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Bautechnische Mängel am Friedrichstadtpalast in Ostberlin

14. März 1977
Information Nr. 158/77 über bekannt gewordene bautechnische Mängel am Gebäude des Friedrichstadtpalastes Berlin

Im Zusammenhang mit der offiziell angekündigten zeitweiligen Schließung des Friedrichstadtpalastes Berlin (Renovierung vom Mai bis November 1977) wird es als notwendig erachtet, über dem MfS bekannt gewordene Hinweise auf bautechnische Mängel zu informieren.

Nach diesen Hinweisen sind im Jahre 1976 verstärkt Setzungserscheinungen am Gebäude des Friedrichstadtpalastes Berlin eingetreten, in deren Folge sich größere Gefahren für die Besucher und das Ensemble anlässlich von Kulturveranstaltungen ergeben können. Im Interesse der Gewährleistung der Sicherheit des Gebäudes werden die seit 1975 vierteljährlich durchgeführten Kontrollen (Messungen) aufgrund vorgenannter Feststellungen ab Oktober 1976 in kürzeren Abständen vorgenommen.

Die in Zusammenarbeit mit Fachexperten eingeleiteten Untersuchungen ergaben bisher, dass besonders in den Monaten Mai bis August 1976 Setzungen mit Größtwerten bis zu 7 mm (Gebäudeecke zur Gaststätte »Melodie« – Schiefstellung des Gebäudes, Schiefstellung einer Innenstütze um 10 mm, Rissvergrößerungen am Eingangsgiebel, abgerissene Abwasserleitungen) eingetreten waren. Die Kontrollmessungen im Oktober 1976 machten deutlich, dass sich diese Setzungserscheinungen fortsetzen (Absenkung innerhalb von 45 Tagen um weitere 4 mm). Als Ursache stellten die Fachexperten einen Zusammenhang zur vorangegangenen langanhaltenen Trockenperiode her, die mit einer Absenkung des Grundwasserspiegels in diesem Teil Berlins verbunden war und sich möglicherweise besonders ungünstig auf die Art der Gründung (Holzpfahlgründung) ausgewirkt habe.

Nach Auffassung der an der Untersuchung beteiligten Fachleute bestehe gegenwärtig keine unmittelbare Einsturzgefahr. (Die Deckenkonstruktion kann hinsichtlich der statischen Festigkeit jedoch nicht eindeutig rechnerisch erfasst werden.) Die Unterkonstruktion, der Putzträger und der Putz könnten bei stärker auftretenden Spannungen zu einer erheblichen Gefährdung führen.

Nach Expertenmeinungen wäre eine umfangreiche komplexe Sanierung notwendig, deren Umfang erst nach Untersuchungen an freizulegenden Gründungen zu bestimmen sei, wobei nicht ausgeschlossen wird, dass das Gebäude – je nach Ergebnis der Untersuchungen – abgerissen werden müsste. Eine Entscheidung wäre nach ihrer Meinung bald erforderlich, da anderenfalls bei weiteren Setzungen für die Bausubstanz keine Erhaltungsmaßnahmen mehr möglich wären. Über die Höhe der für die umfassende Rekonstruktion erforderlichen materiellen und finanziellen Mittel können von den Baufachleuten gegenwärtig keine konkreten Angaben gemacht werden.

Vom vorgenannten Sachverhalt sind sowohl der Oberbürgermeister der Hauptstadt Berlin als auch der Staatssekretär im Ministerium für Bauwesen Anfang November 1976 unterrichtet worden. Ende Februar 1977 wurde die Staatliche Bauaufsicht des Ministeriums für Bauwesen auf der Grundlage der von ihr zusätzlich geführten Untersuchungen vom Staatssekretär des Ministeriums für Bauwesen beauftragt, bis Mitte März 1977 eine Konzeption zwecks Entscheidung über Lösungswege zur Veränderung des gefahrdrohenden Zustandes vorzulegen.

Leitende Mitarbeiter im Magistrat von Groß-Berlin schätzen ein, dass die zeitweilige oder dauerhafte Schließung des Friedrichstadtpalastes vorrangig eine politische Entscheidung und nicht nur eine Frage des finanziellen und materiellen Aufwandes sei. Es müsse berücksichtigt werden, dass in der Hauptstadt Berlin kein Varieté mehr existiere und dem Ensemble des Friedrichstadtpalastes keine anderweitigen Auftrittsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dieses Problem könne deshalb nicht allein durch den Magistrat der Hauptstadt Berlin entschieden werden.

Von Experten wird die Meinung vertreten, dass die im Februar 1977 in der Presse angekündigte zeitweilige Schließung des Friedrichstadtpalastes aus Gründen der Renovierung von Mai bis November 1977 unreal sei, da die Renovierung nicht zur Beseitigung der dargelegten Gefahrensituation führt.

Im Interesse der Klärung der Situation des Friedrichstadtpalastes wird deshalb empfohlen, durch das verantwortliche staatliche Organ eine Expertengruppe einsetzen zu lassen mit dem Ziel, eine definitive Klärung der allgemeinen Gefährdung des Friedrichstadtpalastes herbeizuführen und entsprechende Vorschläge zur Veränderung zu unterbreiten.

  1. Zum nächsten Dokument Versorgungs- und Produktionsausfälle in der DDR-Volkswirtschaft

    15. März 1977
    Information Nr. 160/77 über vorliegende Aufklärungsergebnisse im Zusammenhang mit den in der Volkswirtschaft der DDR eingetretenen schweren Schäden, Störungen und Versorgungs- sowie Produktionsausfällen in den Monaten Dezember 1976 bis Februar 1977

  2. Zum vorherigen Dokument Untersuchung einer Havarie im Kaliwerk Zielitz

    11. März 1977
    Information Nr. 157/77 über die vorliegenden Untersuchungsergebnisse im Zusammenhang mit der Aufklärung der Ursachen der schweren Havarie im VEB Kaliwerk Zielitz, [Kreis] Wolmirstedt, [Bezirk] Magdeburg, am 3.2.1977