Direkt zum Seiteninhalt springen

Außerordentliche Tagung der 5. Synode der EKU

26. Mai 1981
Information Nr. 270/81 über die außerordentliche Tagung der V. Synode der Evangelischen Kirche der Union – Bereich DDR – am 23./24. Mai 1981

Am 23./24. Mai 1981 fand in der Stephanus-Stiftung Berlin-Weißensee eine außerordentliche Tagung der V. Synode der Evangelischen Kirche der Union (EKU) – Bereich DDR1 – statt. An der Synodaltagung nahmen 50 der 62 gewählten und berufenen Synodalen teil.2

Im Mittelpunkt der Synodaltagung standen

  • Erörterung des Problemkreises zur geplanten Vereinigten Evangelischen Kirche (VEK)3 in der DDR,

  • Haushaltsplan 1981 und Behandlung theologischer und kirchenjuristischer Probleme (Nizäisches Glaubensbekenntnis4; Beschluss über Reisekosten, Tage- und Bewegungsgelder; Verordnungen zur Änderung von Kirchengesetzen; Konzeption für eine erneute Agende).

Als ökumenische Gäste nahmen an der Synodaltagung teil:

  • Pfarrer Dr. Pokorný, Jan – Brno/ČSSR, Synodalratsmitglied der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder

  • Prof. Herzog, Frederick – Durham/USA, Professor der Dukey-University Durham

  • United Church of Christ (UCC)

  • Superintendent Karzig, Christoph – Berlin (West), Präses der Synode der EKU – Bereich BRD und Berlin (West)

  • Oberkirchenrat Dr. Burgsmüller, Alfred – Berlin (West), Leiter der Kirchenkanzlei der EKU – Bereich BRD und Berlin (West).

Zum Verlauf und Inhalt der Synode ist insbesondere zu bemerken, dass auf Initiative des Synodalen Prof. Müller5 (Berlin) mit Unterstützung von Bischof Schönherr6 (Berlin), Bischof Gienke7 (Greifswald), Pfarrer Langhoff8 (Brandenburg) und Pfarrer Grüber9 (Hohenbruch) mit acht Stimmenthaltungen ein »Wort zur Fortsetzung der Entspannungspolitik, gegen Aufrüstung und Streben nach militärischer Überlegenheit« angenommen wurde.

Auf Antrag von Bischof Schönherr (Berlin) erfolgte in diesem »Wort« eine deutliche politische Abgrenzung gegen die NATO-Konzeption, die Forderung nach militärischer Überlegenheit und die angebliche Notwendigkeit der Weiterentwicklung der Kernwaffen.10 (Das Dokument wird als Anlage im Wortlaut beigefügt.)

Die Synodalen Bischof Krusche11 (Magdeburg), Oberkonsistorialrat Dr. Schultze12 (Magdeburg), Superintendent Dr. Staemmler13 (Elsterwerda), Propst Brinksmeier14 (Quedlinburg) und der Gast der Synode, Oberkirchenrat Dr. Burgsmüller (Berlin/West), lehnten das »Wort« im Zusammenhang mit der Überarbeitung in einem Synodalausschuss mit der Begründung ab, »dass man nicht der United Church of Christ (UCC) der USA als sozialistische DDR applaudieren« könne. Die UCC würde in den Augen der USA-Regierung unglaubwürdig werden, wenn sie ausgerechnet von der DDR Unterstützung erhalte. Es könne einerseits nicht unterstützt werden, dass die UCC gegen ihre Regierung auftrete, während man sich andererseits in der DDR zur eigenen Regierung in dieser Frage unkritisch verhalte. Außerdem handele es sich bei der NATO-Politik »nicht um Streben nach Überlegenheit, sondern um die Schaffung des Gleichgewichts durch Nachrüstung«.

Im Verlaufe der Synode lasen der Präses der Synode der EKU – Bereich BRD und Berlin (West) –, Superintendent Karzig, sowie der Vertreter der UCC der USA, Prof. Herzog, Grußworte.

Präses Karzig erklärte in seinem Grußwort, dass er von der gleichzeitig in Berlin (West) tagenden Synode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg – Berlin (West), »Fronturlaub« erhalten habe, um an der gesamten Synodaltagung der EKU – Bereich DDR – teilnehmen zu können.

