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Brand in der Druckerei des Neuen Deutschlands, Ostberlin

28. Dezember 1976
Information Nr. 898/76 über einen Brand in der Abteilung Rationalisierung der Druckerei »Neues Deutschland«, Berlin, Franz-Mehring-Platz 1, am 14. Dezember 1976

Am 14. Dezember 1976, gegen 11.20 Uhr entstand in dem im Kellergeschoss gelegenen Werkstattraum der Abteilung Rationalisierung der Druckerei »Neues Deutschland«, Berlin, Franz-Mehring-Platz 1, ein Brand. Der dadurch eingetretene Sachschaden ist gering (8 000 M). Die Herstellung des Zentralorgans der SED »Neues Deutschland« wurde durch das Vorkommnis nicht behindert. In mehreren Räumen des Druckereigebäudes sind starke Rauch- und Rußniederschläge zu verzeichnen.

Die durch die Sicherheitsorgane im Zusammenwirken mit Fachexperten eingeleiteten Untersuchungen zur Aufklärung der Ursachen und der den Brandausbruch begünstigenden Umstände ergaben:

Der Heizungsinstallateur [Name], geboren: [Tag] 1951, wohnhaft: 1058 Berlin, [Adresse], beschäftigt: Druckerei »Neues Deutschland«, Werkstatt, Inhaber eines Schweißerpasses, parteilos, Mitglied des FDGB und der FDJ, seit 1975 Mitglied eines Kollektivs der sozialistischen Arbeit, [weitere Angabe], beachtete während der von ihm in der Werkstatt an einem Rohrstück routinemäßig durchzuführenden Schweißarbeiten nicht die in der Arbeitsschutz-Anordnung (ASAO 615/1) – Schweißen, Brennen und Schneiden – vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen. Er hatte weder den erforderlichen Schweißerlaubnisschein über den Meister der Werkstatt bei der Abteilung Sicherheit der Druckerei beantragt, noch beachtete er bei der Vorbereitung und Durchführung der Schweißarbeiten die in etwa 5 m Entfernung (unmittelbare Umgebung des Werkstattmeisterbüros) abgelegten Schaumstoffmatten, die sich durch Funkenflug schließlich entzündeten. Nach übereinstimmenden Feststellungen hat [der Installateur], obwohl er aufgrund seiner Qualifikation diese Gefahrensituation erkennen musste, durch seine fahrlässige Handlungsweise den Brand verursacht.

Der Genannte arbeitet bereits seit drei Jahren in der Werkstatt des »ND« und ist mit den dortigen Arbeitsbedingungen vertraut. Die ihm in dieser Zeit übertragenen Arbeitsaufträge erfüllte er ordnungsgemäß.

Die Deutsche Volkspolizei leitete gegen [den Installateur] ein Ermittlungsverfahren ohne Haft gemäß § 185 StGB – Brandstiftung – und § 188 StGB – Fahrlässige Verursachung eines Brandes – ein.

Das MfS hat in der Vergangenheit, im Zusammenhang mit geführten Untersuchungen anderer, z. T. ähnlicher Schadensfälle und Vorkommnisse in der Druckerei »Neues Deutschland« wiederholt auf dabei bekannt gewordene Verletzungen der Grundprinzipien von Ordnung und Sicherheit sowie auf Verletzungen staatlicher Normative des Arbeits-, Brand- und Gesundheitsschutzes aufmerksam gemacht. Das geschah insbesondere in den Informationen über

  • Vorliegende Aufklärungsergebnisse im Zusammenhang mit der Verpuffung im Verdichterraum der Druckerei »Neues Deutschland« (Nr. 504/76 vom 9.7.1976),

  • Die Gefährdung des Druckereigebäudes des »Neuen Deutschland« durch Staubexplosionen (Nr. 373/74 vom 25.5.1975),

  • Die Aufklärung der Ursachen des zeitweiligen Ausfalls der Elektroenergieversorgung im Gebäude der Druckerei »Neues Deutschland« am 6. Oktober 1975 (Nr. 703/75 vom 10.10.1975).

Befriedigende, dauerhafte Lösungen der darin angeschnittenen Probleme konnten jedoch trotz entsprechender Auswertung nicht erreicht werden.

Ausgehend davon wird deshalb nochmals auf einige bei der jüngsten Vorkommnisuntersuchung festgestellte Mängel und Missstände auf dem Gebiet der Ordnung und Sicherheit im Objekt der Druckerei »Neues Deutschland« hingewiesen.

Die Sicherheit des Objektes der Druckerei »Neues Deutschland« ist nicht im erforderlichen Umfang gewährleistet, da, wie bereits mehrfach festgestellt wurde, betriebsfremde Personen das Gebäude und die Produktionsstätten des Druckereigebäudes ohne besondere Schwierigkeiten unkontrolliert betreten und auch wieder verlassen können.

Das gesamte Gelände ist gegenwärtig nur durch einen provisorischen Zaun begrenzt, der teilweise größere Lücken aufweist. Trotz der nach mehrmaligen Begehungen und durchgeführten Komplexkontrollen erhobenen Forderungen, diesen Zustand zu verändern, sind bisher keine entsprechenden Maßnahmen getroffen worden.

