspäteter Durchreise von einem Tag u. Ä.) Diese Handhabung, die jedoch einer gesetzlichen Grundlage entbehrt, konnte nur eine Notlösung sein, zumal betont werden muss, dass die Passkontrollorgane lediglich für die Kontrolle verantwortlich sein und nicht Aufgaben zur Genehmigung und Erteilung von Visa übernehmen können.

An den nicht für den Transitverkehr zugelassenen Kontrollpassierpunkten der DDR Staatsgrenze West und Ost kommt es infolge einiger bestehender Unzulänglichkeiten ebenfalls zu Verärgerungen von Ausländern und Westdeutschen durch notwendige Zurückweisungen.

Zurückzuführen sind diese Zurückweisungen auf eine Nichteinhaltung der zzt. bestehenden Anordnungen und Weisungen über die Benutzung von Verkehrswegen im Durchreiseverkehr durch die dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten unterstellten Botschaften, Visabüros und anderen Dienststellen.

Durch diese dem MfAA unterstellten Dienststellen werden besonders in letzter Zeit im erhöhten Umfang Transitvisa für Straßenkontrollpassierpunkte ausgestellt, die nach den gültigen Beschlüssen des Ministerrates und den Anordnungen des MdI nicht für den Transitverkehr zugelassen sind. Diese Verstöße bei der Ausstellung der Transitvisa durch das MfAA sind offensichtlich auf eine Unkenntnis der verantwortlichen Sachbearbeiter über die bestehenden Weisungen zurückzuführen.

So reisten an den von den DDR-Behörden nicht für den Transitverkehr zugelassenen KPP vom MfAA ausgestellten Transitvisa allein im Monat Juli 1964 insgesamt 1 983 Personen an, davon am

  • KPP Görlitz/Straße – 201 Personen,

  • KPP Schmilka – 1 346 Personen,

  • KPP Schönberg – 12 Personen,

  • KPP Wartha – 151 Personen,

  • KPP Horst – 273 Personen.

Ferner erscheinen an diesen für den Transitverkehr nicht zugelassene KPP Ausländer und Westdeutsche ohne Transitvisa, in der Annahme, am KPP ein Visum erwerben zu können. Bei der Auskunft, der KPP sei für den Transitverkehr nicht zugelassen, berufen sie sich auf solche Fälle, in denen durch das MfAA – ungerechtfertigt – Transitvisa für den gleichen KPP ausgestellt wurden. Auch diese Personen müssen aufgrund der geltenden gesetzlichen Bestimmungen zurückgewiesen werden.

Rückweisungen von Personen ohne Transitvisa an den nicht für den Transitverkehr zugelassenen KPP erfolgten im

[KPP]

Juli 1964

August 1964

KPP Görlitz/Straße

50

KPP Schmilka

10

12

KPP Schönberg

KPP Wartha

109

154

KPP Horst

182

233

Insgesamt

351

399

Die bei Ausländern und Westdeutschen dadurch auftretenden Verärgerungen entstehen u. a. aus folgenden von ihnen zum Ausdruck gebrachten Unklarheiten:

  • Zunächst durch die erwähnte Tatsache, dass eine große Anzahl von Transitvisa für die obengenannten Kontrollpassierpunkte ausgestellt wird.

  • Sie verstehen nicht, dass die an den Kontrollpassierpunkten Wartha und Horst bestehenden Visabüros keine Transitvisa erteilen. (Sie erteilen, da es sich um keine Transitstrecke handelt sowie gemäß den bestehenden Bestimmungen nur Einreisevisa.)

  • Unverständnis insbesondere am KPP Görlitz/Straße darüber, dass der KPP Görlitz/Straße für den Transitverkehr nicht zugelassen ist, während der in unmittelbarer Nähe befindliche KPP Görlitz/Eisenbahn Transitreisende abfertigt. Dazu kommt, dass die polnische Transitstrecke im Straßenverkehr bis zum Kontrollpassierpunkt Görlitz/Straße heranführt.

  • Ähnlich liegt die Situation am Kontrollpassierpunkt Schmilka (bis zum Jahre 1958 für den Transitverkehr zugelassen). Auch hier führt die Transitstrecke der ČSSR auf dem Territorium der ČSSR bis an den Kontrollpassierpunkt Schmilka heran. (Die ČSSR hält sich bisher nicht an die zweiseitigen Vereinbarungen, den KPP Schmilka für den Transitverkehr nicht mehr zuzulassen. Ausländer erhalten durch Unkenntnis staatlicher Dienststellen der ČSSR von diesen mehrfach noch den Hinweis, den KPP Schmilka im Transitverkehr zu benutzen.)

Um die im vorliegenden Bericht dargelegten Mängel sowie andere in diesem Zusammenhang auftretende Probleme zu klären, wurde unter Federfügung des MdI eine Arbeitsgruppe zur »Neufassung der Anordnung über die Benutzung von Verkehrswegen der DDR im Durchreiseverkehr« gebildet, der neben den Vertretern des MdI Beauftragte des MfAA, des Ministeriums für Verkehr, der Zollverwaltung der DDR, der NVA und des MfS angehören. Die Kommission hat mit der Arbeit begonnen. Da ein baldiger Abschluss der Arbeiten der Kommission infolge der Vielfältigkeit der zu beratenden Probleme in absehbarer Zeit noch nicht erfolgen kann, wäre es nach Ansicht des MfS bereits jetzt notwendig, folgende Detailfragen zu lösen, um die augenscheinlichen Unzulänglichkeiten sofort zu beseitigen:

  • Es wäre notwendig, sofort mit der Einrichtung von Visabüros an allen für den Transitverkehr zugelassenen Kontrollpassierpunkten zu beginnen – einschließlich Staatsgrenze Westberlin.

  • Die dem MfAA unterstellten bevollmächtigten Dienststellen sollten durch die Leitung des MfAA eine klare schriftliche Orientierung erhalten, für welche KPP der DDR – die für den Transitverkehr zugelassen sind – Transitvisa erteilt werden können, um eine weitere Anfahrt von Transitreisenden an den nicht für den Transitverkehr zugelassenen KPP zu vermeiden.

  • Das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten sollte sofort die Außenministerien der sozialistischen Länder informieren, welche Kontrollpassierpunkte der DDR für den Transitverkehr zugelassen sind. In der Perspektive müsste durch das Deutsche Reisebüro der DDR im Ausland ebenfalls eine entsprechende Publizierung in den Prospekten erfolgen.

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