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Aufenthalt von Erhard Eppler und Helmut Simon in der DDR

[ohne Datum]
Information Nr. 252/82 über den Aufenthalt von Dr. Erhard Eppler und Dr. Helmut Simon in der DDR

[Faksimile von Bearbeitungsvermerk]

Nach dem MfS vorliegenden Hinweisen hielten sich Dr. phil. Eppler, Erhard1 (56), Präsident des »Deutschen Evangelischen Kirchentages« der BRD, Mitglied des Präsidiums des SPD-Parteivorstandes, SPD-Bundestagsabgeordneter, und Dr. jur. Simon, Helmut2 (60), ehemaliger Präsident des »Deutschen Evangelischen Kirchentages« der BRD, Präsidiumsmitglied des »Deutschen Evangelischen Kirchentages« der BRD, Richter beim Bundesverfassungsgericht vom 6. bis 8. Mai 1982 in der DDR auf.

Die Übernachtungen erfolgten im Interhotel Potsdam. Dr. Simon wurde von seiner Ehefrau begleitet.

Die Einreisen von Eppler und Ehepaar Simon waren ordnungsgemäß vom Konsistorialpräsidenten der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Stolpe,3 bei den zuständigen Organen der DDR für den Zeitraum vom 6. bis 8. Mai 1982 nach Potsdam beantragt worden.

Im Zusammenhang mit dem Aufenthalt von Eppler und Simon hielten sich drei weitere BRD- und vier DDR-Bürger im Interhotel Potsdam auf. (Eine Übersicht über diese Personen wird in der Anlage beigefügt.)

Weitere Feststellungen ergaben, dass sich Konsistorialpräsident Stolpe und vorgenannte Personen am 6. und 7. Mai 1982 überwiegend im Gebäude des kirchlichen Altersheimes Potsdam, Eisenhardtstraße, aufhielten. (Die Ausreisen von Eppler und Simon erfolgten am 8. Mai 1982.)

Streng vertraulichen Hinweisen zufolge wurden während der von diesem Kreis geführten Gespräche u. a. folgende Probleme erörtert:

Zunächst beinhalteten die Gespräche Gestaltungs- und Verfahrensfragen zur Durchführung sowohl des 1983 in Hannover/BRD stattfindenden Kirchentages der »Evangelischen Kirche in Deutschland«4EKD«)/BRD sowie der 1983 in der DDR im Zusammenhang mit der Durchführung der Luther-Feierlichkeiten5 stattfindenden Kirchentagskongresse.

Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang vorliegende interne Hinweise, wonach sich der genannte Personenkreis aus der BRD und der DDR unmittelbar mit der Vorbereitung dieser Veranstaltungen befasst.

Im Verlaufe der Beratungen wurden theologische und ethische Überlegungen im Hinblick auf die Durchführung der Kirchentage angestellt. Betont wurde, Überschneidungen bei der Einladung von internationalen ökumenischen Gästen sollten vermieden werden. Zur Gestaltung der Kirchentage/Kirchentagskongresse ist vorgesehen, Arbeitsgruppen zu bilden, die sich sowohl mit theologischen Problemen als auch mit Friedensfragen und dem Engagement der Kirchen in Friedensfragen befassen. Des Weiteren sollen sogenannte Podiumsdiskussionen und andere vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten in den Ablauf der Kirchentage einbezogen werden. Für die Kirchentage wird mit einer großen Anzahl jugendlicher Teilnehmer gerechnet. Der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR beabsichtigt, wie bereits in den vergangenen Jahren, mit einer Delegation den Kirchentag in Hannover zu besuchen. Umgekehrt wird die »EKD« Gäste zu den Kirchentagskongressen in der DDR entsenden. Namentliche Festlegungen wurden nicht getroffen.

Im Zusammenhang mit den Erörterungen des kirchlichen Engagements zu den Fragen der Erhaltung des Friedens machte Eppler längere Ausführungen. Er hob hervor, dass die Friedensfragen beim Kirchentag in Hannover als auch bei den Kirchentagskongressen in der DDR im Vordergrund stehen müssten, wobei er davon ausging, dass die sich in der BRD und den anderen Ländern West- und Nordeuropas entwickelnde Friedensbewegung erst am Anfang stehen würde. Er sehe gegenwärtig keine größere Kraft als diese Friedensbewegung, die sich entschieden gegen die NATO-Hochrüstung, aber auch für eine allgemeine Abrüstung, für ein atomwaffenfreies Europa einsetze. Keine Partei und keine andere politische Gruppierung könne solche Potenzen im Friedenskampf nachweisen und entwickeln als die unabhängige Friedensbewegung.

Eppler ging davon aus, dass die Friedensbewegung in den USA erst am Anfang ihrer Entwicklung steht und von Westeuropa aus auf diese Entwicklung starke Impulse ausgehen müssen.

Eppler schätzte ein, dass Reagan6 außenpolitische Aktivitäten entwickelt, um von der innenpolitischen Krise der USA, von ihrer Instabilität, von der Arbeitslosigkeit u. a. abzulenken. Von Reagan seien weitere innen- und außenpolitisch sich verschärfende Maßnahmen zu erwarten. »Immer wann Reagan es passe, sei die Sowjetunion sein Hauptangriffspunkt.« Dazu wäre ihm jedes Mittel recht. Das erfolge geschickt und mit verdeckten Maßnahmen. Reagan besitze eine Mannschaft, einen Trust, der nicht nur Meinungen manipuliere, sondern auch jede Argumentation vorher auslote. Eppler vertrete daher den Standpunkt, dass er als dem linken Flügel der SPD zugehörender Politiker alle Kräfte mobilisieren müsste, die sich dieser friedensgefährdenden Politik der USA entgegenstellen. Er beurteile die Friedensbewegung als eine Möglichkeit, durch Massenbasis langanhaltende und entscheidende Wirkungen zu erzielen. Aus diesen Gründen erwarte er von der DDR »kein Nachmachen«, aber auch kein Entgegenwirken.

