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Herbstsynode der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg (Langfassung)

8. November 1968
Einzelinformation Nr. 1248a/68 über die Herbstsynode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg in der Zeit vom 1. bis 5. November 1968 in Berlin-Weißensee, Stephanusstift [Langfassung]

Die Herbstsynode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg tagte in der Zeit vom 1. bis 5.11.1968 unter dem Thema »Diakonie« im Stephanusstift1 Berlin-Weißensee. (Die Tagung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg/West wird vom 15. bis 19.11.1968 unter dem gleichen Thema in Westberlin/Spandau durchgeführt.)

An der Tagung im Stephanusstift nahmen von 166 Synodalen des Zuständigkeitsbereiches 160 teil. Unter den anwesenden Gästen befanden sich:

  • Oberkirchenrat Behm2 und Kirchenrätin Lewek3 von der Kirchenkanzlei der »Evangelischen Kirche in Deutschland« in der DDR;

  • Oberkonsistorialrat Grünbaum,4 Brandenburg, und Dr. Ruben, Berlin, von der Kirchenkanzlei der »Evangelischen Kirche der Union«;

  • Oberkirchenrat Heidler, Berlin, vom Lutherischen Kirchenamt;

  • Oberkirchenrat Pabst,5 Berlin, als Vertreter der »Konferenz der Kirchenleitungen in der DDR«;

  • und als Vertreter der Landeskirchen

    • Oberkirchenrat Meier, Landeskirche Anhalt, Dessau;

    • Oberkirchenrat Juergensohn,6 Konsistorialbezirk Görlitz;

    • Oberkonsistorialrat Niebuhr, Kirchenprovinz Sachsen, Magdeburg;

    • Dipl.-Wissenschaftler Uteß, Konsistorialbezirk Greifswald, (Synodaler der »EKU«);

    • Monsignore Endress, Berlin, Vertreter des katholischen Ordinariats Berlin;

    • Pfarrer Schiewe, Brüdergemeinde Herrnhut.

Zu Beginn wurde ein Telegramm des Präses der Regionalsynode West Berlin-Brandenburg, Altmann,7 folgenden Wortlauts verlesen: »Verehrte lieber Brüder und Schwestern! Wir grüßen Euch zu Eurer Tagung in unverändert herzlicher Verbundenheit und Vertrauen mit Konrinther 3.17, dort wo der Geist des Herrn ist, da ist die Freiheit.«

Die Tagung stand unter dem Vorsitz von Präses Superintendent Fritz Figur.8 Der Rechenschaftsbericht wurde vom Verwalter im Bischofsamt, Generalsuperintendent Schönherr,9 gegeben.

Am 1. Beratungstag referierte Superintendent Steinlein,10 Finsterwalde, zu dem Thema: »Neue Wege der Diakonie« (wesentlicher Inhalt nur innerbetriebliche Fragen). Danach wurde das Diakoniegesetz zur Bildung des »Diakonischen Werkes der Inneren Mission« und des »Hilfswerkes der evangelischen Kirche« in erster Lesung vorgetragen. Es wurde herausgestellt, dass bei Beschluss durch die Synode das Gesetz erst dann in Kraft treten könne, wenn auch auf der Westberliner Synode die Zustimmung dazu erteilt werde.

Die Drucksachen 7 und 14 zur Raumordnung (Umgemeindung von vier Kirchengemeinden aus der Kirchenprovinz Sachsen in die Landeskirche Berlin-Brandenburg) wurden beschlossen.

Der 2. Beratungstag wurde mit einer Andacht von Superintendent Richter,11 Seelow, eröffnet. Er setzte sich mit der Judenverfolgung im Alten Babylon auseinander und erklärte, dass das heutige Israel die biblischen Aussagen neu interpretieren müsse. Im Fürbittgebet sprach Richter die Hoffnung aus, dass nun endlich Voraussetzungen für einen Frieden in Vietnam geschaffen werden und ließ die Synodalen für die Verwirklichung des Friedens in Vietnam beten. Das Fürbittgebet enthielt auch den Wunsch nach Beendigung der Konflikte im Nahen Osten, ein Gedenken an die »Brüder und Schwestern« in Westberlin, die Einheit mit der Westberliner Evangelischen Kirche sowie die Hoffnung, dass alle nationalen und internationalen Konflikte ohne militärische Gewalt gelöst werden.

Der Bericht der Kirchenleitung, der von Generalsuperintendent Schönherr verlesen wurde und unmittelbar vorher den Synodalen ausgehändigt wurde (Drucksache 8), befasste sich überwiegend mit theologischen und innerkirchlichen Problemen. Neu war jedoch die sichtbare große Anstrengung der Kirchenleitung, sich in organisatorischer Hinsicht auf die Veränderungen im gesellschaftlichen Leben, die sich im Zusammenhang mit der wissenschaftlich-technischen Revolution und der Bildung von Kooperationsverbänden auf dem Lande ergeben, einzustellen.

