Schlägerei mit angeblicher Beteiligung von drei Offizieren
4. August 1964
Einzelinformation Nr. 609/64 über eine Schlägerei mit angeblicher Beteiligung von drei Offizieren der NVA/Grenze im Bereich Frankfurt/O.
Am 1.8.1964 wurde dem MfS durch das VPKA Eisenhüttenstadt mitgeteilt, dass drei Offiziere der NVA/Grenze – Bereich Frankfurt/O. in eine Schlägerei mit westdeutschen Bürgern in Eisenhüttenstadt verwickelt gewesen seien.
Die durch das MfS sofort eingeleiteten Überprüfungen ergaben jedoch, dass die drei Offiziere nicht an der Schlägerei beteiligt waren. Zu dem Vorkommnis wurde im Einzelnen Folgendes ermittelt: Am 31.7.1964 begaben sich die Offiziere der NVA/Grenze Hauptmann [Name 1], Unterabschnittsleiter in Grambow, Oberltn. [Name 2], Kompaniechef in Grambow, und Oberltn. [Name 3], Kompaniechef in Grambow, in die HO-Gaststätte »Aktivist« in Eisenhüttenstadt, wo sie bis gegen 24.00 Uhr je fünf Glas Bier und fünf Schnäpse tranken. Nachdem sie nach 24.00 Uhr im Hotel »Lunik« in Eisenhüttenstadt keinen Platz mehr fanden, begaben sie sich auf den Weg nach Grambow.
Dabei bemerkten sie, dass ein Haus in Eisenhüttenstadt, Am Kanal, hell erleuchtet war, von dem sie annahmen, dass es eine Gaststätte ist. Ihre diesbezügliche Nachfrage in dem betreffenden Haus ergab jedoch, dass es sich nicht um eine Gaststätte, sondern um das Grundstück des [Name 4, Vorname 1] handelte, der mit seiner Familie seine Diamantene Hochzeit feierte. Von dem [Name 4, Vorname 1] wurden die drei Offiziere sofort aufgefordert, an der Feier teilzunehmen, was von ihnen auch angenommen wurde.
An der Feier nahmen neben Gewerkschafts- und Pressevertretern (darunter der in Eisenhüttenstadt tätige Redakteur des ND, [Name 5]) die in Westdeutschland lebenden Kinder der Eheleute [Name 4] [Name 4, Vorname 2], geboren [Tag, Monat] 1920, wohnhaft in Bissendorf bei Hannover, dessen Ehefrau [Name 4, Vorname 3], geboren [Tag, Monat] 1923, sowie [Name 6, Vorname 1], geboren [Tag, Monat] 1916, wohnhaft in Neustadt, Altenkrampe/Holstein, und dessen Ehefrau [Name 6, Vorname 2], geboren [Tag, Monat] 1916, mit zwei erwachsenen Töchtern und zwei erwachsenen Söhnen teil.
Nach unseren Feststellungen benahmen sich die drei Offiziere im Verlaufe der Feier korrekt und diszipliniert, auch war keiner von ihnen betrunken. Hauptmann [Name 1], der sich auf einen Platz neben die 17-jährige Tochter des Ehepaares [Name 6] gesetzt hatte, versuchte jedoch mit dieser ins Gespräch zu kommen und eventuell nähere Beziehungen zu ihr herzustellen. Von dem Bruder des Mädchens wurde bemerkt, dass Hauptmann [Name 1] seine Hand um den Nacken seiner Schwester legte, wonach er ihn zur sofortigen Unterlassung dieser Handlung aufforderte. Unmittelbar danach wurden die drei Offiziere von den beiden Brüdern [Name 6], die sich im stark angetrunkenen Zustand befanden, angesprochen, sie sollten die Feier infolge der Handlung des Hauptmann [Name 1] sofort verlassen.
Der [Name 4, Vorname 1], der diese Aufforderung hörte, lehnte das Ansinnen der Brüder jedoch ab und veranlasste die drei Offiziere weiterhin in seinem Hause zu verbleiben. Nachdem die drei Offiziere noch eine kurze Zeit an der Feier teilgenommen hatten, verabschiedeten sie sich und gingen nach Grambow. Am nächsten Tag wurde bekannt, dass sich die zwei Brüder [Name 6] vor dem Hause des [Name 4] geschlagen hatten. Das Motiv zur Schlägerei konnten sie am nächsten Tag trotz genauer Befragung nicht mehr eindeutig angeben; es soll jedoch nach ihren widersprüchlichen Angaben in dem Verhalten des Hauptmann [Name 1] gegenüber ihrer Schwester zu suchen gewesen sein. (Hauptmann [Name 1] wusste selbst von der Schlägerei bis zur Verständigung am 1.8.1964 durch das MfS nichts.)
In Gesprächen zwischen den westdeutschen Gästen und dem Redakteur des ND, [Name 5], erklärten die Westdeutschen am 1.8.1964, sie seien nach der Schilderung der Brüder [Name 6] über das Verhalten der Offiziere der NVA sehr überrascht. Dabei bezogen sie sich auf die Erklärung der Brüder [Name 6], wonach Hauptmann [Name 1] versucht habe, sich der Tochter des Ehepaares [Name 6] zu nähern, was aber – wie die Überprüfungen ergaben – in dieser Form nicht den Tatsachen entspricht. Aus Verärgerung darüber hätten sie beabsichtigt, die DDR vorzeitig zu verlassen. Dieses Vorhaben hätten sie jedoch inzwischen wieder aufgegeben.
Im Ergebnis der Überprüfung dieses Vorfalles durch Offiziere der NVA/Grenztruppen und das MfS und der in diesem Zusammenhang geführten Aussprache mit dem [Name 4, Vorname 1] und den westdeutschen Bürgern entschuldigte sich Hauptmann [Name 1] bei dem [Name 4, Vorname 1] und den westdeutschen Bürgern hinsichtlich seines Verhaltens dem 17-jährigen Mädchen gegenüber. Von sich aus entschuldigten sich die Brüder [Name 6] bei Hauptmann [Name 1] hinsichtlich ihres Verhaltens ihm gegenüber.
Der Sekretär der Kreisleitung der SED in Eisenhüttenstadt wurde durch das MfS von dem Überprüfungsergebnis in Kenntnis gesetzt.
Durch die Polit-Abteilung der NVA/Grenze – Bereich Frankfurt/O. – wird erwogen, gegen die beteiligten Offiziere disziplinarische Maßnahmen einzuleiten.