Illegaler Waffenbesitz von Jugendlichen in Weimar
24. Oktober 1965
Einzelinformation Nr. 909/65 über illegalen Waffenbesitz einer Gruppe Jugendlicher in Weimar
Am 23.10.1965 wurde durch Hinweise bekannt, dass in Weimar eine jugendliche Rowdygruppe existiert, die illegal über Waffen verfügt. Im Zusammenhang mit einer staatsfeindlichen Äußerung wurde der Oberschüler [Name 1, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1950 in Weimar, wohnhaft Weimar, [Straße, Nr.], einer Befragung unterzogen.
[Name 1] hatte beim Durchfahren einer Militärdelegation in der Puschkinstraße in Weimar geäußert: »Man müsste mit dem Maschinengewehr auf die Wagen schießen.« In der Befragung wurde festgestellt, dass [Name 1] einer Gruppe von Jugendlichen angehört, die sich als »Rolling Stones-Fans« bezeichnet und des Öfteren auf dem Beethovenplatz zusammenkommt, um Westsender zu hören und Straßenpassanten anzupöbeln.
In der weiteren Untersuchung wurden die Jugendlichen
- –
[Name 2, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1948,
- –
[Name 3, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1949,
- –
[Name 4, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1949,
- –
[Name 5, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1951,
- –
[Name 6, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1948,
- –
[Name 7, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1948,
- –
[Name 8, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1950,
alle wohnhaft in Weimar, ebenfalls vernommen, weil sie verdächtig waren, sich gegen führende Staatsfunktionäre der DDR diffamierend geäußert zu haben. Durch Aussagen des [Name 6] konnte den Jugendlichen [Name 2], [Name 3] und [Name 4] der Besitz von je einer Pistole und Munition nachgewiesen werden, die sich ursprünglich im Besitz [Name 5] befanden. Sämtliche Waffen und Munition konnten sichergestellt werden.
Die weiteren Untersuchungen durch das MfS ergaben Folgendes: [Name 5], der bereits 1963 wegen illegalen Besitzes von Schusswaffen verwarnt worden war, hatte im Sommer 1964 beim Tauchen in der Ilm eine unbrauchbare Pistole (Kal. 7.65 mm) gefunden und an sich genommen.
Im Sommer 1965 fand er auf diese Weise weitere fünf Schusswaffen und eine größere Anzahl Pistolen- und Karabinermunition, die er zu Hause in seinem Zimmer aufbewahrte. Aufgrund der offenen Aufbewahrung der Waffen und Munition hatten auch die Eltern des [Name 5] Kenntnis von dem illegalen Waffenbesitz, ohne jedoch auf eine Abgabe der Waffen Einfluss zu nehmen.
Später versteckte [Name 5] drei dieser Pistolen im Keller seines Wohnhauses.
Bei einer Zusammenkunft mit den anderen Jugendlichen am Beethovenplatz machte er dem zur Rowdygruppe gehörenden [Name 2] Mitteilung über das Versteck der drei Pistolen.
Am 19.10.1965 entwendeten [Name 2], [Name 3] und [Name 4] gemeinsam die versteckten drei Pistolen mit 35 Schuss Munition aus dem Versteck im Keller.
Am 20.10.1965 löste [Name 3] auf dem Beethovenplatz in Weimar einen Schuss aus, der jedoch von den Straßenpassanten nicht bemerkt wurde.
Auch in den folgenden Tagen (21. und 22.10.) führten die Genannten die Waffen bei sich und gaben vereinzelt Schüsse ab. Dadurch erhielt ein großer Teil der anwesenden Jugendlichen Kenntnis von dem illegalen Waffenbesitz.
Nach bisherigen Feststellungen handelt es sich um zehn Personen, darunter auch der Sohn des Kaderleiters des VEB Weimar-Werk (Stadtverordneter und Vorsitzender der ständigen Kommission für Inneres in Weimar.)
Lediglich [Name 7] und [Name 6] forderten die Jugendlichen zum Wegwerfen der Waffen auf, um Unannehmlichkeiten aus dem Wege zu gehen. Aufgrund falscher Kameradschaft erstatteten sie jedoch keine Anzeige.
Als Motiv des illegalen Waffenbesitzes geben die Genannten an, dass sie sich gegenüber den anderen Jugendlichen herausstellen wollten. Eine staatsfeindliche Zielstellung konnte bisher nicht nachgewiesen werden.
Die von einem Teil der Jugendlichen geführten diffamierenden Äußerungen gegen führende Staatsfunktionäre standen im Zusammenhang mit negativen Diskussionen, wobei keiner hinter dem anderen zurückstehen wollte.
Der bereits erwähnten Äußerung von [Name 1] gingen z. B. mehrfach negative Diskussionen über »eine Bevorzugung höherer Armeeoffiziere und Generale gegenüber den Soldaten« voraus.
Nach Aussagen des [Name 1] hätten sich seine Äußerungen darauf bezogen, den Generälen die Wagen zu zerstören. Absichten oder Gespräche, derartige Gedanken in die Tat umzusetzen, haben nach bisherigen Feststellungen nicht bestanden. Hinweise und Zusammenhänge, die auf eine Aufwiegelung durch feindlich tätige Personen schließen lassen, konnten bisher nicht festgestellt werden.
Im Ergebnis der Untersuchungen wurden gegen [Name 2], [Name 3] und [Name 4] Ermittlungsverfahren nach §§ 1 und 2 der Waffenverordnung1 eingeleitet. Gegen den 14-jährigen [Name 5] wurde aufgrund seines Alters kein Verfahren eingeleitet. In Absprache mit dem zuständigen Kreisstaatsanwalt werden gegen die Eltern des [Name 5] Ermittlungsverfahren wegen Vernachlässigung der Aufsichtspflicht eingeleitet. Die Jugendlichen [Name 6], [Name 1], [Name 8] und [Name 7], die strafrechtlich lediglich wegen Kenntnis vom illegalen Waffenbesitz belangt werden können, wurden als Zeugen vernommen. Außerdem wurden Aussprachen mit den Eltern geführt.