– Verhältnis Staat – Kirche

»Die Kirchenleitung und ihr Vorsitzender haben versucht, was an ihnen liegt, diese Beziehungen nicht nur im Sinne eines frostigen Nebeneinander, sondern zu einem Miteinander bei solchen Aufgaben zu gestalten, die auch im Bereich des kirchlichen Auftrags liegen … Es gelang erst sehr spät, mit dem Herrn Oberbürgermeister von Berlin ein Gespräch herbeizuführen, da der Magistrat von Groß-Berlin es zu unserem Bedauern ablehnt, den von der Kirchenleitung beauftragten Generalsuperintendenten (gemeint ist Generalsuperintendent Schmitt)12 zu empfangen … Ein Kirchentagstreffen wurde abgesagt, da der Magistrat wegen der Situation Berlins im Allgemeinen und besonders in dieser Zeit Einspruch erhoben hatte … Das Problem der Zulassung zur Erweiterten Oberschule ist erneut brennend geworden. Die gesellschaftliche Betätigung der Schüler und die Einstellung des Elternhauses sind neben den Leistungen wieder zu bestimmenden Faktoren geworden …«

Im Zusammenhang mit dem Abriss der Garnisonkirche13 in Potsdam und den Bemühungen der Kirche um deren Erhaltung wird festgestellt, »dass das Verhalten der Staatsorgane nicht als eine gute Auslegung des verfassungsmäßigen Mitbestimmungsrechts angesehen werden könne…«

– Sozialistische Verfassung der DDR

Die Diskussion um die neue Verfassung14 sei auch in der Landeskirche Berlin-Brandenburg sehr intensiv gewesen. Von den kirchlichen Eingaben wird der Brief von sieben leitenden Geistlichen der evangelischen Kirchen in der DDR hervorgehoben.15 Das Hauptanliegen dieser Eingabe war, eine Bestimmung über die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit einzufügen.

Das sei dann in Artikel 20 des endgültigen Verfassungstextes16 geschehen. Wörtlich heißt es weiter: »Der Herr Vorsitzende des Staatsrates hat in seinem Einführungsvortrag vor der Volkskammer betont, dass die Tätigkeit der Kirchen durch die neue Verfassung gewährleistet sei. Der Text des Artikels selbst bringt diesen Gedanken jedoch nicht in der nötigen Klarheit zum Ausdruck. Das wäre umso wünschenswerter gewesen, als diese Thematik in der früheren Verfassung in neun Artikeln behandelt worden war. Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, dass Unkundige die Bestimmungen beider Texte vergleichen und nur noch gelten lassen, was in der neuen Verfassung ausdrücklich genannt wird … Wir meinen aber, dass es gut ist, die Beziehungen zwischen Staat und Kirche … so zu ordnen, dass Missverständnisse und Reibungen möglichst vermieden werden. Die endgültige Verfassung scheint dieses Anliegen insofern aufzunehmen, als die Möglichkeit eröffnet wird, Näheres durch Vereinbarungen zu regeln. Die acht evangelischen Kirchen in der DDR haben nach Inkrafttreten der Verfassung demgemäß am 5.6.1968 eine Verhandlungskommission ›für den Fall eingesetzt, dass eine Absicht der Regierung erkennbar wird, Vereinbarungen entsprechend Artikel 39,2 der Verfassung17 zu treffen‹«… »Die Kirchenleitung glaubt bemerken zu müssen, dass im Übergang zu der Phase des Sozialismus, die durch die neue Verfassung angezeigt wird, auf einigen Gebieten Unklarheiten in der Beziehung zwischen Staat und Kirche entstanden sind …« Schönherr führte in dem Zusammenhang an, es habe Differenzen über die Frage gegeben, ob es Sache der Kirche sei, sich auf dem Gebiet der Kultur zu betätigen.

– Israel-Konflikt

»Der Vorsitzende der Kirchenleitung (Schönherr) hat von sich aus, als Staatsbürger der Deutschen Demokratischen Republik, in einem Brief an den Herrn Vorsitzenden des Ministerrates seine Besorgnis ausgedrückt, dass nach seiner Ansicht die Stellungnahme unserer Regierung in der Nahostkrise des vorigen Jahres und besonders ihre publizistische Auswertung auf die Mentalität mancher Bürger eine ungünstige Wirkung haben könne. Die Antwort wurde mündlich durch Herrn Staatssekretär erteilt, beschränkte sich freilich im Wesentlichen darauf, den politischen Standpunkt der Regierung zu erläutern.«

– Vietnam

Schönherr nahm Bezug auf einen Beschluss der vorangegangenen Synode, 100 körperbehinderte Kinder aus Nordvietnam in kirchliche Anstalten der DDR einzuladen. Er stellte dazu fest, dass das Vorhaben nicht durchgeführt werden konnte. Die Kirche sei durch den zentralen Vietnam-Ausschuss der DDR auf die kirchliche Aktion »Brot für die Welt« verwiesen worden.

– Ereignisse in der ČSSR18

»Die Ereignisse in der ČSSR seit dem 21.8.1968 haben die Kirchenleitung bewogen, den Kirchen, die im Ökumenischen Rat der Kirchen der ČSSR vereinigt sind, einen Brief zu senden. Sie bedurfte, zumal unmittelbar nach Uppsala (4. Weltkirchenkonferenz 1968),19 zu diesem Zeichen ökumenischer Verbundenheit keines Anstoßes von außen. Die Kirchenleitung hat den Brief den Gemeinden ihres Kirchengebietes bekannt gegeben und empfohlen, ihn im Gottesdienst zu verlesen. Viele Fragen und Anstöße aus den Gemeinden hatten erkennen lassen, dass eine Äußerung der Kirchenleitung erwartet würde. Der Brief war als ein Wort brüderlicher Tröstung gedacht und ist, wie wir erfahren haben, von den Empfängern auch so verstanden worden … Nach wie vor kommt es darauf an, soviel an uns ist, dazu beizutragen, Wunden zu heilen und zur Versöhnung und Frieden beizutragen.«

– Verhältnis zum Westberliner Teil der Landeskirche Berlin-Brandenburg

Schönherr stellt dazu fest, »dass sich die beiden Regionen unserer Berlin-Brandenburger Kirche völlig freigegeben haben, die Verantwortung in der politischen und gesellschaftlichen Umwelt, in der sie leben, unabhängig voneinander wahrzunehmen«. (Zu dieser angeblichen völligen Freigabe steht der Fakt im Widerspruch, dass bei jeder Maßnahme, die Bedeutung für die Grundordnung hat, die Zustimmung der Teilsynode in Westberline erforderlich ist.)

