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Zwischenfälle mit alliierten Militärpatrouillen in Ostberlin (1)

29. Mai 1964
Bericht Nr. 442/64 über provokatorisches Verhalten von Angehörigen der in Westberlin stationierten Besatzungsmächte bei Fahrten mit Militärfahrzeugen in das demokratische Berlin in der Zeit von Oktober 1963 bis April 1964

Die Anzahl der in das demokratische Berlin einfahrenden Militärfahrzeuge der in Westberlin stationierten Besatzer ist gegenüber dem letzten Berichtszeitraum nur unwesentlich zurückgegangen. Hauptsächlich versuchen die Besatzer bei diesen Fahrten weiterhin zu provozieren, offiziell Spionageinformationen zu erlangen und Möglichkeiten zur Durchführung subversiver Tätigkeit zu erkunden.

In der Zeit vom 1.10.63 bis 30.4.1964 fuhren insgesamt 4 603 Militärfahrzeuge der westlichen Besatzer in das demokratische Berlin ein, davon in der Zeit vom 1.10. bis 31.12.1963: 2 332 [und vom] 1.1. bis 30.4.1964: 3 069 Militärfahrzeuge.

Davon waren im

IV.[Quartal]/1963

Januar bis April 1964

1 471

1 878 amerikanische Militärfahrzeuge

423

655 englische Militärfahrzeuge

438

536 französische Militärfahrzeuge

Im gleichen Zeitraum wurden insgesamt 60 Sperrgebietsverletzungen festgestellt, davon 39 durch amerikanische Militärfahrzeuge, 18 durch englische und drei durch französische Besatzerfahrzeuge. In allen Fällen fuhren die Besatzer unter Missachtung von Verbotszeichen in die Sperrgebiete ein, um die dort befindlichen militärischen Objekte und Anlagen der Sowjetarmee, der NVA, des MdI und des MfS aufzuklären bzw. zu beobachten. Dabei handelt es sich vorwiegend um Sperrgebiete in Karlshorst, Biesdorf, Friedrichshagen, Johannisthal sowie um das Grenzgebiet in Stadtmitte. Zum Beispiel befuhr am 17.3.1964 das amerikanische Militärfahrzeug BC 62 im Sperrgebiet in Karlshorst die Dewetallee an den Objekten der Sowjetarmee und Stadtkommandantur vorbei. Am Objekt der Sowjetarmee wendete das Fahrzeug und fuhr die Dewetallee zurück.

Am 19.3.1964 fuhr das britische Militärfahrzeug 52 XB 14, mit vier Uniformierten besetzt, über den Kornmandelweg in das Sperrgebiet in Biesdorf ein. Das Kfz befuhr einige Straßen innerhalb des Sperrgebietes und verließ dieses durch den Hirseweg. Am 20.5.1964 befuhr das amerikanische Kfz BC 112 das Sperrgebiet in Biesdorf. Das Fahrzeug fuhr über die Walsheimer Straße in das örtliche Sperrgebiet ein und verließ dasselbe über die Cecilienstraße.

Bei allen Fahrten interessierten sich die Besatzer besonders für militärische Objekte und Anlagen sowie für andere strategisch wichtige Punkte, wobei im Berichtszeitraum konkret 88 Fälle von Spionage- und Aufklärungstätigkeit der in Westberlin stationierten Besatzungsmächte bekannt wurden. Hauptsächlich traten dabei die amerikanischen Besatzer in Erscheinung (78 Fälle), wobei vor allem 1964 eine verstärkte Aufklärungstätigkeit festzustellen war. Zum Beispiel versuchten am 2.3.1964 zwei Insassen des amerikanischen Militärfahrzeuges B 4169 von der Warschauer Brücke aus das Bahngelände in Richtung Ostbahnhof zu fotografieren. Da dies durch einen VP-Angehörigen verhindert wurde, begaben sich die zwei uniformierten Amerikaner zum Bahnsteig 3 des Ostbahnhofes, von wo aus sie das Bahngelände in Richtung Warschauer Brücke fotografierten. Weiter fotografierten sie das Bahngelände an der Eisenbahnbrücke hinter der Ortschaft Malchow.

Am 3.3.1964 hielt das amerikanische Militärfahrzeug BC 106 an mehreren Stellen in Kaulsdorf an, wobei die Insassen das Fahrzeug verließen und in der Hellersdorfer Straße, in der Gülzower Straße und am KPP Hellersdorf anhand von mitgeführten DIN-A4-Bogen Panzerspuren verglichen. Weiter notierte ein Fahrzeuginsasse das Kennzeichen eines Pkw der Sowjetarmee.

Am 7.3.1964 wurden durch die fünf Insassen des englischen Militärfahrzeuges 49 XH 02 auf dem Fürstenwalder Damm in der Nähe der Hartlebenstraße Panzerspuren mittels Bandmaß nachgemessen und anhand von mitgeführten DIN-A4-Bogen verglichen.