In seinen Ausführungen bezog er sich in längeren Passagen auf das Grußwort des Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland/BRD, Brandt, an die Synode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg (24. bis 28. April 1981)15:

»Präses Brandt hat die EKU verglichen mit einer Familie, die nun je auf eigenen Grundstücken wohnt, die alle zusammen einmal das Eigentum der Eltern waren. Es sind nun Zäune zwischen den Parzellen, aber die hindern nicht, sich an den Pfosten zu lehnen, miteinander zu reden, aneinander Anteil zu nehmen …Wenn aus dem Kreis der Geschwister gleich mehrere auf einmal heiraten, dann fragen die Übrigen: Wie wird’s denn jetzt werden? – Sicher, ihr Leben wird sich verändern, aber wird das alte Familienband halten oder werden wir uns mehr auseinanderleben – jeder in das Seine? Freilich darf keiner dem anderen reinreden. Aber es sind Bewegungen des Herzens, deren man sich nicht zu schämen braucht.«

Des Weiteren rief Präses Karzig in seinem Grußwort dazu auf, die am 19. Juni 1981 im Rahmen der Kirchentage 1981 (Hamburg) in der BRD und Berlin (West) stattfindenden Abendgottesdienste zum Zwecke des gegenseitigen Gedenkens auch in der DDR durchzuführen.

Zum Abschluss seines Grußwortes berichtete Präses Karzig von den Vorbereitungen der Friedenswoche der Evangelischen Kirche im Herbst 1981 (»Friedensdekade vom 8. bis 18. November 1981«). So habe man u. a. die Losung »Frieden schaffen ohne Waffen« verworfen und dafür die Losung »Suchet den Frieden und jaget ihm nach« gewählt. Dabei wertete er das Material des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR zum 40. Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges als »Magna Carta unserer Friedensarbeit« in Berlin (West).

Der Vertreter der UCC16 der USA, Prof. Herzog, ging in seinem Grußwort besonders auf das kirchliche Friedensengagement ein. Er erklärte, dass die UCC gegen die Gefahr der atomaren Bewaffnung kämpft und »für Abrüstungsschritte angesichts der ungeheuren Bedrohung der Menschheit vor Zerstörung« eintritt. Viele amerikanische Christen verurteilten unter den schwierigen Bedingungen in der amerikanischen Gesellschaft, »was der Welt Unfrieden und Furcht bringe«.

Prof. Herzog sprach sich in seinem Grußwort des Weiteren für ein »gemeinsames Wort zum Frieden« der UCC und der evangelischen Kirchen in der DDR aus und hob hervor, dass dann aber auch »eine gemeinsame Friedenshandlung geplant werden müsse«.

In der Diskussion zum Hauptthema der Synode, dem Problemkreis – VEK – wurden die Fragen der inhaltlichen Ausgestaltung der verbindlicheren föderativen Kirchengemeinschaft diskutiert. Die Synode nahm eine »Entschließung zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlicheren föderativen Gemeinschaft« an, in der die innerkirchliche Zielstellung mit geringen Veränderungen bestätigt wurde.

In der Entschließung sowie den Vorbereitungsmaterialien zur VEK werden wiederholt die besonderen Beziehungen zur Evangelischen Kirche der Union – Bereich BRD und Berlin (West) – unterstrichen. Das Hineingehen eines »Teils der EKU«17 (EKU – Bereich DDR) in eine größere Gemeinschaft sei keine Angelegenheit, die nur den Teil in der DDR betreffe. Vielmehr sei die EKU »in ihrer Gesamtheit« angesprochen. Daher wären »gleichlautende Beschlüsse beider Bereichssynoden« notwendig.

In der Diskussion fand diese Tendenz keine allgemeine Resonanz. Nur einzelne Synodale waren bemüht, verstärkt die Bindungen zur EKU – Bereich BRD und Berlin (West) – hervorzuheben. So brachte der Synodale Oberkirchenrat Schulze (Dessau) zum Ausdruck, dass es bei der Entscheidung über die Bildung der VEK zu bedenken gelte, dass nur »eine EKU-Kirche Deutschlands mit zwei Bereichen« existiere.

In der Diskussion wurden weiter Bedenken dahingehend geäußert, dass durch die Bildung der VEK die kleineren Landeskirchen hinsichtlich der personellen Zusammensetzung der zukünftigen VEK-Synode benachteiligt würden.