– Zusammenschluss der evangelischen Kirchen in der DDR

»Die gemeinsame Verantwortung, die die Kirche in unserem Raum trägt, hat sie in den letzten Jahren mit den anderen evangelischen Kirchen in der DDR enger zusammengeführt. Es besteht weiterhin Einigkeit darüber, dass diese Verbundenheit sich auch organisatorisch stärker ausdrücken sollte. Die acht evangelischen Landeskirchen haben darum Anfang Juni dieses Jahres eine Strukturkommission eingesetzt, die die Ordnung eines »Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR« ausgearbeitet und den einzelnen Kirchenleitungen und auch dem Rat und den Synodalen der EKD-Synode (Regionalsynode)-Ost auf ihrer Informationstagung in Halle zur Kenntnis gegeben hat. Der Text dieser Ordnung wird noch überarbeitet werden müssen, nachdem die einzelnen Kirchenleitungen Änderungswünsche vorgelegt haben. Die Ordnung des Bundes wird zu gegebener Zeit unserer Synode zur eingehenden Beratung und Beschlussfassung zugeleitet werden. Dabei ist schon jetzt zu sagen, dass es keine Absage an die Kirchen in Westdeutschland bedeutet, mit denen wir in der Gemeinschaft der EKiD zusammen sind, wenn sich die Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik selbstständige Organe gemeinsamer Vertretung schaffen. Sie werden die Pflicht haben, die fälligen Aufgaben unabhängig anzunehmen, ohne die Gemeinschaft, die die Christen auch in Deutschland verbindet, aufzugeben.«

Nach der Verlesung des Berichtes durch Schönherr konstituierten sich die sieben Arbeitsausschüsse der Synode:

  • 1.

    Haushaltsausschuss

  • 2.

    Diakonischer Ausschuss

  • 3.

    Theologischer Ausschuss

  • 4.

    Liturgischer Ausschuss

  • 5.

    Ordnungsausschuss

  • 6.

    Berichtsausschuss

  • 7.

    Kollektenausschuss

Nach der Behandlung einer Reihe von Drucksachen zu innerkirchlichen Fragen wurde die Synode mit einer Jugendveranstaltung zu Fragen der Diakonie am Abend des zweiten Beratungstages fortgesetzt. Diese Veranstaltung fand im Gemeindehaus in Berlin-Weißensee, am Mirbachplatz, statt und wurde als Podiumsgespräch unter dem Motto »Danke, danke, diene mit« durchgeführt. Umrahmt wurde diese Veranstaltung mit geistlicher Beatmusik. Im Vordergrund standen Fragen der Diakonie aus der Sicht der kirchlichen Jugend. Behandelt wurden insbesondere folgende Probleme:

  • Was ist Diakonie?

  • Wie muss die Diakonie aussehen?

  • Was können junge Menschen in der Gemeinde tun?

In der Diskussion traten dazu u. a. folgende Meinungen auf: Eine Chemielaborantin aus Senftenberg erklärte, dass sie ihren Beruf liebe und ebenfalls am Arbeitsplatz Diakonie betreiben wolle. Sie stellte die Frage, warum die Kirche nicht bereit sei, solche Einrichtungen wie kirchliche Krankenhäuser, die sie aus Personalmangel nicht halten könne, dem sozialistischen Staat zu übergeben.

In Beantwortung dieser Fragen wurde die Tendenz deutlich, die sozialistische Menschengemeinschaft abzuwerten und jegliche sozialistische Hilfeleistung als formale politische Agitation hinzustellen. Nur die Diakonie sei als wahre Hilfe gegenüber den Menschen anzusehen.

In dem Zusammenhang wurde durch Pfarrer Hein, Cottbus, die Arbeit der Nationalen Front abgewertet und ihr die Diakonie in der Hausgemeinschaft gegenübergestellt. Nach seiner Meinung stellen die Informationen der Politiker keine Hilfe dar, es sei Aufgabe der Christen, sich um den Nächsten zu kümmern, um zu wissen, wie es in dessen Familie aussieht.

Auf der Veranstaltung wurden von den Jugendlichen, teils offen, teils indirekt, Angriffe gegen die Kirchenleitung geführt. Sie forderten mehr Einblick in die Vorgänge der Kirchenleitung und Mitspracherecht bei wichtigen kirchenpolitischen Fragen. Die leitenden Vertreter der Landeskirche versuchten, diesen Fragen auszuweichen und drängten die Diskussion immer wieder auf Fragen der Diakonie ab.