Die in der DDR gestalteten »Aktionen« des Staates gegen die Symbole »Schwerter zu Pflugscharen«,7 »Frieden schaffen ohne Waffen«8 seien »ungeeignet« und würden die Friedenskräfte »diskriminieren«.

Die Regierungen der sozialistischen Länder sollten eigene Vorstellungen für den Friedenskampf entwickeln, die der Gesellschaftsordnung angepasst sind, da andere Bedingungen und andere Situationen vorhanden seien. Er erwarte von den Regierungen der sozialistischen Länder aber mehr Offenheit und eigene Leistungen bzw. Vorhaben im Friedenskampf.

Eppler äußerte weiter, seine Haltung im Friedenskampf erfahre Unterstützung durch Politiker der Sowjetunion, wobei er die Namen der Genossen Semjonow9 und Falin10 nannte.

In der Erörterung der Friedensproblematik und des Engagements der Kirchen dazu wurde von den Vertretern der DDR zum Ausdruck gebracht, dass innerkirchlich auch in Zukunft beabsichtigt sei, an den bekannten kirchlichen Symbolen festzuhalten. Es bestände jedoch auch Übereinstimmung darin, dass einem Missbrauch der kirchlichen Friedensarbeit durch artfremde Aktivitäten und Personen, die der Kirche nicht nahestehen, entgegengetreten werden müsste.

Der Staatssekretär für Kirchenfragen der DDR, Genosse Gysi,11 führte am 7. Mai 1982 mit Eppler und Simon, die von Stolpe begleitet wurden, ein zweistündiges Gespräch.

In einer darauffolgenden ersten Auswertung dieser Begegnung im individuellen internen Kreis, vorwiegend der kirchlicherseits an dieser Aussprache beteiligten Personen, wurde von Eppler die Gesprächsrunde als positiv bewertet. Eppler betonte, er habe von den Möglichkeiten der Kirche, in der DDR wirksam zu werden, andere Vorstellungen gehabt und sei überrascht, wie vielfältig sich das kirchliche Leben gestalten könne. Eppler brachte zum Ausdruck, er sei bereit, auch mit anderen Politikern der DDR, eventuell sogar mit einem Mitglied des Politbüros des ZK der SED, zu einem Gespräch zusammenzutreffen. Bisher habe er darum jedoch nicht nachgesucht.

Nach dem Gespräch beim Staatssekretär für Kirchenfragen der DDR, Genossen Gysi, begab sich Eppler nach 1120 Berlin, Parkstraße 21, Stephanusstift, und traf dort in der Zeit von 15.00 Uhr bis 18.10 Uhr nach bisherigen Feststellungen mit nachfolgenden Personen aus der DDR zu einem Gespräch zusammen:

  • Oberkonsistorialrat Achim Giering12

  • Evangelisches Konsistorium Berlin-Brandenburg

  • Oberkonsistorialrat Johannes Althausen13

  • Evangelisches Konsistorium Berlin-Brandenburg

  • Oberkirchenrat Gerhard Kopp14

  • Evangelisches Konsistorium Berlin-Brandenburg

  • Pfarrer Rolf-Dieter Günther15

  • Leiter der Presseabteilung beim Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR

In den Abendstunden des 7. Mai 1982 hielten sich Eppler und Simon in der Wohnung von Stolpe/Potsdam auf. An dieser Zusammenkunft nahm auch der amtierende Leiter der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR, Hellbeck,16 teil.

Internen Hinweisen zufolge wurde dort das Gespräch beim Staatssekretär für Kirchenfragen, Genossen Gysi, ebenfalls erörtert und positiv beurteilt. Hellbeck ließ sich ausführlich über die vorgesehenen sieben Kirchentagskongresse, die 1983 in der DDR stattfinden, informieren. Weitere politisch bedeutsame Fragen wurden jedoch während dieser Zusammenkunft nicht erörtert.

Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.

Anlage zur Information Nr. 252/82

[Besucher des Interhotels Potsdam während des Aufenthalts von Eppler und Simon]

BRD-Bürger

  • Dr. Wolf, Carola (51), 6400 Fulda, Pressereferent des »Deutschen Evangelischen Kirchentages«

  • Dr. Luhmann, Hans-Jochen17 (36), 6400 Fulda, Studienleiter beim »Deutschen Evangelischen Kirchentag«

  • Reblin, Klaus18 (59), 2000 Hamburg, Generalsekretär des »Deutschen Evangelischen Kirchentages«

DDR-Bürger

  • Schröder, Otto (61), 2801 Alt-Jabel, Vorsitzender des Evangelischen Kirchentagskongresses in der DDR

  • Schönherr, Annemarie (50), Dahlwitz-Hoppegarten, Pastorin (Ehefrau Bischof i. R. Schönherr)

  • Peter, Hans-Detlef (40), 1120 Berlin, Angestellter beim Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR

  • Dr. Opitz, Bernhard (46), 4600 Wittenberg, Arzt, Synodaler

  • Mäurich, Christa19 (55), 8030 Dresden, Synodale des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, Mitglied des Vorbereitungskomitees des Kirchentages

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    20. Mai 1982
    Information Nr. 253/82 über die Entwicklung der Einnahmen aus der Durchführung des verbindlichen Mindestumtausches für die Zeit vom 10. Mai 1982 bis 16. Mai 1982

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    14. Mai 1982
    Information Nr. 251/82 über die 80. Klausurtagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen (KKL) am 7. und 8. 5. 1982 in Berlin