Das Betriebsgelände – Druckerei, Verlag und Redaktion – kann durch insgesamt vier Zugänge betreten bzw. wieder verlassen werden. Durchgehend wird gegenwärtig nur der Haupteingang – Franz-Mehring-Platz – von Kräften des Betriebsschutzes (Angehörige der DVP) und der Betriebswache (Zivilangehörige) besetzt. Die Eingänge für den weiteren Personen- und den gesamten Fahrzeugverkehr sind dagegen entweder nur unregelmäßig bzw. überhaupt nicht besetzt. So werden z. B. bei Eintreten stärkerer Fröste drei Zugänge infolge unzureichender Bedingungen für das Wachpersonal überhaupt nicht besetzt. (Nach vorliegenden Angaben beträgt die Stärke des Betriebsschutzes 1 : 14 bei einem Soll von 1 : 18 und die Stärke der Betriebswache 1 : 13 bei einem Soll 1 : 33.)

Unter Beachtung der in den kommenden Jahren vorgesehenen Erweiterung des »ND«-Objektes kann sich die äußere Absicherung unter Umständen noch komplizierter gestalten.

In den wichtigsten Bereichen der Druckerei »Neues Deutschland« sind Rauchbrandwarnanlagen installiert, deren Zentrale sich im Erdgeschoss des Verwaltungsgebäudes, neben dem Haupteingang, befindet. Dieser Raum wird von den Fachexperten als ungeeignet bezeichnet, da er fensterlos sei und ständig eine Temperatur von mindestens 30°C aufweise. (Diese Temperatur liegt in den Sommermonaten noch höher.)

Die ständige Besetzung dieser Zentrale mit einer geeigneten Fachkraft sei unter diesen Bedingungen nicht immer möglich.

Deshalb konnte am Brandtag die in der Zentrale eintreffende Brandmeldung z. B. nicht sofort an die Abteilung Feuerwehr der Volkspolizei-Inspektion Friedrichshain weitergeleitet werden.

Insgesamt wird die Wirksamkeit der installierten Rauchbrandwarnanlage (Wertumfang ca. 1 Mio. Mark) als nicht ausreichend bezeichnet. Deshalb wurden auch bereits seit Inbetriebnahme der Druckerei entsprechende Forderungen zur Veränderung dieses Zustandes erhoben. Wie weiter festgestellt wurde, erfolgte in dem noch nicht fertiggestellten Ergänzungsbau (Halle III) für die Produktionshalle (I) die Aufstellung und im Oktober 1976 die Inbetriebnahme von zwei Papierpressen, ohne dass die notwendigen Warn- und Löschanlagen bzw. -mittel vorhanden und angeschlossen waren.

Die vorzeitige Inbetriebnahme, die praktisch ohne ordnungsgemäße Abnahme erfolgte, veranlasste der Bereichsdirektor [Name]. Den Hinweis des Bauleiters, erst die notwendigen vorbereitenden Arbeiten abzuschließen und dann die Montagearbeiten für die Papierpressen vertraglich zu terminisieren, ignorierte [der Bereichsdirektor]. Unter der offiziellen Version des Probelaufs und bei völliger Missachtung von notwendigen Sicherheitsmaßnahmen sind diese Aggregate vollständig in den Produktionsprozess (Herstellung von Broschüren) einbezogen worden.

Die zu Ballen gepressten Papierspäne können gegenwärtig noch nicht kontinuierlich abtransportiert werden. Deren zeitweilige Lagerung vergrößert die Brandgefahr. Eine ordnungsgemäße Meldung an die Abteilung Feuerwehr der Volkspolizei-Inspektion Friedrichshain über die Inbetriebnahme des Ballenpressenraumes im Ergänzungsbau liegt ebenfalls bisher nicht vor.

Die innerhalb der Werkstatt eingerichtete Gabelstaplerladestation ist vorschriftswidrig angeordnet und befindet sich nicht in einem abgeschlossenen Raum (Verletzung der ABAO 31/2 – Feuer- und explosionsgefährdete Betriebsstätten – sowie der für die Durchsetzung der ABAO 31/2 erlassenen Richtlinie).

Weiter wird von Experten festgestellt, dass die im Objekt der Druckerei »Neues Deutschland« vorhandenen Brandabschnitte nicht ordnungsgemäß verschließbar, Brandschutztüren teilweise stark beschädigt und vorhandene Fluchtwege verstellt sind (Papierrollen, Fasslager für brennbare Flüssigkeiten). Unter derartigen Bedingungen besteht ständige Gefahr einer relativ schnellen Brandausbreitung. Außerdem könne das Verlassen des Produktionsgebäudes bei einer starken Rauchentwicklung unter vorgenannten Umständen behindert, teilweise sogar unmöglich gemacht werden. Lediglich im Zusammenhang mit der Vorbereitung gesellschaftlicher Höhepunkte und damit verbundener bzw. angekündigter Begehungen oder Komplexkontrollen waren verstärkte Aktivitäten zur Verbesserung von Ordnung und Sicherheit zu verzeichnen.

Zur Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit sowie einer jederzeit störungsfreien Produktion der sozialistischen Presseerzeugnisse wird empfohlen, entsprechende Schritte zur dauerhaften Beseitigung der festgestellten Mängel einzuleiten.

Anlage zur Information 898/76

Bildbericht

zu Mängeln und Missständen bezüglich der Ordnung und Sicherheit in der Druckerei des »Neuen Deutschlands«, Berlin-Friedrichshain.

[hier nicht dokumentiert: 10 Blatt mit 11 Fotos zum Brand in der Druckerei des »Neuen Deutschland«]

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    28. Dezember 1976
    Information Nr. 909/76 über die bisherigen Ergebnisse der Untersuchung der Fahnenflucht von zwei Angehörigen der Grenztruppen der DDR nach der BRD am 27. Dezember 1976

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    27. Dezember 1976
    Information Nr. 897/76 über Gewalthandlungen mit Schusswaffenanwendung durch einen Angehörigen der NVA in der Geschosswerferabteilung 8, 8. MSD, Standort Schwerin Stern-Buchholz