Der 3. Beratungstag wurde am 3.11.1968 um 10.30 Uhr mit einem Gottesdienst in der Marienkirche eröffnet, an dem ca. 800 Personen teilnahmen. Die Predigt hielt Bischof Schönherr. Grundlage des Predigttextes war der Epheserbrief, Kapitel 6, Abschnitt 10–17, der seit Monaten für alle Gemeinden bindend ist: »Im Übrigen werdet gekräftigt im Herrn und in der Macht seiner Stärke! Ziehet die ganze Waffenrüstung Gottes an, damit ihr den listigen Anschlägen des Teufels standhalten könnt! Denn unser Ringkampf geht nicht wider Fleisch und Blut, sondern wider die Gewalten, wider die Mächte, wider die Beherrscher dieser Welt der Finsternis, wider die Geisterwesen der Bosheit in den himmlischen Regionen. Darum ergreifet die ganze Waffenrüstung Gottes, damit ihr am bösen Tage Widerstand leisten und alles vollbringen und standhalten könnt? So haltet nun stand, an euren Lenden gegürtet mit Wahrheit und angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit und beschuht an den Füßen mit Bereitschaft für das Evangelium des Friedens und ergreifet bei dem allem den Schild des Glaubens, mit dem ihr alle feurigen Pfeile des Bösen werdet löschen können! Und nehmet an euch den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches das Wort Gottes ist.«

In der Fürbitte gedachte er der »Brüder auf der anderen Seite« und erwähnte dabei besonders Bischof Scharf, Westberlin.

Ab 14.00 Uhr wurde die Diskussion zum Rechenschaftsbericht durchgeführt. Es ergaben sich folgende Probleme: Prof. Hanfried Müller,20 Berlin, warf die Frage auf, was sich denn seit der letzten Synode im Januar 1967 verändert habe und stellte fest, dass sich zwar einiges in den Formen, jedoch nichts im Inhalt geändert habe. Die Kirchenleitung habe viele Kompetenzen an das Konsistorium überwiesen, sodass aus Leitungsaufgaben Verwaltungsaufgaben geworden seien. Zu Strukturfragen sagte er, es sei eine Realität, dass die »Evangelische Kirche in Deutschland« nicht mehr funktioniere. Eine Neuordnung wäre jedoch nur sinnvoll, wenn man darauf verzichten würde, die bisherige Funktion der »EKD« in eine »EK-DDR« umzuwandeln. Er forderte die Kirchenleitung auf, die kirchliche Öffentlichkeit über den Entwurf der Strukturkommission zu informieren. Die Gründung des »Bundes evangelischer Kirchen in der DDR« könnte eine Entscheidung sein, die den Beginn einer kirchenpolitisch neuen Epoche bedeute. Er persönlich könne einen solchen Bund nur gutheißen als eine Föderation, die echter geistlicher Beratung diene. Zu den politischen Fragen im Rechenschaftsbericht sagte Prof. Müller, diese Ausführungen zeigten in beängstigender Weise, wie wenig es gelungen sei, zu einer Existenz der Gemeinde Jesu Christi als Zeugen des Evangeliums für die Welt in unserer sozialistischen Gesellschaft zu kommen. Die Bedrohung der Kirche erfolge nicht von außen – durch den Fortschritt der Gesellschaft –, sondern von innen heraus. Als Beispiel führte er die Ausführungen im Bericht zum Israel-Konflikt21 an und sagte, dass die Kirche dazu neige, übereilte Entscheidungen und Einschätzungen vorzunehmen, die sie dann in zwei, drei Jahren revidieren müsste. Die Kirche sei gut beraten, erst zu denken und dann zu reden. (Zu diesen letzten Ausführungen von Prof. Müller gab es Missfallensäußerungen von Synodalen.)

Pfarrer Linn, Berlin, sprach ebenfalls zu den geplanten Strukturveränderungen und schlug vor, einen »Rat christlicher Kirchen in der DDR« zu bilden. Ein solcher Rat sei z. B. für die katholische Kirche in der DDR eine bessere Plattform, als etwa die lose Arbeitsgemeinschaft, wie sie gegenwärtig mit den Freikirchen bestünde.

Superintendent Funke,22 Kyritz, unterstützte diesen Vorschlag zur Bildung eines »Rates christlicher Kirchen in der DDR« und erklärte, dass man mit der Bildung eines solchen Rates nicht warten sollte, bis sich der »Bund evangelischer Kirchen in der DDR« konstituiert habe, weil sonst die Gefahr bestünde, wieder ins Schlepptau westdeutscher Kirchen zu geraten.

Generalsuperintendent Schmitt, Berlin, erklärte zu dem Vorschlag von Pfarrer Linn (Bildung eines »Rates christlicher Kirchen in der DDR«), die Kirchenleitung begrüße einen solchen Vorschlag, es sei jedoch die Frage, ob es richtig sei, schon jetzt einen solchen Rat zu bilden. Er schlug vor, vorerst die Kontakte an der Basis zu intensivieren und sich auf Vorgespräche zu beschränken.

Pfarrer Knecht, Berlin, betonte, dass der Rechenschaftsbericht der Kirchenleitung »wunderbar ausgewogen« sei. Er stellte an Prof. Müller die Frage, wie sich denn nach seiner Meinung die Kirche in den letzten zwei Jahren hätte verhalten müssen, damit die Schwierigkeiten von außen nicht hätten auftreten können.