In einem anderen Fall versuchten US-Besatzer mit einer Bürgerin der DDR Kontakt aufzunehmen und diese zur Spionagetätigkeit auszunutzen. Am 12.3.1964, gegen 5.10 Uhr, parkte das US-Militärfahrzeug BC 112, mit vier Uniformierten besetzt, in Kaulsdorf, Mädwalder Weg. Als die Bürgerin der DDR [Name, Vorname], an einer in der Nähe gelegenen Parkanlage vorüberging, kamen plötzlich zwei US-Besatzer aus dem Gebüsch, die Frau [Name] aufforderten, zum S-Bahnhof Kaulsdorf zu gehen, um dort die Verladung sowjetischer Panzer zu beobachten und anschließend den US-Besatzern darüber zu berichten.

Wie in der Vergangenheit verletzten die Besatzer bei ihren Fahrten im demokratischen Berlin weiterhin in provokatorischer Weise die Straßenverkehrsordnung, wobei sie das Leben und die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer gröblichst gefährdeten.

In der Berichtszeit wurden insgesamt 600 Verkehrsübertretungen festgestellt. Davon wurden 457 durch amerikanische, 80 durch englische und 63 durch französische Militärfahrzeuge verursacht. Zum Beispiel befuhr am 4.12.1963 der amerikanische Pkw BC 54, mit drei Uniformierten besetzt, die Chausseestraße in Richtung Friedrichstraße. Am Dorotheen-Friedhof verursachte das Fahrzeug schuldhaft einen Verkehrsunfall mit einer Straßenbahn der Linie 46, wodurch geringer Sachschaden am BC-Fahrzeug entstand. Anschließend hielt das Fahrzeug in der Reinhardtstraße unmittelbar an der Bushaltestelle der Linie A 57. Dadurch musste der Bus auf der Straßenmitte halten und die Fahrgäste mussten dort aus- und einsteigen.

Am 17.1.1964 verursachte das amerikanische BC-Fahrzeug 110 schuldhaft einen Verkehrsunfall. Der Pkw fuhr die Rudower Chaussee in Richtung Adlergestell entlang und aufgrund überhöhter Geschwindigkeit stieß es mit einer Straßenbahn der Linie 84 zusammen. Während an der Straßenbahn kleinere Blechbeulen und Lackrisse zu verzeichnen waren, entstand am BC-Fahrzeug erheblicher Sachschaden.

Am 28.2.1964 durchfuhr das Fahrzeug BC 62 die für den Durchgangsverkehr gesperrte Samariterstraße und bog anschließend in die Frankfurter Allee ein, obwohl die Zufahrt zur Frankfurter Allee von der Samariterstraße aus gesperrt ist. Dasselbe Fahrzeug durchfuhr anschließend in Johannisthal die Straße am Flugplatz und in Hessenwinkel die Biberpelzstraße, die Straße 522 und die Lagunenstraße, die für den gesamten Fahrzeugverkehr gesperrt sind.

Am 4.3.1964 befuhr das amerikanische Militärfahrzeug BC 52 die für den Durchgangsverkehr gesperrte Klosterstraße. Danach fuhr der Pkw mit 120 km/h durch die Karl-Marx-Allee, Frankfurter Allee und die Straße Alt Friedrichsfelde. Nachdem das Fahrzeug wiederholt diese Straße in stark überhöhter Geschwindigkeit befahren hatte, wurde der Pkw durch VP-Angehörige gestoppt. Daraufhin stellte sich das BC-Fahrzeug quer zur Straßenmitte und blockierte die rechte Straßenhälfte, sodass eine Störung im Straßenbahnverkehr der Linie 69 und des Oberleitungsbusses eintrat. Einer mehrmaligen Belehrung durch die VP-Angehörigen kamen die Besatzer nicht nach. Erst als nach ca. 20 Minuten mehrere Fahrgäste aus der Straßenbahn ausstiegen, ihre Empörung zum Ausdruck brachten und versuchten, das Fahrzeug von den Schienen zu heben, fuhren die Besatzer in Richtung Karlshorster Straße davon.

Am 24.2.1964 fuhr das amerikanische Fahrzeug BC 112, mit vier Insassen besetzt, in die für den Durchgangsverkehr gesperrte Kurstraße ein. In Höhe der Einfahrt zum ZK der SED wurde der Pkw durch einen VK-Posten gestoppt. Das Fahrzeug fuhr bis auf 30 cm an den Posten heran und hielt. Als der Posten den Fahrer durch Handzeichen darauf hinwies, den Wagen zu wenden und zurückzufahren, fingen die Besatzer an laut zu lachen und zu krakeelen, sie drohten dem Posten mit Fäusten und zeigten mit dem Finger an die Stirn. Trotz mehrmaliger Aufforderung zum Wenden randalierten die Besatzer weiter und fuhren erst nach fünf Minuten zurück, wobei sie den VK-Posten weiterhin durch Gesten provozierten. Am Werderschen Markt fuhren sie in betont langsamer Fahrt an einem VK-Posten vorüber, wobei sie diesen Posten durch Gesten provozierten und die Zunge heraussteckten.

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    4. Juni 1964
    Einzelinformation Nr. 448/64 über die Haltung von Heinz Brandt und der IG Metall seit der Ausreise Brandts nach Westdeutschland

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    28. Mai 1964
    Einzelinformation Nr. 437/64 über Prof. Dr. Dr. h.c. Kurt Nehring, Oskar-Kellner-Institut für Tierernährung in Rostock