Zur Fortführung der Erörterung des Problemkreises – VEK – ist für den 4./5. Dezember 1981 eine weitere außerordentliche Tagung der V. Synode der EKU – Bereich DDR – geplant.

Auf der Synodaltagung der EKU – Bereich DDR – waren entsprechend zentraler Festlegungen keine Vertreter westlicher Massenmedien anwesend. In diesem Zusammenhang trat der Synodale Pfarrer Grüber (Hohenbruch) mit einer Anfrage zur ausschließlichen Anwesenheit von Vertretern des ADN, der Neuen Zeit und der ENA auf.

Der Präses der Synode der EKU – Bereich DDR –, Dr. Becker18 (Berlin), beantwortete diese Anfrage mit folgender Erklärung des Präsidiums der Synode, die den staatlichen Standpunkt widerspiegelte, gleichzeitig aber verdeutlichte, dass die Kirche sich vorbehält, selbst zu entscheiden, wer Gast auf ihren Tagungen sein kann:

»Der Staatssekretär für Kirchenfragen teilte dem Präses der Synode und dem Präsidenten der Kirchenkanzlei am 22. Mai 1981 mit, dass den Journalisten aus der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) vom Außenministerium der DDR keine Genehmigung zur Berichterstattung über diese Tagung der EKU – Bereich DDR – erteilt worden sei. Dies war zur Kenntnis zu nehmen. Vom Präsidium als Tagungsleitung kann dieser Standpunkt der Regierung nicht ignoriert werden. Aus dem Charakter der Tagungen der EKU-Synoden als öffentliche Versammlungen ergibt sich aber, dass das Präsidium keine Einwände gegen die Anwesenheit auch solcher Journalisten haben kann, die keine Genehmigung zur Berichterstattung besitzen.«

Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.

Anlage zur Information Nr. 270/81

Antrag des Tagungsausschusses VEK – Grundartikel

Die Synode möge beschließen:

Die Synode der EKU – Bereich DDR – ist beunruhigt über die wachsende Gefährdung des Friedens.

Dies gilt besonders für die Behauptung, durch die Weiterentwicklung der Kernwaffen sei der Krieg wieder machbar geworden und für das Bestreben, an die Stelle des Gleichgewichts militärische Überlegenheit zu setzen.

Sie weiß, dass überall in der Ökumene Kirchen und Christen für Frieden, Entspannung, Abrüstung und Verhandlungen eintreten, um das friedliche Zusammenleben von Staaten verschiedener Gesellschaftssysteme zu sichern.

Sie geht gern auf den Wunsch ein, der aus der Vereinigten Kirche Christi in den USA geäußert wurde, auf der Basis der Kirchengemeinschaft Fragen der Friedensverantwortung gemeinsam zu gedenken.

Sie erinnert an die Verwerfung der Massenvernichtungsmittel durch die Synode der EKU im Jahre 195719 und bittet, im Ringen um Frieden und Abrüstung nicht zu resignieren, sondern sich gemeinsam mit, allen, die dazu bereit sind, entschlossen und politisch wirksam für die Fortsetzung der Entspannungspolitik, für Abrüstungsverhandlungen auf allen Ebenen und gegen Aufrüstung und Streben nach militärischer Überlegenheit einzusetzen.

Sie ermahnt, nicht nachzulassen im Gebet um den Frieden und in der Erziehung zum Frieden in allen Bereichen. »Weh denen, die sich verlassen auf Rosse und hoffen auf Wagen, weil ihrer viele sind und fragen nichts nach dem Herrn!« – Jesaja 31,1

»Der Herr ist reich für alle, die ihn anrufen.« – Römer 10,12

gez. Langhoff | Vorsitzender

  1. Zum nächsten Dokument Verhinderte Ausschleusung einer DDR-Bürgerin durch einen Bürger Costa Ricas

    27. Mai 1981
    Information Nr. 271/81 über die verhinderte Ausschleusung einer Bürgerin der DDR durch einen Bürger der Republik Costa Rica am 26. Mai 1981

  2. Zum vorherigen Dokument Losungen gegen die Volkskammerwahlen in Oelsnitz

    25. Mai 1981
    Information Nr. 269/81 über die Aufklärung eines Vorkommnisses der staatsfeindlichen Hetze in Oelsnitz/Vogtland, Bezirk Karl-Marx-Stadt