Pfarrer Kasner,23 Berlin, ging davon aus, der Vorsitzende des Staatsrates der DDR habe gesagt, dass der Dienst der Kirche gewährleistet sei. Er stellte die Frage an die Kirchenleitung, warum bisher noch kein Ergebnis der Arbeit der Verhandlungskommission vorliege. Er forderte, dass die Verhandlungskommission nicht abwarten, sondern an die staatlichen Organe herantreten müsse. Er stellte weiterhin die Frage, in welchem Verhältnis die beabsichtigte Gründung des »Bundes evangelischer Kirchen in der DDR« mit der Zugehörigkeit zur »Evangelischen Kirche in Deutschland« stehe und ob solch ein Zusammenhang noch vorhanden sei oder nicht. Er sprach sich für eine Selbstständigkeit des Bundes mit Bindung an die westdeutschen Kirchen aus.

Prof. Hanfried Müller, Berlin, ging auf die an ihn durch Pfarrer Knecht gerichtete Frage ein und sagte, eine Generalaufrechnung der Kirche seit 1945 in der DDR sei unumgänglich. Man dürfe nicht mehr die Frage stellen, wovon wir getrennt werden, sondern wovon wir uns trennen müssen. Man könne auch nicht mehr davon reden, was wir verloren haben, sondern was wir in Freiheit verschenken dürfen und worauf wir in Freiheit verzichten können. Die Kirche sei in der Vergangenheit nicht in der Lage gewesen, ein wirkliches politisches Zeugnis abzulegen. Die Vergangenheit habe zum Schuldbekenntnis von Stuttgart und Darmstadt24 geführt. Die Kirche habe alle Veranlassung, in erster Linie lernend und nicht lehrend zu sein. Man sollte sich davor hüten, mit einer politischen Meinung an die Öffentlichkeit zu treten, sondern zuerst versuchen, politisch zu lernen. Prof. Müller sprach sich weiter gegen die Einheit der sogenannten Evangelischen Kirche in Deutschland sowie die Einheit der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg mit dem Westberliner Teil dieser Landeskirche aus.

Bischof Schönherr wandte sich gegen die Ausführungen von Prof. Müller, dass sich die Kirche seit 1945 nicht verändert habe. Er sei gern bereit, Fehler zuzugeben, wenn sie nachgewiesen werden könnten. Die Diskussion zum Rechenschaftsbericht begrüße er, denn noch nie sei zum Bericht der Kirchenleitung so ausführlich gesprochen worden. Wörtlich sagte er: »Wir möchten wirklich besser verstehen lernen, was es heißt, in einer sozialistischen Ordnung das Evangelium zu predigen. Wir möchten uns gerne einspielen mit der Staatsführung.« Er führte weiter aus, dass die Kirchenleitung nicht in Vorurteilen beharren will und auch nicht so beurteilt werden möchte, wie Engels und Lenin mit Recht die Kirche beurteilt haben. »Wir wünschen, dass wir im freien Gespräch uns ständig auch mit den Vertretern des Staates befinden können, um für unseren Auftrag Freiheit zu erbitten. Dies Gespräch sei nötig, nicht nur über Druck- und Baugenehmigungen, sondern auch über Verständigungsfragen.«

Propst Ringhandt,25 Berlin, nahm ebenfalls zu der Frage der Bildung eines »Bundes evangelischer Kirchen in der DDR« Stellung. Er teilte mit, dass im Sommer die Hoffnung bestanden habe, auf dieser Synode einen fertigen Entwurf vorlegen zu können. Es sei aber unmöglich gewesen, diesen Plan zu realisieren. Zu dem vorliegenden Entwurf sollen die Landeskirchen bis zum 15. November Stellung nehmen. Im Frühjahr 1969 solle voraussichtlich eine Sondersynode stattfinden, auf der dieser Entwurf zu diskutieren, zu korrigieren und zu verabschieden sei. Nicht zu allen Punkten dieses Entwurfs habe es in der Strukturkommission Einigkeit gegeben. Es habe jedoch Einigkeit darüber bestanden, dass es für die acht Landeskirchen der DDR bestimmte gemeinsame Aufgaben gibt, die auch in der Zukunft gemeinsam zu verantworten seien. Es würde weiter Übereinstimmung darüber bestehen, dass es für alle Landeskirchen wieder eine gemeinsame Synode geben müsse. Die evangelischen Kirchen sollten zusammenwachsen zu Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaften und zur gemeinsamen Verantwortung nach außen. Schließlich würde die Aufgabe bestehen, die Gemeinschaft mit den evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik aufrechtzuerhalten und an dieser Gemeinschaft, die seit Jahren bestehe, festzuhalten. Wörtlich sagte er: »Es geht also nicht, dass der Bund sich feindselig oder polemisch gegen eine gemeinsame Verantwortung der evangelischen Christenheit in Deutschland wendet. Es gibt Anlass zur Sorge, dass manche Kirchenleitungen eine solche intensive Zusammenarbeit vorläufig noch nicht ohne Hemmung bejahen können.«

Die Verhandlungskommission, die für Verhandlungen mit dem Staat gebildet wurde, bezeichnete Ringhandt als sogenannte Alarmeinrichtung, die unter dem Aspekt zusammengerufen wurde, dass von staatlichen Stellen Vereinbarungen gewünscht werden. Er wies ausdrücklich darauf hin, dass diese Verhandlungskommission keine Vollmachten habe, sondern nur Verhandlungswünsche entgegennehmen könne. Sie habe auch keine Vollmacht, für den künftigen »Bund evangelischer Kirchen der DDR« zu sprechen.

Weitere Diskussionsthemen waren das Rathenower Experiment der kollektiven Leitung eines Kirchenkreises, Probleme der Neuordnung des Pfarrerstandes, des geplanten Pfarrerstellenwechsels nach acht Jahren, der Mitbestimmung der Gemeinde über das Verbleiben eines Pfarrers in der Gemeinde und der Zusammenarbeit mit Laien und Pfarrern. Zu diesen Problemen sprach u. a. auch Generalsuperintendent Jacob,26 Cottbus.

