Zerknall eines Dampferzeugers
2. Dezember 1964
Einzelinformation Nr. 1072/64 über den Zerknall eines Dampferzeugers in der GPG Syrau, [Kreis] Plauen, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt
Am 27.11.1964, gegen 13.10 Uhr zerknallte im Gemüsekombinat der GPG Syrau, [Kreis] Plauen, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, ein Niederdruck-Dampferzeuger. Bei dem Zerknall riss sich der Kessel vom Fundamt, durchbrach das Kesselhaus und flog etwa 25 m in das Gelände. Der zerknallende Kessel brachte damit das gesamte Kesselhaus zum Einsturz.
Durch den Zerknall des Kessels wurden die beiden Schlosser der GPG Koch, Werner, geboren am [Tag, Monat] 1913, und Ritter, Johannes, geboren am [Tag, Monat] 1931, die sich zu diesem Zeitpunkt auf einer Bühne über dem Kessel befanden, um dort Schweißarbeiten an der Bekohlungsanlage für das Kesselhaus durchzuführen, tödlich verletzt. (Ihre Arbeiten hatten keinen Einfluss auf die Auslösung des Unglücks.)
Weitere vier Personen erlitten Verletzungen, wobei der Heizer des Kessels, [Name 1, Vorname], Verbrennungen 3. Grades erlitt. [Name 1] befindet sich noch in stationärer Behandlung, Lebensgefahr besteht nicht. Die übrigen drei Personen konnten bereits aus der stationären Behandlung entlassen werden.
An der Beheizungsanlage der GPG Syrau – Gesamtwert 1,2 Mio. MDN – entstand ein Sachschaden von ca. 850 TMDN. Die Schadenssumme kann sich jedoch noch verringern, da die Räumung der Schadensstelle und die Prüfung des Grades der Zerstörung an den übrigen beiden Dampferzeugern noch nicht beendet wurden.
Die Untersuchungen des MfS über die Ursachen des Zerknalls ergaben: Der zerknallte Niederdruck-Dampferzeuger (bis 0,5 kp Druck = 0,5 atü) wurde im Frühjahr 1964 von Monteuren der Firma Böhme aus Heidenau/Dresden im neuen Kesselhaus der GPG Syrau errichtet.
Zur Sicherung des Dampferzeugers gegen Überdruck wurde er mit einem vertikalen Wasserstandsrohr ausgerüstet. Dieses Wasserstandsrohr erfüllte die Funktion eines Sicherheitsventils, da im Fall eines Überdrucks durch das Steigrohr die Abführung einer bestimmten Wassermenge zum Ausgleich erfolgte.
Etwa im Mai 1964 führten die Monteure der Firma Böhme eine Wasserdruckprobe durch, um zu prüfen, ob der Dampferzeuger dicht ist. Zu diesem Zweck wurde das Wasserstandsrohr durch das Einsetzen einer Blindscheibe am Flansch verschlossen.
Am 28.10.1964 nahm der Inspektor der Technischen Überwachung Zwickau Ing. [Name 2, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1909, seit 1.1.1949 als Inspektor bei der Technischen Überwachung Zwickau beschäftigt, den Dampferzeuger ab und gab ihn für den Betrieb frei.
Danach wurde der Dampferzeuger entsprechend den technischen Vorschriften ohne Speisewasser mit Holzbrennstoff vorgeheizt. Am 27.11.1964 wurde der Kessel erstmals mit Wasser voll in Betrieb genommen. Dabei stellte der Heizer [Name 1] fest, dass das Manometer am Kessel keinen Druck anzeigte. Offensichtlich zog er daraus den Schluss, den Kessel noch stärker anheizen zu müssen ([Name 1] ist zzt. noch nicht vernehmungsfähig). Dadurch hat er unbewusst den im Kessel bereits anstehenden Druck noch erhöht.
Die Untersuchungen an der Unglücksstelle sowie die Feststellungen der hinzugezogenen Experten erklären die Ursachen des Zerknalls wie folgt:
- 1.
Das Auffinden des Wasserstandsrohrs im verschlossenen Zustand (Blindscheibe) unter den Trümmern des Kesselhauses weist auf ernsthafte Versäumnisse bei der Wasserdruckprobe und bei der Abnahme des Dampferzeugers durch den Inspektor der Technischen Überwachung Zwickau hin. Die Monteure der Firma Böhme haben vermutlich die Blindscheibe nach der Wasserdruckprobe nicht entfernt. Der Inspektor der Technischen Überwachung Zwickau hätte die Blindscheibe unbedingt erkennen müssen.
- 2.
Das Manometer am Dampferzeuger war zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme funktionsuntüchtig. Das aufgefundene Manometer war durch Korrosion (Rost) in einer 3 mm großen Düse zugesetzt.
Das Zusammenwirken beider Faktoren führte zu einem erheblichen Überdruck, der den Zerknall des Dampferzeugers auslöste.
Inspektor [Name 2] erklärte in der Untersuchung, sich bei der Abnahme des Dampferzeugers darauf verlassen zu haben, dass die Blindscheibe nach der Wasserdruckprobe wieder entfernt wurde. Er habe sich davon persönlich jedoch nicht überzeugt. Eine augenscheinliche Prüfung des Wasserstandsrohrs hätte bereits genügt, um die noch montierte Blindscheibe, die einige Zentimeter über den Flansch hinausragte und mit weißer Farbe markiert war, zu erkennen.
[Name 2] gibt außerdem an, das Manometer bei der Abnahme funktionstüchtig vorgefunden zu haben. Widersprüche in seinen Angaben lassen jedoch den Verdacht zu, dass er das Manometer nicht geprüft hat.
Weitere Überprüfungen und Untersuchungen über das schuldhafte Verhalten des Inspektors [Name 2] und der Monteure der Firma Böhme Heidenau/Dresden werden noch geführt.