Abschließend wurden die Vorsitzenden der Tagungsausschüsse der Synode festgelegt:

  • 1.

    Haushaltsausschuss – Pfarrer Kunert, Gerswalde

  • 2.

    Diakonischer Ausschuss – Pastor Bohm, Potsdam

  • 3.

    Theologischer Ausschuss – Pfarrer Dr. Rogge,27 Berlin

  • 4.

    Liturgischer Ausschuss – Pfarrer Ahlsdorf, Berlin

  • 5.

    Ordnungsausschuss – Superintendent Stubbe,28 Angermünde

  • 6.

    Berichtsausschuss – Genossenschaftsbauer Böhme, Letschin

Der am Vortage gebildete Kollektenausschuss stellte mit der Weiterleitung von vier Eingaben an die genannten Tagungsausschüsse seine Arbeit ein.

Am 4. Beratungstag tagten die Arbeitsausschüsse der Synode. Um 19.00 Uhr kamen die Synodalen im Plenum zusammen und behandelten einige Drucksachen, die sich mit innerkirchlichen Problemen beschäftigten. Angenommen wurden u. a.:

  • Drucksache 108 – Vorlage des diakonischen Ausschusses – mit folgendem Text:

    »Die Synode wolle beschließen:

    • 1. Synode beschließt das Kirchengesetz über die Bildung des diakonischen Werkes »Innere Mission und Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg«.

    • 2. Synode dankt den Vertragsschließenden für die Bereitschaft zum gemeinsamen Weg und die Mühe um die Ordnung, verschließt sich nicht den Argumenten der Vertragsschließenden für den beschlossenen Namen des Werkes, bittet jedoch, den Ständigen Diakonieausschuss der Synode, sich in Zusammenwirken mit dem obersten Organ des Werkes, der Diakonischen Konferenz, um einen neuen Namen zu bemühen.«

  • Nach längerer Diskussion beschloss die Synode mit 141 Stimmen bei 15 Enthaltungen und vier Neinstimmen den Gesetzentwurf. Dieses Gesetz tritt am 1.1.1969 in Kraft.

  • Drucksache 109 – Vorlage des Tagungs-Ordnungsausschusses –

    Kirchengesetz über kreiskirchliche Kirchensteuerämter, Kreispfarrkassen, kreiskirchliche Rentenämter und Kreiskirchenämter.

    Der Gesetzentwurf wurde mit 138 Stimmen in erster Lesung angenommen.

  • Drucksache 120 – Vorlage des Tagungs-Ordnungsausschusses –

    Kirchengesetz über die Neuregelung der Provinzialkirchlichen Umlage mit folgendem Text:

    »Die Regionalsynode Ost der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg hat aufgrund von Artikel 125 GO folgendes Kirchengesetz beschlossen:

    • § 1

      Die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg erhebt die provinzialkirchliche Umlage von den Kirchenkreisen.

      • § 2

        Der Kirchenkreis ist berechtigt, zur Deckung der für ihn festgesetzten Umlage seine Kirchengemeinden in Anspruch zu nehmen – Art. 82 Ziff. 4 GO – und dafür einen entsprechenden Anteil der für die Kirchengemeinde eingegangenen Kirchensteuern einzubehalten.

      • § 3

        Die Verwaltungsvorschriften zur Ausführung dieses Kirchengesetzes (Ausführungsbestimmungen) erlässt das Konsistorium.

      • § 4

        (1) Dieses Kirchengesetz tritt für das Kirchengebiet Brandenburg am 1. Januar 1970 in Kraft. (2) Für das Kirchengebiet Berlin bleibt eine besondere Regelung vorbehalten.«

    • Dieser Gesetzentwurf wurde mit 134 Stimmen in erster Lesung beschlossen.

Der 5. Beratungstag wurde mit einer Morgenandacht eröffnet, die Superintendent Gürtler, Storkow, hielt. Als Gleichnis nahm Gürtler die Olympiade in Mexiko.29 Er sagte, dass die Sportler nur zu sportlichen Erfolgen und zu Medaillen gekommen seien, weil sie sich an die sportlichen Regeln gehalten hätten. Die Nichteinhaltung dieser Regeln hätte die gesamte Mannschaft gefährdet. Auch die Kirche müsse Regeln einhalten, und zwar die Regeln Gottes. Alle müssten als Mannschaft aktiv mitarbeiten, keiner dürfe gegen die Regeln verstoßen. Bisher hätten sich die Synodalen an die Regeln gehalten. Wenn man hier auch keine Medaillen erobere, so seien doch die Entscheidungen der Synode von Erfolg gekrönt.

Präses Figur verlas ein Grußwort der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Südafrika Ostregion (ehemalige Missionskirche der Berliner Missionsgesellschaft), in dem die Hoffnung ausgedrückt wird, dass die Gemeinschaft mit der Berlin-Brandenburgischen Kirche erhalten bleibt. Figur teilte weiter mit, dass er im Namen der Synode Präses Altmann, Westberlin, für sein Grußtelegramm gedankt habe.

Anschließend wurde im Plenum über die von den Arbeitsausschüssen vorgelegten und begründeten Drucksachen beraten. Von Interesse ist dabei der Vortrag des Berichtsausschusses, der in drei Gruppen gearbeitet hatte. Berichterstatter der ersten Gruppe über Leitungstätigkeit (Drucksachen 122–126) war die Synodale Lent vom Kirchenkreis Berlin-Pankow, die mitteilte, dass Bischof Schönherr und Generalsuperintendent Jacob, Cottbus, persönlich an der Arbeit des Ausschusses teilgenommen und Anregungen gegeben hätten. Als Möglichkeit der »Weitung des Horizontes der Synodalen« wurde von ihr die Gruppenbildung von Synodalen empfohlen.

Berichterstatter der zweiten Gruppe über Ausbildungsfragen (Drucksachen 129–132) war Pfarrer Althausen, Berlin.

Für die dritte Gruppe zu Strukturfragen (Drucksache 117) berichtete Pfarrer Bräuer,30 Eisenhüttenstadt. Er empfahl, die Sachdiskussion zu den Strukturveränderungen abzubrechen, da in der Arbeitsgruppe keine Einigung zu den Grundsatzfragen erzielt werden konnte. Er stellte den Antrag, die Drucksache 117, die den Synodalen erst unmittelbar vor der Begründung durch Bräuer ausgehändigt worden war, anzunehmen.

Die Drucksache 117 enthält folgende Vorschläge:

  • 1.

    die Bildung eines Synodalausschusses, der sich eingehender mit der Konzeption der Strukturkommission befasst;

  • 2.

    dass die Kirchenleitung diesem Synodalausschuss das entsprechende Material zur Verfügung stellt;

  • 3.

    die Strukturkonzeption rechtzeitig den Synodalen bekanntzugeben, damit man sich ausführlich mit ihr beschäftigen kann.

  • 4.

    Die Kirchenleitung nimmt Einfluss auf die Vertiefung der Kontakte zwischen den einzelnen Gemeinden und die Bildung einer zwischenkirchlichen Kommission, die die Anregungen der Gemeinden verarbeitet.

In der Diskussion zu dieser Drucksache kam Folgendes zum Ausdruck:

Prof. Müller, Berlin, befürwortete die Annahme der Drucksache und sagte, die Punkte 1 bis 3 seien für den Anfang wichtig. Er verwies jedoch darauf, dass man zuerst die Grundsatzfragen diskutieren müsse, ehe man an die Formulierung einer Ordnung gehe, die für lange Zeit das kirchliche Leben bestimmen solle. Er machte den Vorschlag, dass sich eine besondere Synodaltagung mit den Grundsatzfragen beschäftigen und erst eine zweite Synodaltagung einen Beschluss fassen solle. Eine Übereilung würde der Kirche schaden. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an die Praktiken der »EKD«-Synode, die den Militärseelsorgevertrag beschlossen habe, wobei die Synode vor vollendete Tatsachen gestellt worden sei. Für die Landeskirchen der DDR müsste die Frage des Ausscheidens aus dem Rechtsverband der »Evangelischen Kirche in Deutschland« an erster Stelle stehen, denn die völlige Lösung aus der »EKD« sei eine unumgängliche Notwendigkeit.

Der Synodale, Rechtsanwalt de Maiziére,31 brachte zum Ausdruck, dass die Vorschläge der Drucksache 117 zu begrüßen seien, jedoch hätten die Strukturfragen verschiedene Aspekte, u. a. auch rechtliche. Der Entwurf einer Ordnung des »Bundes evangelischer Kirchen in der DDR« würde den anwesenden Synodalen noch nicht vorliegen, obwohl er in der Hamburger »Welt« bereits am 4.11.1968 veröffentlicht worden sei. Er berief sich auf den Artikel 3, Abs. 2 des Entwurfs, aus welchem hervorgeht, dass der Bund der evangelischen Kirchen in der DDR als Körperschaft des öffentlichen Rechts gelten solle. Es wäre jedoch zweifelhaft, ob es in der DDR überhaupt noch Körperschaften des öffentlichen Rechts gäbe; die neue Verfassung der DDR würde sie nicht nennen, hier werde nur von einer Gemeinschaft der Bürger gesprochen. Diese Frage bedürfe einer eingehenden Prüfung, auch vom Standpunkt weltlicher Juristen aus, weil die kirchlichen Juristen alles »durch die kirchliche Brille« sehen würden. Aus diesem Grunde müssten dem zu bildenden Synodalausschuss auch Juristen angehören, die staatsrechtliche Kenntnisse haben.

Superintendent Gürtler, Storkow, wandte sich gegen die Punkte 1 bis 3 der Drucksache 117 und wies darauf hin, dass ein ständiger Synodalausschuss in Form der gewählten Kirchenleitung vorhanden sei. Nach seiner Ansicht sei es nicht erforderlich, dass neben der Kirchenleitung noch ein Ausschuss eingesetzt wird. Er unterbreitete den Vorschlag, über die Punkte 1 bis 4 der Drucksache 117 einzeln abzustimmen.

Bischof Schönherr meinte zu den Ausführungen von Superintendent Gürtler, es sei nicht unbedingt erforderlich, einen solchen Synodalausschuss zu bilden; man könne auch eine Beratung mit einigen Synodalen vornehmen. Zu dem Diskussionsbeitrag von Rechtsanwalt de Maiziére sagte Schönherr, er wundere sich, dass die »Welt« so schlechte Nachrichten liefere, denn in diesem Artikel seien Irrtümer über Irrtümer aufgehäuft. Der vorliegende Entwurf über die Ordnung des zu bildenden »Bundes evangelischer Kirchen in der DDR« ließe die Rechtsentscheidung offen. Der Bund müsste jedoch die gleiche Rechtsform besitzen wie die Landeskirchen in der DDR. Es sei klar, dass der Bund auch eine gewisse Rechtsfähigkeit bis hin zur Einstellung von Sekretärinnen usw. haben müsse.

Die Abstimmung über die Drucksache 117 ergab:

Die Punkte 1 und 2 wurden mit

  • 72 Gegenstimmen (u. a. Generalsuperintendent Schmitt,32 Berlin, Superintendent Steinlein, Finsterwalde, Präses Figur, Berlin, Generalsuperintendent Lahr,33 Potsdam);

  • 49 Ja-Stimmen (u. a. Bischof Schönherr, Berlin, Generalsuperintendent Jacob, Cottbus);

  • 19 Stimmenthaltungen

abgelehnt.

Die Punkte 3 und 4 wurden mit Stimmenmehrheit angenommen.

Der Berichterstatter Pfarrer Bräuer34 bedauerte in seinem Schlusswort die Ablehnung der Punkte 1 und 2, weil dadurch alles noch »komplizierter und schwieriger« geworden sei. Der an der Ausarbeitung der Drucksache 117 maßgeblich beteiligt gewesene Superintendent Furian,35 Nauen, zeigte sich nach der Ablehnung der Punkte 1 und 2 entsetzt und schockiert. Mitglieder des Berichtsausschusses sollen der schwankenden Haltung Bischof Schönherrs zu dieser Frage die Schuld an der Entscheidung der Synode gegeben haben.

In der folgenden Pause trat die Kirchenleitung kurz zusammen und teilte anschließend mit, sie sei der Auffassung, dass die abgelehnten Punkte der Drucksache 117 künftig nicht unbeachtet bleiben sollten. Die Kirchenleitung wolle zum Problem der Strukturveränderung Konsultationen mit Synodalen durchführen.

In seinem Schlusswort brachte Präses Figur, Berlin, zum Ausdruck, dass das Unterthema der Synode neben dem diakonischen Hauptthema nicht das Problem der Strukturfragen, sondern der deutliche Wille der Nichttheologen zu ihrer Beteiligung an der Verantwortung der Kirche gewesen sei. Das sei ein »hoffnungsvolles Zeichen«. Hinsichtlich der Strukturveränderung sei es notwendig, durch bessere Information Vertrauenslücken zu schließen. Die Entscheidungen der Kirchenleitung müssten durchsichtig und für alle verständlich sein. Er teilte mit, dass die nächste ordentliche Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg im Frühjahr 1970 stattfinden wird. Zu den Strukturfragen solle im Frühjahr 1969 eine Wochenendtagung stattfinden. Diese Tagung würde zwar einen Kostenaufwand von 15 000 Mark erfordern, aber das habe man eingeplant.

Diese Information darf im Interesse der Sicherheit der Quellen nicht öffentlich ausgewertet werden.

Anlage

Wortlaut der Drucksache 117

Anlage zur Information 1248a/68

Drucksache 117

Synode Berlin-Brandenburg | Tagung vom 1. bis 15. November 1968 | Berichtskommission Gruppe III

  • 1.

    Synode wolle beschließen:

    Es wird ein ständiger Synodalausschuss eingesetzt, der sich mit der künftigen Zusammenarbeit der evangelischen Landeskirchen in der DDR befasst. Er wird beauftragt, aufgrund aller erreichbaren Informationen, die Vorschläge der Strukturkommission und eventuell weitere Konzeptionsgrundsätze zu prüfen.

  • 2.

    Synode wolle beschließen:

    Die Kirchenleitung wird gebeten, dem zuständigen Synodalausschuss für die Zusammenarbeit der evangelischen Landeskirchen in der DDR das für seine Arbeit notwendige Material zur Verfügung zu stellen, ihn umfassend zu informieren und seine Arbeitsergebnisse zu berücksichtigen.

  • 3.

    Synode wolle beschließen:

    Die Kirchenleitung wird gebeten, die Strukturkonzeptionen so rechtzeitig bekanntzugeben, dass sie auf breiter Ebene im kirchlichen Raum diskutiert werden können.

  • 4.

    Synode wolle beschließen:

    Die Kirchenleitung wird gebeten, die Kontakte zwischen den christlichen Kirchen und Gemeinschaften zu vertiefen, damit notwendige Arbeiten gemeinsam in Angriff genommen werden können. Sie empfiehlt der Kirchenleitung, zur Lösung von Aufgaben, die nicht nur die eigene Kirche angehen, die Bildung zwischenkirchlicher Kommissionen anzustreben.

Für den Tagungs-Berichtsausschuss | gez. Furian

Punkt 1 bis 3 zu Drucksache 8, Ziff. 341

Punkt 4 zu Drucksache 28

  1. Zum nächsten Dokument Strafbare Handlungen von VP-Angehörigen des Kommandos Autobahn

    11. November 1968
    Einzelinformation Nr. 1254/68 über strafbare Handlungen von VP-Angehörigen des Verkehrskommandos Autobahn des VPKA Burg, Bezirk Magdeburg

  2. Zum vorherigen Dokument Verhalten des Schriftstellers Peter Huchel

    8. November 1968
    Einzelinformation Nr. 1247/68 über das Verhalten des Schriftstellers Peter Huchel im Zusammenhang mit der Verleihung des »Großen Kunstpreises für Literatur« durch das Kultusministerium des Landes Nordrhein-Westfalen